Spätestens 1999 dürfte endgültig klar geworden sein, dass die Regeln für die Geschäftstätigkeit auf den europäischen Finanzmärkten nicht mehr in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern in Brüssel geschrieben werden.
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die wesentlichen Anforderungen der MiFID. Die Darstellung richtet sich sowohl an Kunden als auch an Finanzdienstleistungsunternehmen. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage können die gewonnenen Erkenntnisse allerdings durchaus verschiedenen aufgefasst werden. Die nachfolgend beschriebenen Themen stellen dabei eine Auswahl dar, die bewusst auch Anforderungen auflistet, denen im weiteren Verlauf dieses Buches kein eigenes Kapitel gewidmet ist. Neben der europäischen Sicht sollen auch noch die internationalen Aspekte der MiFID kurz dargestellt werden. Wenn nachfolgend vom Wertpapiergeschäft die Rede ist, so soll dies tatsächlich nur eine sprachliche Verkürzung bedeuten, denn eine Vielzahl von Regelungen gilt auch für Dienstleistungen, die bei normalem Sprachgebrauch nicht unmittelbar als Wertpapiergeschäft betrachtet würden, z.B. Research oder Zins- und Währungsabsicherungsgeschäfte.
Eines der Hauptanliegen der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) ist es, ein für Anleger einheitlich hohes Schutzniveau bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu gewährleisten, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) die Dienstleistung erbracht wird bzw. aus welchem Land der Anleger kommt. Anleger sollen bei der Inanspruchnahme einer Wertpapierdienstleistung im Rahmen des Kaufs oder Verkaufs von Aktien, Anleihen, Fondsanteilen oder Derivaten gemeinschaftsweit ein gleich hohes Schutzniveau genießen, egal, ob die Dienstleistung beispielsweise in Deutschland oder in Luxemburg erbracht wird, und auch unabhängig davon, ob Anleger aus einem Mitgliedstaat oder aus einem Drittstaat die Dienstleistung in Anspruch nehmen.
Seitdem zum 1.11.2007 die Möglichkeiten und Rahmenvorgaben des neuen und besseren Marktumfeldes in der EU klar umrissen worden sind, arbeiten die Spezialisten bereits an Strategien, um diese neuen Möglichkeiten zu ihren Gunsten zu nutzen. Es ist zwar kaum zu glauben, dass nach jahrelanger politischer Debatte tatsächlich eine Reform herausgekommen ist, aber der Kapitalmarkt und seine Spielregeln sind heute andere als im Jahre 2004, in dem die Finanzmarktrichtlinie MiFID verabschiedet wurde. Der Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Reform der Finanzmärkte (Financial Services Action Plan, „FSAP“) hat mehr Transparenz und Wettbewerb mit sich gebracht, und die hohen Ziele der Lissabon- Strategie aus dem Jahr 2000 realisieren sich zunehmend in dem gewünschten „level playing field“, wo jeder Marktteilnehmer vor dem Kunden gleich ist.
Im Anschluss an die Vorgängerkapitel soll dieses Kapitel neben einem kurzen Überblick über den Stand der Umsetzung der MiFID in Europa Hinweise zu weiteren Schritten des europäischen Gesetzgebers geben sowie den Anlegerschutz im Spannungsfeld zwischen Aufsichts- und Zivilrecht betrachten. Abschließend wird ein Abriss gegeben über die Chancen der MiFID für die Finanzdienstleistungsindustrie und deren Kunden.
Seit dem 1. November 2007 sind von allen Sparkassen und Banken neue gesetzliche Regelungen im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften anzuwenden. Es handelt sich dabei um Vorgaben der MiFID, die in Deutschland durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) umgesetzt wurden. Die Regelungen verfolgen in erster Linie die folgenden Ziele:
• Erhöhung der Markttransparenz für den Kunden,
• Schaffung eines europaweit einheitlichen Standards des Anlegerschutzes,
Bevor ein Institut eine Wertpapierdienstleistung erbringt, ist es verpflichtet, bestimmte Angaben vom Kunden einzuholen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass auf die Bedürfnisse des Kunden hinreichend eingegangen und somit eine anlegergerechte Aufklärung und Beratung sichergestellt wird.
Transparenz und Anlegerschutz sind die obersten Gebote des „neuen“ Wertpapierhandelsgesetzes. Dabei betrifft die Transparenz beide Seiten des Kunde-Bank-Verhältnisses. Nicht nur der Kunde hat Informationen über sich preiszugeben (siehe vorheriges Kapitel), auch die Bank hat sich ihrem Kunden in verschiedener Hinsicht zu erklären. Eine solche Pflicht hatte sie nach alter Rechtslage nicht. Angemessenheit und Verständlichkeit sind, wie in der MiFID und deren Umsetzung an vielen Stellen, auch hier eingefordert. Daher ist oftmals das Ermessen des einzelnen Wertpapierdienstleistungsunternehmens gefragt, in welcher Art und Weise die eigenen Wohlverhaltens- und Informationspflichten angemessen und verständlich erfüllt werden sollen, damit der Kunde jederzeit in die Lage versetzt ist, eine fundierte Anlageentscheidung treffen zu können.
