Ob mit InStream-Formaten oder Product Placement in den Videos selbst: YouTube bietet Werbetreibenden viele Möglichkeiten.
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Influencer wittern das große Geld, Marketer die enorme Reichweite. Was eigentlich für eine Win-win-Situation prädestiniert ist, offenbart allmählich auch seine Schattenseiten. Zwar geht die Community den Kaufempfehlungen ihres Social Media-Idols nach wie vor gerne nach. Überdurchschnittlich häufige Werbe-Postings oder nicht deutlich gekennzeichnete Product Placements werden den Influencern jedoch zunehmend übel genommen. So häufen sich derzeit Kommentare wie "geldgeil" oder "wieder gefühlt 100 Werbeanzeigen" unter den Videos vieler Youtuber, die Millionen Abonnenten erreichen.
"Im Gegensatz zu klassischen Werbespots in definierten Werbefenstern erwarten die Zuschauer keine Werbung, sondern die vertrauten Inhalte ihres YouTube-Influencers. Mit entsprechend kreativen Wegen muss dieser sie in einer anspruchsvollen Regelmäßigkeit vom Mehrwert der beworbenen Produkte überzeugen und dabei sicherstellen, weder seine Glaubwürdigkeit noch das Vertrauen seiner Zuschauer und damit ihre Aufmerksamkeit zu verlieren", erklären die Springer-Autoren Michael H. Ceyp und Tobias Kurbjeweit im Buchkapitel "Kooperative Monetarisierung auf YouTube – Gestaltungsoptionen und Erfolgsfaktoren" aus dem Herausgeberwerk "Dialogmarketing Perspektiven 2016/2017" das Problem (Seite 196).
Wenn Influencer mit einer Vielzahl an Unternehmen zusammenarbeiten, ist es jedoch kaum mehr möglich, fließende Übergänge zwischen Werbung und nichtkommerziellen Inhalten des Videos zu schaffen. Häufig folgt ein harter Schnitt und der Youtuber geht zu einer Art Dauerwerbesendung über ein bestimmtes Produkt über. Es folgen genervte Reaktionen, die auch auf die Marke des beworbenen Produkts abfärben. Um den Werbe-Spam zu umgehen, zeigen sich die Abonnenten äußerst erfinderisch: In den Kommentaren verraten sie sich gegenseitig, in welchem Zeitfenster der Werbeinhalt abgewickelt wird. So passiert es nicht selten, dass die Zuschauer einfach vorspulen - und das kostspielige Product Placement oder das Sponsoring einfach in der Luft verpuffen. Dann kann nur noch eine echte, von Youtube eingespielte Werbeunterbrechung, die Aufmerksamkeit des Zuschauers erzwingen.
Zurück zum Vertrauensverhältnis
Die Reaktionen der Abonnenten entspringen dabei weniger dem Fakt, dass überhaupt Werbung integriert wird, sondern richten sich vielmehr gegen das "Wie". Umso ärgerlicher ist es da, dass manche Youtuber oder Instagramer die Glaubwürdigkeit aller Influencer zu Unrecht in Frage stellen. Überzeugt davon, dass Influencer-Marketing Anlegern nach wie vor bahnbrechende Chancen bietet, hat sich unter dem Hashtag #echtjetzt eine kleine Prostestbewegung zusammengefunden. Initiator ist das Kommunikations- und Medienmagazin W&V, das mit einem offenen Dialog gegen das schnelle Geschäft mit Geld und Abo-Zahlen vorgehen will. Weg von der Massenproduktion, zurück zu mehr Authentizität.
Die Kritik richtet sich gegen eine ganze Industrie, die sich in den letzten Jahren rasend schnell aufgebaut hat. Influencer-Agenturen etwa schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden und versuchen, ein großes Stück vom Social Media-Kuchen abzubekommen. Natürlich finden sich in der neuen Branche auch ehrliche Wettbewerbsteilnehmer, die ihren Job gewissenhaft erledigen. Doch mit den Ursprüngen der sozialen Netzwerke, auf denen Privatpersonen einander zeigen, was sie lieben, tun und denken, hat die kommerzialisierte Entwicklung oft nicht mehr viel zu tun.
Es muss nicht ein Millionen-Kanal sein
Um die eigene Marke mit einem Social-Media-Gesicht zu bereichern, braucht es nicht zwangsläufig einen Star der Szene. Auch Influencer, die mit ein paar Tausend Abonnenten in einer vergleichsweise kleinen Liga spielen, haben manchmal eine aktivere Fangemeinde als die Youtube-Millionäre der ersten Stunde. Daher lohnt es sich, den Dialog im Kommentarbereich, die Like-Freudigkeit und das Tempo des Abonnement-Zuwaches genau unter die Lupe zu nehmen. Im Idealfall lässt sich so ein noch unbeschriebenes Blatt unter den Influencern finden, das sich für eine zukunftsträchtige Geschäftsbeziehung eignet.
Bei der Umsetzung ist es laut den Springer-Autoren Ceyp und Kurbjeweit dann nicht nur ratsam, von allzu hohen, technischen Ansprüche Abstand zu nehmen: "Die Werbungtreibenden profitieren sogar von der dadurch transportierten Authentizität der Produktionen" (Seite 198). Auch bei der Wortwahl sollte der Influencer völlig frei sein und seinem gewohnten Sprachgebrauch folgen dürfen. Frei nach dem Motto: Professionalität ist gut, authentische Spontaneität ist im Influencer-Marketing aber nach wie vor besser.