Skip to main content
Top
Published in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 7-8/2020

Open Access 13-05-2020 | Originalarbeit

Modellierung vergangener und zukünftiger Abflüsse und Sedimentfrachten mit freier Software – Einblicke am Beispiel des Schöttlbach (Niedere Tauern)

Authors: Mag. Stefanie Peßenteiner, Bakk., DI Sebastian Gegenleithner, BSc, Nicole Kamp, MSc, Paul Krenn, BSc, MSc

Published in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Issue 7-8/2020

Activate our intelligent search to find suitable subject content or patents.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Rezent häufigere Hochwasserereignisse und die besondere Vulnerabilität des Alpenraums gegenüber dem Klimawandel erhöhen die gesellschaftliche und politische Nachfrage nach robusten Informationen über mögliche zukünftige Entwicklungen. Ergebnisse numerischer Modellierungen in Verbindung mit Expertenmeinungen stellen ein wichtiges Instrument zur Abschätzung zukünftiger Veränderungen dar und ermöglichen die Untersuchung von Gebieten, in denen es nur wenige oder gar keine Sediment- bzw. Abflussmessungen gibt. Die Verwendung von quelloffenen (Open Source) und frei verfügbaren Modellen trägt dabei wesentlich zu Transparenz und wissenschaftlicher Nachvollziehbarkeit bei. Im vorliegenden Beitrag möchten wir eine Modellkette aus frei verfügbaren bzw. Open-Source-Modellen zur Simulation von Abflüssen und Sedimentfrachten am Beispiel des Schöttlbachs (Niedere Tauern) vorstellen und Einblicke in erste Ergebnisse geben.
Notes

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Sedimentführende Wildbachhochwasser zählen zu den häufigsten Naturgefahren in Österreich (vgl. Hübl et al. 2018). Generell ist in den Alpen auf Basis der Simulationsergebnisse von Klimamodellen mit einer Intensivierung von Starkniederschlägen (Rajczak et al. 2013) sowie mit einer winterlichen Niederschlagszunahme zu rechnen (Gobiet et al. 2014). Es ist wahrscheinlich, dass es durch zunehmende Extremniederschläge künftig auch zu einer steigenden Anzahl geomorphologischer Störungen kommt (Phillips und Van Dyke 2016). Die genauen Folgewirkungen auf Hydrologie und Sedimenttransport sind bislang jedoch nur unzureichend bekannt. Trotz erheblicher Unsicherheiten in den Niederschlagsprojektionen der Modelle lassen die zu erwartenden Klimaänderungen eine Verschiebung des Systems hin zu stärkeren Hochwasserereignissen mit höheren Sedimentfrachten möglich erscheinen. Im Projekt RunSed-CC „Modelling future runoff and sediment transport in alpine torrents“ (Schöner 2019) werden vergangene und zukünftige Abflüsse und Sedimentfrachten in alpinen Einzugsgebieten mithilfe von freier Software modelliert, um bestehende Wissenslücken zu schließen und eine Vorbereitung auf künftig veränderte Umweltbedingungen zu ermöglichen. Wir wenden hierzu eine kohärente Modellkette vom Gebietsniederschlag über den Abfluss zur Sedimentfracht an, um ein besseres Verständnis für hydrologische Reaktion und Sedimenttransport bei Wildbachereignissen zu entwickeln. Dabei werden nach Möglichkeit auch frei verfügbare Eingangsdaten verwendet, sowie für deren Pre-Processing auf freie oder Open-Source-Software zurückgegriffen. Als Untersuchungsgebiet dient der Schöttlbach in den Niederen Tauern (Abb. 1), welcher durch verheerende Unwetter mit extremen, sedimentführenden Hochwassern in den Jahren 2011 und 2017 Bekanntheit erlangte. Für das Schöttlbachtal wird das hydrologische Modell WaSiM (Schulla 2019) mit dem hydrodynamischen Modell TELEMAC-2D (Hervouet 2007; Hervouet und Ata 2017) sowie dessen Sedimenttransportmodul SISYPHE (Tassi 2017) gekoppelt. Diese neuartige Kopplung ermöglicht eine kohärente Analyse der Beziehungen zwischen Niederschlag, Abfluss und Sedimentfracht auf unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Skalen. Für die Validierung des modellierten Einflusses auf das hydro-geomorphologische System werden Ergebnisse der Geomorphologischen Veränderungsdetektionsanalyse (engl. Geomorphic Change Detection, GCD) nach Wheaton et al. (2010) verwendet.
Die Aktualität und Dringlichkeit der Frage nach zu erwartenden Veränderungen im Abflussregime sowie im geomorphologischen System wurden im Sommer 2017 erneut aufgezeigt. Im August 2017 kam es in der Steiermark zu ausgeprägten Starkniederschlägen und in der Folge zu extremen Wildbachereignissen. Wie schon im Jahr 2011 war auch diesmal das Schöttlbachtal in den Wölzer Tauern besonders betroffen. Bei dem Ereignis vom 4./5. August 2017, ausgelöst durch mehrere über die Steiermark hinwegziehende Gewitterzellen, wurden extreme Mengen von Sedimenten mobilisiert und schwere Infrastrukturschäden verursacht. Die von Klimamodellen projizierte Intensivierung von Starkniederschlagsereignissen macht eine Überprüfung und Erweiterung bestehender Schutzmaßnahmen notwendig. Das Projekt RunSed-CC hat sich zum Ziel gesetzt, mit seinen Untersuchungen maßgeblich zu einer Erweiterung des Verständnisses von Abfluss- und Sedimenttransportprozessen bei Wildbachereignissen beizutragen. Die Anwendung von freier Software zur Modellierung von Abflüssen und Sedimentfrachten spielt dabei eine zentrale Rolle und wird im vorliegenden Beitrag am Beispiel des Schöttlbachs vorgestellt.

