Raus aus dem Trott und rein in den neuen Job: Viele Fachkräfte profitieren vom Jobwechsel, wie die Bertelsmann Stiftung vorrechnet. Unternehmen sollten sich deshalb auch überlegen, wie sie Wechselwillige halten können.
Jobwechsel zahlen sich aus, machen zufriedener und erfolgreicher. Das rechnet die Bertelsmann Stiftung in ihrer Studie zu Arbeitsmarkterfolgen von Beschäftigten "Bessere Perspektiven bei Jobwechslern" vor. Bis zu 3.500 Euro mehr Bruttolohn im Jahr und ein beruflicher Aufstieg können Fachkräften und Spezialisten nach dem Wechsel in eng verwandte Tätigkeiten winken. Beim Sprung in weniger verwandte Jobs, kommt immerhin noch ein Plus in Höhe von 2.500 Euro heraus. Für die Analyse griff die Stiftung auf Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zurück und verknüpfte sie mit administrativen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Sie legt aber auch offen, für wen der Wechsel zum Abstiegsrisiko wird.
Wer aus ähnlichen Berufen kommt, ist produktiver
Voraussetzung für einen erfolgreichen Einstieg in den neuen Zielberuf ist der bedarfs- und kompetenzorientierte Wechsel. Ein Schlüsselfaktor ist der Qualifizierungsgrad. Als Fachkraft gilt dabei, wer über einen Hochschulabschluss oder einen Abschluss aus einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung verfügt.
Ein weiterer Faktor ist die Ähnlichkeit der Berufe. Berufliche Mobilität bringt Unternehmen und Beschäftigten nämlich vor allem dann Vorteile, wenn die neuen Beschäftigten entsprechende Kenntnissen und Fähigkeiten mitbringen, die es ihnen erlauben, produktiv zu arbeiten und damit den Fachkräftebedarf auszugleichen. Umgekehrt gilt: Je weiter sich Beschäftigte von ihrem Ausgangsberuf entfernen, umso geringer wird die Aussicht auf einen erfolgreichen Neuanfang. Erfolge im neuen Beruf sind also abhängig von Art und Umfang des Wissens, das aus der alten Tätigkeit angewandt werden kann.
Kommen die Neuzugänge aus verwandten oder ähnlichen Berufen, sind sie zufriedener, motivierter und glänzen durch mehr Arbeitstage, als Mitarbeitende, die aus völlig fremden Berufen stammen. So sind Jobwechsler aus eng verwandten Berufen um durchschnittlich 6,2 Tage pro Jahr häufiger am Arbeitsplatz zu finden sind, als ihre kompetenzfremden Kollegen. Bei einem Arbeitsplatzswitch aus einem ähnlichen Job erhöht sich die Arbeitszeit noch um 4,3 Tage pro Jahr.
Für Frauen bedeutet der Wechsel oft auch Abstieg
Hilfskräften und Frauen ist den Studienergebnissen zufolge allerdings vom Stellenwechsel abzuraten. Beide sind benachteiligt, sobald sie sich für einen beruflichen Neuanfang entscheiden. Dabei tauschen ungelernte Arbeitnehmer deutlich häufiger ihre Stelle als qualifizierte Beschäftigte. Die jährliche Wechselrate von Hilfskräften beträgt 11,3 Prozent, die von Fachkräften 7,3 Prozent. Gleichzeitig ändern Ungelernte doppelt so oft wie Fachkräfte ihre Position zugunsten komplett neuer Tätigkeiten. Können Hilfskräfte aber einen Berufsabschluss oder Teilqualifikationen vorweisen, dann steigen 82 Prozent der Männer vom Helfer zur Fachkraft auf.
Ein vergleichbarer Karriereschub ist nur 77 Prozent der Frauen vergönnt. Deutlich gegenwärtiger ist ihr Risiko, mit einer neuen Stelle Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu verlieren: Nach einem Wechsel steigen 13 Prozent der weiblichen und nur neun Prozent der männlichen Fachkräfte beruflich ab. Grund dafür sind neben generellen Geschlechterungerechtigkeiten, die unfaire Verteilung der Familienarbeit und fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder.
