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30-03-2023 | Mittelstand | Schwerpunkt | Article

Bürokratie kostet Mittelstand Zeit und Geld

Author: Andrea Amerland

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Das Lamento, von Verwaltungshürden behindert zu werden, ist in der Wirtschaft alles andere als neu. Die Klagen einfach als das übliche Gejammer abzutun, greift allerdings zu kurz. Wie verschiedene Studien belegen, lähmt die Bürokratie Unternehmen und gefährdet den Standort Deutschland.

Ökonomen schlagen Alarm. Denn Familienunternehmen haben mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen. So verliert Deutschland einer Studie des ZEW Mannheim zufolge im Wettbewerb mit 20 anderen führenden Wirtschaftsnationen weiter an Wettbewerbsfähigkeit. In der aktuellen Ausgabe des "Länderindex Familienunternehmen" rutscht die Bundesrepublik um vier Plätze auf den 18. Rang unter 21 Ländern ab. Während die USA die Nase vorn haben, rangieren nur noch Ungarn, Spanien und Italien hinter Deutschland.

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Finanzielle Führung von Familienunternehmen

Transparenz – Compliance – Performance – Strategie – Governance

Die finanzielle Führung von Familienunternehmen unterliegt besonderen Anforderungen. Insbesondere die CFOs stehen dabei häufig im Brennpunkt verschiedener Interessen. Gleichzeitig spielt der Finanzbereich eine große Rolle, wenn es darum geht, den Erfolg eines Familienunternehmens über Jahrzehnte und mehrere Generationen hinweg zu sichern. 

Deutsche Familienunternehmen international abgeschlagen

Die von der Stiftung Familienunternehmen in München beauftragte Analyse, die seit 2006 alle zwei Jahre erscheint, nimmt sechs Standortfaktoren für Familienunternehmen in den Blick. Neben der Steuerlast, handelt es sich um Arbeitskosten und Produktivität, Aufwand und Ausgaben staatlicher Regulierung, die Finanzierungskonditionen für Unternehmen, die Qualität der Infrastruktur und der öffentlichen Verwaltung sowie die Energieversorgung und -kosten.

Besonders weit abgeschlagen ist Deutschland laut der Analyse in den Bereichen Steuerlast, Energie, Arbeit und Regulierung. Dementsprechend sieht der für die Auswertung verantwortliche Ökonom Friedrich Heinemann insbesondere bei der Besteuerung und der Bürokratie großen Reformbedarf. 

Maschinenbauer: Innovation statt Bürokratie

Der vorwiegend mittelständisch geprägte Anlagen- und Maschinenbau in Deutschland hat durch das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) untersuchen lassen, in welchem Umfang Bürokratiekosten die Branche belasten. Demnach müssen in diesem Industriezweig beispielsweise aufgrund der derzeitigen Bundesgesetzgebung mindestens 375 verschiedene Meldungen, Bescheinigungen und Statistiken beachtet werden. 

Das IfM hat exemplarisch jeweils ein Unternehmen mit 125, 450 beziehungsweise 3.500 Beschäftigten untersucht und beziffert die Bürokratiekosten auf ein bis drei Prozent des Umsatzes, wobei diese am höchsten im kleinsten Unternehmen sind. Das Volumen entspreche den branchenüblichen internen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung. In Relation zu anderen Ausgaben wie etwa für Personal entspreche der Bürokratieaufwand zehn Prozent der durchschnittlichen Personalkosten. 

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sieht durch diese Ausgaben Zukunftsinvestitionen, unter anderem in Innovationen, beschnitten und fürchtet so langfristig die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. 

Wirtschaftsförderung ist zu kompliziert

Diese Einschätzung deckt sich mit den Aussagen, die Wanja Wellbrock, Daniela Ludin, Erika Müller und Melina Bleibinhaus in einer empirischen Erhebung unter klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) ermittelt haben. Gesetzliche Regulierung und bürokratischer Aufwand gehören demnach mit zu den größten Herausforderungen bei der Entwicklung nachhaltiger Innovationen. 

Zwar erweisen sich Fördermittel für KMU als gute Unterstützung, um neue Geschäftsmodelle, Dienstleistungen oder Technologien zu kreieren - aber bereits bei der Beantragung stoßen sie wieder auf Paragrafen, Regelkataloge und Intransparenz. In diesem Zusammenhang sagen die Befragten:

  • Weniger Bürokratie würde die Umsetzung neuer Ideen auf jeden Fall fördern oder zumindest weniger ausbremsen.
  • Gezielte Fördermittel sind ein sinnvolles Instrument, jedoch ist der bürokratische Aufwand meist nicht zu rechtfertigen.
  • Durch schnellere Prozesse in den Verwaltungen, ließen sich Verzögerungen verhindern.
  • Entbürokratisierung tut dringend Not.

EU-Regeln sind ein weiteres Korsett

Auch rund um arbeitsrechtliche Fragestellungen beklagen Familienunternehmen erheblich Aufwände. Am Beispiel der so genannten A1-Bescheinigung, die ein Arbeitgeber beantragt, wenn er einen Arbeitnehmer vorübergehend in ein anderes EU-Land entsendet, macht eine Studie einen Ländervergleich. Für die Analyse der Stiftung Familienunternehmen in Zusammenarbeit mit dem Centres for European Policy Network, dem Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos sowie dem Normenkontrollrat des Landes Baden-Württemberg, wurden 82 Interviews mit Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich geführt. 

Das Ergebnis: Die Anmeldung kostet in Deutschland viel Zeit (26 Minuten) und besonders viel Geld (mehr als zehn Euro). Personalverantwortliche müssen sich zudem in die Erfordernisse einarbeiten und mit langen Wartezeiten bis zur Erteilung der Bescheinigung rechnen.

Entbürokratisierung - aber wie?

Da viele Institutionen und Gesetze auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene auf Unternehmen einwirken, ist die Entbürokratisierung kein Kinderspiel. Annette Icks und Friederike Welter vom Institut für Mittelstandsforschung (IfM) beschreiben in dem Open-Access-Artikel  "Mittelstand: Bürokratie abbauen!", wo sie politisch Ansatzpunkte sehen, um Verwaltungsaufwand zu reduzieren:

  • Es geht nicht um die Gesetze per se, sondern um deren Umsetzung, die mit Vorschriften, Verfahren und Formularen überfrachtet und verkompliziert werden. Die Politik müsse den legislativen Prozess zusammen denken mit der praktischen und im Hinblick auf die Belange von Unternehmen prüfen.
  • Bundes-, Landes und Kommunalebene sollten sich im Vorfeld von Gesetzesinitiativen besser mit Fokus auf den Mittelstand austauschen.
  • Auch nicht staatliche Institutionen mit Regelungsbefugnis, wie Kammern und Berufsgenossenschaften, müssen ihren Anteil zum Bürokratieabbau leisten.
  • Viele Aufwände, insbesondere auch für Gründende, ließen sich durch Digitalisierung deutlich reduzieren. 
  • Durch eine größere Transparenz und Verständlichkeit der Normen könnte die negative Einstellung gegenüber Bürokratie abgebaut werden. Auch Mittelständler einzubinden, um Verwaltungsaufwand zu reduzieren, könnte hilfreich sein.

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