2 Untersuchungsgebiet

Das Einzugsgebiet des Schöttlbachs liegt in den Wölzer Tauern (Niedere Tauern), knapp 15 km nordöstlich von Murau (Abb. 1). Die höhergelegenen Bereiche des Schöttlbachtals (>1600 m) sind von alpinen Rasen und zum Teil steilen, felsdurchsetzten Hängen geprägt. Die größten Sedimentdepots befinden sich im tiefergelegenen Talabschnitt, wo sich der Schöttlbach in einen hocherosiven quartären Sedimentkörper einschneidet. Die wichtigsten geografischen Eigenschaften des Schöttlbachtals sind in Tab. 1 zusammengefasst.
Tab. 1
Geographische Eckdaten – Schöttlbachtal (Peßenteiner et al. 2019)
Einzugsgebietsgröße
70,54 km2
Höhe am Outlet
822 m a.s. l.
Höchste Erhebung (Hochweberspitze)
2375 m a.s. l.
Mittlere Neigung
54,4 %
Länge des Hauptgerinnes
16,7 km
Mittlere Gerinnebettneigung
5,8 %
Mittlere Jahrestemperatur (Outlet)
6,4 °C
Mittlerer Jahresniederschlag (Outlet)
737 mm
Gebäude in roter und gelber Gefahrenzone
156
Wie viele andere Siedlungsgebiete im Alpenraum wurde auch die Stadt Oberwölz auf einem Schwemmkegel errichtet, der sich am Auslass des Wildbachsystems bildete. Im 20. Jahrhundert berichtet die Ereignischronik des forsttechnischen Diensts der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) von 16 Hochwasserereignissen, wovon mehrere zu erheblichen Schäden an Gebäuden, Straßen und Brücken sowie an land- und forstwirtschaftlichen Flächen führten. Bereits in den späten 1970er-Jahren errichtete die WLV knapp einen Kilometer nördlich von Oberwölz eine Sedimentsperre mit zugehörigem Rückhaltebecken und einem Fassungsvermögen von 30.000 m3, um die Stadt zu schützen, welche 156 Gebäude in der roten und gelben Gefahrenzone zählt. Im Juli 2011 und August 2017 kam es aufgrund von Starkniederschlag, Wind, Hagel und Überschwemmungen mit bemerkenswert hohem Sedimentanteil abermals zu starken Schäden an der örtlichen Infrastruktur, die durch die vorverfüllte und in ihrer Wirkung als mittel bewertete Sperre (vgl. Hübl et al. 2012) nicht verhindert werden konnten. Folglich wurde ab dem Frühjahr 2018 eine weitere, noch größere Sperre am nördlichen Stadtrand errichtet.