Vor Umsetzung der MiFID waren Werbemaßnahmen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nur ein aufsichtsrechtliches Randthema. Die einschlägigen Regelungen beschränkten sich auf eine reine Missbrauchsaufsicht der BaFin. So war und ist die BaFin befugt, bestimmte Arten von Werbung zu untersagen, wenn sie bei der Werbung für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und deren Dienstleistungen Missstände feststellt (§ 36b Abs. 1 Wp HG). Generelle Maßnahmen wie z.B. die Untersagung bestimmter Werbeformen für sämtliche Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf die Ba Fin nur nach Anhörung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände und der Verbraucherschutzverbände ergreifen (§ 36b Abs. 2 Wp HG). Ein Beispiel hierfür ist der Cold-Calling-Erlass des früheren Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe) – jetzt BaFin – zur unerwünschten Telefonwerbung aus dem Jahr 1999. Der Sinn und Zweck dieser Eingriffsbefugnis besteht darin, die Funktionsfähigkeit des Wertpapierdienstleistungsmarktes zu sichern. Der einzelne Anleger wird auf diese Weise nur reflexartig (mit-)geschützt.
Warum wird in diesem Kapitel eine Wertpapierart aus der Vielzahl der Finanzinstrumente herausgegriffen und einer gesonderten Betrachtung unterzogen? Unterliegt ein Anteilschein nicht den Regelungen des WpHG, sodass die bisherigen Ausführungen zu den Informationen über Finanzinstrumente dies schon umfassend beschreiben?
Wie in jeder Branche, so werden auch im Finanzdienstleistungsgeschäft Leistungen erbracht. Dabei entsteht Aufwand in personeller und sachlicher Hinsicht. Da Finanzdienstleistungsunternehmen in den meisten Fällen einen Gewinn erzielen wollen, müssen die Kosten für diesen Aufwand an die Kunden weiter gegeben werden.
Die Anlageberatung hat durch MiFID einige Neuerungen erfahren. Nachstehend wird die Frage untersucht, ob die neuen gesetzlichen Anforderungen eher ein Risiko oder eine Chance für die Praxis sind. Ausgehend von der besonderen Situation der Anlageberatung und dem Fokus der MiFID, dem Anlegerschutz, werden die wesentlichen Pflichten beschrieben, welche die Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen der Anlageberatung zu beachten haben. Hierzu gehört insbesondere die Geeignetheitsprüfung als Kern der Anlageberatung. Es folgen zwei Plädoyers zu Themen, deren positive Seite für die Praxis gesondert beleuchtet wird: die Risikoaufklärung des Kunden und die Dokumentation der Anlageberatung. Die abschließend beigefügte Checkliste soll dem Praktiker die Übersicht über die wesentlichen, bei der Anlageberatung zu erfüllenden Pflichten erleichtern.
In Bezug auf die Vermittlung von Kapitalanlagen (Anlagen im Sinne des KGW bzw. des WpHG) gibt es verschiedene Vertriebswege. Im Folgenden hervorgehoben werden sollen der Bankvertrieb, der Vertrieb durch gebundene Vermittler nach § 2 Abs. 10 KWG sowie der Vertrieb durch unabhängige Finanzdienstleister. Unter Bankvertrieb ist nicht nur der Vertrieb über Kreditinstitute, sondern auch über Finanzdienstleistungsinstitute zu verstehen, kurzum über alle Unternehmen, die ihrerseits über eine Erlaubnis nach § 32 KWG verfügen, der sie dem Umfang nach zur Anlage- und Abschlussvermittlung sowie zur Anlageberatung berechtigt. Der Hauptvertriebsweg liegt im Bereich Kapitalanlage bei den Banken.
Kirsten Hartmann
Wertpapiergeschäfte: über die Börse und außerbörslich
Best Execution gehört zu den in der Banking Community schon sehr früh und auch sehr intensiv diskutierten Themen im Rahmen der Vorbereitung der MiFID-Umsetzung. Die Bezeichnung Best Execution ist dabei im Grunde irreführend, da sie vom normalen Kunden höchstwahrscheinlich so verstanden wird, als ob das beauftragte Finanzinstitut mutmaßlich seinen individuellen Wertpapierauftrag bestmöglich ausführt. Genau dies ist jedoch tatsächlich nicht der Fall. Nachfolgend werden zunächst Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Best Execution erläutert, die wesentlichen Ziele, die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Implementierung und final einige kritische Aspekte aufgezählt, die zur weiteren Diskussion dieses Themas dienen und damit zur Beantwortung der Frage, ob Best Execution immer und zu jedem Preis möglich, notwendig oder gar sinnvoll ist.
