Dillinger und Saarstahl haben die deutschlandweit erste wasserstoffbasierte Hochofenroute in Betrieb genommen. Andere Stahlunternehmen steigen unterdessen in die Produktion von grünem Wasserstoff ein.
Die Stahlindustrie gehört mit knapp 30 Prozent der industriellen CO2-Emissionen zu den größten Treibhausgasverursachern in Deutschland. Zwar wurde der Ausstoß in den zurückliegenden Jahren bereits reduziert, wie Roland Döhrn in seinem Artikel Stahlkrise reloaded? Lage und Aussichten für die deutsche Stahlindustrie für den Wirtschaftsdienst analysiert, allerdings komme man an technische Grenzen, solange Stahl unter Verwendung von Koks als Reduktionsmittel erzeugt wird. Als Alternative biete sich die Reduktion mittels Erdgas an oder, als Technologie mit dem größten Potenzial, Wasserstoff. Die Stahlindustrie in Deutschland geht die Transformation nun an und investiert dabei in Wasserstofftechnologien.
Zuletzt haben die Unternehmen der Stahl-Holding-Saar (SHS), Dillinger und Saarstahl, die nach eigenen Angaben deutschlandweit erste Hochofenanlage für den Regelbetrieb mit Wasserstoff als Reduktionsmittel in Betrieb genommen. Mit der 14 Millionen Euro schweren Investition wollen die Unternehmen die Voraussetzung schaffen, um regenerativ erzeugten Wasserstoff in der Herstellung von sogenanntem grünem Stahl einzusetzen.
In dem Hochofenprozess düsen die Partner wasserstoffreiches Koksgas ein, wobei der Wasserstoff den Kohlenstoff als Reduktionsmittel und Energieträger ersetzt. Mit der neuen Anlage will SHS seine CO2-Emissionen verringern und Erfahrungen im Einsatz von Wasserstoff in der Stahlproduktion sammeln. Bis 2035 will die Holding 40 Prozent seiner CO2-Emissionen einsparen. Dafür soll die komplette Stahlherstellung auf Wasserstoff umgestellt werden, dann auch unter Verwendung von anderen Technologien wie Elektroofen und Direktreduktionsanlagen auf Wasserstoffbasis.
Stahlunternehmen sichern sich Versorgung mit Wasserstoff
Mit dem im Juli 2020 verabschiedeten Handlungskonzept Stahl will die Bundesregierung die heimische Industrie beim Umstieg auf eine Stahlerzeugung mit zunächst blauem oder türkisenem, später mit grünem Wasserstoff unterstützen. Da dies erhebliche Investitionen in neue Technologien erfordert, sollen die Stahlerzeuger vor günstigeren Importstählen aus Ländern mit deutlich niedrigeren Umweltstandards und staatlich subventionierter Stahlindustrie geschützt werden. Verschiedene Maßnahmen wie garantierte Strompreise sollen zudem ein Abwandern energieintensiver Industrien ins Ausland verhindern. Ein Anreizsystem für die Verwendung von klimafreundlich erzeugtem Stahl zieht die Bundesregierung derzeit zumindest in Erwägung.
Verschiedene Unternehmen arbeiten bereits auf eine wasserstoffbasierte Stahlerzeugung hin. So hat ArcelorMittal in seinem Hamburger Werk bereits ein Projekt zum großtechnischen Einsatz von Wasserstoff bei der Direktreduktion von Eisenerz gestartet. Der Anlagenbauer SMS Group ist eine strategische Partnerschaft mit dem auf die Produktion von grünem Wasserstoff spezialisierten Unternehmen Sunfire eingegangen. Erst kürzlich hat Sunfire im Rahmen des GrInHy2.0-Projekts den weltweit leistungsstärksten Hochtemperatur-Elektrolyser mit einer elektrischen Nennleistung von 720 Kilowatt an Salzgitter Flachstahl ausgeliefert. Damit will das Stahlunternehmen bis 2022 mindestens 100 Tonnen grünen Wasserstoff aus Ökostrom produzieren. Im Rahmen einer Kooperation mit dem Gashandelskonzern VNG soll zudem das Hüttenwerk in Salzgitter über eine Pipeline mit türkisem Wasserstoff versorgt werden, der unter Einsatz von Biomethan in Mitteldeutschland erzeugt wird.
Auch Thyssenkrupp widmet sich verstärkt dem grünen Wasserstoff. Gemeinsam mit dem Partnerunternehmen De Nora bauen die Essener Elektrolyseanlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff. Zuletzt haben die Partner ihre Fertigungskapazitäten erheblich ausgebaut. Nach eigenen Angaben können Thyssenkrupp und De Nora nun jedes Jahr Elektrolysezellen mit einer Gesamtleistung von bis zu einem Gigawatt fertigen.