3 Modellsystem

Um die einzelnen Prozesse der Abflussbildung und des Geschiebetransports besser zu verstehen und zukünftige Veränderungen abschätzen zu können, werden Beobachtungsdaten mit verschiedenen freien Modellen kombiniert. In Abb. 2 ist die in der vorliegenden Studie verwendete Modellkette vereinfacht dargestellt. Die Kopplung des hydrologischen Modells WaSiM mit dem hydrodynamischen Modell TELEMAC-2D erfolgt dabei in zwei Ansätzen. In einem ersten Ansatz („Modell 1“) erfolgt die Geschiebemodellierung mittels TELEMAC-2D & SISYPHE nur im Gerinne über eine punktuelle Kopplung mit WaSiM-Abflüssen am Einlass des modellierten Gerinneabschnitts. In einem zweiten Ansatz wird TELEMAC-2D um ein simples Infiltrationsmodell erweitert (vgl. Taccone et al. 2018; siehe Abschn. 3.2.). Die Debris-Flow-Modellierung erfolgt somit auf dem gesamten Einzugsgebiet über eine flächenhafte Kopplung mit WaSiM-generiertem effektivem Niederschlag und Bodenfeuchte („Modell 2“). Diese Vorgehensweise ermöglicht auch den Vergleich, der mit WaSiM modellierten Abflüsse mit jenen von TELEMAC-2D. Bei WaSiM werden dabei die Vorgänge in der Bodenzone mittels Richards-Ansatz abgebildet, bei TELEMAC-2D mit dem Infiltrationsansatz nach Green und Ampt (1911) berechnet (siehe Abschn. 3.2.). Die Validierung erfolgt dann mittels Pegelmessungen, Schwebstoffmessungen sowie über die im geomorphologischen Monitoring, in Feldkampagnen und über GCD gewonnenen Daten (Korngrößen, Netto-Erosion, Rauigkeiten, laterale Sedimenteinträge). Im Folgenden wird jeweils näher auf die einzelnen Komponenten eingegangen.

