Zusammenfassung
Solidarität ist ein Kernbegriff der europäischen Integrationsgeschichte. Doch auf welche Art von Solidarität kann sie bauen? Zwar hat auch die grenzüberscheitende Solidaritätsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zugenommen. Doch in der Hauptsache handelt es um eine rechtlich verbürgte Solidarität zwischen Staaten. Sie folgt dem Eingeständnis einer gemeinsamen Verantwortung und dem gewachsenem Gefühl wechselseitiger Abhängigkeit. Das Entstehen einer supranational europäischen Bürgerschaft wurde mehrfach vorausgesagt, ist aber nach den hier zusammengetragenen Befunden weiterhin nicht in Sicht. Im Zuge der institutionellen Behandlung der Krisendynamiken durch die EU sind aktuell sogar Entsolidarisierungsprozesse zwischen den europäischen Gesellschaften zu beobachten. Die Durchsetzung einer politischen Union mit gemeinsamer Wirtschaftsregierung und supranationaler Wettbewerbsdemokratie würde demnach nicht, wie von den Befürwortern erwartet, transnationale Solidarität stärken, sondern ganz im Gegenteil den europäischen Integrationsprozess insgesamt gefährden.