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05-06-2014 | Maschinenelemente | Schwerpunkt | Article

Flüssigkristalle als Schmierstoff

Author: Dieter Beste

2:30 min reading time

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Flüssigkristalle sind eher durch ihren Einsatz in LCD-Bildschirmen von Fernsehern, Handys oder Touchscreens bekannt. Ein Forscherteam hatte die ungewöhnliche Idee, sie als Schmierstoff zu verwenden.

Schmierstoffe dienen zur Reibungs- und Verschleißminderung in tribologischen Systemen und werden von den Springer Autoren Host Czichos und Karl-Heinz Habig im „Tribologie-Handbuch“ en détail beschrieben. Nach dem Stand der Technik werden sie „in verschiedenen Aggregatzuständen als Schmieröle, Schmierfette oder Festschmierstoffe eingesetzt. Gelegentlich werden auch Wasser, flüssige Metalle oder Gase als Schmierstoffe verwendet“. (Seite 422)

Forscher am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg haben zusammen mit Industriepartnern jetzt eine völlig neue Substanzklasse entwickelt, die für einen Durchbruch sorgen könnte: Flüssigkristall-basierte Schmierstoffe. Ihre Besonderheit: Sie sind zwar flüssig, zeigen aber auch richtungsabhängige physikalische Eigenschaften wie ein Kristall. Werden zwei Oberflächen gegeneinander bewegt, richten sich die dazwischen befindlichen Flüssigkristall-Moleküle so aus, dass der Reibungswiderstand extrem gering ist. So ermöglichen Flüssigkristalle ein nahezu reibungsloses Gleiten.

Stäbchenförmige Moleküle bilden flüssige Kristallstruktur

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Als Schmierstoff eignen sich diejenigen Flüssigkristalle, die aus stäbchenförmigen Molekülen bestehen, fanden die Wissenschaftler heraus. „Gibt man den Flüssigkristall als Schmierstoff zwischen zwei Oberflächen, die sich gegenläufig bewegen, richten sich die Stäbchen parallel zueinander in Schichten auf“, erklärt Dr. Andreas Kailer, stellvertretender Leiter des Geschäftsfelds Tribologie am IWM. Diese Schichten sind in sich sehr stabil, lassen sich aber leicht gegeneinander verschieben. Das reduziert die Reibung und den Verschleiß auf ein Minimum.

Verbundforschung führte zum Entwicklungserfolg

Die ungewöhnliche Idee, Flüssigkristalle als Schmierstoff zu verwenden, entstand bei Arbeiten in der Nematel GmbH. Um aus ihnen einen praxistauglichen Schmierstoff zu entwickeln, fehlte allerdings noch viel. Daher startete das IWM 2010 gemeinsam mit der Nematel GmbH und den Schmierstoffexperten der Dr. Tillwich GmbH ein Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde. Susanne Beyer-Faiß, Schmierstoffentwicklerin bei Tillwich, verbesserte mit Hilfe von Additiven die Stabilität der Flüssigkristall-Schmierstoffe. Gleichzeitig baute ihr Kollege Werner Stehr einen speziellen Prüfstand, auf dem er die extrem geringen Reibungswerte mit Lasertechnik berührungslos messen konnte. Tobias Amann entschlüsselte die Mechanismen, die zu den ultraniedrigen Reibwerten führen und fand heraus, wie die neuen Schmierstoffe gezielt weiter optimiert werden konnten. Außerdem untersuchte er die chemischen Mechanismen im Reibkontakt und die Auswirkung von Mischungen unterschiedlicher Flüssigkristallmoleküle.

Stifterverband für die Wissenschaft zeichnet Forscherteam aus

Am Ende des Projekts hatten die Partner den Prototyp eines flüssigkristallinen Schmierstoffs in der Hand, der seine beste Wirkung in Gleitlagern aus Eisen zeigt. Für diese Pionierleistung erhalten Dr. Tobias Amann, Dr. Andreas Kailer, Susanne Beyer-Faiß, Werner Stehr und Dr. Holger Kretzschmann den Wissenschaftspreis des Stifterverbands, der alle zwei Jahre für exzellente Verbundprojekte der angewandten Forschung vergeben wird.

Zurzeit entwickelt das Team gemeinsam mit weiteren Industriepartnern innovative, mit Flüssigkristallen geschmierte Gleitlager für Elektrokleinmotoren in Autos, wie sie zum Beispiel in Lichtmaschinen oder zum Antrieb von Scheibenwischern zum Einsatz kommen.

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