3.1 WaSiM

Wir verwenden das hydrologische Modell WaSiM (Water balance Simulation Model) von Schulla (2019), Version wasimuzr-10-04-05-x86-64-pc-linux-ubuntu (Ansatz mit Richards-Gleichung), welches als freie Software zur Verfügung steht. WaSiM ist ein physikalisch-basiertes, deterministisches Modell, mit welchem Simulationen des Wasserhaushalts auf Gitterbasis flächendifferenziert durchgeführt werden können. Die räumliche Gitterweite kann hierbei flexibel gewählt werden, zeitlich ist eine maximale Auflösung von 1 min möglich (zur Erfüllung der Courant-Bedingung werden für einzelne Berechnungen ggf. Subzeitschritte eingeführt). Mit ebenfalls frei verfügbaren Zusatztools (z. B. TANALYS) können Modelldaten vor- oder nachbearbeitet werden. WaSiM ist modular aufgebaut, sodass je nach Fragestellung und Datenverfügbarkeit mehr oder weniger komplexe Algorithmen für die Berechnung einzelner Bilanzgrößen verwendet werden können. So existieren z. B. unterschiedliche Ansätze zur Berechnung der Verdunstung oder der Schneeakkumulation sowie -schmelze. In der Minimalvariante sind zumindest ein digitales Höhenmodell, Landnutzungs- und Bodendaten (statische Rasterdaten) sowie Zeitreihen von Temperatur und Niederschlag notwendig, um WaSiM zu betreiben. Die meteorologischen Eingangsdaten können entweder als Punktwerte vorliegen (z. B. Stationsdaten), welche dann von WaSiM intern über verschiedene Verfahren (z. B. höhenabhängige Regression oder inverse Distanzgewichtung) auf die Fläche interpoliert werden, oder bereits flächenverteilt als Gitterinput an WaSiM übergeben werden. Abhängig von Anwendung und Modellkomplexität kann WaSiM zusätzlich zu Temperatur und Niederschlag auch mit Globalstrahlung, relativer Luftfeuchte, und Windgeschwindigkeit angetrieben werden. Die begrenzte Verfügbarkeit freier Daten erschwert es jedoch leider häufig, dem Anspruch nach transparenten, nachvollziehbaren Modellierungsergebnissen in allen Schritten gerecht zu werden. Aufgrund der zeit- und kostenintensiven Erhebung von z. B. detaillierten Boden- oder meteorologischen Datensätzen, stehen diese oftmals nur gegen Gebühren zur Verfügung, und/oder dürfen zwar verwendet, nicht aber an Dritte weitergegeben werden.
Im Projekt RunSed-CC werden die Modellierungen in unterschiedlichen räumlichen, zeitlichen und prozessorientierten Komplexitätsstufen durchgeführt. Den Ausgangspunkt bildet dabei ein relativ vereinfachtes, grobes Modell, welches den gesamten Wölzerbach (der Schöttlbach ist einer von drei Zubringern) abbildet, und mit einer Auflösung von 1 km und 1 Tag betrieben wird. Gitterweite und Zeitschritte wurden so gewählt, dass verfügbare Gitterdatensätze von Temperatur und Niederschlag (Vergangenheit und Zukunft) sowie Bodendaten in ihrer ursprünglichen Auflösung ohne zusätzliches Downscaling verwendet werden können. Für Simulationen vergangener Abflüsse wurden dabei sowohl Stationsdaten als auch Gitterdaten verwendet. Für eine detaillierte Beschreibung von Methodik und Ergebnissen verweisen wir auf die Arbeit von Peßenteiner et al. (in prep). Eine Übersicht der meteorologischen Eingangsdaten findet sich in Tab. 2.
Tab. 2
Übersicht über die in der Studie genutzten meteorologischen Eingangsdaten
Name/Notation in Paper
Quelle
Type
Zeitraum
Parameter
Station
ZAMG
Punktbeobachtung
1961–2017
Niederschlagstagessumme [mm], Tagesmitteltemperatur [° C]
Station
AHYD
Punktbeobachtung
1961–2017
Niederschlagstagessumme [mm], Tagesmitteltemperatur [° C]
GPARD (Gitter)
ÖKS15 (ZAMG), Hofstätter et al. (2015)
Gitter
1 km × 1 km
1961–2010
Niederschlagstagessumme [mm]
SPARTACUS
(Gitter)
ÖKS15 (ZAMG),
Hiebl und Frei (2016)
Gitter
1 km × 1 km
1961–2010
Tagesmitteltemperatur [° C]
ÖKS15
ÖKS15,
Chimani et al. (2016)
13 GCM-RCM Kombinationen, Gitter
1 km × 1 km
Je nach Modellkombination, 1951–2100 oder
1971–2100
(Kontrolllauf bis 2005)
Niederschlagstagessumme [mm], Tagesmitteltemperatur [° C]
INCA
ZAMG,
Haiden et al. (2011)
1 km × 1 km, Remapping auf 100 m × 100 m
2008–2017
Temperatur [° C], Niederschlag [mm], Globalstrahlung [W/m2], Wind [m/s], relative Feuchte [%]
ClimCatch
RunSed-CC
Universität Graz,
TU Graz, Sass et al. (2015), Schöner (2019)
Punktbeobachtung
Ab 2012 mit Unterbrechungen
Temperatur [° C], Niederschlag [mm] (Auflösung je nach Station 10 min, 15 min, 1 h)
Da das alpine Schöttlbach-Einzugsgebiet aufgrund seiner geringen Größe und der vielen steilen Hänge sehr rasch auf Niederschläge reagiert, und das nachgeschaltete hydrodynamische Modell idealerweise auf Subminuten-Basis betrieben wird, ist es für eine genauere Betrachtung jedoch notwendig, die räumlich-zeitliche Modellauflösung zu vergrößern. In einem Folgeschritt wurden daher statische Rasterdaten und INCA-Daten (Integrated Nowcasting through Comprehensive Analysis; Auflösung 1 h, 1 km; Haiden et al. 2011) auf eine Auflösung von 100 m gemapped und in stündlicher Auflösung als Eingangsdaten für WaSiM verwendet. In einem weiteren geplanten Schritt soll das Modell schließlich in einer zeitlichen Auflösung von 15 min für Einzelereignisse (in der Vergangenheit sowie für Zukunftsprojektionen) betrieben werden. Die Kopplung mit dem hydraulischen Modell erfolgt entweder punktuell über den von WaSiM simulierten Abfluss am Inlet des mittels TELEMAC-2D modellierten Gerinneabschnitts oder flächenhaft im Gesamtgebiet. Im zweiten Fall werden effektiver Niederschlag und Bodenfeuchte, welche WaSiM generiert, an TELEMAC-2D übergeben (Abschn. 3.2.).

