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2025 | Book

Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen

Eine Einführung in organisationale Mikro-, Meso- und Makropolitik

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About this book

Diese Einführung stellt die grundlegenden organisationstheoretischen Ansätze und Theoriestränge dar, die Macht, Kontrolle und Entscheidungen in und durch Organisationen zum Inhalt haben. Die Wechselwirkungen des handelnden Subjekts innerhalb der Macht-, Kontroll- und Entscheidungsmodi sowie die Entstehung und Definition des Machtbegriffes werden eingehend beschrieben. Durch eine Analyse mikro-, meso- und makropolitischer Ordnungsraster werden arbeits- und organisationssoziologische Diskurse, die innerhalb organisationaler Macht-, Kontroll- und Entscheidungskontexte relevant sind und bis zur „digitalen Transformation“ reichen, aufgezeigt.

Table of Contents

Frontmatter
1. Überblick
Zusammenfassung
Die Teile 1 und 2 dieses Einführungsbuches sind mit dem Titel „Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen“ überschrieben. Die Verknüpfung dieser drei organisationalen Binnenbereiche erklärt sich wie folgt: In ökonomischen und durch strukturell-herrschaftliche Asymmetrie gekennzeichneten Organisationen der Moderne sind die arbeitenden Subjekte als kapitalistische Nutzungsform lebendiger Arbeit innerhalb einer jeden Arbeitsorganisation stets den drei genannten Phänomenen ausgesetzt (was strukturell-herrschaftlich heißt, so ist dazu vom Verfasser eine Klärung im Verlauf der beiden Buchteile angestrebt). Die Eingrenzung, ökonomische Organisationen in den Blick zu nehmen, ist nicht nur eine pragmatische Entscheidung: Einen Großteil der organisationsbezogenen Beziehungen, die das moderne Subjekt heute unterhält, sind Beziehungen zu (oder in) ökonomischen Organisationen – als Arbeiter:in, als Angestellte(r), als Käufer:in, als Dienstleister:in oder einfach ‚nur‘ als Anbieter:in ihrer/seiner Arbeitskraft. Doch welche Auswirkungen ergeben sich für die arbeitenden Subjekte aus der Kopräsenz organisationaler Macht-, Kontroll- und Entscheidungsmodi? Lassen sich so etwas wie Subjektstrukturen – die immer auch Organisationsstrukturen repräsentieren und umgekehrt – ausmachen? Wie entsteht z. B. so etwas wie Macht überhaupt? Gibt es überhaupt die Macht? Und was können uns Organisationstheorien über nötige Differenzierungen lehren? Gibt es neben gängigen mikropolitischen Ordnungsrastern vielleicht noch weitere Formen, die höchst unterschiedlichen Ansätze und Theoriestränge, die sich mit Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen befassen, eben aufgrund ihrer höchst unterschiedlichen analytischen Gegenstandsbereiche angemessen schematisch zu ordnen? Lässt sich dafür ein Analyserahmen finden? Dieses sind Leitfragen für beide Teile dieses Buches. Der Untertitel „Eine Einführung in organisationale Mikro-, Meso- und Makropolitik“ weist auf eine erste Annäherung hin, wie ein Ordnungsrahmen gefunden und beschrieben werden könnte.
Thomas Matys

