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Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 5/2022

Open Access 08-09-2022 | Einführung

Methoden zum Design digitaler Plattformen, Geschäftsmodelle und Service-Ökosysteme

Authors: Susanne Robra-Bissantz, Christoph Lattemann, Ralf Laue, Raphaela Leonhard-Pfleger, Luisa Wagner, Oliver Gerundt, Ricarda Schlimbach, Sabine Baumann, Christian Vorbohle, Sebastian Gottschalk, Dennis Kundisch, Gregor Engels, Nancy Wünderlich, Volker Nissen, Lisa Lohrenz, Simon Michalke

Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Issue 5/2022

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Zusammenfassung

Auf digitalen Märkten besteht, wer die zugrundeliegenden digitalen, unternehmensbezogenen oder akteursübergreifenden institutionellen Arrangements versteht und aktiv gestaltet. Dazu werden ausgereifte, von Forschung und Praxis diskutierte und gemeinsam weiter entwickelte Methoden zum Design digitaler Plattformen, Geschäftsmodelle und Service-Ökosysteme benötigt. Einen gemeinschaftlichen Aufschlag hierzu macht der folgende Artikel. Er entstand aus einem offenen Aufruf in der Wirtschaftsinformatik-Community – über Mailing-Listen und soziale Medien. Im Ergebnis führen sieben Forschergruppen (oder einzelne Forscher und Forscherinnen) ihre aktuellen Erkenntnisse zu diesem Thema zusammen.

1 Einleitung

Die Digitalisierung von Märkten führt zu neuen Herausforderungen für Unternehmen und Organisationen in der Gestaltung ihres kundenorientierten Angebots, in der Etablierung und nachhaltigen Pflege von Partnerbeziehungen und schließlich auch in Ansätzen zur Erlösgenerierung. So entsteht bereits über die viel einfachere Vernetzung zwischen allen und eben auch privaten Akteuren die Option, einzelne Angebote zu Problemlösungen zu verknüpfen. Neben Geld werden beispielsweise auch Daten, Reichweite oder Reputation von Partnern zu wertvollen Tauschwährungen. Insgesamt ermöglicht es die digitale Zusammenarbeit allen Partnern, Ressourcen und Kompetenzen innovativ und passgenau zu einer gemeinsamen Wertschöpfung beizutragen, von der alle Akteure profitieren. Diese neuen Optionen stellen eine Chance dar, die jedoch von Unternehmen auch genutzt werden muss, wenn sie im Wettbewerbsgefüge bestehen wollen. Eine zunehmend wichtige Grundlage hierfür sind neue Methoden zur Gestaltung innovativer Geschäftsmodelle und, darüber hinaus, auch für Service- und Business-Ökosysteme, die Akteure gewöhnlich über digitale Plattformen verknüpfen.
Für diesen Beitrag haben wir Forschende im Umfeld digitaler Märkte, Plattformen und Ökosysteme dazu aufgerufen, ihre innovativen Methoden zum Design von entsprechenden Modellen der digitalen Geschäftstätigkeit in einer von der Praxis einfach nutzbaren Form beizusteuern. Denn auch in der Forschung gilt es, für den gemeinsamen Erfolg die eigenen Kompetenzen und Ressourcen auszutauschen. Und speziell für unsere Zeitschrift HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik ist es wichtig, diese Forschung auch den Unternehmen und Organisationen anschlussfähig zur Verfügung zu stellen.
Im Folgenden findet sich daher ein erster Überblick an Gestaltungsmethoden für die neue, digitale Wirtschaft. Ausgangspunkt ist in fast allen Beiträgen die gängige und sehr verbreitete Methode des Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur. Sie stellt (zunächst) das einzelne Unternehmen in den Mittelpunkt und wird von den Autor:innen für digitale Märkte erweitert.
  • Laue et al. (Abschn. 2.1) starten mit einem ersten gemeinsamen Verständnis des unternehmerischen Business Model Canvas und nutzen dann die bereits bestehende Basis an Erfahrungen, die in neuen Geschäftsmodell-Mustern zusammengetragen ist. Ihre vorgestellte Methode zeigt systematisch auf, welche Fragen in der Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen gestellt und welche Muster bei entsprechenden Antworten auf diese Fragen in Betracht gezogen werden sollten1.
  • Schlimbach (Abschn. 2.2) fokussiert die Disruptionen durch Digitalisierung und verweist in ihrem Digital Canvas unter anderem auf die Notwendigkeit für Unternehmen, an immer neue Gegebenheiten anpassbar zu sein2.
Drei weitere Autorengruppen sehen die Notwendigkeit (vor der abschließenden Gestaltung des eigenen Geschäftsmodells), gemeinsam mit den (potenziellen) Partnern das Design eines gesamten Ökosystems aus verschiedenen Akteuren zu betrachten.
  • Baumann (Abschn. 3.1) bedient sich hierzu des Gedankens der Value-Co-Creation, die sie nicht allein in der Wertschöpfung von Akteuren in einem bestehenden Ökosystem sieht, sondern bereits in dessen Entwicklung. Sie verweist hierzu auf bestehende Methodensets, die diese Value-Co-Creation in mehreren offenen, iterativen Workshops unterstützen3.
  • Vorbohle et al. (Abschn. 3.2) bieten ein umfassendes neues Methodenset, das in gemeinsamen Workshops zunächst alle Akteure des Ökosystems (Kunden und Unternehmen) einzeln mithilfe dedizierter Canvas strukturiert, um hieraus die als zentral identifizierten Wertströme zwischen den Partnern abzuleiten und diese übersichtlich zur Diskussion und Ableitung eigener Geschäftsmodelle in einer Visualisierung des Ökosystems darzustellen4.
  • Robra-Bissantz und Lattemann (Abschn. 3.3) gehen sehr ähnlich vor, wählen zur Übersicht des Service-Ökosystems allerdings eine Netzstruktur, die entsprechend der Logik der Dienstleistung alle Akteure mit den ausgetauschten Kompetenzen und Ressourcen darstellt, um sie gemeinsam in Workshops kreativ (weiter-) zu entwickeln. Eine Werte-Kompetenzen-Matrix stellt hierfür die Akteure in ihren (zukünftigen) Austauschbeziehungen gegenüber5.
Besondere Akteure in digitalen Ökosystemen sind diejenigen, die die digitale Plattform betreiben. Für Plattformbetreiber werden weitere Design-Methoden zur genauen Ausgestaltung ihrer Plattform vorgeschlagen.
  • Nissen (Abschn. 4.1) präsentiert hierzu, wie sich Beratungsunternehmen vor dem Hintergrund von Digitalisierung, Vernetzung und verbesserter Skalierung über sein Methodenset nicht allein mit neuen Geschäftsmodellen, sondern auch mit einer digitalen Plattform positionieren können6.
  • Lohrenz und Michalke (Abschn. 4.2) zeigen zur Plattform-Gestaltung ein Canvas auf, das auf empirisch erarbeiteten Design-Prinzipien basiert und es im Workshop ermöglicht, den Weg eines Plattform-Kunden vom ersten Kennenlernen der Plattform bis zur Möglichkeit der gemeinsamen Service-Innovation zu unterstützen7.

2 Methoden zum Design digitaler Geschäftsmodelle

2.1 Zielgerichtetes Fragen zum Identifizieren von Möglichkeiten für innovative Neu- und Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen

2.1.1 Beschreibung und Ziel

Voraussetzung für jegliche Diskussion über Geschäftsmodell-Innovationen ist zunächst, die Faktoren, die das Geschäft beeinflussen können, gut verstanden zu haben. Weiterhin sollte den Diskussionsteilnehmern bewusst sein, welche Bausteine zur vollständigen Beschreibung eines Geschäftsmodells erforderlich sind. Ein gemeinsames Verständnis des aktuellen Geschäftsmodells ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Geschäftsmodell-Innovation (vgl. Osterwalder und Pigneur 2010, S. 19; Wagner 2021, S. 20). Als Grundlage für dieses gemeinsame Verständnis können unterschiedliche Darstellungsformen genutzt werden. Ein bewährtes Mittel zur Beschreibung der Bausteine eines Geschäftsmodells stellt das Business Model Canvas (Osterwalder und Pigneur 2014) dar. Soll ein schon praktiziertes Geschäftsmodell innovativ weiterentwickelt werden, empfehlen wir, dieses Geschäftsmodell zunächst mit Hilfe des Business Model Canvas darzustellen. Wichtig ist, dass die am Design des Geschäftsmodells Beteiligten diese Darstellung verstehen und sich über deren Aussage einig sind.
Als Inspirationsquelle für die Gestaltung und Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen können bestehende Geschäftsmodell-Muster dienen, die sich bereits an anderer Stelle bewährt haben. Die bekannteste Zusammenstellung solcher Muster findet sich in Gassmann et al. (2021), eine große Zahl weiterer Muster in Taran et al. (2016), Remané et al. (2019) und Lüdeke-Freund et al. (2018). Die Methode des St. Galler Business Model Navigators von Gassmann et al. (2021) basiert auf mittlerweile 60 Geschäftsmodell-Mustern, welche auf Basis von drei Strategien (Übertragung, Kombination und Wiederholung) dazu genutzt werden können, neue Geschäftsideen zu erzeugen (vgl. Gassmann et al. 2021, S. 26 ff.; Wagner 2021, S. 27).
Bei der großen Anzahl verfügbarer Muster stellt sich jedoch die Frage, wie die für einen vorliegenden Kontext Passenden ausgewählt werden können. Hierfür stellen wir verschiedene Methoden vor, die eine Gemeinsamkeit haben: Sie zeigen systematisch, welche Fragen gestellt werden sollten und welche Muster bei entsprechenden Antworten auf diese Fragen in Betracht gezogen werden sollten.
Ziel der Methoden ist es also, die für den vorliegenden Kontext geeigneten Muster zum erstmaligen Erstellen oder zum innovativen Verbessern von Geschäftsmodellen auszuwählen.