3.2 TELEMAC-2D und SISYPHE

Für die hydromorphologische Modellierung wird das 2D tiefengemittelte, hydrodynamische Modell TELEMAC-2D (Hervouet 2007) mit dessen Sedimenttransportmodul SISYPHE (Tassi 2017) gekoppelt. Da TELEMAC-2D hauptsächlich für Küstenmodellierungen und für die Modellierung größerer Flüsse entwickelt wurde, kann die Software nicht „out of the box“ für kleine Wildbacheinzugsgebiete verwendet werden. Im Rahmen des RunSed-CC-Projekts wurden deshalb verschiedene Ansätze implementiert, um eine Modellierung der Hydrodynamik und des Geschiebetransports solcher Gerinne zu ermöglichen. Die Validierung des numerischen Modells erfolgte vor der Anwendung im Schöttlbach anhand von Labormessungen (Recking et al. 2008). Eine detaillierte Beschreibung der Implementierung und Validierung der Ansätze ist in Gegenleithner et al. (2020) zu finden. Das erstellte Geschiebetransportmodell erstreckt sich von den Pegeln im Oberlauf des Schöttlbachs und des Krumeggerbachs, welche als Einlassrandbedingungen des Modells fungieren, bis hin zur Geschiebesperre, die als Auslassrandbedingung dient (entspricht in etwa dem strichlierten Gebiet in Abb. 1). Die Diskretisierung erfolgt mithilfe eines aus ca. 300.000 Elementen bestehenden unstrukturierten Dreiecksnetzes. Der Fließwiderstand im Gerinne wird mit der Variable Power Equation (VPE; Ferguson 2007) ermittelt. Die effektiven Schubspannungen werden in SISYPHE nach Meyer-Peter und Müller (1948) berechnet. Für die Geschiebetransportmodellierung wird das vorhandene Geschiebe in 9 Klassen unterteilt, wobei die Abstufung nach der Wentworth-Skala (Bunte und Abt 2001) erfolgt. Die minimale als Geschiebe transportierte Korngröße wird mithilfe der Rouse-Zahl abgeschätzt (ca. 1 cm). Zur Ermittlung der maximalen Größe des als Geschiebe transportierten Korns werden die Schubspannungen betrachtet (ca. 25 cm). Feinanteile werden bei diesem Modell vernachlässigt und größere Felsen als zusätzliche Rauigkeit mitberücksichtigt. Die initialen Korngrößen wurden mittels Siebungen und Linienzahlanalysen (Fehr 1987) erhoben und mithilfe einer Kombination aus linearer Interpolation entlang des Flusslaufs und Nearest-Neighbor-Interpolation räumlich verteilt. Das Modell besteht aus zwei vertikalen Layern, wobei der aktive Layer eine konstante Dicke aufweist. Der darunterliegende Layer reicht bis zum anstehenden Fels. Die kritische Schubspannung wird mithilfe des unmodifizierten Shieldsdiagramms (Shields 1936) ermittelt. Anschließend wird der Geschiebevolumsstrom laut Rickenmann (2001) ermittelt. Durch Lösen der Exner-Gleichung kann die lokale Geschiebebilanz ermittelt und somit können Anlandungen und Erosionen berechnet werden. Des Weiteren wird ein modifizierter Geschieberutschalgorithmus angewandt.
Um eine quantitative Aussage über die Änderung des Sedimenttransports in Hinblick auf Klimawandelszenarios zu ermöglichen, wird derzeit neben diesem bislang verwendeten Ansatz, bei welchem nur das Gerinne modelliert wird, ein weiteres Modell für das gesamte Einzugsgebiet aufgesetzt („Modell 2“ in Abb. 2). Dabei verwenden wir den Ansatz von Taccone et al. (2018), nach welchem TELEMAC-2D um ein Debris-Flow-Modul, einen zusätzlichen Finite-Volumen-Solver und um ein Infiltrationsmodell nach Green und Ampt (1911) erweitert wurden. Diese Vorgehensweise erlaubt durch die Berücksichtigung des gesamten Einzugsgebiets eine vollständige dynamische Modellierung des Abflusses mit TELEMAC-2D. Durch Kopplung des Debris-Flow-Modells mit dem Schwebstoffmodul SISYPHE kann somit die Schwebstoffkonzentration an der Auslassrandbedingung des Einzugsgebiets ermittelt werden. Das zuvor mit Pegelmessungen und Schwebstoffbeobachtungen kalibrierte und validierte Modell ermöglicht damit eine Aussage über das in den unterliegenden Fluss transportierte Feststoffmaterial. Da das numerische Modell für eine akkurate Abbildung des Debris-Flows eine räumliche Netzauflösung von 1 bis 2 m benötigt (Taccone 2019, persönliche Kommunikation), ist eine Langzeitsimulation aufgrund enormer Berechnungszeiten (1 s Echtzeit entsprechen 5 s Modellierung auf 24 Rechenkernen) auszuschließen. Des Weiteren werden viele für kontinuierliche Langzeitsimulationen notwendige hydrologische Prozesse (z. B. Verdunstung, Grundwasserabfluss) auch von dieser TELEMAC-2D-Version nicht abgebildet, weshalb wir unsere Analysen auf Hochwasser-Einzelereignisse beschränken. Die notwendigen hydrometeorologischen Eingangsdaten werden vom hydrologischen Modell WaSiM geliefert, welches kontinuierlich über lange Zeiträume betrieben wird. Die Kopplung erfolgt über effektive Niederschläge, die von WaSiM in Rasterform ausgegeben und auf das Berechnungsnetz von TELEMAC gemapped werden. Um die Rechenzeiten zu verringern, wird eine räumliche Auflösung von 1,8 m in kritischen Bereichen verwendet. In erosionsarmen Bereichen kann die Netzauflösung bis zu 50 m betragen.