Teil I

Frontmatter
2. Mikropolitische Ansätze
Zusammenfassung
Nachdem die so genannten Hawthorne-Experimente von Mayo u. a. die Existenz informeller Gruppen und ihre Bedeutung für das Betriebsklima und den Arbeitseinsatz bzw. die Arbeitsmotivation nachwiesen, gilt seit den 1930er-Jahren in der industriesoziologischen Forschung der Begriff human relations für Gesamtheit der ‚menschlichen‘, spontanen, nicht von der Betriebsorganisation vorgeschriebenen Sozialbeziehungen eines Betriebes (vgl. Kieser und Walgenbach 2003; Kieser 2001; Pries 1998 [1991]). Neben Industrie- und Betriebssoziologie nahm sich vor allem die Organisationspsychologie der Thematik der menschlichen Beziehungen an. Dieser ur-verhaltenswissenschaftliche Ansatz richtet seinen Fokus auf informelle Sozialbeziehungen. Diese zeigen sich bspw. – positiv – in freundlicher, kooperativer und vertrauensvoller Führung. Damit ist die Grundlage geschaffen, Entscheidungsprozesse in Organisationen – so die Grundannahme der verhaltenswissenschaftlichen Ansätze – hauptsächlich als Resultat menschlichen Verhaltens zu begreifen. Natürlich muss an dieser Stelle auf eine Selbstverständlichkeit aufmerksam gemacht werden: Die Human-Relations-Bewegung hat mit ihrem Fokus auf informelle Sozialbeziehungen zu erklären versucht, welche sozialen Faktoren zu beachten seien, die scheinbare Selbstverständlichkeit, nämlich ein von eingekauften Arbeitskräften geleistetes Output zu erhalten, zu optimieren. Welche weiteren relevanten Ableitungen und Fortentwicklungen in Bezug auf Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen ausgehend vom Human-Relations-Ansatz analysiert werden können, werden die folgenden Unterkapitel zeigen.
Thomas Matys
3. Mesopolitische Ansätze
Zusammenfassung
Die von Karl Marx (und Friedrich Engels) begründete historisch-materialistische Theorie kann im besten Sinne als Gesellschaftstheorie (vgl. ‚Übersicht‘) bezeichnet werden: Die Denkweise von Marx und Engels verknüpft eine bestimmte Geschichtsauffassung mit materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen, um daraus das gesellschaftliche Geschehen – mit Fokus auf den sozialen Wandel – und individuelle Handeln herleiten zu können. Marx stellt fest, dass es im Verhältnis zwischen Produktivkräften und der mit ihr verbundenen Produktionsweise im historischen Prozess unterschiedliche Konstellationen gibt: Nach Urgesellschaft, Sklavenhalterordnung und Feudalismus folgt die (vorerst) letzte Stufe, die kapitalistische Gesellschaftsformation. Das Wesen des Kapitalismus zeichnet sich für Marx wie folgt ab:
Thomas Matys
4. Makropolitische Ansätze
Zusammenfassung
Neben der in Abschn. 3.​3.​3 behandelten neo-institutionalistischen Ansätze (Interner Neo-Institutionalismus; Umweltbezogener Neo-Institutionalismus) gibt es noch solche, die den Fokus der Analyse der Beziehungen von Organisation und gesellschaftlicher Umwelt verstärkt in den Blick nehmen. Eine Ausrichtung nordamerikanischer Provenienz beansprucht, die Organisationstheorie wieder stärker gegenüber gesellschaftstheoretischen Überlegungen zu öffnen (vgl. Gergs et al. 2000, S. 184 ff.). So könnte man von einem „[g]esellschaftstheoretischen Neo-Institutionalismus“ (Türk 2004, S. 929) sprechen. Gesellschaftliche Modernisierung, so die Basisthese, führt zum Vorherrschen institutionalisierter Regeln der Rationalität in der Gesellschaft und zugleich zu einer Zunahme der Komplexität sozialer Organisation und des ökonomischen Austausches. Beide Faktoren tragen zur Schaffung und Weiterentwicklung von formalen Organisationsstrukturen bei.
Thomas Matys