2.1.2 Ablauf und Durchführung

Wir wollen zunächst zwei Methoden beschreiben, welche Werkzeuge der Theorie „des erfinderischen Problemlösens“ (TRIZ, siehe z. B. Koltze und Souchkov (2017)) nutzen:
  • Wagner (2021) leitet die Fragestellungen aus den TRIZ-Trends (Trends of Evolution System Engineering (TESE)) ab. Diese Trends sind Gesetzmäßigkeiten in der Evolution technischer Systeme, welche sich auch auf nicht-technische Systeme übertragen lassen (Lybomirskiy et al. 2018). Auf sog. Trend-Leporellos wird nach dieser Methode zunächst der entsprechende TRIZ-Trend abstrahiert auf nicht-technischer Ebene mit einer Frage vorgestellt. Z. B. gibt es zum TRIZ-Trend der zunehmenden Systemvollständigkeit die Frage: „Wie kann das bestehende Geschäftsmodell ergänzt bzw. erweitert werden?“ Dazu gibt es eine kurze Erläuterung, Beispiele erfolgreicher Umsetzung dieses Trends in bekannten Unternehmen, sowie einen Verweis auf die relevanten Geschäftsmodell-Innovationsmuster aus (Gassmann et al. 2021). Durch die Trend-Leporellos wird die bisher häufig verwendete Methode des Brainstormings durch die Anwendung von Provokationsfragen abgelöst. Diese Form der mentalen Provokation hilft den Anwendern, ihre vorhandenen Denkmuster zu verlassen und dadurch neue und innovative Ideen für ihre Geschäftsmodelle generieren zu können (Wagner 2021, S. 8). Da die Trend-Leporellos in kompakter und ansprechender Form die wesentlichen Informationen enthalten, eignet sich diese Methode für die Anwendung in Teams mit unterschiedlichem Vorwissen über TRIZ. Die Methode der Arbeit mit Trend-Leporellos wurde in der Praxis schon mehrfach angewandt und nun im Rahmen weiterer Forschungsarbeiten auf eine Weiterentwicklung, Digitalisierung und Vervollständigung geprüft.
  • Laue (2019) nutzt ein anderes Werkzeug der TRIZ: die ideale Problemlösung. Dieser theoretische Begriff stellt die (in der Praxis nicht notwendig erreichbare) perfekte Lösung dar, die alles Gewünschte erreicht ohne negative Nebenwirkungen zu haben. Beim Ansatz von Laue (2019) wird nun eine Abfolge für das Geschäft relevanter Aktionen aktueller oder potenzieller Kunden (vergleichbar mit einer Customer Journey Map) untersucht. Aus Sicht des Kunden, des Managements, der Mitarbeiter der durchführenden Organisation und der Umwelt, wird nun für jede dieser Aktionen kenntlich gemacht, in welchen Aspekten diese von der Idealität abweichen. Das liefert die Grundlage für weitere Diskussionen.
Auch in Laue und Leonhard-Pfleger (2022) bildet die ideale Problemlösung die Orientierung. Hier wird von zwei Startpunkten ausgegangen. Zum Ersten werden Produkte, Prozesse, Informationen und Fähigkeiten der Organisation betrachtet und Fragen dazu gestellt, wer (ggf. nach passenden Änderungen) ebenfalls an diesen interessiert sein könnte. So sollen neue Partner und neue Kundengruppen identifiziert werden. Zum Zweiten wird mit Hilfe einfacher Zielmodelle untersucht, was (potenzielle) Kunden erreichen wollen. Das soll helfen, über das eigene bereits vorhandene Produkt hinaus Ideen für umfassendere oder speziellere Angebote zu generieren. Es wird gefragt, mit welchen „Zusätzen“ Angebote in Richtung Idealität aufgewertet oder durch andere Angebote ersetzt werden können und es werden entsprechende Muster für Geschäftsmodell-Gestaltung und -Innovation empfohlen.
Zu nennen ist schließlich noch die Methode aus Gross et al. (2021), an deren Entwicklung – anders als bei den bisher genannten Ansätzen – kein Autor dieses Beitrags beteiligt war. Die dort vorgestellten Fragen decken sämtliche Bereiche des Geschäftsmodell-Designs ab und können somit insbesondere dagegen schützen, bestehende Entscheidungen zu einzelnen Bereichen aus Gewohnheit gar nicht erst in Frage zu stellen.
Tab. 1 gibt einen Überblick über die diskutierten Methoden:
Tab. 1
Methoden des zielgerichteten Fragens
 
Aufbauend auf
Ergebnis
Wagner (2021)
TRIZ-Trends (TESE), S‑Kurven, Idealität, Geschäftsmodell-Muster
Radikale Ideen für die innovative Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen
Laue (2019)
Idealität, Personas, Customer Journey Map
Erkenntnisse über Fragen, die es sich lohnt, in einem Folge-Workshop zu stellen
Laue und Leonhard-Pfleger (2022)
Idealität, Geschäftsmodell-Muster, Zielmodelle
Erkenntnisse über anwendbare Geschäftsmodell-(Innovations‑)Muster
Gross et al. (2021)
Designraum-Analyse
(Design Space Analysis)
Ideen für Redesign von Geschäftsmodellen
Zur Dauer der Durchführung kann keine allgemeingültige Aussage getroffen werden. Während die Fragemethode aus Laue (2019) schon nach etwa 2 h relevante Fragen (aber noch nicht deren Antworten) als Ergebnis liefern kann, sollte für die anderen Methoden mindestens ein halber Tag geplant werden, um mehrere Muster zu diskutieren und zu ersten Ergebnissen zu kommen.
Der Schwierigkeitsgrad ist für den Moderator als hoch einzuschätzen, da ein Überblick über mögliche Fragen und existierende Muster vorhanden sein muss. Demgegenüber sinkt die Schwierigkeit für die anderen Beteiligten, da sie durch systematisches Fragen geleitet werden. Das erlaubt eine Einbeziehung von Beteiligten mit unterschiedlichem fachlichem Hintergrund.
Ralf Laue, Raphaela Leonhard-Pfleger, Luisa Wagner, Oliver Gerundt

2.2 Ein Canvas für die Gestaltung digitaler Geschäftsmodelle

2.2.1 Beschreibung und Ziel

Der Megatrend der Digitalisierung zwingt Unternehmer weltweit dazu, ihre Geschäftsmodelle neu zu gestalten und kontinuierlich an sich verändernde Rahmenbedingungen anzupassen, um langfristig auf dem volatilen Markt bestehen zu können (Kotarba 2018; Kreutzer und Land 2015). So verdrängte beispielsweise Netflix den ehemaligen Branchenriesen Blockbuster mit einem Video-on-Demand-Dienst vom Markt, und AirBnB disruptierte die Beherbergungsbranche mit seiner Plattform, indem es Reisende und Gastgeber auf intelligente Weise miteinander verknüpfte, ohne jedoch Betten zu besitzen (Kreutzer und Land 2015). Diese Disruption der Wertschöpfung in Service-Ökosystemen stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Sie erfordert neue wirksame Instrumente, die das hochdynamische und zunehmend dienstleistungsorientierte Geschäftsumfeld besser widerspiegeln, um die Gestaltung und Anpassung von Geschäftsmodellen zielgerichtet zu unterstützen.
An dieser Stelle setzt das Digital Canvas an. Es dient als beschreibbare Visualisierungshilfe zur Gestaltung der einzelnen Kernelemente digitaler Geschäftsmodelle. Dabei baut es strukturell auf dem Business Model Canvas nach Osterwalder und Pigneur (2010) auf, spezifiziert seine Elemente jedoch entlang der Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle – beispielsweise in Bezug auf die kollaborative Wertschöpfung durch den Austausch von Kompetenzen und Ressourcen oder ein hybrides Leistungsangebot, welches aus physischen und digitalen Komponenten besteht. Ziel der Methode ist es, ein digitales Geschäftsmodell sukzessive entlang seiner Kernbestandteile zu durchdenken, zu diskutieren und mögliche Anpassungen für jeden Block schriftlich festzuhalten, wobei ein Leitfragebogen mit unterstützenden Fragestellungen pro Kernelement hilft.

