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17-06-2015 | Mechatronik | Schwerpunkt | Article

Wenn die Schaltsekunde Probleme bereitet

Author: Andreas Burkert

3:30 min reading time

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Die Rotation der Erde dürfte jeden Physiker gewaltig stören. Denn sie dreht sich alles andere als gleichmäßig. Deshalb muss die PTB im Laufe der Jahre eine Schaltsekunde in ihre Zeitsignale einfügen. Das aber bereitet der Industrie Probleme, etwa bei der Erzeugung eindeutiger Zeitstempel.

Astrophysiker wissen es schon lange: Die Erde eiert und zwar gewaltig. Diesen Effekt konnte sie zwar bereits in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit Quarzuhren der PTR (Physikalisch-Technischen Reichsanstalt) nachweisen, doch die genaue Analyse gelang erst mit dem Takt der Atomuhr wie er unter anderem von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt PTB kommt. Die Atomuhr „tickt“ nämlich gleichmäßiger, als sich die Erde dreht. Die PTB nutzt dazu die Schwingungen in Cäsium-Atomen, erklärt der Physiker und Springer-Autor Wolfgang W. Osterhage in Kapitel „Atommodell“ ab Seite 47. So ist definitionsgemäß exakt nach 9 192 631 770 Schwingungen eines Mikrowellensignals, welches Caesiumatome in einer Atomuhr anregt, genau eine Sekunde vergangen.

Und genau eine Sekunde wird - drei Jahre nach der letzten Schaltsekunde - in der Nacht zum 1. Juli 2015 der Uhrzeit hinzugefügt. Damit werden die koordinierte Weltzeit UTC und unsere gesetzliche Zeit, aktuell die mitteleuropäische Sommerzeit MESZ, um eine Sekunde verlängert. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) folgt der Vorgabe des Internationalen Erd-Rotations-Service (IERS) in Paris und fügt die Schaltsekunde in die Signale ihrer Zeitdienste ein: in die DCF77-Zeitaussendung für Funkuhren, den Telefonzeitdienst und den Internetzeitdienst über NTP.

Darum gibt es die Schaltsekunde

„Atomuhren sind heute die Grundlage für die genaue Beobachtung der Erdrotation. Die von ihnen abgeleitete Uhrzeit passt aber eben nicht perfekt zu unserem ganz natürlichen Zeitmaß“, erklärt der Physiker Andreas Bauch, der in der PTB für die Aussendung der Zeitsignale zuständig ist. Bereits im Jahr 1972 hinkte die aus der Drehung der Erde abgeleitete Weltzeit der Atomzeit aus den Caesium-Uhren um 10 Sekunden hinterher. Bis dahin hatte man Anpassungen in kleinen Schritten und zudem nicht weltweit auf die gleiche Weise vorgenommen. Dann entschloss man sich, fortan eine Zeitskala mit Schaltsekunden als weltweite Referenzzeit zu verwenden. Die Uhrzeit wird so näherungsweise im Einklang mit der Erdrotation, also der Weltzeit gehalten, immer innerhalb von 0,9 Sekunden. Seitdem machen Schaltsekunden aus der Atomzeit die „koordinierte Weltzeit“ UTC.

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Wie unregelmäßig schnell sich die Erde dreht, sieht man daran, dass zwischen 1999 und 2006 sieben Jahre vergingen, bevor eine Schaltsekunde nötig wurde; danach waren es drei Jahre, dann 3,5 Jahre und jetzt wieder drei Jahre. Die aktuelle Tageslänge wird aus der Winkelstellung der Erde im Raum mit Bezug auf Quasare über Radioteleskope und auf die Satelliten des GPS-Navigationssystems ermittelt. Nun hat der Internationale Erd-Rotations-Service (IERS), der diese Messungen sammelt und auswertet, die 26. Schaltsekunde seit dem 1.1.1972 angeordnet.

Schaltsekunde bereitet große Probleme

Sie wird weltweit zum selben Zeitpunkt eingefügt: am 30. Juni 2015 nach 23:59:59 koordinierter Weltzeit, in unserer gesetzlichen Zeit also am 1. Juli nach 01:59:59. Uhren, die in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Zeit gehalten werden sollen, müssen dann um eine Sekunde angehalten werden. Besitzer von Funkuhren brauchen sich um nichts zu kümmern. Das Programm des Langwellensenders DCF77 in Mainflingen, über den die PTB die Zeitsignale aussendet, wurde bereits für die Einführung der Schaltsekunde vorbereitet. Im normalen Alltag ist diese Schaltsekunde nicht wirklich relevant. Anders ist das beispielsweise in der Astronomie, da bei der Ausrichtung eines Teleskops Weltzeit und Atomzeit übereinstimmen oder der Unterschied zwischen beiden Zeitskalen exakt bekannt sein muss.

Es ist dokumentiert, dass die Einfügung der Schaltsekunde in Betriebssystemen von Computern und speziell bei der Erzeugung von eindeutigen Zeitstempeln Probleme bereitet hat. Ebenso ist es möglich, dass die Schaltsekunde bei Energieversorgern sowie Telekommunikationsunternehmen, die auf sekundengenaue Abrechnung angewiesen sind, Probleme verursacht. Wolle man die Wahrscheinlichkeit für solche Fehler verringern, so fordern Kritiker, müsse die Schaltsekunde eigentlich abgeschafft werden. Seit Jahren wird nun schon das Für und Wider von Schaltsekunden diskutiert. Eine Entscheidung wird vermutlich im November 2015 auf der World Radiocommunication Conference (WRC-15) der Internationalen Telekommuniationsunion fallen.

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