Mitarbeiter vertrauen ihren Vorgesetzten nicht. Dadurch sinken Loyalität und Motivation. Das hat negative Konsequenzen für die Leistungsfähigkeit von Unternehmen.
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"Herkömmliche Definitionen des Vertrauens zielen meist auf dessen situative Erscheinungsformen ab. Sie übersehen, welche Bedeutung dem Vertrauen in wirtschaftlichen Beziehungen und vor allem bei der Wertschöpfung zukommt", schreibt Philipp Kristian Diekhöner über Vertrauen.
Wie recht der Springer-Autor mit dieser Einschätzung hat, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), deren Ergebnisse unter dem Titel "Vertrauenskultur als Wettbewerbsvorteil in digitalen Zeiten" (PDF) zusammengefasst wurden. Dafür haben die IW-Forscher Zahlen der Europäischen Union und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ausgewertet, die regelmäßig Umfragen in ausgesuchten Bevölkerungsteilen durchführen.
Mehr Kontrolle, mehr Konflikte, weniger Zufriedenheit
Setzt ein Unternehmen demnach auf weniger Kontrolle, etwa bei der Einhaltung von Arbeitszeiten, sind rund 60 Prozent der Arbeitnehmer sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. In Firmen mit strengen Kontrollen durch Stechuhren oder Vorgesetzte äußern sich hingegen nur 45 Prozent in diesem Tenor, zeigen Daten des so genannten sozio-oekonomischen Panels am DIW. Parallel zur hohen Zufriedenheit sinkt die Zahl der Konflikte. Lediglich 13 Prozent der Mitarbeiter, die keinen strengen Kontrollen unterliegen, berichten von Ärger oder Auseinandersetzungen mit dem Vorgesetzten. Gibt es im Unternehmen hingen strenge Regeln, deren Umsetzung überprüft wird, steigt das Konfliktpotenzial und 32 Prozent der Befragten zoffen sich mir dem Chef.
Die Angst mancher Unternehmen, durch mobiles Arbeiten, Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten die Kontrolle zu verlieren, sei daher völlig unbegründet, erklärte IW-Autor Dominik Enste. Vielmehr zahle sich Vertrauen aus. "Chefs sorgen insbesondere dann für mehr Zufriedenheit und damit Produktivität, wenn sie selber vertrauenswürdig sind und sich wertschätzend gegenüber ihren Mitarbeitern verhalten", so Enste weiter. Letztendlich entwickelten sich daraus vielfältige Wettbewerbsvorteile für Unternehmen.
Eine Vertrauenskultur aufbauen
"Vertrauen bildet eine gute Basis für gelingende Zusammenarbeit, lässt Mitarbeiter schneller reagieren und macht Strukturen und Prozesse deutlich billiger. Überzogene Kontrollmechanismen hingegen drücken auf die Bremse und verteuern Abläufe", heißt es dazu im Buchkapitel "Führen mit Augenmaß: Vertrauen und Kontrolle" auf Seite 312.
Modell zur Stärkung der Vertrauenskultur zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
Melanie Misamer und Barbara Thies | GIO 3/2017
Doch wie können Führungskräfte eine Vertrauenskultur darüber hinaus etablieren? "Vertrauen kann weder erzwungen noch durch bestimmte Strategien garantiert erwirkt werden", urteilen Melanie Misamer und Barbara Thies vom Institut für Pädagogische Psychologie an der Technischen Universität Braunschweig. In der Zeitschrift "Gruppe. Interaktion. Organisation" definieren die Autorinnen dennoch Faktoren, die positiv auf das Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern – insbesondere der Generation Y – wirken können.
Dazu gehören unter anderem authentisches Verhalten Personalverantwortlichen und Vorbildverhalten sowie die Umsetzung von Gerechtigkeitsprinzipien. Wichtig sei etwa ein konstruktiver Umgang mit Fehlern, der als gerecht erlebt wird und vertrauensbildend wirke. Zudem sollten Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen werden, so Misamer und Thies. Ohne das authentische, vertrauenchaffende Verhalten des Vorgesetzten, könne aber kein Commitment, also keine Bindung oder Verpflichtung bei Mitarbeitern entstehen.