CCS soll in Deutschland nach jahrzehntelangem Verbot nun doch erlaubt werden – zumindest im Meeresboden. Anders seien die Klimaziele nicht zu erreichen, sagt die Bundesregierung. Doch noch sind viele Fragen offen.
Weltweit entstehen Projekte zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), die als eine Möglichkeit zur Erreichung der Klimaziele gelten. In Deutschland behinderte jedoch die Gesetzeslage deren großflächige Umsetzung.
CCS-Technologien fangen CO2 bereits bei der Produktion oder Verbrennung ab und speichern es unterirdisch, wodurch bis zu 80 % des CO2 dauerhaft von der Atmosphäre ferngehalten werden können. Das deutsche Kohlendioxid-Speicherungsgesetz von 2012 beschränkte CCS bisher auf Forschung und Demonstration mit geringen Speichermengen. Dadurch wird auch eine Refinanzierung solcher Projekte durch CO2-Preise verhindert.
Reichlich Bedenken
Bedenken in der Bevölkerung und Warnungen von Organisationen wie Greenpeace gegenüber CCS, die es als potenzielle ökologische und wirtschaftliche Belastung sehen, sowie Nutzungskonflikte mit anderen Energieprojekten trugen zur vorsichtigen Haltung der Politik bei. Trotzdem betrachtet das Umweltbundesamt CCS als notwendigen Beitrag zur CO2-Reduzierung.
Dieser Einschätzung folgt nun auch die Bundesregierung. Trotz früherer Kontroversen, insbesondere bei den Grünen, plant der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Offshore-CO2-Speicherung und den Pipeline-Transport in Deutschland zu erlauben, um die Klimaziele zu erreichen.
Am 26. Februar 2024 kündigte Habeck in Berlin eine neue Carbon-Management-Strategie und einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes an. Die Strategie und das Gesetz zielen darauf ab, CCS sowie die Nutzung von CO2 (CCU) in bestimmten Industriezweigen, wie der Zementproduktion, zu fördern, um unvermeidbare Emissionen zu reduzieren. Die Förderung beschränkt sich auf unvermeidbare Emissionen und schließt fossile Brennstoffe aus. Eine Ausnahme gilt bei der Nutzung in der Verstromung mit Gas.
Neuer Verband gut vernetzt
Passend dazu will sich auch die Branche gut vernetzt aufstellen. Denn der Deutsche Verband für negative Emissionen (DVNE), der sich mit CCS befasst, hat Stefan Schlosser als Geschäftsführer ernannt. Schlosser, ein 37-jähriger Maschinenbauingenieur mit Erfahrung in Public Affairs und Politikmanagement aus seiner Zeit im Bundeskanzleramt, übernimmt die Leitung des erst 2023 gegründeten Verbandes.
Der DVNE, unterstützt von rund 40 Unternehmen wie Siemens und E.On, will die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre und deren dauerhafte Speicherung voranzutreiben, um Deutschland bis 2045 zur Klimaneutralität zu verhelfen.
Doch ehe die CCS-Industrie und Habeck ihr Vorhaben umsetzen können, muss noch etwas Rechtliches gelöst werden. Das deutsche Recht deckt zwar die gesamte CCS-Kette ab. Die CO2-Abscheidung wird durch das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt, während Transport und Speicherung im Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) festgelegt sind. Das wiederum setzt die EU-Richtlinie zur geologischen Speicherung von Kohlendioxid um.
Eigene Regeln für Unterwasser-Speicherung
Für die Speicherung von CO2 unter Wasser sind die Regelungen des OSPAR-Übereinkommens und des Londoner Protokolls maßgebend. Diese ermöglichen die Unterwasserspeicherung prinzipiell, knüpfen sie jedoch aufgrund von Umweltschutzbedenken an strenge Auflagen.
Und genau hier muss Deutschland noch viel nacharbeiten.
Deswegen richten sich auch die politischen Blicke nach Norwegen. Denn die Skandinavier haben den größten Vorsprung mit der Technologie in Europa. Unter dem Namen Longship plant Norwegen ein Vorzeigeprojekt zur Demonstration der CO2-Abscheidung und -Speicherung in großem Umfang. Das Projekt sieht vor, CO2 per Schiff nach Bergen zu bringen, dort zwischenzulagern und anschließend durch eine Untersee-Pipeline in ausgediente Gaslagerstätten zu leiten.
Beteiligt sind die Industriegiganten Equinor (ehemals Statoil), Shell und Total Energies. Bis zum Jahr 2032 soll zusätzlich das umfangreichere Projekt Northern Light realisiert werden, für das der Bau von 900 km Untersee-Pipelines und speziellen Tankschiffen erforderlich ist.
Geplant ist, CO2 aus ganz Europa zu sammeln und unterseeisch zu speichern. Sicher wäre auch hier noch Platz für das in Deutschland einzufangende CO2 – ganz ohne eigene Lagerstätten vor hiesigen Küsten.
Ohne höhere CO2-Bepreisung geht es nicht
Doch ohne Geld geht auch hier nix. Die Refinanzierung dieser Projekte (abgesehen von einer staatlichen Anschubfinanzierung) hängen am CO2-Preis. Aktuell liegt der Preis für eine Tonne gespeichertes CO2 bei etwa 100 Euro. Der Handelspreis an der EEX-Börse liegt bei circa 60 Euro pro Tonne.
Der Preis wird voraussichtlich weiter steigen, auch aufgrund politischer Entscheidungen der EU. Dennoch herrscht hier noch eine Diskrepanz, die aktuell keine Re-Finanzierung zulassen.
Kristalina Georgieva, die Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds, sieht denn auch die Dringlichkeit, Kohlenstoff höher zu bepreisen. Sie wies auf Hindernisse hin, wie den CO2-Handel, die Regulierung und die Vielfalt der Preissysteme, sowie das Fehlen einheitlicher Standards und Daten für die Reduzierung von Emissionen. Wird das nicht geregelt, lohnt sich CCS auch im Meer nicht. Die Idee geht dann im wahrsten Sinne des Wortes baden.