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13-11-2019 | Metalle | Schwerpunkt | Article

Wie Strukturmetalle nachhaltiger sein können

Author: Dieter Beste

5:30 min reading time

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CO2-arme Primärproduktion, Recycling, schrottgerechtes Legierungsdesign, Schadstofftoleranz und verbesserte Langlebigkeit von Legierungen: Materialforscher plädieren für eine systematische Verbesserung der Nachhaltigkeit von Strukturmetallen.

 

Es ist üblich, Struktur‐ und Funktionswerkstoffe zu unterscheiden, wenn es um die Anwendungsbereiche in der Technik geht. Dies gilt entsprechend für die Metalle. „Strukturlegierungen sind solche, bei denen es vorwiegend auf die mechanischen Eigenschaften ankommt: zum Beispiel Stähle oder Gusseisen für Kurbelwellen oder Aluminium‐Legierungen für Flugzeugbauteile“, definieren die Springer-Autoren Erhard Hornbogen, Hans Warlimont und Birgit Skrotzki in „Metalle“ (Seite 2). Metallische Funktionswerkstoffe definieren sich im Unterschied dazu durch ihre besonderen physikalischen Eigenschaften. Etwa als elektrische oder thermische Leiter wie Kupfer oder Aluminium.

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Jährlich werden weltweit allein 1,7 Milliarden Tonnen Stahl und 94 Millionen Tonnen Aluminium produziert. Und bis 2050 könnten sich die Produktionsmengen metallischer Werkstoffe noch einmal verdoppeln, bei einigen Materialien sogar verdreifachen, besagen Schätzungen. Allerdings treten reine Metalle in der Natur selten auf. Gold etwa ist eine Ausnahme; der größte Teil der Metalle ist in der oxidierenden Atmosphäre der Erde nicht stabil und muss zur Gewinnung reduziert und im Gebrauch meist vor Reoxidation geschützt werden, halten Hornbogen, Warlimont und Skrotzki fest. Allerdings ist die Gewinnung von Metallen aus Erzen extrem energieintensiv und mit einem hohen CO2-Ausstoß verbunden: Sechs Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen derzeit auf das Konto der Stahl- und Aluminiumindustrie – jährlich sind dies etwa 4,4 Milliarden Tonnen.  

Wie sich der immense CO2-Fußabdruck der Herstellung und -verwendung von Strukturmetallen reduzieren lässt, skizziert Springer-Autor Dierk Raabe, Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE), zusammen mit seinen Mitautoren C. Cem Tasan und Elsa A. Olivetti vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) jetzt im Fachmagazin Nature. „Wir müssen diese industriellen CO2-Emissionen reduzieren“, sagt Raabe. Nicht zuletzt, weil zumindest die Industrienationen ab 2050 weitgehend klimaneutral, also mit ausgeglichener CO2-Bilanz wirtschaften wollten. „Und die Metallindustrie kann dazu einen erheblichen Beitrag leisten.“ In ihrem Nature-Beitrag diskutieren die Materialwissenschaftler fünf Handlungsfelder.

Mehr Nachhaltigkeit in Produktion und Verarbeitung

Um den CO2-Aussstoß bei der Produktion von Metallen zu senken, müsse die Industrie den Anteil an Schrott, den sie wiederverwertet, erhöhen. Denn ein Metall einzuschmelzen, verbrauche deutlich weniger Energie, als es durch Reduktion aus seinem Erz zu gewinnen. „Das gilt vor allem für Abfälle, die in der Metallindustrie selbst anfallen, weil es sich hier um große Mengen handelt und weil sie sich relativ sortenrein trennen lassen“, so Raabe.

Bei der Produktion von Metallen und ihren Legierungen müssten zudem zunehmend CO2-neutrale Verfahren zum Einsatz kommen, fordern die Materialwissenschaftler. So ließen sich die jeweiligen Erze mit regenerativ erzeugtem Strom elektrolytisch direkt zu den entsprechenden Metallen reduzieren. Metalle könnten aber auch ganz oder teilweise mit Hilfe von regenerativ erzeugtem Wasserstoff gewonnen werden.

Auch bei der Verarbeitung von Metallen könnten Unternehmen viel Energie und damit CO2 sparen, indem sie die dabei entstehenden beträchtlichen Verluste verminderten. So gingen 40 Prozent des geschmolzenen Aluminiums verloren, bevor daraus überhaupt ein Blech geworden sei. Beim Stahl betrage dieser Ausschuss ganz am Anfang der Verarbeitung immerhin 25 Prozent beklagen die Nature-Autoren die derzeitige Praxis.

