Mit dem Ziel, die Eigenschaften, Strukturen und Verhaltensweisen von Hochentropie-Legierungen vertieft zu erforschen, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein neues Schwerpunktprogramm eingerichtet.
Hochentropie-Legierungen (High Entropy Alloys, kurz: HEA) unterscheiden sich grundsätzlich von herkömmlichen Metall-Legierungen, die aus einem Hauptelement und zahlreichen weiteren Komponenten bestehen. Denn Hochentropie-Legierungen werden aus einer Vielzahl von Komponenten gebildet, die alle in ähnlich starken Konzentrationen vorliegen. Es war schlicht wissenschaftliche Neugier, berichten die Herausgeber von "High-Entropy Alloys" in ihrem Vorwort, die Forscher in den 1980 und 1990er Jahren dazu brachte, Mehrkomponenten-Legierungen in gleichen oder nahezu gleichen Molverhältnissen zu untersuchen.
Hochentropie-Legierungen eint ein augenfälliges Merkmal: die ungewöhnlich hohe Entropie der Vermischung der beteiligten Elemente. Inzwischen ist bekannt, dass diese Materialien vor allem im Hinblick auf ihr mechanisches Verhalten außergewöhnliche Eigenschaften besitzen. Wegen der daraus resultierenden technologischen Anwendungspotenziale – beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt – gewinnen sie international zunehmend an Aufmerksamkeit.
Bündelung weit verstreuter Spezialkompetenzen
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat nun ein Schwerpunktprogramm (SPP 2006) eingerichtet, mit dem die Werkstoffwissenschaftler den Eigenschaften, Strukturen und Verhaltensweisen der Hochentropie-Legierungen vertiefend auf den Grund gehen wollen. In dem Programm, das von Uwe Glatzel vom Lehrstuhl für Metallische Werkstoffe der Universität Bayreuth koordiniert wird und auf sechs Jahre angelegt ist, werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Hochschulen und Forschungseinrichtungen kooperieren.
Koordinierte Vielfalt von Methoden und Techniken
"Wir werden die hochgesteckten Forschungsziele des Programms nur erreichen können, wenn wir die in Deutschland weit verstreuten Spezialkompetenzen zur Erforschung von Hochentropie-Legierungen bündeln und dabei auch den wissenschaftlichen Nachwuchs verstärkt für dieses spannende Forschungsfeld gewinnen", sagt Uwe Glatzel. "Deshalb sind alle an einer Mitarbeit interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgefordert, eigene Projektanträge bei der DFG einzureichen."
Im Rahmen des SPP 2006 werden eine Vielzahl materialwissenschaftlicher Methoden, Techniken und Instrumente zum Einsatz kommen – wie etwa die Atomsonde, mit der sich Lage einzelner Atome präzise bestimmen lässt. Erkenntnisse der Materialphysik- und -chemie sowie vieler Methoden der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik werden ebenso berücksichtigt wie technologisch anspruchsvolle Verfahren, mit denen das Verhalten von Hochentropie-Legierungen simuliert werden kann. Ziel der Forscher ist es, an ausgewählten Beispielen möglichst umfassende Informationen über technische Anwendungspotenziale zu gewinnen. Dabei gebe es eine klare Abgrenzung zwischen einphasigen HEA und mehrphasigen CCA (Compositionally Complex Alloys), einer noch jungen und besonders vielversprechenden Materialklasse.