Individualisierte Zustellung, neue Technologien und Nachhaltigkeit: Wie wird die Paketzustellung im Jahr 2040 aussehen? Eine aktuelle Delphi-Studie gibt Antworten.
Der Onlinehandel boomt und verzeichnet seit Jahren steigende Umsatzzahlen – nicht zuletzt durch die Corona-Krise. Dabei ist die Zustellung dieser Pakete nicht trivial: Für Logistikdienstleister ist vor allem die Last-Mile Delivery, also die finale Etappe, bei der die Waren vom letzten Logistikhub bis zum Endkunden ausgeliefert werden, teuer und oft am schwersten umzusetzen. So fallen mehr als 50 % der Kosten bei der Paketlieferung auf der letzten Meile an, wie Forschende der Bergischen Universität Wuppertal und TU Wien im Buchkapitel Zustellroboter als Lösung für die letzte Meile in der Stadt?angeben. Gleichzeitig sollten Lieferwagen keine Innenstädte verstopfen, keine Sicherheitsprobleme auf Straßen und Gehwegen verursachen und eine Zustellung so umweltfreundlich wie möglich erfolgen.
Wie sich diese Herausforderungen voraussichtlich bis zum Jahr 2040 lösen lassen, zeigt eine Delphi-Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management. Im Rahmen dieser Studie haben Experten aus verschiedenen Branchen ihre Einschätzungen dazu abgegeben, welche Entwicklungen in Zukunft wahrscheinlich eintreten werden.
Kundenwünsche und Nachhaltigkeit von zentraler Bedeutung
Den Kunden ist die Zustellung auf der letzten Meile wichtig, weil sie bequem und flexibel ist. Daher verwundert es nicht, dass die Studie zu dem Schluss kommt, dass im Jahr 2040 für die Kunden vor allem Flexibilität im Vordergrund stehen dürfte. Wahrscheinlich sei, dass sie sich individuelle Zustelloptionen wünschen werden, die sich ihrem Alltag anpassen, und bereit seien, zu diesem Zweck persönliche Daten preiszugeben. "Logistikdienstleister tun also gut daran, schon jetzt ihre Serviceangebote zu erweitern, um sich auf individuelle Wünsche einzustellen", so die Studie.
Außerdem sollten Lieferanten Wert auf eine möglichst umweltfreundliche Lieferung legen, was sich jedoch nicht immer mit individuellen Konsumbedürfnissen in Einklang bringen lässt. Darauf weisen die Springer-Autoren Patrick Klein und Bastian Popp hin: Die Ausrichtung der letzten Meile auf Nachhaltigkeit könne zwar von Unternehmen initiiert werden, allerdings müssten die Konsumenten einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung eines nachhaltigeren Warenübergangs leisten, wie es im Buchkapitel Nachhaltigkeit im E-Commerce: Die letzte Meile aus Konsumentensicht steht. So geben Konsumenten den Anstoß im Bestellprozess, entscheiden über die Warenkorbgröße und wählen in der Regel die Zustelloption selbst aus. Hierbei hat zum Beispiel die Heimlieferung innerhalb des E-Commerce eine schlechtere Ökobilanz als die Lieferung an Paketstationen. Zudem können Konsumenten die Nachhaltigkeit einzelner Zustellvarianten signifikant negativ beeinflussen, indem sie etwa für fehlgeschlagene Zustellversuche verantwortlich sind.
Nachhaltige Transportfahrzeuge
Die WHU-Studie geht davon aus, dass Nachhaltigkeit in Zukunft ein nicht mehr wegzudenkender Faktor bei der letzten Meile der Zustellung sein wird – auch, was die Transportfahrzeuge anbelangt. "Als Lieferwagen werden bis 2040 voraussichtlich ausschließlich E-Fahrzeuge genutzt, die mit nachhaltig erzeugtem Strom fahren", heißt es. Außerdem so die Experten, sollen in Innenstädten verstärkt Lastenräder zum Einsatz kommen.
Lastenräder sind in ihrer technologischen Entwicklung "bereits wettbewerbsfähig mit den konventionellen kleinen Nutzfahrzeugen", so Springer-Autor Hartwig Bippus im Kapitel Eine Alternative im öffentlichen Warennahverkehr: elektronische Lastenräder und Hub-Lösungen des Buchs Smart City – Made in Germany. Bei einer durchschnittlichen Reichweite von bis zu 65 km könnten heute theoretisch bis zu 50 % aller Waren in europäischen Städten mit solchen Lastenrädern transportiert werden. Auch seien Lieferungen in Palettengröße bei einer Zuladung von bis zu 300 kg (dies entspricht 1,5 m3) kein Problem mehr.
Paketstation statt Roboter
Dass neue Technologien die klassischen Zustellungsmöglichkeiten vollständig ersetzen, sei nicht abzusehen, so die Experten der Studie. Es gebe zwar Verwendungsmöglichkeiten für Drohnen und Roboter, doch blieben diese eingeschränkt. "Es wird davon ausgegangen, dass Drohnen zum Beispiel besser in ländlichen Regionen eingesetzt werden können als in Innenstädten. Und Roboter, die nur einen begrenzten Radius haben, werden wahrscheinlich eher in campusähnlichen Strukturen zum Einsatz kommen", heißt es. Genauso sieht es Bert Leerkamp von der Bergischen Universität Wuppertal: "Im Bereich der 'Massenverkehre', also der Paketzustellung in Verdichtungsräumen, wird die Zustellung durch Menschen weiter die Regel bleiben, weil sie wirtschaftlicher ist", wie er im Interview am Endes des Buchkapitels Zustellroboter als Lösung für die letzte Meile in der Stadt? erklärt. In sehr dünn besiedelten Räumen könne Leerkamp sich automatisierte beziehungsweise autonome Systeme (land- oder luftgestützt) in Sondersituationen vorstellen.
Die Experten, die für die WHU-Studie befragt wurden, gehen davon aus, dass das Modell der Zukunft Paketstationen sind: "Ein gut ausgebautes Netzwerk an stationären Paketstation – ergänzt durch autonom fahrende Packstationen – erlaubt Logistikdienstleistern, auf die Wünsche ihrer Kunden einzugehen", so die Studie. Die Stationen könnten flexibel beliefert werden, auch nachts, was zur Entspannung der Verkehrslage in Innenstädten beitragen könne. Deshalb sei es für Logistiker und E-Commerce-Unternehmen schon heute sinnvoll, in den Ausbau zu investieren.
Nicht alles neu und anders
Im Jahr 2040 wird die Last-Mile Delivery nicht komplett anders sein, resümiert die WHU-Studie. "Bewährte Zustellwege bleiben sehr wahrscheinlich bestehen, allerdings mit Augenmerk auf Umweltfreundlichkeit", heißt es. Was sich ändern wird, sei, dass der Sektor durch neue Technologien und dem Trend zur individualisierten Zustellung stärker segmentiert wird: "Je nach Waren, Kundenwünschen und Liefergebiet werden sich unterschiedliche Zustellarten etablieren".