3.3 Digitale Geländemodelle (DGMs), Differenzmodelle (DoDs) und Geomorphic Change Detection

Flugzeuggetragene oder terrestrische LiDAR- (Light Detection and Ranging) bzw. Laserscanning-Systeme sind in der Lage, die Vegetation zu durchdringen und somit vegetationsfreie Modelle der Erdoberfläche aufzunehmen. Unterschiedliche Interpolationsmetoden ermöglichen es, aus einer klassifizierten, d. h. vegetationsbereinigten Punktwolke hochauflösende digitale Geländemodelle (DGM; alternativ DEM – Digital Elevation Models) zu erstellen, die für zahlreiche hydrologische und geomorphologische Fragestellungen mittlerweile unverzichtbare Eingangsparameter darstellen. DGMs gehören heute zum Basis-Geodatenbestand eines jeden österreichischen Bundeslands und finden in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen (z. B. Energie‑, Forst‑, Wasserwirtschaft, Verkehr, u. a.) Verwendung. In der Geomorphologie und in der Naturgefahrenforschung werden DGMs für Kartierungen und Bewertungen von Prozessintensitäten verwendet. Durch den technologischen Fortschritt in der Fernerkundung und aufgrund verbesserter Rechenleistung und Prozessierungstechniken können nun hochauflösende Punktwolken von Untersuchungsgebieten wiederholt aufgenommen werden. Die aus diesen Punktwolken interpolierten DGMs lassen die Ermittlung von Interaktionen zwischen Prozess und Form sowie Prozessraten und Massenbilanzen aus Differenzmodellen zu (Favalli et al. 2010; Fuller et al. 2011).
Georeferenzierte DGMs desselben Ausschnitts und derselben Auflösung werden voneinander subtrahiert, um einen Raster mit Oberflächenveränderungen zu generieren und den Impact geomorphologischer Prozesse zu evaluieren. Somit können durch wiederholte topografische Untersuchungen, wie z. B. mehrere LiDAR-Kampagnen aus unterschiedlichen Zeiträumen, geomorphologische und fluviale Prozesse großflächig quantifiziert werden. Unter der Annahme, dass die erhobenen Oberflächenmodelle die Erdoberfläche zu einem bestimmten Zeitpunkt widerspiegeln, repräsentieren positive und negative Werte somit Akkumulation und Erosion. Da DGMs in den meisten Fällen vertikale Unsicherheiten aufweisen, müssen Fehleranalysen durchgeführt werden, um verlässliche Ergebnisse garantieren zu können (Wheaton et al. 2010). Die Fehleranalyse ist ein essenzieller Schritt, um zwischen „Rauschen“ bzw. durch Datenfehler entstandenen Artefakten in den Modellen und tatsächlichen morphologischen Veränderungen, die auf fluviale oder gravitative Prozesse zurückzuführen sind, unterscheiden zu können (Rascher et al. 2018).
Im Projekt RunSed-CC wird für die Veränderungsdetektion die frei verfügbare GCD-Software des „Riverscape Consortiums“ (Wheaton 2008; Wheaton et al. 2010; Riverscapes Consortium 2019) verwendet, welche ab Version 7 vollständig quelloffen vorliegt. Das Tool wurde speziell für den Nachweis topografischer Veränderungen in fluvialen Systemen entwickelt und dient in der Modellkette zur Ableitung von Geschieberaten, Hang-Gerinne-Prozess-Interaktionen und Flussbettveränderungen sowie hierüber zur Validierung des Sedimenttransportmodells. Dieses Werkzeug ist prinzipiell in der Lage, beliebige Rasterdatensätze miteinander zu vergleichen. Die Software bietet zusätzlich eine Reihe von Werkzeugen, die Unsicherheiten in DGMs quantifizieren, welche in der Raten- bzw. Massenhaushaltsberechnung berücksichtigt werden können (Wheaton et al. 2010). Für das Schöttlbach-Einzugsgebiet stehen zwei unterschiedliche LiDAR-Datensätze zur Verfügung: Eine Airborne Laserscanning (ALS)-Punktwolke, die während der bundeslandweiten LiDAR-Kampagne des Landes Steiermark von 2008 bis 2014 aufgenommen wurde, und eine UAV-borne Laserscanning (ULS)-Punktwolke, die im Rahmen einer Forschungskooperation der Universität Innsbruck und der Universität Graz im Herbst 2018 entstand. Im Zuge von Forschungsprojekten können Höhendaten und andere Geodaten bis zu einer Ausdehnung von 250 km2 unter dem Quellverweis „© GIS Steiermark, Jahr“ (Amt der Steiermärkischen Landesregierung 2018) unentgeltlich beim GIS Steiermark bestellt werden.
Im Idealfall würde man zwei Rasterdatensätze, die unter den gleichen Bedingungen, d. h. Punktdichte, Flughöhe, Aufnahmewinkel, Rasterinterpolationsmethode etc., generiert wurden, miteinander vergleichen. Der aus dem Jahr 2012 stammende ALS-Datensatz (Ø 9 pt/0,5 m2) weist im Verglich zum 2018er-ULS-Datensatz (Ø 150 pt/0,5 m2) eine geringere Genauigkeit auf und limitiert somit die Genauigkeit der GCD-Analyse. D. h.: Objekte, die kleiner als der Footprint (30 cm) der ALS-Daten sind, können nicht detektiert werden. Kamp et al. (in prep.) entwickelten hierfür einen Python-Comparability-Workflow, der neben der Berechnung von DGM- und DEMs of Difference (DoD)-Unsicherheiten die Vergleichbarkeit qualitativ unterschiedlicher Rasterdaten bewertet (Abb. 3).