2.2.2 Ablauf und Durchführung

Wir empfehlen die Nutzung des Digital Canvas in einem Workshop, der von einer Person mit (grundlegenden) Kenntnissen zu digitalen Geschäftsmodellen und ihren Kernbestandteilen moderiert wird. Teilnehmen sollten idealerweise Personen mit heterogenen Hintergründen (z. B. Praxis und Forschung oder verschiedene Fachdisziplinen und Kulturen) sowie verschiedene Stakeholder des zu gestaltenden Geschäftsmodells (Kundengruppen, Geschäftsführer, mögliche Investoren, Drittanbieter, usw.), welche die einzelnen in der folgenden Abb. 1 illustrierten Kernelemente aus ihrer Rolle heraus durchdenken und kritisch miteinander diskutieren.
Hierzu sollte der Moderator zunächst kurz in jedes der Felder einführen und die Leitfragen hinter jedem Element erklären. Unser Tipp ist es, dies so greifbar wie möglich zu vermitteln, indem jeder Baustein an einem bekannten digitalen Geschäftsmodell (z. B. AirBnB oder Uber) erläutert wird, sodass der Transfer auf das eigene Geschäftsmodell leichter fällt. Ein reger Austausch ergibt sich sowohl im physischen Rahmen durch das Anpinnen von Post-its auf die als Poster ausgedruckte Canvas-Vorlage, als auch in der digitalen Zusammenarbeit in Whiteboards (z. B. Mural oder Miro). Je nach Zielgruppe variieren wir die Einbringung von Impulsvorträgen: In Lehrszenarien (z. B. Entrepreneurship Weeks) stellen wir dabei dem Digital Canvas andere Methoden zur Geschäftsmodell-Entwicklung gegenüber und gehen stärker auf die theoretische Fundierung dahinter ein. Bei der Anwendung in Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell in der Praxis weiterentwickeln wollen, empfehlen wir einleitende Impulsvorträge von externen Rednern.. Die Brisanz der Anpassungsfähigkeit und sich vollziehende Disruption zuvor etablierter Wertschöpfungsstrukturen sollte dabei im Mittelpunkt stehen, um den Druck zum Handeln zu erhöhen.
Um im gesamten Prozess eine bedürfnisorientierte Sicht auf die beteiligten Akteure zu behalten, raten wir nach vorangestellter Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen dazu, das Digital Canvas von innen nach außen entlang des folgenden Leitfadens zu durchlaufen (Schlimbach und Asghari 2020):
Rahmenbedingungen:
  • Welche Technologien und Trends dominieren den Markt? Wie könnten diese in das Geschäftsmodell integriert werden? Welche Technologien sind nützlich/hinderlich und welche Trends beflügeln/behindern das eigene Geschäftsmodell?
  • Welche Marktstruktur dominiert (Größe, Wettbewerber,, Marktform)? Gibt es ein vorherrschendes Geschäftsmodell-Muster (beispielsweise Digitalplattform, Sharing Economy.)?
  • Welche gesellschaftlichen Trends und Rahmenbedingungen herrschen vor?
  • Welche Regularien sind für das Geschäftsmodell relevant und welche Auswirkungen haben diese?
Akteure:
  • Wer wird das Leistungsangebot nutzen, wer ist beteiligt und wer soll dafür bezahlen? Charakterisieren Sie Kunden und weitere Stakeholder näher (Wer kann welche Rolle einnehmen?).
  • Problem/Bedürfnis und Mehrwert
  • Mit welchem echten Problem ist jeder Stakeholder konfrontiert? Welche offensichtlichen oder latenten Bedürfnisse hat er/sie? Diskutieren Sie hier aus Ihren verschiedenen Rollenperspektiven heraus!
  • Welchen Mehrwert bietet das Geschäftsmodell, um auf diese identifizierten Probleme und Bedürfnisse zu reagieren? Welche Alternativen haben Kunden? In welchem Verhältnis steht deren Leidensdruck zum Angebot?
Ressourcen
  • Welche physischen/materiellen Ressourcen sind für das Geschäftsmodell von Bedeutung?
  • Welche immateriellen/fähigkeitsbasierten Ressourcen und Schlüsselaktivitäten sind für das GM von Bedeutung? Welche Ressourcen müssen Sie einerseits selbst einbringen und welche Ressourcen könnten durch Drittanbieter oder die Kunden selbst integriert werden?
Daten und Werte
  • Welche Rolle spielen Daten und nicht-monetäre Werte (z. B. Reputation, Vertrauen) für Ihr Geschäftsmodell? Welche Möglichkeiten gibt es, diese sinnvoll zu nutzen, aber gleichzeitig zu schützen? Welche neuen Geschäftspotentiale ergeben sich?
Hybrides Produkt
  • Verfügen Sie über ein hybrides Produkt? Wie können sich die physische und die digitale Komponente ergänzen?
Organisationsstruktur
  • Wie ist die Organisationsstruktur aufgebaut? Welche Maßnahmen helfen Ihnen dabei, flexibel umstrukturieren zu können? Welches Verständnis von Zusammenarbeit, Führung und strategischer Ausrichtung verfolgen Sie?
Ertragsmechanik im Service-Ökosystem
  • Welche Werte und Services tauschen die Akteure aus und wie kann dadurch langfristig Geld verdient werden? Welche Einnahmequellen und Kosten gibt es? Welche Zahlungsmöglichkeiten gibt es für die Kunden? Ab wann ist das Geschäftsmodell rentabel?
Anpassungsfähigkeit
  • Welche Bausteine können ohne großen Zeit- und Ressourcenaufwand flexibel angepasst werden? Wie könnten Geschäftsmodell-Muster (Wettbewerber, andere Branche, etc.) übertragen oder kombiniert werden? Welche Möglichkeiten der Spezialisierung sehen Sie? Erscheint es sinnvoll, einzelne Bausteine des Geschäftsmodells zu diversifizieren?
Die Dauer der Durchführung ist variabel und hängt stark vom Umsetzungsrahmen ab. Wir haben sowohl positive Erfahrungen mit einer Anwendung innerhalb kurzer Zeiträume (z. B. 30 min) gemacht, im Rahmen dessen eine Geschäftsmodell-Idee grob skizziert und entlang der Elemente strukturiert wird, als auch in mehrtägigen Workshops, in denen jeder Block detailliert ausgearbeitet und reflektiert wird. In diesem zeitintensiven Rahmen empfiehlt es sich, die Ausarbeitung einzelner Kernelemente durch weitere etablierte Methoden zu unterstützen, beispielsweise durch die Erstellung von Personas, um sich besser in die Bedürfnisse der einzelnen Stakeholder hineinzuversetzen. Somit kann auch der Schwierigkeitsgrad der Methodenanwendung variabel an die bearbeitende Gruppe angepasst werden und reicht von einfach bei der reinen „Abarbeitung“ der Leitfragen bis hin zu sehr schwierig, wenn eine Vielzahl weiterer Methoden geschickt mit der Bearbeitung des Digital Canvas verknüpft werden sollen.
Ricarda Schlimbach

3 Methoden zum Design von (Service‑)Ökosystemen

3.1 Value Co-Creation als Methode zur Wertschöpfung in digitalen Business Ecosystems

3.1.1 Beschreibung und Ziel

Plattformen und digitale Business Ecosystems sind zum favorisierten Modus Operandi in der digitalen Wirtschaft geworden. Sie ersetzen vertikale Hierarchien und lineare Lieferketten durch ein verteiltes und kooperatives Organisationsmodell und führen zu einer grundlegenden Veränderung von Geschäftsabläufen (Baumann und Leerhoff 2022). Digitale Business Ecosystems bewältigen nicht nur Störungen in Lieferketten durch hoch-dynamische Adaptation, sondern sie bilden auch die Basis für innovative Geschäftsmodelle. Diese lassen sich kollaborativ mit der Methode der Value Co-Creation (gemeinsame Wertschöpfung) erarbeiten, welche auch Kundinnen und Kunden integriert.
In Analogie zu biologischen Ökosystemen setzen sich digitale Business Ecosystems aus nicht homogenen Partnern zusammen, von denen jeder individuelle Interessen verfolgt, die aber für ihr Überleben aufeinander angewiesen sind. Durch den Übergang von linearen Wertschöpfungsketten zu kollaborativen Wertschöpfungsnetzwerken werden Unternehmensgrenzen zunehmend durchlässig, unscharf und veränderlich. Die Interdependenz der Akteure erfordert daher spezifische Austausch- und Interaktionsprozesse, um das digitale Business Ecosystem zu gestalten und zu orchestrieren (Storbacka et al. 2012). Das bedeutet auch, dass die Akteure nicht nur die Effizienz ihrer internen Prozesse gewährleisten müssen, sondern gemeinsam innovative kundenorientierte Produkte und Dienstleistungen bereitstellen (Assiouras et al. 2019, S. 243).
Sowohl in der Praxis als auch der Wissenschaft hat sich die Methode der Value Co-Creation etabliert, um Kollaborationen in digitale Business Ecosystems und auch die Einbindung der Kundinnen und Kunden als so genannte Prosumer zu gestalten (Adamik et al. 2018, S. 885). Co-Creation bezeichnet Aktivitäten, deren Ziel es ist, gemeinsam etwas (Neues) zu schaffen oder zu produzieren (Schöpfung). Die Methode hat ihren Ursprung in der Koproduktion, bei der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lieferkette integriert wurden, um Kosten zu sparen (z. B. Abholen und Aufbauen von Möbeln). Seit den 1990er-Jahren rückte die Kundenbeteiligung als Möglichkeit zur Differenzierung im Wettbewerb noch stärker in den Fokus, indem Kundinnen und Kunden nun auch aktiv in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen eingebunden wurden. Mittlerweile umfasst Value Co-Creation auch die Wertschöpfung durch Interaktion von Stakeholdern in interaktiven Systemumgebungen wie Plattformen und DBE, indem Artefakte, Prozesse, Schnittstellen und Personen zur Value Creation genutzt werden. Unterstützt durch digitale Technologien destilliert und assembliert Value Co-Creation aus den zugrunde liegenden Ressourcen und Fähigkeiten der Partner und Stakeholder eines DBE hochgradig innovative Lösungen, die über das Spektrum klassischer Wertschöpfungsprozesse hinausgehen (Ramaswamy und Ozcan 2018).

