Mit Komplexität und Ambiguität umgehen zu können, gehört für Springer-Autorin Sonja Sackmann zu den wichtigsten Leadership-Kompetenzen der Zukunft. Worauf es noch ankommt, sagt sie im Interview.
Was sind die wichtigsten künftigen Herausforderungen, mit denen Führungskräfte umgehen können müssen?
Die aktuellen und künftigen Herausforderungen für Führungskräfte lassen sich mit dem Akronym VUKA charakterisieren: Die technologischen, politischen und damit auch wirtschaftlichen Entwicklungen tragen zu einem Umfeld für Unternehmen bei, das volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig ist. Dies erfordert von Führungskräften und Organisationen Flexibilität und Agilität. Dennoch müssen Führungskräfte für ihre Mitarbeiter ein Arbeitsumfeld bieten, das für diese eine gewisse Sicherheit und Planbarkeit für ihr Agieren bietet. Weitere Herausforderungen liegen in der demografischen Entwicklung sowie gesellschaftlichen Veränderungen. Aufgrund der Demografie stehen weniger potenzielle Mitarbeitende auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Damit wird die Gewinnung von Mitarbeitern zur Herausforderung.
Zudem sind die jüngeren Generationen von anderen Werten und damit auch anderen Erwartungen an Unternehmen, Arbeit und Führung geprägt. Dies erfordert von Führungskräften einerseits die Fähigkeit, mit verschiedenen Generationen und der daraus resultierenden Multikulturalität umgehen zu können. Anderseits wird die Art der Führung wichtiger, um Mitarbeiter im Unternehmen halten zu können. Gerade die Generationen Y und Z sind eher egalitäre Strukturen gewohnt und erwarten diese – zu einer sinnvollen Arbeit – auch am Arbeitsplatz. Auch die Digitalisierung stellt Führungskräfte vor neue Herausforderungen.
Welche Fähigkeiten oder Qualifikationen sind beispielsweise nötig, um die immer schneller hereinbrechenden Veränderungen in den Griff zu bekommen?
Dafür braucht es Flexibilität, Agilität, die Fähigkeit mit Komplexität und Ambiguität umgehen zu können, digitale wie auch interkulturelle und vor allem Leadership-Kompetenzen. So haben die Ergebnisse unserer Change-Fitness-Befragungen gezeigt, dass gerade in Deutschland Führungskräfte nach wie vor eher sachorientiert agieren und dabei die Mitarbeiterführung vernachlässigen. In Zeiten des Wandels und den aufgezeigten Entwicklungen ist es jedoch wichtig, die Beschäftigten mit einzubeziehen, gemeinsam ein Zukunftsbild zu entwickeln, das hilft, auch in der Unsicherheit eines Veränderungsprozesses gemeinsam in die gleiche Richtung hin zu arbeiten bei offener, direkter und wertschätzender Kommunikation.
Wie verändern sich die Prioritäten beim Thema Gesundheit?
Das Gesundheitsbewusstsein hat in den letzten Jahren bei vielen Menschen und vor allem auch bei der jüngeren Generation zugenommen. Dennoch zeigen aktuelle Zahlen, dass sich psychische Probleme in den letzten 20 Jahren verdreifacht haben. Dies bedeutet, dass Führungskräfte in diesem Bereich eine neue Sensibilität und Achtsamkeit gegenüber ihren Mitarbeitern benötigen. Aufgrund von Arbeitsverdichtung und ständiger Erreichbarkeit – auch im Privatleben – sind die Stress- und damit auch die Burnout-Gefährdung gewachsen. Daher sollten Führungskräfte und Organisationen ein Arbeitsumfeld bieten, das nicht unnötig Stress provoziert mit entsprechend ergonomischen Arbeitsplätzen und gesundem Essen, falls es eine Firmenkantine gibt.
Der Fachkräftemangel wirft die Frage auf, ob das heutige Personalmanagement noch zeitgemäß ist. Wie müssen Führungskräfte hier die Weichen neu stellen?
Der Fachkräftemangel ist primär ein demografisches sowie ein Ausbildungsproblem. Was das Personalmanagement betrifft, so sollte es als Servicebereich die schon lang geforderte strategischere Rolle einnehmen, die auch von den Führungskräften akzeptiert und eingefordert wird. Dies bedeutet, dass es – wie die gesamte Organisation – nicht nur reagiert sondern agil und flexibel agiert und die Führungskräfte bei ihrer Führungsarbeit, die auch die Entwicklung der Organisation beinhaltet, unterstützt. Hierzu gehören auch Weiterbildungsmöglichkeiten für Führungskräfte, die häufig meinen, sie seien fit genug um mit all den Herausforderungen qualifiziert umgehen zu können.
Studien zeigen, dass immer weniger junge Menschen Führungsverantwortung übernehmen wollen. Bei dem Aufgabenpaket, das Sie beschreiben, wundert das einen fast nicht. Was müssen Unternehmen tun, damit Führungspositionen in der VUKA-Welt für den Nachwuchs attraktiv sind?
Die Generation Y und speziell die Generation Z sind weniger an Macht und Karriere als vielmehr an sinnvoller, spannender Arbeit sowie sinnvollen Themen und Zielen interessiert. Zudem wollen sie eine adäquate Life-Balance. Damit stellt sich die Frage, wie sich Organisationen mit ihren Strukturen und ihrer Unternehmenskultur verändern, damit sie erstens für Nachwuchskräfte überhaupt interessant sind und zweitens diese dann bereit sind, auch Führungsverantwortung übernehmen zu wollen. In solch künftigen beziehungsweise modernen Organisationsformen kann Führungsverantwortung durchaus flexibler wahrgenommen werden, indem Führungsrollen etwa auf Zeit und wechselseitig übernommen werden. Auch werden die Strukturen egalitärer sein, und die flexiblere Handhabung von Arbeitszeit und Arbeitsort wird eine bessere Life-Balance ermöglichen.