Teil II

Frontmatter
5. Background: Wandel des Arbeitsparadigmas
Zusammenfassung
Burkart Lutz (bereits 2001) geht davon aus, dass man sich einen „essentiellen Paradigmenwechsel“ (Lutz 2001) in der sozialwissenschaftlichen Sicht von organisierter Erwerbsarbeit in Erinnerung rufen müsse: Das bisherige Paradigma von Arbeit in industriellen Gesellschaften sei einem neuen gewichen, welches seit Beginn der 1980er-Jahre zahlreiche Veränderungen beinhaltete, die mit den grundlegenden Annahmen der herkömmlichen Sicht von Arbeit in Industriegesellschaften – gemeint sind Formen tayloristisch-fordistischer Produktion – nicht mehr in Einklang zu bringen seien (vgl. Lutz ebd., S. 2 ff.).
Thomas Matys
6. Autonomie und Kontrolle
Zusammenfassung
Bis in die jüngste Zeit scheint das in der Überschrift thematisierte Begriffspaar in arbeitssoziologischen Diskursen ein besonderes Thema zu sein (vgl. Mader 2022). Die ebenfalls innerhalb dieses Buches thematisierten Aspekte, wie etwa ‚Lernen‘ (vgl. Abschn. 5.​2 in Teil 2) oder ‚Subjektvierung‘ (vgl. Abschn. 6.2 in Teil 2) machen überdies deutlich, dass diese Thematik auch in andere eingelassen ist. Vor diesem Hintergrund interessiert nun Folgendes: Moldaschl (2001) stellt in Bezug auf die Reorganisation von Arbeit ein neues Verhältnis zwischen Freiheit und Zwang fest, welches wiederum ausschlaggebend für ‚neue‘ Widersprüche der Autonomie sei: bspw. werde Handlungsautonomie erweitert, Verhandlungsautonomie zurückgedrängt. Kontroll- und Herrschaftsformen bestehen auch noch nach Einführung ‚neuer Produktionskonzepte‘ (vgl. Abschn. 2.​2 in Teil 2) – doch wie wird mit affirmativen Formen des Umgangs mit Macht, Kontrolle und Entscheidungen umgegangen? Was bedeuten widersprüchliche Arbeitsanforderungen und ‚Konfliktpartnerschaften‘ für die Machtbalancen der industriellen Beziehungen?
Thomas Matys
7. Rationalisierung und (Selbst-)Qualifizierung
Zusammenfassung
Schmidt (1996) führt aus, dass ‚lean‘ zunächst einmal unmissverständlich ‚schlank‘, und das bedeutet ökonomisch und ästhetisch etwas Positives, meine (vgl. Schmidt 1996, S. 124). Teamarbeit und Entscheidungsdezentralisierung werden als Kernstücke von lean production in der Fertigung immer wieder genannt (vgl. ebd.), aus streng betriebswirtschaftlicher Sicht tauchen folgende Aspekte stets wieder auf, wie Abb. 7.1 zeigt.
Thomas Matys
8. Innovation, Lernen und Wissen
Zusammenfassung
Ganz generell wird unter Innovation „… eine Idee, eine Praxis oder ein Gegenstand verstanden, die bzw. der als neu und als verbesserte Problemlösung gegenüber einer früheren Situation wahrgenommen wird“ (Rogers 2003 [1962], S. 12 ff.; Übers. T. M.). Aus den umfangreichen arbeitssoziologischen Bezügen soll hier ein Ansatz herausgegriffen werden, der sich mit den Arten und Weisen, wie sich innovationsrelevante Verhaltensmuster und informelle Kommunikationsweisen unter Macht- und Kontrollaspekten in einer Organisation herausbilden, befasst. Hier geht es um den Ansatz von des „impliziten Innovationsmodus“ (Baethge und Baethge-Kinsky 1998). Als Bestandteile dieses Modus sollen Kompetenz- und Kooperationsmodelle mit ‚alten‘ Statusmodellen gespiegelt werden.
Thomas Matys
9. Arbeitsvermögen und Subjektivierung
Zusammenfassung
Entgegen zahlreicher Hoffnungen, die mit einer „Informationsgesellschaft“ (Schmiede 1996, 2017) bzw. der in sie eingelassenen Hoffnungen eines Informiertseins der Arbeitenden, der frei zugänglichen Informationen als Grundlage für mehr soziale Gleichheit (vgl. Schmiede 2017) soll hier unter macht-, kontroll- und entscheidungstheoretischer Perspektive die eher gegenteilige Konnotation betont werden: Arbeit entfernt sich im Zuge des Informatisierungsprozesses in ihrem Arbeitshandeln und ihrer unmittelbaren Wahrnehmung zunehmend von der stofflich-energetischen Ebene der Produktionsprozesse: Ein verstärkt Handlungen formender Kontroll- und Steuerungsmodus in Bezug auf die arbeitenden Subjekte wird sichtbar – das Arbeitshandeln der Subjekte scheint in der Informationsgesellschaft zum Bestandteil eines formalisierten und in seinen Zielen auf die Verwertungsinteressen gerichteten Informationsprozesses zu werden.