3.1.2 Ablauf und Durchführung

Ein inhärentes Merkmal der Value Co-Creation ist, dass sie keinem starrem Vorgehensmodell folgt. In der Regel startet der Prozess mit einem oder einer Reihe von Workshops, die Stakeholder und interessierte Akteure aus unterschiedlichen Branchen zusammenbringen. Im ersten Schritt beleuchten sie im offenen Modus die Problemstellung, bevor im Folgenden gemeinsam interdisziplinäre Lösungen entwickelt und evaluiert werden.
Zur Entwicklung von nutzerzentrierten Lösungen, die für diese echten Mehrwert schaffen, können Vorgehensmodelle wie das Design Thinking und Verfahren zur Förderung der Kreativität eingesetzt werden. Ein iteratives Vorgehen stellt die Balance zwischen Flexibilität und Zielorientierung sicher, indem über Reflektionen und Rücksprünge die Lösung immer weiter verfeinert wird. Iterationen gewährleisten auch den Ideenabgleich über alle Partner und stellen kontinuierlich einen gemeinsamen Sachstand her. Zur Unterstützung der Evaluierung von Ideen im Verlauf der Value Co-Creation kommen z. B. Visualisierung, Prototyping oder Simulationen zum Einsatz.
In die Value Co-Creation werden alle betroffenen Stakeholder eines (digitalen) Business Ecosystems eingebunden, d. h. das gesamte Netzwerk von Organisationen wie Herstellern, Zulieferern, Händlern, Kundinnen und Kunden, Behörden usw., die gemeinsam ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung bereitstellen und/oder nutzen. Darüber hinaus werden bewusst auch miteinander im Wettbewerb stehende Unternehmen und bisher nicht zum digitale Business Ecosystem gehörende Organisationen eingebunden. Besonders innovative Ergebnisse der Value Co-Creation entstehen in branchenübergreifenden Kontexten, für die es bisher noch keine geeigneten Lösungen gibt.
Dauer und Schwierigkeitsgrad der Value Co-Creation hängen von der Aufgabenstellung ab. Die Entwicklung eines vollständig neuen Geschäftsmodells ist aufwändiger als die Weiterentwicklung von bestehenden Angeboten eines bestehenden DBE mit bekannten Zielgruppen. Da sich in der Regel nicht alle Beteiligten kennen und sie oft auch aus unterschiedlichen Branchen stammen, nimmt die Value Co-Creation mehrere Wochen, oft auch Monate in Anspruch. Der Schwierigkeitsgrad ist typischerweise hoch, weil sich die Value Co-Creation besonders für komplexe, neuartige Problemstellungen eignet, insbesondere auch für die Anwendung neuer Technologien, deren Potenzial für die Verbesserung von Geschäftsprozessen oder Entwicklung neuer Leistungsangebote noch nicht (vollständig) eingeschätzt werden kann.
Die (An)Moderation kann grundsätzlich von jeder der von einer Lösung betroffenen Anspruchsgruppen übernommen werden. Typischerweise werden erste Treffen von Stakeholderinnen und Stakeholdern initiiert, die besonders von einem komplexen Problem betroffen sind oder das Potenzial einer neuen Technologie ausloten wollen. Dabei werden in der Regel auch gezielt Akteurinnen und Akteure unterschiedlicher Stufen der Wertschöpfung und/oder Branchen zusammengebracht, damit der Pool an Ressourcen- und Fähigkeiten vielfältig wird.

3.1.3 Erfahrungen, Tipps und Tricks

Value Co-Creation setzt eine grundsätzliche Offenheit der Beteiligten sowohl in Bezug auf das Vorgehen als auch auf die erarbeiteten Lösungen voraus. Diese Unvoreingenommenheit ist wichtig, um einerseits die Interaktion flexibel gestalten zu können und andererseits den Lösungsraum interdisziplinär und branchenübergreifend zu öffnen. Bestehende Vorbehalte können Value Co-Creation ausbremsen: „Not invented here“ ist eine entlarvende Killerphrase. Beteiligte sollten im gemeinsamen Wertschöpfungsprozess explizit auch Bekanntes in Frage stellen. Das setzt bei den beteiligten Partnern neben Vertrauen auch Kritikbereitschaft und eine offene Innovations- und Diskussionskultur voraus (Jaakkola und Hakanen 2013).
Aufgrund des Einbeziehens vieler Stakeholder, der Interdisziplinarität und der zu Beginn häufig noch unscharfen Aufgabenstellung ist Value Co-Creation mit hohem Organisationsaufwand verbunden. Insbesondere die klare Formulierung der Ausgangssituation, der Abgleich der Erwartungen der Stakeholder und das Ableiten der Ziele sowie die Evaluation entstandener Ideen nehmen bisweilen viel Zeit in Anspruch. Daher ist es wichtig, den Prozess gut zu strukturieren und zur jeweiligen Phase passende Formate zu wählen. Hier bieten digitale Tools (z. B. gemeinsame Datenrepositories, Kollaborationsplattformen, Instant-Messaging-Dienste) eine gute Unterstützung des Prozesses sowie der Dokumentation von Ergebnissen.
Die Diversität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und auch der entstehenden Ergebnisse sind sowohl Stärke als auch Herausforderung der Value Co-Creation (Storbacka et al. 2012). Sie basiert auf unterschiedlichen Perspektiven und auch konträren Diskussionen, die im Prozess hervorgebracht, aber auch ausgehalten werden müssen. Daher bedarf es klarer Rahmenbedingungen und Regeln sowie einer professionellen Moderation des Prozesses (Ramaswamy und Ozcan 2018). Die Kunst ist, Ergebnisoffenheit und notwendige Zielerreichung auszubalancieren, ohne die Diversität in ihrer Wirkung zu limitieren. Es sind gerade Offenheit und Vielfalt der Value Co-Creation, die außergewöhnlich (erfolgreiche) und innovative Lösungen hervorbringen.
Sabine Baumann

3.2 Business Model Ideation for Business Ecosystems (BMI4BE)

3.2.1 Beschreibung und Ziel

Die BMI4BE-Methode ermöglicht die kollaborative Generierung von innovativen Geschäftsmodellideen über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg. Im Fokus der Methode steht dabei die gemeinsame Konzeption eines Business-Ökosystems, an der Repräsentant:innen aus verschiedenen Unternehmen teilnehmen. Unter einem Business-Ökosystem verstehen wir, basierend auf Adner (2017) und Jacobides et al. (2018), einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen, die auf Grundlage von gemeinsamen Visionen und Wertversprechen zusammenarbeiten. Dabei bestehen komplementäre Verbindungen zwischen den Produkt- oder Dienstleistungsangeboten der Unternehmen, ohne dass ein einzelnes Unternehmen das gesamte Ökosystem hierarchisch kontrolliert. Bestehende Ansätze unterstützen die Geschäftsmodell-Innovation in einem einzelnen existierenden oder neu gegründeten Unternehmen substanziell (z. B. Business Model Design Process in Verbindung mit dem Business Model Canvas, Osterwalder und Pigneur 2010), legen jedoch keinen Fokus auf die kollaborative Ideengenerierung für innovative Geschäftsmodelle mit mehreren Unternehmen. Letzteres erfährt allerdings zunehmend an Bedeutung, da in vielen Branchen digitale Technologien einen Wandel von separaten Produkt- und Dienstleistungsangeboten hin zu integrierten Wertversprechen ermöglichen. In diesem veränderten digital vernetzten Wirtschaftsumfeld verfügen einzelne Unternehmen oft nicht mehr allein über alle notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten, die erforderlich sind, um den Kund:innen ein vollständiges Wertversprechen anbieten zu können (Kohtamäki et al. 2019). Daher wird eine Methode zur gemeinsamen Generierung und Visualisierung von innovativen Geschäftsmodellideen mit Ökosystem-Perspektive benötigt.
Die BMI4BE-Methode kann für zwei mögliche Anwendungskontexte eingesetzt werden: (1) um ein schon bestehendes Business-Ökosystem zu innovieren oder (2) zur unternehmensübergreifenden Generierung eines neuen Business-Ökosystems. Dabei lässt sich die Methode als Erweiterung zu schon existierenden Methoden der Geschäftsmodell-Innovation (z. B. Osterwalder und Pigneur 2010) nutzen. Darüber hinaus lassen sich auch einzelne Bestandteile der Methode in allgemeinere Ansätze wie das Design Thinking (z. B. Geissdoerfer et al. 2016) integrieren. Die Idee der Methode basiert darauf, dass sich die Repräsentant:innen der einzelnen Unternehmen zuerst auf Leistungen des Business-Ökosystems für potenzielle (End‑)Kund:innen fokussieren und ein gemeinsames Wertversprechen sowie eine Marktperspektive entwickeln. Erst im Anschluss daran werden die (potenziell) beteiligten Unternehmen mit ihren Beiträgen zum Ökosystem spezifiziert sowie die dafür notwendigen Wertströme erarbeitet. Auf dieser Grundlage wird eine gemeinsame Visualisierung des Ökosystems erstellt, die zur Analyse der Geschäftsbeziehungen zwischen den einzelnen Unternehmen genutzt werden kann.

