Endlose Baustellen auf den Autobahnen oder Containerstau in den Seehäfen: Die Transportwege halten für deutsche Unternehmen einige böse Überraschungen bereit. Diese torpedieren ihre Geschäfte, insbesondere durch eine schlechte Straßeninfrastruktur.
Gestörte Lieferketten rund um den Globus sind seit der Corona-Pandemie quasi alltäglich. Doch die Probleme entstehen nicht bloß im entfernten Indien oder in der Ukraine. Sie beginnen offenbar bereits auf deutschen Straßen. Dies zeigen die IW-Trends 4/2022, für die das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln im Sommer 2022 rund 1.760 Unternehmen des Industrie-Dienstleistungsverbunds befragt hat. Die Analyse wurde nach 2013 und 2018 zum dritten mal durchgeführt.
Demnach fühlt sich die deutsche Wirtschaft durch die Infrastrukturprobleme ausgebremst. 80 Prozent der Unternehmen beklagen, dadurch in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt zu sein. Das sind über 20 Prozentpunkte mehr als noch 2013. Insbesondere Firmen in Nordrhein-Westfalen monieren, dass der Zustand von Straßen und Brücken ihre Geschäfte trübe (83 Prozent). Aber auch Ostdeutschland und Baden-Württemberg sind besonders von gestörten Wegenetzen betroffen.
Unzuverlässiger Schiffsverkehr stört Lieferketten
Neben der Straßenlogistik sorgt 2022 insbesondere der Schiffsverkehr für Unmut. So geben 42 Prozent der Befragten an, dass Wasserstraßen und Häfen nicht reibungslos nutzbar sind. Im Jahr 2018 waren es im Vergleich dazu lediglich 15 Prozent. Die Studienautoren erklären diesen deutlichen Anstieg mit dem Niedrigwasser des Rheins, das die Binnenschifffahrt gelähmt habe und der Seeschifffahrt, die mit ihrer Unzuverlässigkeit und dem Containerstau in großen Häfen die internationalen Lieferketten massiv gestört habe. Auch im Luftverkehr stieg der Anteil der Befragten, die von Behinderungen sprechen, von 19 auf 33 Prozent und erreicht somit in etwa das Niveau des Schienenverkehrs.
Besonders betroffen durch unzureichende Straßennetze, Ausfälle im Zug- oder Schiffsverkehr sind größere Firmen, ergibt die Analyse. Während 21 Prozent der Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigen über deutliche Beeinträchtigungen klagen, beläuft sich ihr Anteil in Betrieben mit bis zu 49 Mitarbeitenden auf 22 Prozent. In Firmen mit bis zu 249 Beschäftigten sehen 28 Prozent der Befragten deutliche Behinderungen, ab einer Belegschaftsgröße von 250 Beschäftigten sprechen sogar 35 Prozent davon, durch verkehrslogistische Probleme gehemmt zu werden.
Doch an zweiter Stelle der Problemhierarchie liegt nach dem Straßenverkehr die Energieversorgung. Hier steigt der Anteil der Unternehmen, die dadurch ihre Geschäftsabläufe gestört sehen gegenüber der Befragung im Jahr 2018 um 22 Prozentpunkte. Gleichzeitig wächst die Zahl der gering beeinträchtigten Betriebe um zwölf Prozentpunkte an. Während 67,5 Prozent der größeren Unternehmen durch Mängel bei der Energieversorgung (gering und stark) beschränkt werden, sind es bei den Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern rund 47 Prozent.
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur kommt nicht voran
Die kritischen Stimmen mehren sich, dass die Merkel-Regierung die wirtschaftlich guten Jahre nicht genutzt habe, um in den Straßen-, Brücken- oder Schienenausbau zu investieren. Zwar fließt seit 2015 wieder mehr Geld vom Bund dafür. Aber die Summen reichten nicht aus, um die Verkehrsinfrastruktur richtig nach vorne zu bringen, da die Investitionen durch die steigenden Baupreise aufgezehrt werden, heißt es in der IW-Studienzusammenfassung. Zudem sorgen der Fachkräftemangel sowie das ausufernde deutsche Planungsrecht für einen Entwicklungsstau.
"Damit die deutsche Infrastruktur wieder auf die richtige Spur kommt, muss die Bundesregierung ihre Anstrengungen deutlich verstärken", sagt IW-Experte Thomas Puls. Dafür brauche es deutlich mehr Geld für Straßen, Schienen und Häfen. Aber auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Beschleunigung von Planungsprozessen müsse umgesetzt werden. "Viel zu oft bleiben Infrastrukturprojekte im bürokratischen Fahrwasser stecken." Dabei gemahne die Lage zur Eile.