10-05-2022 | Leichtbau | Im Fokus | Article
Sandwich-Wabenkerne können noch leichter werden
Sandwichmaterialien mit Wabenkernen sind extrem leicht und belastbar. Einerseits etabliert im Bau von Flugzeugen, Zügen oder Schiffen, besteht andererseits noch Entwicklungspotenzial bei Werkstoff und Herstellungskosten.
Das Original: die Bienenwabe. Doch auch in Hölzern, Käferschalen oder Hirschgeweihen bewährt sich das Bauprinzip Wabe.
Aleksandr Rybalko | stock.adobe.com
Zwei feste Platten, verklebt mit einem dazwischenliegenden leichten Werkstoff – viel mehr braucht es nicht, um leistungsfähigste Leichtbauwerkstoffe herzustellen. Bernd Klein und Thomas Gänsicke bringen es im Kapitel Sandwichelemente des Buchs Leichtbau-Konstruktion so auf den Punkt: "Jede noch so differenzierte Blechbauweise kann hinsichtlich einer Eigengewichtsoptimierung durch das Verbundprinzip übertroffen werden." Mit einer Vielzahl an Materialkombinationen können Ingenieurinnen und Ingenieure Sandwichmaterialien auf unterschiedliche Anwendungszwecke auslegen: Deckmaterialien aus Stahl-, Aluminium- oder Faserverbundwerkstoffen lassen sich beliebig mit Kunststoff- oder Aluminiumschäumen oder -strukturkernen zusammenfügen.
Ein Bauprinzip ragt dabei allerdings heraus: die Wabe als Kernmaterial. Aus Papier, Metall oder Kunststoff zu Hexagonen, Dreiecken oder Kreisen geformt weisen sie gewichtsbezogene mechanische Eigenschaften weit jenseits der Möglichkeiten geschäumter Kernmaterialien auf.
Wabenkerne deutlich belastbarer als Schäume
Bei gleicher Dichte liegen die E-Module von Papierhonigwaben – also Waben in Hexagonalform – um das 20- bis 80-fache über jenen von Kunststoffschäumen, bei Aluminiumwaben sogar um das 25- bis 100-fache. Auch die Gleitmodule von Schaum- und Wabenkernen unterscheiden sich um Größenordnungen. Je höher die Dichte der verglichenen Kernmaterialien ist, desto stärker prägt sich die Überlegenheit der Wabenkerne aus. Nachteilig ist jedoch, dass Waben für den Verbund weniger Klebfläche bieten als die flächig verbundenen Schäume.
Zum Einsatz kommen Sandwichverbunde mit Wabenkernen, wo extrem leichte Materialien mit herausragenden mechanischen Eigenschaften gebraucht werden. Im Kapitel Anwendungsgebiete neuer Werkstoffe des Buchs Aktuelle Werkstoffe beschreiben Hansgeorg Hofmann und Jürgen Spindler etwa den Einsatz beim Bau von Schienenfahrzeugen. Sandwichbauteile aus Aluminiumwabenkernen mit einer kohlenstofffaserverstärkten PEEK-Beplankung dienen dabei als Seitwandelemente, wobei das unter dem Markennamen Arlon 1263 bekannte Material in das Wagenkastengerippe aus Baustahl integriert wird.
Auch im Schiffbau setzen sich Hofmann und Spindler zufolge Sandwichmaterialien allmählich durch, etwa im Bereich von Schiffsdecks oder Laderäumen. Dabei kommen zum Beispiel mit Phenolharz getränkte Aramidwaben – bekannt unter dem Markennamen Nomex – mit Decklagen aus glasfaser- oder kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff zum Einsatz. Daneben bietet auch der Automobilbau Anwendungsmöglichkeiten, etwa im Bereich von Bodenmodulen wie beim BMW-Modell i3.
Composite- konkurrieren mit traditionellen Waben
Laut Wei Xing Yu vom Harbin Institute of Technology in China sind für lasttragende Strukturen in erster Linie Aluminium- und Nomexwaben die Materialien der Wahl. Allerdings werde seit einigen Jahren immer stärker erwogen, diese traditionellen Wabenmaterialien durch Waben aus Faserverbundwerkstoffen zu ersetzen. Sie verfügen über eine noch höhere spezifische Steifigkeit und Festigkeit sowie über exzellente Ermüdungs-, Korrosions- und Hochtemperaturwiderstandsfähigkeit, wie die Autoren um Wei im Beitrag New advances in fiber-reinforced composite honeycomb materials schreiben. Neue Anwendungen könnten sich damit beispielsweise im Bereich von Brückendecks, Raketentanks oder Satelliten, aber auch in der Tarnkappentechnik ergeben.
Dennoch sieht Wei auch im Bereich von faserverstärkten Wabenstrukturen weiteren Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Allen voran hemmen die hohen Herstellkosten den breiteren Einsatz. Abhilfe könnte eine weitere Automatisierung des 3D-Drucks oder von Falttechniken in der Wabenfertigung schaffen. Daneben bedürfe es der Entwicklung schnellaushärtender faserverstärkter Thermoplaste, um die Produktionsgeschwindigkeit zu erhöhen. Ein weiteres Problem sei, dass Kern- oder Debondingschäden im Materialverbund bislang kaum mit zerstörungsfreien Prüfverfahren entdeckt werden können. Auch hier bedürfe es neuer Verfahren.
Hohe Steifigkeit auch bei gewölbten Oberflächen
Optimierungspotenzial liege zudem in der Entwicklung von Sandwichstrukturen mit gewölbten Oberflächen, wie sie beispielsweise im Bereich von Flugzeugtragflächen, Rotorblättern für Windenergieanlagen oder der Fahrzeugaußenhaut benötigt werden. Faserverstärkte Waben bieten Wei zufolge hier mehr Freiheitsgrade als traditionelle Wabenkernmaterialien, insbesondere was die mechanischen Eigenschaften in der Bauteilebene sowie die Biegesteifigkeit der Sandwichverbunde angehe.
Ein weiteres, bislang noch zu wenig erschlossenes Feld sind Wei zufolge die Ermüdungseigenschaften und das Recycling von faserverstärkten Sandwichmaterialien mit Wabenkern. Der Einsatz von Naturfasern wie Flax sowie der Einsatz von thermoplastischen anstelle von duroplastischen Matrixmaterialien böten hinsichtlich einer Kreislaufwirtschaft einen vielversprechenden Ansatz.