3.2.2 Ablauf und Durchführung

Die Methode wird in einem mehrstündigen Präsenz-Workshop mit Repräsentant:innen der (potenziell) beteiligten Unternehmen im Ökosystem durchgeführt. Der Fokus liegt dabei auf der kollaborativen Ideengenerierung, welche eine vorgelagerte Analyse von potenziellen Kundenbedürfnissen voraussetzt, sowie in eine nachgelagerte Ideenevaluation (unter anderem) mit identifizierten Kundengruppen mündet. Der Workshop wird durch moderierende Berater:innen unterstützt, die bei Unklarheiten helfen und als Diskussionsleiter:innen agieren.
Für die Durchführung des Workshops werden Repräsentant:innen der potenziellen Unternehmen des Ökosystems als Teilnehmer:innen entsandt. Da diese Teilnehmer:innen sowohl die unternehmensinternen Interessen vertreten als auch unternehmensübergreifende Belange im Blick haben müssen, bieten sich Teilnehmer:innen an, die einen guten Gesamtüberblick über das Unternehmen und dessen Marktumfeld (inkl. Kund:innen) haben. Solche wären beispielsweise CxO oder Mitarbeiter:innen aus den Bereichen Unternehmensentwicklung, Marketing, Strategie oder Innovation. Um eine kreative und kollaborative Umgebung zu ermöglichen, sollte die Anzahl der Teilnehmer:innen des Workshops auf maximal zehn Personen begrenzt werden.
Die BMI4BE-Methode sieht sechs Phasen vor (siehe Abb. 2), die am Beispiel eines Business-Ökosystems zur prädiktiven Instandhaltung von Kraftfahrzeugen erläutert werden.
Phase 1
Erarbeitung der Kundenperspektive
Um eine prädiktive Instandhaltung zu ermöglichen, müssen sich verschiedene Unternehmen (z. B. Fahrzeughersteller, Zulieferer, Versicherer, Werkstätten) zu einem Ökosystem zusammenschließen. Die Repräsentant:innen der Unternehmen entwickeln gemeinsam Ideen zu möglichen Wertversprechen für potenzielle Kund:innen des Business-Ökosystems. Dafür sollten im Vorfeld des Workshops bereits aktuelle Bedürfnisse von Kund:innen identifiziert werden. Zur Kreativitätsförderung und Dokumentation verwenden die Repräsentant:innen dafür das Value Proposition Canvas von Osterwalder et al. (2014). Beispielsweise könnte die Bedürfnisanalyse ergeben haben, dass Kund:innen eine prädiktive Reparatur erst vornehmen, wenn die Ersatzteile schon vorhanden sind, um die Ausfallzeit des Autos zu minimieren.
Phase 2
Erarbeitung der Marktperspektive
Auf der Grundlage der gemeinsamen Kundenperspektive entwickeln die Repräsentant:innen kollaborativ Ideen für die Marktperspektive des Business-Ökosystems. Zusätzlich zu den Wertversprechen (z. B. günstigere Kosten) sollen mögliche Kundensegmente (z. B. private Kfz-Halter:innen), die durch die Leistungen des Ökosystems angesprochen werden sollen, die Art der Kundenbeziehungen (z. B. persönliche Beratung durch Versicherer), die durch einzelne Unternehmen des Ökosystems gepflegt werden müssen, sowie Kontaktkanäle (z. B. Partnerwerkstätten), durch die der/die Kunde:in erreicht werden soll, beschrieben werden. Als Hilfestellung dient das für diese Methode entwickelte End-Customer Canvas (siehe Abb. 3a), das von den Repräsentant:innen gemeinsam ausgefüllt wird.
Phase 3
Erarbeitung der Unternehmensperspektive
Basierend auf dem zu adressierenden Markt erarbeiten die jeweiligen Repräsentant:innen die Stellung des eigenen Unternehmens innerhalb des Ökosystems. Hierzu dokumentieren diese die existierenden Ressourcen (z. B. technisches Know-how), mögliche Aktivitäten (z. B. Austausch von Fahrzeugteilen) und die bereits bestehenden Wertversprechen (z. B. kostengünstige Ersatzteile), die die jeweiligen Unternehmen in das Ökosystem einbringen können. Als Hilfestellung wird das für diese Methode entwickelte Company Contribution Canvas (siehe Abb. 3b) verwendet, welches jede/r Repräsentant:in für das eigene Unternehmen ausfüllt.
Phase 4
Erarbeitung der Ökosystemperspektive
Um die einzelnen Unternehmensperspektiven innerhalb des Ökosystems miteinander zu kombinieren, erarbeiten die Repräsentant:innen gemeinsam Ideen für Wertströme, die innerhalb des Ökosystems fließen können. Hierzu lassen sich die Wertströme in die Kategorien „Informationen und Daten“ (z. B. Fahrzeugdaten), „Finanzielle Assets“ (z. B. Verkaufsprovision), „Produkte und Dienstleistungen“ (z. B. Ersatzteile) sowie „Personal“ (z. B. Datenanalysten) unterteilen. Das dafür entwickelte Ecosystem Flow Canvas (siehe Abb. 3c) wird von den Repräsentant:innen gemeinsam bearbeitet.
Phase 5
Visualisierung des Business-Ökosystems
Die Repräsentant:innen visualisieren auf Basis der vorherigen Phasen die erarbeitete Marktperspektive, sämtliche beteiligte Unternehmen und deren Rollen sowie die Wertströme zwischen den Unternehmen. Die Rolle eines Unternehmens innerhalb des Ökosystems kann zwei Ausprägungen annehmen: „Aggregator“ mit direktem Kundenkontakt oder „Provider“ ohne direkten Kundenkontakt. Während Aggregatoren (z. B. Kfz-Hersteller) auf bestehenden Kundensegmenten aufbauen oder neue erschließen können, dienen Provider (z. B. Zulieferer) hauptsächlich zur Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten. Zur Visualisierung werden adressierte Kundensegmente sowie benötigte Unternehmen auf der Ecosystem Flow Map (siehe Abb. 4) dargestellt und durch ihre Wertströme verbunden. Diese Wertströme können dabei einzeln beschriftet werden. Beispielsweise lässt sich der Kfz-Hersteller mit dem Zulieferer durch die Wertstrom-Kategorie „Produkte und Dienstleistungen“ verbinden, da ein Fluss von Ersatzteilen besteht. Durch die Ecosystem Flow Map kann zudem analysiert werden, welche Ressourcen oder Fähigkeiten noch benötigt werden, welche Wertströme zwischen welchen Unternehmen neu entstehen müssen und welche Ressourcen, Aktivitäten oder Wertströme von den am Workshop teilnehmenden Unternehmen nicht geschaffen oder bereitgestellt werden können.
Phase 6
Erarbeitung der Unternehmenstransformationen
Die einzelnen Repräsentant:innen erarbeiten jeweils entweder eine neue Darstellung des Geschäftsmodells ihres Unternehmens oder transformieren einzelne Elemente des bestehenden Geschäftsmodells ihres Unternehmens auf der Grundlage der Ergebnisse der vorherigen Phasen. Dafür wird das Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur (2010) genutzt. Sollten nicht alle Repräsentant:innen mit der generierten Idee des Business-Ökosystems zufrieden sein, werden die möglichen Probleme oder Konflikte analysiert und gegebenenfalls ein neuer Durchlauf der sechs Phasen gestartet (vgl. Abb. 2). Sofern alle Repräsentant:innen mit der generierten Idee des Business-Ökosystems zufrieden sind, kann mit der umfassenden Evaluation der Idee fortgefahren werden (nicht mehr Teil der Methode).
Der Innovationsprozess sowie viele der zu bearbeitenden Vorlagen (vgl. Abb. 3 und 4) orientieren sich an bereits existierenden und bekannten Methoden und Vorlagen zur Geschäftsmodell-Innovation für ein einzelnes Unternehmen (z. B. am Business Model Design Process und dem Business Model Canvas, Osterwalder und Pigneur 2010). Allerdings erfordert eine erfolgreiche Durchführung der BMI4BE-Methode ein gutes Verständnis der Prozesse und möglicher Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen, ein hohes Maß an Teamwork sowie eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen den beteiligten Repräsentant:innen. Der Schwierigkeitsgrad der Anwendung der Methode wird daher mit „mittel“ bewertet.

3.2.3 Erfahrungen, Tipps und Tricks

Die BMI4BE-Methode wurde bereits in verschiedenen Settings – sowohl digital als auch in Präsenz – durchgeführt und darauf aufbauend weiterentwickelt, befindet sich jedoch noch in einer frühen Phase der Entwicklung. Dabei haben sich auch für diese Methode allgemeine Leitlinien zur Durchführung von Workshops (z. B. genügend Zeit einplanen, vorausgehende Kennenlernrunde, usw.) als empfehlenswert erwiesen (Mastrogiacomo und Osterwalder 2021).
Christian Vorbohle, Sebastian Gottschalk, Dennis Kundisch, Gregor Engels, Nancy Wünderlich

3.3 Service-Ökosystem-Design (SOS-Design)

3.3.1 Beschreibung und Ziel

Die Methode des SOS-Designs dient der gemeinsamen Gestaltung eines nachhaltigen Service-Ökosystems (SOS), das von Kund:innen wahrgenommen und dauerhaft in Anspruch genommen wird und von den beteiligten Unternehmen zumindest kostendeckend und auf lange Sicht getragen werden kann. Sie schließt für Unternehmen mit neuen Geschäftsideen, für Start-ups und Innovationsprojekte die Lücke zwischen der bekannten Business Model Canvas (Osterwalder und Pigneur 2010) und der in Literatur und Praxis entstandenen Erkenntnis, dass Unternehmen heute über ihre eigene Organisation hinaus denken müssen – z. B. für eine Plattform, die potenziell viele Akteure umfasst, oder für ein Business-Ökosystem, das Kompetenzen mehrerer Unternehmen vereint. Die Service Logik oder servicedominierte Logik beschreibt in diesem Kontext das Service-Ökosystem als „ein relativ eigenständiges, sich selbst anpassendes System von ressourcen-integrierenden Akteuren, die durch gemeinsame institutionelle Vereinbarungen und gegenseitige Wertschöpfung im Austausch von Dienstleistungen verbunden sind“. (übersetzt nach Vargo und Lusch 2016, S. 10). Die Methode SOS-Design fokussiert entsprechend Akteure, ihre Wertschaffung sowie den Austausch von Diensten, die gemäß der Service-Logik Ressourcen und Kompetenzen umfassen.

