Lieferketten sollten in Unternehmen bisher vor allem effizient sein. Doch durch die globalen Engpässe wird nun vor allem eine Lösung gesucht, Supply Chains widerstandsfähiger zu machen. Eine wichtige Schlüsselrolle übernimmt das Controlling.
Die Folgen der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg hinterlassen wirtschaftliche Spuren: Steigende Kosten und Schwierigkeiten bei den Lieferketten sind für die deutsche Wirtschaft derzeit eine starke Belastung. Das bestätigt auch die Umfrage Nachhaltigkeit im Einkauf", für die im Auftrag des des Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) über 200 Teilnehmer ihre Einschätzung abgaben. Der zufolge haben die Sicherung der Lieferketten (83 Prozent) und der stark gestiegene Kostendruck (72 Prozent) aktuell die höchste Priorität in Unternehmen. Das Thema Nachhaltigkeit gerat dabei zwar etwas aus dem Fokus, wird aber weiterhin als wichtig betrachtet.
Der Kostenfaktor sorgt in dieser Gemengelage bei vielen Chief Financial Officers (CFO) für Kopfzerbrechen. Dringend gefragt sind gute Finanzierungslösungen - auch im Zusammenhang mit der Supply Chain. Ein Ansatzpunkt liegt im Working Capital Management, wie der Beitrag "Supply-Chain-Finanzierung in Krisensituationen" von Jens Wiedra, Michel Charifzadeh und Tim Alexander Herberger in der Zeitschrift "Controlling & Management Review" (Ausgabe 4 | 2022) zeigt. Den Autoren zufolge können beispielsweise das sogenannte Reverse Factoring oder auch Beschaffungsleasing die Liquidität eines Unternehmens kurzfristig steigern.
Komplexe Lieferketten extrem anfällig
Bisher wurden Lieferketten vor allem auf Effizienz getrimmt. Doch je länger Unternehmen auf die Lieferung von Waren und Materialien warten müssen, desto mehr leidet das Geschäft. Eine Problematik, mit der sich Hartmut Werner in seinem Beitrag "Supply Chains resilienter aufstellen" in der Zeitschrift "Controlling & Management Review" (Ausgabe 5 | 2022) auseinandersetzt.
Der Autor stellt fest, dass Lieferketten nicht nur komplexe Gebilde sind, für die Material über Tausende von Kilometern beschafft wird. Er verweist auch darauf, dass die Lagerbestände auf ein Minimum heruntergefahren und die Produktionsprozesse in Niedriglohnländer ausgelagert wurden. In Zeiten von Lieferschwierigkeiten rächt sich diese Entwicklung nun erheblich: "Dadurch sind Supply Chains sehr anfällig für Störungen geworden, wie die COVID-19-Pandemie schonungslos offengelegt hat."
Resilienz und Effizienz ausbalancieren
Durch Preissteigerungen, Produktionsausfälle, fehlende Transportmittel oder Lieferengpässe stellt Unternehmen nun vor erhebliche Planungsschwierigkeiten im Supply Chain Management. Doch kurzfristige Lösungen bieten sich nicht auf den ersten Blick an. Um Lieferketten resilienter aufzustellen, liegt ein wesentlicher Lösungsansatz im Controlling.
So spricht sich Werner unter anderem für mehr Transparenz in den Prozessen aus. Controller sollten dabei als Berater für das Management fungieren. Wichtig ist auch die technologische Unterstützung. Wer Daten in Echtzeit erheben kann, ist im Vorteil und kann schnell Verbesserungsmaßnahmen ergreifen. Dabei muss ein Plus an Resilienz nicht zwangsläufig auf Kosten der Effizienz gehen:
Um die richtige Balance zwischen Effizienz und Resilienz zu finden, sollte das Controlling die Wettbewerbsfaktoren Kosten, Zeit, Qualität, Agilität, Service, Information, Innovation und Nachhaltigkeit austarieren."
Robuste Supply Chain gibt es nicht zum Nulltarif
Durch Kennzahlen kann das Controlling diese Faktoren bewerten. Einige stellt der Autor beispielhaft wie folgt dar:
Werner zeigt, dass das Controlling Maßnahmen ergreifen kann, die Prozesse der Supply Chains transparent und robuster aufzustellen. Allerdings betont der Autor auch: "Unternehmen erlangen Resilienz nicht zum Nulltarif. Das Geld zur Verbesserung von Supply-Chain-Robustheit ist aber gut angelegt. Investitionen zur Schaffung von Resilienz sind häufig günstiger als die Einleitung von Maßnahmen zur Störungsbeseitigung."