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23-06-2014 | Luft | Interview | Article

Chance für Fortschritte in Sachen Fluglärm

Author: Matthias Schwincke

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Fast zeitgleich legte der Sachverständigenrat für Umweltfragen und das Umweltbundesamt jeweils ein Gutachten über Fluglärm vor. "Springer für Professionals" befragte Regine Barth vom Öko-Institut e.V. über Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Studien.

Springer für Professionals: Welche Rolle spielt das Umweltbundesamt im Zusammenhang mit dem Thema Fluglärm?

Regine Barth: Das UBA fungiert bei der Festlegung von An- und Abflugverfahren als sogenannte Benehmensbehörde. Mit der Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes im Jahr 2007 war dies neu eingeführt worden. Dabei prüft das UBA die lärmfachlichen Belange der von der Deutschen Flugsicherung (DFS) vorgeschlagenen An- oder Abflugverfahren und nimmt dazu Stellung. Die Entscheidung über die Festlegung obliegt dann nach Abwägung aller Belange dem Bundesamt für Flugsicherung.

Was veranlasste das UBA in dieser Rolle zur Ausschreibung eines Gutachtens?

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Es gibt bisher keine weitergehenden Regelungen, welche Lärmauswirkungen im Festlegungsverfahren zu ermitteln und darzustellen sind. In den letzten 15 Jahren haben sich hierzu allenfalls durch mehrfache Intervention der Gerichte einige Eckpunkte gebildet. Bei den Menschen vor Ort, die von geänderten oder neuen An- und Abflugverfahren betroffen sind, hat diese Unsicherheit und geringe Transparenz oft zu Konflikten beigetragen. Vor diesem Hintergrund schrieb das UBA die Erstellung eines Gutachtens aus. Dieses sollte Möglichkeiten zur Reformierung des Festlegungsverfahrens untersuchen, die sowohl die Transparenz für Betroffene, eine angemessene Ermittlung und Berücksichtigung der Lärmfolgen, als auch mehr Beteiligung am Verfahren sicherstellen.

Welche Kernforderungen erhebt die unter Ihrer Mitwirkung erstellte Studie?

Wir schlagen vor, dass die bisherigen Zuständigkeiten und das Verfahren grundsätzlich beibehalten werden. Eine Integration der Festlegung der Flugrouten in das Planfeststellungsverfahren bei Neu- oder Ausbauten hielten wir nicht für zielführend. Allerdings sollte das Verfahren an einer Reihe von Punkten ergänzt werden.

Kern unserer Vorschläge ist, dass kleine Änderungen, die nirgends zu Mehrbelastungen jenseits des Bagatellbereichs führen als vereinfachtes Verfahren durchgeführt werden sollten. Ansonsten sollten Änderungen anders als bisher in einem Beteiligungsverfahren den Trägern öffentlicher Belange vorab zur Stellungnahme gegeben werden. Außerdem schlagen wir einen Katalog von Unterlagen vor, wie allgemein verständlich für die Öffentlichkeit und die Träger öffentlicher Belange die Lärmwirkungen, die wichtigsten Sicherheits- und Kapazitätsaspekte verschiedener Alternativen bei einer Änderung ermittelt und aufbereitet werden sollten. Für grundlegende Systemänderungen an einem Flughafen, wie sie z.B. nach Aus- oder Neubauten von Bahnsystemen erforderlich werden, schlagen wir vor, dass für alle Aspekte, die nicht bereits im Planfeststellungsverfahren über den Ausbau festgelegt wurden, im Festlegungsverfahren für Flugrouten eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist mit Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit.
 

Wie sehen Sie das vom Sachverständigenrat für Umweltfragen vorgelegte Gutachten?

Das SRU Gutachten hat eine breite Palette von luftverkehrsrechtlichen und –politischen Gesichtspunkten behandelt, die weit über unseren Gutachtenauftrag hinausgingen. Dieser beschränkte sich auf das Festlegungsverfahren von Flugrouten. Die Ausführungen des SRU zu dem von uns behandelten Thema decken sich allerdings weitgehend mit unseren Analysen und Vorschlägen.

Was genau unterscheidet und was verbindet die beiden Gutachten?

Beide Gutachten halten an einem gesonderten Festlegungsverfahren für Flugrouten fest, statt einer Integration ins Planfeststellungsverfahren oder die Betriebsgenehmigung. Beide nehmen die Notwendigkeit in den Blick, aktive Schallschutzmaßnahmen eher zu befördern als zu behindern. Und beide halten an den grundlegenden Zuständigkeiten fest. Ein Unterschied liegt beim SRU darin, dass dieser bestimmte Grundsätze über die Lärmverteilung bundesweit regeln will. Wir schlagen dagegen vor, dass dies auf Landesebene bzw. in der Region in einem transparenten Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung unter Berücksichtigung regionaler Gesichtspunkte erfolgen sollte. Ein Unterschied liegt auch in der Einschätzung zu Direktfreigaben durch Lotsen. Wir schlagen hier vor, diese nicht per se einzuschränken, sondern die voraussichtliche Handhabung bei der Darstellung und Ermittlung der Lärmfolgen von Anfang an zu berücksichtigen. Sie können auch lärmentlastend wirken, je nach konkreter Siedlungsstruktur.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, auf der Grundlage der sich offenbar recht gut ergänzenden Gutachten beim Thema Fluglärm voranzukommen?

Das kann ich nur schwer beurteilen. Ganz offensichtlich hat sich die Koalition nicht vorgenommen, Grenzwerte für Fluglärm einzuführen, jenseits der Schutzansprüche für aktiven Schallschutz. Aber sowohl mit dem nationalen Luftverkehrskonzept, als auch der verabredeten Reform des Festlegungsverfahrens durch die große Koalition besteht die Chance, auf dem Gebiet des Fluglärmschutzes Fortschritte zu erzielen.

Das Interview führte Matthias Schwincke, freier Autor, für Springer für Professionals.

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