3.3.2 Ablauf und Durchführung

SOS-Design umfasst ein Methodenset, das iterativ zu einem nachhaltigen Service-Ökosystem führt. Dieses ist in anschaulich und umfassend im Playbook Service for Good zu finden (Robra-Bissantz und Lattemann 2022). Wesentlich in diesem Set sind die Methoden des SOS-Mapping als Gesamtsicht auf das Service-Ökosystem, die Werte-Kompetenzen-Matrix, die in einer paarweisen Gegenüberstellung von Akteuren zu kreativen Ideen für neue Möglichkeiten der Wertschaffung oder Ressourcen‑/Kompetenzennutzung führt, sowie Inspirationskarten, die die Ideenfindung insbesondere in der Arbeit mit der Werte-Kompetenzen-Matrix unterstützen.
Die Methode des SOS-Designs wird am besten mit Vertreter:innen aller Stakeholder (insbesondere Unternehmen und Organisationen) eines Service-Ökosystems durchgeführt, kann jedoch auch im Vorfeld von kleineren Gruppen genutzt werden, um Ideen für potenzielle neue Akteure zu entwickeln. Sie stellt keine sehr hohen Ansprüche an die Beteiligten, z. B. aus den Unternehmen. Allerdings muss dann ein:e Moderator:in in das Thema einführen und die unterschiedlichen Methoden in einem Ablauf verknüpfen. Der Anspruch an Moderator:innen ist damit höher. Gestalten Gruppen ihr Service-Ökosystem ohne Moderator:in, gilt für sie die entsprechende Schwierigkeitsstufe. Ein erster Durchlauf durch die Gestaltung eines Service-Ökosystems dauert einen Workshop-Tag.
Die gesamte Methode beginnt damit, dass die Beteiligten das bestehende oder angedachte Service-Ökosystem mit der Methode SOS-Mapping modellieren. Sie identifizieren alle beteiligten Akteure, wie Endkunden, Unternehmen, Organisationen und vielleicht Einzelpersonen, wie Influencer. Dabei bietet es sich an, auch die häufig in einem digitalen Service-Ökosystem vorhandene digitale Plattform als Akteur zu modellieren. Denn sie bietet beispielsweise den Service des Matchings, ist aber gleichzeitig davon abhängig, dass ein Akteur die Rolle des Betreibers übernimmt, sie pflegt, mit finanziellen Ressourcen unterlegt und damit betreibt. Alle Akteure werden untereinander verbunden: durch die Dienste, die sie sich gegenseitig leisten und dem entsprechend mit den Kompetenzen und Ressourcen, die sie austauschen. Bereits hier kann die Diskussion starten, welcher Akteur eventuell in Zukunft nicht mehr vorhanden sein wird, weil es sich beispielsweise um einen Partner handelt, der Anschubfinanzierung geleistet hat, oder welcher Akteur bereits Interesse an einer Beteiligung gezeigt hat. Ein Service-Ökosystem sieht dann beispielsweise so aus, wie in Abb. 5 dargestellt.
Das Service-Ökosystem wird sodann in die Werte-Kompetenzen-Matrix übertragen. Diese trägt die verschiedenen Akteure sowohl in Zeilen als auch in Spalten ab. Anschließend wird (in der Zeile) abgetragen, welche Kompetenzen der jeweilige Akteur für welchen anderen Akteur als Service-Empfänger (in der Spalte) erbringt. Ein erster Check zeigt nun auf, ob alle Akteure sowohl Wert aus dem Service-Ökosystem erhalten, als auch etwas dazu beitragen. Gewöhnlich tun sich hier die ersten Lücken auf, vgl. Abb. 6.
Erst wenn alle Akteure in dieser Darstellung einen nachhaltig ausreichenden Wert aus dem Service-Ökosystem erhalten, sollte mit der Modellierung der einzelnen Akteure, beispielsweise mit der Methode des Werte-Kompetenzen-Checks oder auch über das typische Geschäftsmodell-Design, fortgefahren werden. Bis dahin wird kreativ an der Matrix gearbeitet und neue Ideen für das Service-Ökosystem werden jeweils in die Darstellung des SOS-Mapping übertragen. Dabei können durchaus unterschiedliche Ideen für nachhaltige Service-Ökosysteme entstehen.
Während der Arbeit an der Werte-Kompetenzen-Matrix geht es darum, zu überlegen, ob beispielsweise von den Akteuren neue Werte gewünscht sind, die sie potenziell aus dem Service-Ökosystem erhalten könnten. Aufschluss kann hier das Inspirationskarten-Set „Value in Use“ – bestehend aus Vorschlägen zu Betrachtung nicht-monetärer Werte, wie z. B. der Reputation – geben. Häufig erkennt man bei der Betrachtung der Kompetenzen oder Ressourcen von Akteuren, dass diese über die Grundlage wertvoller Dienstleistungen verfügen (Inspirationskarten-Set „Kompetenzen“). Dies können beispielsweise Daten sein, die sie im Service-Ökosystem erlangen oder Dienstleistungen, an welchen weitere Partner potenziell interessiert sind. In diesem Fall identifiziert man häufig auch neue Akteure, die in das Service-Ökosystem inkludiert werden könnten. Grundsätzlich lohnt es sich, das Inspirationskarten-Set „Akteure“ zu nutzen, denn eventuell bieten sich auch die zunächst als Kund:innen gedachten Akteure als Dienstanbieter an. Beispiele für Inspirationskarten finden sich in Abb. 7.

3.3.3 Erfahrungen, Tipps und Tricks

Aus einer Reihe bereits durchgeführter Workshops zum SOS-Design zeigt die Erfahrung, dass zunächst ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprache dazu geschaffen werden muss, was eigentlich das Ziel des Designs ist. Hierzu bieten sich ein Impuls-Vortrag sowie eine anschließende offene Diskussion an. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten sich aus dem Blick des eigenen Unternehmens und den aktuell drängenden, aber potenziell einschränkenden Fragen wie: „Wie sieht mein Geschäftsmodell aus?“ oder: „Wer wird nur der Betreiber der Plattform?“ befreien. Dazu gehört es, sich gemeinsam darauf zu einigen, welchem Endkunde das Service-Ökosystem dient. Zudem ist es notwendig für jeden Akteur abstrakt nicht über die Dienstleistung nachzudenken, die er/sie potenziell erwirbt, sondern über den Wert, den er/sie für eine Lebenssituation schaffen will. Gleichzeitig ist es wichtig, nicht das Produkt, die Software oder die Technologie zu sehen, die Akteure anbieten, sondern die damit übertragenen Ressourcen und Kompetenzen.
Im Verlauf des Modellierens eines neuen Service-Ökosystems ist es wichtig, nicht nur statisch einen Zustand zu entwickeln, in dem es funktioniert, sondern auch dynamisch an sein Entstehen und seine Zukunft zu denken. Diese Aufgabe obliegt den Moderator:innen oder geübten Beteiligten. So sind als wesentliche Voraussetzung der Etablierungsphase die Kompetenzen „Reichweite“ oder „Reputation“ sowie für einen nachhaltigen Erfolg die finanzielle Grundlage als Ressource „Geld“ für alle Akteure notwendig. Ebenso gilt es, angrenzende Akteure in die Betrachtung aufzunehmen, wie beispielsweise die Mitarbeiter:innen, die in dem neuen Service-Ökosystem ihren eigenen Wert schaffen wollen, der unter Umständen über ihre Entlohnung hinausgeht und beispielsweise so etwas wie Arbeitszufriedenheit umfasst. Auch Umwelt und Gesellschaft, für die Lösungen für das Service-Ökosystem ökologisch oder sozial nachhaltig sein sollten, können und sollten zumindest in abschließenden Diskussionen berücksichtigt werden.
Susanne Robra-Bissantz, Christoph Lattemann

4 Methoden zum Design digitaler Plattformen

4.1 Entwicklung von plattformbasierten Geschäftsmodellen im Consulting

4.1.1 Beschreibung und Ziel

Unternehmensberatung (Consulting) ist ein personalintensives Geschäft mit viel direkter Kommunikation zwischen Beratern und Klienten. Es skaliert daher schlecht. Dies führt bei einem gleichzeitigen „War for Talents“ in der Rekrutierung zu ernsten Hindernissen für das Unternehmenswachstum. Gleichzeitig ergeben sich erhebliche Fixkosten im Personalbereich, die eine konstant hohe Auslastung erfordern. Die Corona-Pandemie hat zwar zu mehr digitalen Besprechungs- und Kooperationsformaten im Consulting geführt (BDU 2020), jedoch finden auch diese häufig Face-to-Face statt, weshalb so kaum Verbesserungen bei der Skalierung des Beratungsgeschäfts gelingen.
Das Geschäft in der digitalen Wirtschaft ist dagegen sehr skalierbar und schafft Werte mit Hilfe digitaler Technologien. Inzwischen gibt es viele neue Start-ups, die Beratungsleistungen technologiebasiert anbieten. Was können traditionelle Beratungsunternehmen also tun, um die Skalierbarkeit des eigenen Geschäfts zu verbessern? Insgesamt sollten Berater stärker „datengetrieben“ werden (Nissen 2021). Erstens können sie Daten und analytische Kompetenzen stärker in ihre Dienstleistungen integrieren und damit ihren Mehrwert für die Klienten verbessern. Zweitens können Daten zur Virtualisierung der Leistungserbringung genutzt werden (Nissen 2018). Hierdurch ändert sich das Bereitstellungsmodell im Consulting deutlich. Ein Ziel der Virtualisierung ist es, die persönliche Interaktion zwischen Berater und Klienten durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (Digitalisierung) sinnvoll zu reduzieren. So lässt sich auch die Skalierung im Geschäft der Unternehmensberatung verbessern.
Der Aufbau digitaler Plattformen und Ökosysteme stellt eine konkrete Möglichkeit dar, das bestehende Geschäftsmodell der Unternehmensberatung digital zu transformieren (Nissen 2022a,b). Prozesse sind durch digitale Plattformen leicht skalier- und wiederholbar. Wenn das Geschäftsvolumen wächst, sind die Grenzkosten gleichzeitig gering. Kunden können jederzeit und überall erreicht werden. Die Leistungserbringung kann modularer und durch den Nutzer konfigurierbar gestaltet werden. Um die Innovationskraft zu steigern, lassen sich Partner im digitalen Ökosystem rund um die Plattform einbinden. Plattformen und digitale Ökosysteme verlagern den Wettbewerb im Consulting von der Unternehmens- auf die Netzwerkebene. Sie können somit als ein Äquivalent zu Supply Chains in der Produktion von physischen Gütern betrachtet werden. Damit werden jedoch vom Beratungsmanagement zusätzliche und von den Herausforderungen der Vergangenheit erheblich abweichende Fähigkeiten verlangt.