Sortieren und Wiederverwerten

Um den Anteil von wiederverwertetem Metall erhöhen zu können, müsse Schrott besser sortiert werden, fordern die Wissenschaftler. Denn eine Legierung erfülle ihre Aufgabe nur, wenn sie nicht zu stark verunreinigt sei. Daher benötigten Recycling-Unternehmen dringend innovative Techniken, mit denen sie Legierungen identifizieren, trennen, reinigen und zerkleinern könnten. Bevor allerdings solche Verfahren perfektioniert und konkurrenzfähig seien, könnte die Forschung für die Metallindustrie Legierungen entwickeln, deren Eigenschaften von Verunreinigungen kaum oder gar nicht beeinträchtigt würden.

Recycling-freundliches Legierungsdesign

Als wichtige Forschungsaufgaben benennen die Wissenschaftler in Nature das Design von Legierungen für unterschiedliche Anwendungen, deren Eigenschaften von Verunreinigungen nicht nennenswert beeinträchtigt werden. Um dies zu erreichen, müsste aber noch besser verstanden werden, wie sich kleinste Spuren von Elementen in einer Legierung auswirken, in der sie eigentlich nicht vorhanden sein sollen. Weiterhin sei es anstrebenswert, das Verhalten von metallischen Werkstoffen nicht nur über deren chemische Zusammensetzung zu steuern, sondern auch über deren Mikro- und Nanostruktur. Wenn die Zahl von Legierungen, die sich chemisch unterscheiden, sinke, werde es nämlich leichter, Metallschrott zu trennen und wiederzuverwerten. „Die Forschung an metallischen Werkstoffen steht hier vor einem Paradigmenwechsel“, ist Dierk Raabe überzeugt. „Bislang wurden Legierungen für eine einmalige Verwendung optimiert, künftig müssen wir beim Design der Zusammensetzung und der Eigenschaften mehr und mehr auch die Wiederverwertbarkeit berücksichtigen.“

Langlebigkeit durch Korrosionsschutz und Mehrfachnutzung

Drastisch verkleinern lässt sich nach Auffassung der Materialwissenschaftler der ökologische Fußabdruck der Metallindustrie auch dadurch, dass Legierungen beziehungsweise die Bauteile, die aus ihnen gefertigt werden, langlebiger werden. Denn dann müssten weniger Metalle hergestellt werden, um sie zu ersetzen. „Vor allem der Korrosionsschutz hätte hier eine enorme Wirkung“, so Raabe. Darüber hinaus sei es leider häufig Praxis, dass metallische Bauteile nicht deshalb ausrangiert oder ersetzt werden, weil sie abgenutzt oder korrodiert seien; nicht selten müssten sie aus ökonomischen Gründen weichen. Sie dann an anderer Stelle weiter zu nutzen, ohne sie erst einzuschmelzen und dann wieder ein gleiches Bauteil herzustellen, würde ebenfalls viel Energie sparen, konstatieren die Autoren in Nature. Allerdings, so Raabe: „Um entsprechende Verwertungsketten zu schaffen, müssen auf politischer Ebene entsprechende Anreize gesetzt werden.“

Energieeffizienz durch Leichtbau und Temperaturbeständigkeit

Nicht nur die Ökobilanz der metallischen Produkte selbst lasse sich im Gebrauch verbessern, indem sie etwa möglichst lange genutzt werden, auch in ihrem jeweiligen Einsatzgebiet lasse sich Energie sparen, wenn das Design der Werkstoffe und Bauteile daraufhin optimiert werde, analysieren die Materialwissenschaftler. So verbrauchten Autos mit leichteren Karosserien weniger Treibstoff, und Turbinen, die bei höheren Temperaturen arbeiten könnten, erzeugten aus der Wärme verfeuerter fossiler Energieträger effizienter Strom. In manchen Fällen lasse sich die Effizienz bei der Anwendung auch noch durch die Konstruktion der Bauteile verbessern; nicht zuletzt schaffe der 3D-Druck hier neue Möglichkeiten. In vielen Fällen seien aber einmal mehr Metallurgen gefragt, entsprechende Legierungen zu entwickeln. Durch die Veränderung der Zusammensetzung aber auch der Mikrostruktur könnten sie die Festigkeit der Werkstoffe erhöhen, ihre Dichte verringern oder ihre Beständigkeit gegenüber hohen Temperaturen steigern.

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