4 Erste Erkenntnisse aus dem Schöttlbach

4.1 Modellierung vergangener und zukünftiger Abflüsse

Wölzerbach
In einem ersten Schritt wurden vergangene Tagesabflüsse für den gesamten Wölzerbach simuliert (Gitterweite 1 km). WaSiM wurde dabei mit verschiedenen meteorologischen Eingangsdaten (sowohl auf Stations- als auch Gitterbasis) angetrieben. Für die Abflussjahre, in denen Messdaten am Pegel Niederwölz sowie alle Eingangsdaten zur Verfügung stehen (2004 bis 2010), zeigt das Modell eine höhere Güte, wenn es mit Stationsdaten betrieben wird. Als Gütekriterien für die Übereinstimmung von gemessenen und simulierten Abflüssen wurden dabei das Nash-Sutcliffe-Effizienzkriterium NSE, die Kling-Gupta-Effizienz KGE sowie der prozentuale Bias PBIAS nach Nash und Sutcliffe (1970), Moriasi et al. (2007) und Gupta et al. (2009) herangezogen.
Die Simulation zukünftiger Abflüsse findet auf Basis von Klimamodellszenarien statt. Um mögliche Entwicklungen abzuschätzen, wurde WaSiM hierzu mit den ÖKS15-Modellen (siehe Tab. 2) für das „Business-As-Usual“-Szenario RCP8.5 angetrieben. Vergleicht man den langfristigen mittleren Jahresgang des Abflusses für die vergangene Periode 1971 bis 2000 mit jenem der Periode 2071 bis 2100, so lässt sich die erwartete Verschiebung von einem nivalen hin zu einem nivo-pluvialen Regime erkennen (Abb. 4).
Trotz eines jahreszeitlich ausgeglicheneren Abflussgeschehens zeigt ein Vergleich des Modell-Medians der Langzeit-Dauerlinien der Jahre 1971 bis 2000 sowie 2071 bis 2100 eine Verstärkung der Extrema (höhere Hoch-, niedrigere Niedrigwasser). Die einzelnen Modelle unterscheiden sich dabei jedoch teilweise deutlich, was zu einer erhöhten Unsicherheit hinsichtlich der Aussagen betreffend zukünftiger Veränderungen führt.
Schöttlbach
Für den Schöttlbach wurden bisher höher aufgelöste Simulationen (100 m, 1 h) nur für die Vergangenheit durchgeführt. Die langfristigen kontinuierlichen Simulationen (2014 bis 2017) zeigen nach derzeitigem Stand eine zufriedenstellende Güte (NSE 0,65, KGE 0,79, PBIAS −8,1; Abb. 5.) Eine besondere Herausforderung stellen Konvektivereignisse dar, die von INCA teilweise nicht oder nur unzureichend erfasst werden, was zu einer Unterschätzung der Spitzenabflüsse führt. Kombinationen der INCA-Daten mit den Messungen der meteorologischen Station im Einzugsgebiet (siehe Abb. 1), führen zu einer teilweisen Verbesserung der Extremabflüsse und werden derzeit näher untersucht.