4.1.2 Ablauf und Durchführung

Die entscheidende Frage ist nun: Wie sehen zukunftsträchtige Geschäftsmodelle im Consulting aus, die auf digitalen Plattformen basieren? Hierzu gilt es zunächst zu verstehen, in welcher Weise das bestehende personenzentrierte Geschäftsmodell der Unternehmensberatung digital transformiert werden kann. Dabei lassen sich fünf Typen der digitalen Geschäftsmodell-Transformation unterscheiden (Nissen 2018). Basierend auf dem Ausmaß der induzierten Veränderung werden diese in evolutionäre und disruptive Transformationen unterschieden. Beratungsanbieter müssen sich hier strategisch (richtig) positionieren:
1.
Wertversprechen überdenken (evolutionär): Hier wird die Präsenz in bestehenden Märkten erhöht, jedoch mit einem veränderten Fokus. Insbesondere werden bestehende Dienste auf innovative Art und Weise kombiniert, was zu neuen Umsatzströmen bei veränderten Bezahlmodellen führt. So geht das unten aufgeführte Geschäftsmodell Data Facilitator von monatlichen Pauschalen aus, die der Klient an das Beratungshaus dafür bezahlt, dass dieses ihn in den Themen Data-Engineering, Data-Processing, Data-Mining & Analytics entlastet.
 
2.
Liefermodell ändern (evolutionär): Hier verbinden sich Beratungsanbieter mit ihren Klienten und Partnern auf neue Weise, um mehr Kunden zu erreichen und die Kosten zu senken. Beispiele sind Remote-Formen der Beratung (etwa das kurzzeitige Nano-Consulting) und Vertriebsmodelle für Consultingleistungen über digitale Shops und Marktplätze.
 
3.
Neues digitales Geschäft generieren (evolutionär): Neue digitale Leistungen ergänzen dabei das traditionelle Portfolio. Hierzu zählen insbesondere Asset-basierte Beratungsformen, die Kunden autonom einsetzen. McKinsey Solutions stellt ein Beispiel dar.
 
4.
Leistungen ersetzen (disruptiv): Bei dieser Transformation ersetzen digitale Technologien klassische Anteile im Beratungsprozess oder verlagern deren Schwerpunkt. Process- und Data-Mining-Applikationen sind beispielhafte relevante Technologien.
 
5.
Branchenmodell neu erfinden (disruptiv): Die hier eingeführten neuen Geschäftsmodelle und Lösungsansätze verändern die Arbeitsweise der Branche grundlegend. Ein Beispiel ist Crowdsourced Consulting. Dabei wird die Leistung nicht mehr vorrangig von Beratern, sondern von einer Crowd aus potenziell weltweit verteilten Fachleuten erbracht.
 
Mittels digitaler Plattformen sind sowohl evolutionäre als auch disruptive Geschäftsmodell-Transformationen möglich, die auch in Kombination auftreten können. Um eine weitgehend vollständige Abdeckung des Möglichkeitsraumes zu erhalten, sollte zunächst ein morphologischer Kasten konstruiert werden. So entsteht eine Übersicht, die es erleichtert, durch Kombination von Teillösungen und anschließende Reduktion (etwa anhand technischer Machbarkeit oder ökonomischer Zweckmäßigkeit) sinnvolle Gesamtlösungen herzuleiten. Durch einen Abgleich mit existierenden Anbietern lässt sich danach bestimmen, welche Lösungen heute schon existieren und welche später voraussichtlich noch hinzukommen.
Abb. 8 zeigt den Vorschlag eines morphologischen Kastens zur Strukturierung möglicher Geschäftsmodelle in der Unternehmensberatung auf Basis digitaler Plattformen und Ökosysteme. Die betrachteten Dimensionen greifen sowohl Grundfragen einer technisch-ressourcenorientierten Sicht auf als auch grundlegende ökonomische Aspekte.
Aus den Dimensionen und Ausprägungen lassen sich durch Kombination unterschiedliche plattformbasierte Geschäftsmodelle ableiten, welche in Abb. 9 überblicksartig dargestellt sind. Einige davon können heute bereits angetroffen werden. Andere sollten aufgrund ihres evidenten geschäftlichen Potenzials in der Zukunft hinzukommen.
Eine erste Vertiefung kann nun anhand der von Al-Debei und Avison (2010) vorgeschlagenen Strukturierung von Geschäftsmodellen in den folgenden Dimensionen erfolgen:
  • Value Proposition: Das Wertversprechen beschreibt die Marktangebote (Produkte, Services) einer Organisation sowie deren Interaktionen mit der anvisierten Kundengruppe.
  • Value Architecture: Sie bezieht sich auf die Kernressourcen und Fähigkeiten einer Organisation sowie deren Konfigurationen, die für die Erstellung der Marktangebote erforderlich sind.
  • Value Network: Hier werden die Interaktionen und Beziehungen einer Organisation mit wichtigen externen Partnern und anderen Stakeholdern dargestellt.
  • Value Finance: Dieser Teil erfasst die ökonomische Konfiguration einer Organisation, einschließlich ihrer Kostenstrukturen, Preisbildung und Ertragsströme.
Für weitere Details sei auf die Literatur verwiesen (Nissen 2021, 2022a,b). Nach Einschätzung des Autors werden plattformbasierte Anbieter den Wettbewerb im Markt für Unternehmensberatung in naher Zukunft massiv verändern, wobei das Geschäftsmodell des Digital Consulting Ecosystems am weitreichendsten ist (Nissen 2022b).

4.1.3 Erfahrungen, Tipps und Tricks

Der Übergang vom morphologischen Kasten zur Entwicklung konkreter Geschäftsmodelle ist zwar ein methodisch unterstützter, aber dennoch auch ein kreativer Prozess, bei dem beispielsweise die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit oder technische Umsetzbarkeit möglicher Geschäftsmodelle berücksichtigt werden sollte.
Die Darstellung eines Geschäftsmodells in den Strukturen von Al-Debei und Avison (2010) ist zwar transparent und für eine erste Potenzialermittlung nützlich, bewegt sich aber bestenfalls auf einem mittleren Detaillierungsgrad. Eine weitere Vertiefung jedes Geschäftsmodells wäre in der betrieblichen Praxis beispielsweise anhand der Strukturen des Business Model Canvas (Osterwalder und Pigneur 2010) möglich und im Rahmen einer Implementierung auch empfehlenswert.
Bei der Umsetzung der plattformbasierten Geschäftsmodelle kann es zu unterschiedlichen Herausforderungen kommen, die adäquat adressiert werden müssen (Nissen 2021, 2022b). Dies gilt umso mehr, wenn die Geschäftsmodelle stark vom heutigen Consultingmodell abweichen und technisch oder qualifikationsseitig sehr anspruchsvoll sind. So könnte beispielsweise im Geschäftsmodell Data Facilitator die notwendige Offenlegung und Übertragung von sensiblen Kundendaten kritisch gesehen werden. Hier sind Datenschutz und Datensicherheit von größter Bedeutung (Wiener et al. 2020). Während diese Problematik heute schwierig erscheint, zeigen die positiven Erfahrungen mit dem Konzept Vendor Managed Inventory (Waller et al. 1999) in der Logistik, bei dem ebenfalls zwischen Partnerunternehmen sensible Daten ausgetauscht werden, das solche Widerstände sich überwinden lassen, wenn die Vorteile klar überwiegen.
Im Geschäftsmodell Digital Consulting Ecosystem, einem digitalen Consulting Full-Service-Provider, sind große finanzielle und personelle Ressourcen notwendig, um die volle Vision zu verwirklichen. Gleichzeitig birgt dies ein erhebliches Geschäftsrisiko. Daher eignet sich ein so anspruchsvolles Szenario nur für große finanzstarke Organisationen. Auch sollte die Umsetzung schrittweise und parallel zu einem bestehenden Beratungsgeschäft geschehen, um das Risiko eines Scheiterns für das gesamte Unternehmen zu minimieren. Eine solche digitale Plattform könnte außerdem zunächst als interne Lösung aufgebaut werden, um beispielsweise die Effizienz im operativen Bereich zu stärken oder um Tools und Algorithmen intern zu testen, bevor man dem externen Markt das Angebot macht. Auf diese Weise lassen sich mit geringem Risiko Lerneffekte generieren und Fehler beseitigen.
Ob es besser ist, die digitale Transformation in vollem Umfang anzugehen oder mit kleineren, weniger riskanten Schritten zu beginnen und die Initiative dann auszuweiten, ist derzeit Gegenstand offener Debatten. Für etablierte Beratungsfirmen erscheint es in der Praxis sinnvoll, mehrere Geschäftsmodelle parallel zu nutzen. Zu bedenken ist auch, dass die digitale Transformation im Consulting kein einmaliger Vorgang ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess, in dem das Unternehmen sich ständig in seinen externen und internen Prozessen weiterentwickeln muss, entsprechend den technologischen Möglichkeiten, aber auch den Anforderungen und Befindlichkeiten seiner Klienten und Beschäftigten.
Volker Nissen

4.2 Plattform-Design: Vom Onboarding zu Co-Innovatoren

4.2.1 Beschreibung und Ziel

Die Methode dient der Unterstützung von Betreibern digitaler Plattformen in der Konzeption und Umsetzung verschiedener digitaler Mechanismen. Diese bezeichnen Features der digitalen Plattform, die jeweils implementiert werden, um ein bestimmtes Handeln der Plattformnutzer:innen zu befördern. Sie wurde auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche (Fischer et al. 2020) entwickelt. Dabei wurden verschiedene Ziele identifiziert, die Plattformbetreiber verfolgen, um zu einer Value Co-Creation zwischen den Akteuren zu gelangen und parallel dazu die Plattform über Service Innovationen nachhaltig erfolgreich zu machen. Diese Ziele sind, in aufeinander aufbauenden Phasen der Nutzung der Plattform in einem Canvas, ähnlich einer Customer Journey Map, abgebildet. Sie beginnen mit dem Eintritt der Nutzer:innen und einer zweiten Phase, in welcher sie sich zunächst auf der Plattform zurechtfinden müssen. Anschließend reichen sie von einer nächste Phase der aktiven Nutzung bis dahin, dass die verschiedenen Akteure, beispielsweise Anbietende und Nachfragende, mit ihren Kommentaren, bislang nicht erfüllten Bedarfen oder innovativen Ideen, zu einer Weiterentwicklung der Plattform und damit einer Service Innovation beitragen. In einem Workshop können diese Phasen mit ihren Zielstellungen in aufeinander folgenden Schritten durchlaufen werden.