Für wen sich berufliche Mobilität lohnt
Berufliche Mobilität, so das Fazit der Studienautoren, "kann ein Hebel sein, um den akuten Arbeitskräftebedarf zu decken. Beschäftigte, die nach einem beruflichen Neuanfang an vorhandene Kompetenzen anknüpfen können, haben bessere Einkommens- und Beschäftigungsperspektiven." Andererseits führt der fehlende Anschluss an gleiche oder zumindest ähnliche Berufe zu Benachteiligungen und erhöhten Abstiegsrisiken. Anschlussfähigkeit und Kompetenztransfer gelingen nur mit ausreichender Qualifizierung. Es braucht also Unternehmen, die Mitarbeitenden zu qualifizierten Abschlüssen verhelfen, um ihnen faire Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Daneben lohnt es sich aber auch zu hinterfragen, warum Mitarbeitende ihre Jobs überhaupt wechseln und wie etwa Qualifizierungskonzepte Mitarbeitende binden und unerwünschte Fluktuation verhindern.
Wie Unternehmen Fluktuation managen
Unter Fluktuation versteht Springer-Autor Stefan Huf, die "freiwillige Entscheidung von Mitarbeitenden, ihre organisationale Mitgliedschaft aufzukündigen" (Seite 140). Mitarbeiter kündigen entweder, weil sie mit ihrem derzeitigen Beschäftigungsverhältnis unzufrieden sind oder bei einem anderen Arbeitgeber attraktivere Bedingungen auf sie warten. Parameter, die den Fluktuationsgedanken unterstützen oder letztendlich auslösen, sind (Seite 142): Arbeitsunzufriedenheit, Jobalternativen, Pläne, Schocks.
Kündigen Mitarbeitende, die das Unternehmen gerne gehalten hätte, etwa weil ihnen bessere Jobalternativen vorliegen, ist die Rede von dysfunktionaler Fluktuation. Im Gegensatz dazu handelt es sich um funktionale Fluktuation, wenn das Ausscheiden von Mitarbeitenden dem Unternehmen gelegen kommt. Alle personalwirtschaftlichen Maßnahmen, die ein Unternehmen ergreift, um dysfunktionale Fluktuation zu verhindern, werden unter dem Begriff Retention Management zusammengefasst, erklärt Huf.
Mit Retention Management dem Mitarbeiterschwund begegnen
"Wirkungsvolles Retention Management setzt darauf, ganz spezifisch und individuell die erfolgskritischen Talente zu erfassen, ihre Sehnsüchte zu erforschen", schreibt Springer-Autorin Rose Lipkau, "und für sie bemerkbar zu berücksichtigen" (Seite 169). Empfänger von Bindungsanreizen sind alle Personengruppen, die für das Unternehmen unabdingbar und gleichzeitig auf dem Markt ausgesprochen gefragt sind. Es sind Mitarbeitende, die (Seite 169):
- Schlüsselpositionen besetzen,
- Fachwissen und Kompetenzen besitzen, die nirgendwo sonst im Unternehmen vorhanden sind und schlecht am externen Markt eingekauft werden können,
- mit ihrer derzeitigen persönlichen Entwicklung nicht zufrieden sind und
- bei denen ein erhöhtes Kündigungsrisiko besteht.
Bindungsangebote für diese Mitarbeitergruppen sind entweder qualitativen oder quantitativen Charakters (Seite 170/171)
qualitative Komponenten | quantitative Komponenten |
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Mitarbeitende lassen sich binden, aber nicht fesseln, schreibt Rose Lipkau. Ist der Entschluss zu gehen einmal gefasst, heißt es für Unternehmen, die Idee der Welcome-Party umzudrehen und den Exit-Prozess wertschätzend zu begleiten. Können Mitarbeitende in Frieden ziehen, steigen die Chancen auf eine Rückkehr.