Die mechanischen Eigenschaften der Eierstiele der Florfliege sind so beachtlich, dass Forscher sie für technische Fasern nachbilden möchten.
Wikimedia Commons, Karthik R. Bhat
Zum Schutz des Nachwuchses vor bodennahen Fressfeinden lagern Florfliegen ihre Eier auf der Unterseite von Blättern ab – auf der Spitze von stabilen seidenen Fäden. Die sogenannten Eierstiele sind nur etwa 15 Mikrometer dick – halten jedoch das Gewicht der Eier problemlos. Die Springer-Autoren Narendra Reddy und Yiqi Yang berichten in "Innovative Biofibers from Renewable Resources", dass man aufgrund von Kraftmessungen und Berechnungen davon ausgehen könne, dass die Biegesteifigkeit dieser Fasern etwa dreimal so hoch sei wie jene von Seidenraupenfasern (Seite 184). Um diese beeindruckende Faser herzustellen, sondert die Florfliege auf dem Blatt ein Proteinsekret ab. Das Ei wird anschließend in den Tropfen gelegt und senkrecht zur Oberfläche herausgezogen. Der entstehende Seidenfaden härtet dann an der Luft aus.
In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Firma AMSilk arbeiten jetzt Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam-Golm daran, Florfliegen-Seidenproteine mit Hilfe von Bakterien in großen Mengen mittels eines biotechnologischen Prozesses herzustellen. Die molekularbiologischen Vorarbeiten dazu führte das Team um Thomas Scheibel am Lehrstuhl Biomaterialien der Universität Bayreuth durch. Dort gelang es 2012 erstmals, Eierstiele künstlich nachzubauen. Der zentrale Baustein der künstlich hergestellten Seidenproteine besteht aus 48 Aminosäuren und wiederholt sich achtmal, ähnlich den Gliedern einer Kette. Genauso wie bei natürlichen Seidenproteinen befindet sich am Anfang der Proteinkette eine aminoterminale Domäne und an deren Ende eine carboxyterminale Domäne. Diese Endstücke steuern maßgeblich die Eigenschaften der Seidenproteine.
Seidenproteine in industrierelevanten Mengen
Für die Herstellung der Seidenproteine haben die Bayreuther Forscher ein biotechnologisches Verfahren angewendet, das sie in ähnlicher Form schon bei der Produktion von Spinnenseidenproteinen eingesetzten: Ein im Labor synthetisiertes Gen wird in ein ringförmiges Stück DNA eingebaut und in lebende E. coli-Bakterien eingeschleust. Durch Zugabe eines speziellen Zuckers wird die Produktion der Seidenproteine angeregt. "Bisher war es nicht möglich, derartige Seidenproteine in ausreichender Menge und Reinheit herzustellen", berichtet Martin Schmidt, Biotechnologe am Fraunhofer IAP in Potsdam-Golm. Am IAP optimiert Schmidt nun das Herstellungsverfahren, um das Seidenprotein kostengünstig in industrierelevanten Mengen herzustellen. Als hochgradig biegesteife Faser soll das Material künftig zum Beispiel in Leichtbaukunststoffen verarbeitet werden. Im Bereich Medizintechnik sind, überlegen die Forscher, biokompatible Seidenbeschichtungen von Implantaten denkbar.
Rechts ein Florfliegen-Ei an der Spitze eines natürlichen Eierstiels, den das Ei trotz seines Gewichts nicht zusammendrückt. Links ein künstlicher Eierstiel mit einem Stück Aluminiumfolie an der Spitze.
Lehrstuhl für Biomaterialien, Universität Bayreuth