Thomas Matys
10. Entgrenzungen und Globalisierung
Zusammenfassung
In aktueller (arbeits-)soziologischer Forschung wird bei sog. virtuellen Organisationen hervorgehoben, dass bei ihnen jeweils der geografische und der soziale Raum auseinanderfalle (vgl. Will-Zocholl et al. 2019). Dies dürfte in Zeiten zunehmend digitalisierter Arbeitsorganisationen (vgl. Abschn. 11.​1 und 11.​2 in Teil 2) vermehrt virulent werden. Müller (bereits 1998) beschreibt v. a. die Projektbezogenheit: das virtuelle Unternehmen (verwendet er synonym zu Organisation) kennzeichnet er als einen temporären, projektbezogenen Zusammenschluss von Unternehmen. Für die jeweiligen Aufträge und Kundenwünsche werden speziell darauf abgestimmte Teams von Experten zusammengestellt. Die Beziehungen lösen sich nach dem erfolgreichen Abschluss eines Projektes auf. Laut Picot et al. sind virtuelle Unternehmen dynamische Netzwerke, deren Verknüpfung sich flexibel und problembezogen konfiguriert (vgl. Picot et al. 2001, S. 422).
Thomas Matys
11. Digitalisierung
Zusammenfassung
Seit mindestens dem Ende des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend sehen wir uns nicht nur in Kontexten der Erwerbsarbeit, sondern auch gesamt-gesellschaftlich einem epochalen Wandel gegenüber: Dem Paradigma der „digitalen Transformation“ (Schrape 2021). Hier ist zuallererst eine Geschichte thematisiert, nämlich die der Digitalisierung, und zwar als „übergreifende Veränderungsdynamik“ (ebd, S. 7), die „nicht vom Himmel gefallen“ (Onnen et al. 2022, S. 2) ist, sondern Voraussetzungen hatte. So können wir etwa die Computerisierung als Teil 1 der Geschichte digitaler Technologien (vgl. Häußling 2020, S. 1357 f.) kennzeichnen. Den 2. Teil stellt die „PC-isierung“ (ebd.), den 3. die „Internetisierung“ (ebd.) und den 4. als „Ubiquisierung“ (ebd.) von Mikroprozessoren und Internet dar. Sodass schließlich das, was wir heute Digitalisierung nennen, als der 5. Teilschritt bezeichnet werden kann. Quer dazu gibt es Begriffe und Konzepte, die oft unter Digitalisierung subsummiert werden, aber auch andererseits als ‚flankierende‘ Entwicklungen genannt werden, bspw. können hier etwa vor allem bestimmte IuK-Technologien („cloudworking“), Verfahren des digitalen Selbstlernens („Mashine Learning“ und „Künstliche Intelligenz“), algorithmische Bewertungs- und Streaming-Dienste („Facebook“ oder „Spotify“), cyber-psychische Vernetzung („Internet 4.0“) oder Speicherung und Umgang mit Massendaten („Big Data“) (vgl. Vormbusch 2019a, S. 177) – die allesamt generell für eine alle Lebensbereiche durchdringende „Datafizierung“ (Wiegerling et al. 2020) stehen – sowie Verfahren der Muster-Erkennung („Data Mining“) angeführt werden.
Thomas Matys
12. Fazit und Schlussfolgerungen
Zusammenfassung
An dieser Stelle ist Zeit für ein Resümee: Die Merkmale neuer Macht-, Kontroll- und Entscheidungsmodi in Bezug auf moderne kapitalistische Arbeitsorganisationen sollen zusammengefasst und Verbindungen zu den Grundzügen der in Teil I dargestellten Ansätze hergestellt werden. Denn selbst trotz der so hartnäckig verfolgten These neuer Formen der Arbeitsorganisation, bleibt es m. E. unverzichtbar, bestimmte arbeits- und organisationstheoretische Begriffe und Konzepte (s. Teil 1) in das Neue hineinzudenken. Wie in Teil 1 ausgeführt, untersuchen Sozialwissenschaftler:innen Selbstverständlichkeiten – somit es doch professionell nur legitim ist, selbstverständliche Zusammenhänge explizit zu machen an den Stellen, wo dies dringend erforderlich scheint. Diesem Zweck ist die abschließende Tab. 12.1 gewidmet.
Thomas Matys
Backmatter
Metadata
Title
Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen
Author
Thomas Matys
Copyright Year
2025
Electronic ISBN
978-3-658-46754-8
Print ISBN
978-3-658-46753-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-46754-8

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