Mit der Einführung der MiFID zum 1. November 2007 verfolgte der europäische Gesetzgeber das Ziel, einen paneuropäischen Rechtsrahmen mit einheitlichen Regeln für Wertpapierdienstleistungen zu schaffen. Zugleich soll der Anlegerschutz sowie die Effizienz und Integrität des europäischen Finanzmarktes verbessert werden. Nach Ansicht der Kommission gilt Markttransparenz allgemein als eine wesentliche Voraussetzung für die Fairness und Effizienz eines Marktes und stellt ein wichtiges Kriterium für seine Liquidität und die Qualität der Kursbildung dar. Dementsprechend stellt die Richtlinie Anforderungen an die Vor- und Nachhandelstransparenz von Börsen, Multilateralen Handelssystemen (MTF) und Systematischen Internalisierern.
Was ist außerbörslicher Handel, und was ist außerbörslicher Handel im Rahmen der MiFID, der seit dem 1. November 2007 gültigen europäischen Finanzmarktrichtlinie zur Harmonisierung und transparenteren Gestaltung des nationalen und grenzüberschreitenden Wertpapierhandels? Das folgende Kapitel behandelt den außerbörslichen Handel gemäß der deutschen Umsetzung der MiFID durch das FRUG und ihre Auswirkungen auf den Retail-Bereich. Am Beispiel einer wachstumsstarken Online-Bank, der biw Bank für Investments und Wertpapiere AG, wird die Systematik des außerbörslichen Handels unter der MiFID genauer beleuchtet. Darüber hinaus werden erste Erfahrungen wiedergegeben, wie die MiFID sich auf den außerbörslichen Handel zwischen den Wertpapierdienstleistungsunternehmen auswirkt.
Die Finanzmarktrichtlinie MiFID wurde zum 1. November 2007 von der Mehrzahl der 30 betroffenen EU-Länder umgesetzt. Länder, in denen die Richtlinie sich noch in der Umsetzungsphase befindet, planen einen Abschluss im ersten Halbjahr 2008.
Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Deutschland sind überwiegend als Universalbanken tätig, d.h. sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Vielzahl von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen für Dritte besorgen, andererseits aber auch eigene Interessen verfolgen, beispielsweise den Eigenhandel betreiben. Darüber hinaus haben die Mitarbeiter der jeweiligen Unternehmen eigene Interessen, z.B. wenn sie selbst in Finanzinstrumenten ihr Geld anlegen. Diese Gemengelage hat zur Folge, dass es innerhalb eines (Wertpapierdienstleistungs-) Unternehmens eine Vielzahl von – möglicherweise divergierenden – Interessen gibt. Um als redlicher und fairer Vertragspartner wahrgenommen zu werden, haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein elementares Interesse daran, für die jeweiligen Interessen einen sachgerechten Ausgleich zu finden. Darüber hinaus sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, ein geeignetes Interessenkonfliktmanagement zu etablieren.
Die externe Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäftes ist in § 36 WpHG geregelt. Gegenüber anderen gesetzlichen Pflichtprüfungen, z.B. der Jahresabschlussprüfung, weist die Prüfung nach § 36 WpHG Besonderheiten auf, zu deren besserem Verständnis zunächst ein kurzer Blick auf die Historie gestattet sei.
Der Begriff Compliance ist in verschiedenen Bereichen des heutigen Lebens anzutreffen und findet neben der Finanzbranche beispielsweise auch noch in der Medizin oder der Chemie seine Anwendung. Das Wort an sich stammt ursprünglich aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „Einhaltung“, „Befolgung“ oder auch „Erfüllung“. Im Finanzdienstleistungssektor bedeutet Compliance vor allen Dingen die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und anderen Anweisungen, die nicht zwingend den Charakter einer gesetzlichen Norm haben müssen. Es ist möglich und durchaus üblich, dass Unternehmen sich freiwillig bestimmte Verhaltensregeln auferlegen, die sie in Kodizes und Richtlinien (sog. „Policies“) niederschreiben. Compliance bedeutet also, dass das Unternehmen sich im Einklang mit seinem regulatorischen Rahmen befindet, unabhängig davon, ob dieser zwingend und allgemeinverbindlich ist, oder ob es sich um eine freiwillige Selbstbeschränkung handelt.