4.2.2 Ablauf und Durchführung

Das Template (siehe Abb. 10) sollte ausgedruckt und für die Teilnehmenden bereitgestellt werden (am besten in A3 oder größer). Es empfiehlt sich eine Gruppengröße von drei bis fünf Personen pro Template. In dem Template sind acht Schritte markiert, die nachfolgend erklärt werden Die Nummern geben an, an welcher Stelle die Ergebnisse der einzelnen Schritte eingetragen werden.
1.
Schreiben Sie den Namen der Plattform auf. Bei komplexen und bereits etablierten Plattformen kann es auch nützlich sein, zunächst einen Funktionsbereich zu betrachten.
 
2.
Erstellen Sie eine Persona. Geben Sie ihr einen Namen, Alter und Beruf und überlegen Sie sich welches Bedürfnis diese Persona haben könnte. Die Qualität der Persona hängt von Ihrem Wissen über Ihre Nutzer:innen ab und wird durch vereinfachte und stereotypische Darstellungen von Nutzer:innen eingeschränkt.
 
3.
Notieren Sie, welcher Wettbewerbsvorteil durch die Plattform in Bezug auf Ihre Persona erzielt werden soll. Welchen Vorteil haben hinter der Persona stehende Plattform-Nutzer:innen im Vergleich zu anderen Plattformen oder anderen Möglichkeiten, ihr Problem zu lösen?
 
4.
Wie können Sie nun erreichen, dass Ihre Persona der Plattform beitritt? Versuchen Sie spezifische Situationen zu schaffen und Zufälle zu vermeiden.
 
5.
Jede Plattform hat ihre Eigenarten sowie sichtbare und unsichtbare Regeln. Wie lernt die Persona diese kennen? Wie findet sie sich eigenständig auf der Plattform zurecht?
 
6.
Wodurch werden der Persona Interaktionen auf der Plattform erleichtert? Welche Hilfestellungen fördern, dass sie aktiv Leistungen für die Plattform als Ganzes anbietet? Das könnten z. B. Empfehlungen, Bewertungen, plattformeigene und durch andere Akteure bereitgestellte Güter, Rechenleistung oder Dienstleistungen sein.
 
7.
Bestehende Plattformen können aufgrund ihrer Offenheit Nutzende an neue Konkurrenten verlieren. Wie kann Ihre Plattform angepasst werden, damit dies nicht geschieht? Was für Möglichkeiten gibt es für Nutzende, die Plattform mitzugestalten?
 
8.
Eine Plattform sollte sich immer weiterentwickeln, um konkurrenzfähig zu bleiben. Schauen Sie sich daher das ganze Template ruhig häufiger an und versuchen Sie, neue Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Plattform zu identifizieren.
 
Die Methode richtet sich an Designer, Betreiber oder Entwickler von Plattformen/Ökosystemen. Gegebenenfalls können und sollten aber auch die Nutzenden mit einbezogen werden, um wertvolles Feedback zu erhalten. Sie ist einfach durchzuführen, wobei die Dauer vom Detailgrad abhängt, aber auch von den auftretenden Diskussionen, beispielsweise, wenn verschiedene Teilnehmer unterschiedliche Lösungen vorschlagen. Mindestens sollten 30 min pro Durchlauf eingeplant werden.
Die Methode wurde bereits mehrmals erfolgreich in verschiedenen Workshops angewandt. Als Tipp bietet sich an, bei den einzelnen Spalten öfter nachzuhaken, um ein umfassendes und möglichst vollständiges Bild – auch hinsichtlich unterschiedlicher Perspektiven der Stakeholder – zu erhalten.
Lisa Lohrenz, Simon Michalke

5 Ausblick und Dank

Design-Methoden zu entwickeln, die Unternehmen und Organisationen dabei helfen, sich auf digitalen Märkten zu positionieren, ist ein ausgesprochen spannender Forschungsbereich, der aufgrund der Dringlichkeit des Themas an Fahrt aufnimmt. Als Initiatoren dieser Gemeinschaftsleistung danken wir (Susanne Robra-Bissantz und Christoph Lattemann) allen Autor:innen ganz herzlich für Ihre Beiträge!
Unsere Gemeinschaftsleistung spiegelt eindrucksvoll wider, dass die Entwicklung neuer Ideen für einen nachhaltigen betrieblichen Erfolg mehr bedingt, als es auf einen ersten Blick erscheint. Zur Begleitung von Diskussionen sind daher auch Methoden gefragt, die in der Lage sind, Probleme zu identifizieren, in Teilaspekte zu gliedern und möglichst viele, unterschiedliche Ideen und Lösungsmöglichkeiten strukturiert in ein Gesamtbild einfließen zu lassen. Entsprechend weisen unsere Beiträge darauf hin, dass immer unterschiedlichste Akteure und Stakeholder, inklusive der Kund:innen, an Innovationsprozessen beteiligt sein müssen. Allein wird in Zukunft kaum ein Akteur mehr seinen Markt gestalten können. Weiterhin, und auch das taucht regelmäßig in unseren Beiträgen auf, ist es unerlässlich, dass sich alle Akteure über die Problemstellung, aber auch die unterschiedlichen Zielsetzungen und ein gemeinsames Ziel verständigen. In der Ideenentwicklung für die Gestaltung von Geschäftsmodellen, Service-Ökosystemen und Plattformen zeigen die unterschiedlichen Methoden in ihrer jeweils eigenen Weise auf, was insgesamt zu kreativen Lösungen führt. Manche Beiträge setzen auf Divergenz und fördern frei oder spielerisch eine Vielfalt neuer Optionen. Andere tragen stärker zur Konvergenz zu einer neuen Lösung bei und versuchen dabei, die häufig auch schwer zu bewältigende Vielfalt zu bändigen. Einige Methoden versuchen, den großen Rahmen, beispielsweise des Service-Ökosystems, auf einem höheren Abstraktionsgrad zu meistern, andere fokussieren und führen damit zu Vorschlägen, die nahe an der umsetzbaren Gestaltung liegen. Fast alle Beiträge heben letztlich den iterativen Charakter der Lösungsfindung hervor: das immer neue Framing und Reframing oder einfach nicht mit einer ersten Lösung zufrieden zu sein und nochmals tiefer und anders zu fragen und zu denken. Und ebenso bauen alle vorgestellten Methodensets, wie in einem Design-Science-Research-Beitrag gefordert, auf bereits bestehendem Wissen auf. Dazu gehören, neben aktuellen Erkenntnissen zu digitalen Märkten aus Wissenschaft und Praxis, insbesondere auch bestehende Gestaltungsmethoden für diese.
Insgesamt sind wir sicher, dass unser Beitrag nicht nur Leser:innen neue Impulse und direkt anwendbare Ratschläge zu geben vermag, sondern auch die Kooperation unter Forschenden befördert. So bietet es sich sicherlich an, Methodensets zu verknüpfen, um sie nacheinander oder auch parallel für eine Gestaltungsaufgabe einzusetzen. Ebenso jedoch fallen Beiträge auf, bei welchen es sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit anbietet, Erkenntnisse zusammenzulegen und damit zu noch besseren Gestaltungsmethoden für digitale Märkte zu gelangen.
Wir freuen uns auf die weitere Diskussion – die gerne auch die Autor:innen der im weiteren Heft folgenden Artikel sowie alle Leser:innen aus Forschung und Praxis einbezieht. Es gibt noch viel zu denken, zu gestalten, zu testen und zu evaluieren – um schließlich gemeinsam zu einem Handwerkszeug aus guten Methoden zu gelangen, die unsere Wirtschaft dringend benötigt.
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Footnotes
1
Ralf Laue, Raphaela Leonhard-Pfleger, Luisa Wagner, Oliver Gerundt, Zielgerichtetes Fragen zum Identifizieren von Möglichkeiten für innovative Neu- und Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen.
 
2
Ricarda Schlimbach, Ein Canvas für die Gestaltung digitaler Geschäftsmodelle.
 
3
Sabine Baumann, Value Co-Creation als Methode zur Wertschöpfung in digitalen Business Ecosystems.
 
4
Christian Vorbohle, Sebastian Gottschalk, Dennis Kundisch, Gregor Engels, Nancy Wünderlich, Business Model Ideation for Business Ecosystems (BMI4BE).
 
5
Susanne Robra-Bissantz und Christoph Lattemann, Service-Ökosystem-Design (SOS-Design).
 
6
Volker Nissen, Entwicklung von plattformbasierten Geschäftsmodellen im Consulting.
 
7
Lisa Lohrenz und Simon Michalke, Plattform-Design: vom Onboarding zu Co-Innovatoren.
 
Literature
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Metadata
Title
Methoden zum Design digitaler Plattformen, Geschäftsmodelle und Service-Ökosysteme
Authors
Susanne Robra-Bissantz
Christoph Lattemann
Ralf Laue
Raphaela Leonhard-Pfleger
Luisa Wagner
Oliver Gerundt
Ricarda Schlimbach
Sabine Baumann
Christian Vorbohle
Sebastian Gottschalk
Dennis Kundisch
Gregor Engels
Nancy Wünderlich
Volker Nissen
Lisa Lohrenz
Simon Michalke
Publication date
08-09-2022
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
Published in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Issue 5/2022
Print ISSN: 1436-3011
Electronic ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-022-00906-4

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