4.2 Modellierung vergangener Sedimentfrachten

Die hier vorgestellten Ergebnisse der Modellierung vergangener Sedimentfrachten erfolgten mit dem in Abschn. 3.2. beschriebenen „ersten Modellansatz“ in welchem nur das Gerinne abgebildet und punktuell am Einlass des modellierten Gerinneabschnitts mit dem Abfluss gekoppelt wird. Kalibrierung und Validierung der Hydrodynamik wurden anhand von Pegelmessungen durchgeführt. Für eine Validierung des Geschiebetransports stellte sich die Datengrundlage im Laufe des Projekts aufgrund zu großer Intervalle zwischen den Beobachtungszeitpunkten als unzureichend heraus, weshalb der Geschiebetransport vorerst nur mit Beobachtungen aus diversen Gebietsbegehungen abgeglichen wurde. Die Ergebnisse der Geschiebesimulation für das Hochwasserereignis von 2017 sind in Abb. 6 dargestellt, die Simulationsergebnisse der Anlandungen und Erosionen sind in Abb. 6a visualisiert. In der Simulation zeigt sich eine massive Anlandung im Bereich oberhalb der Sperre, was mit den Beobachtungen (Abb. 6b, c) gut übereinstimmt.
Durch den Einfluss der Geschiebesperre – geringe Schubspannungen durch Rückstaueffekt – bleibt ein beträchtlicher Anteil des groben Geschiebes bereits am Einlass der Sperre liegen. Zur Sperre hin konnte der dominierende Anteil des Festmaterials als Feinmaterial identifiziert werden.

4.3 Geomorphologische Veränderungsdetektion

Aufgrund der Sedimentmächtigkeiten von bis zu 40 m ist eine Erschöpfung der Sedimentzufuhr von den Seitenhängen nicht absehbar (Krenn et al. 2019). Das Schöttlbach-Einzugsgebiet kann aufgrund seines geringen Basisabflusses (1 m3/s) als transportlimitiert eingestuft werden, d. h., größere Sedimentmassen werden nahezu ausschließlich während Hochwasserbedingungen mobilisiert. Somit liegt das Forschungsinteresse auf den mobilisierbaren Sedimentmengen während hydro-meteorologischer Extremereignisse. Mit der Gegenüberstellung der beiden Rasterdatensätze und dem Einsatz des GCD-Tools konnten die geomorphologischen Impacts des Hochwasserereignisses von August 2017 quantifiziert werden. Die berechnete Nettoerosion beläuft sich auf über 100.000 m3 an Sediment, das mobilisiert wurde (Krenn et al. 2019). Wie Abb. 7, die einerseits einen Teil des Workflows und anderseits ein DoD der Oberflächenveränderung darstellt, zeigt, wurde entlang der gesamten Strecke des Mittel- und Unterlaufs des Schöttlbachs massiv erodiert und das hangiale System aktiviert, das den Großteil des Materials bereitstellte. Mit dem Abklingen der Hochwasserwelle wurden im Nahebereich des Wildbachs wieder Hochwassersedimente ablagert, jedoch wurde der Großteil aus dem Einzugsgebiet hinaustransportiert.
Die vier exemplarischen Teilabbildungen von Abb. 8, welche einen knapp 10 ha großen Ausschnitt abdecken, zeigen die unter Verwendung des GCD-Tools ermittelten geomorphologischen Auswirkungen des Sommer-Hochwasserwassers 2017. Abb. 8a stellt dabei eine Reliefdarstellung abgeleitet aus dem DGM von 2012 dar, Abb. 8b die Situation des schwarz strichlierten Bereichs aus Abb. 8a, welche wenige Monate vor dem Extremereignis im August 2017 aufgenommen wurde. Abb. 8c zeigt eine Reliefdarstellung aus dem DGM aus 2018 inklusive der Oberflächenveränderung (DoD) von 2012 auf 2018 in Rot- (Erosion) und Blautönen (Deposition) und Abb. 8d die Situation des schwarz strichlierten Bereichs aus Abb. 8c zwei Monate nach dem Ereignis.
Insgesamt kann dem gesamten Ausschnitt eine Nettoerosion von ca. 9800 m3 zugeordnet werden, die sich aus 14.300 m3 Erosion und 4500 m3 Deposition ergeben. Aufgrund der propagierten Unsicherheiten aus den DGMs, die vor allem auf den ALS-Rasterdatensatz zurückzuführen sind, ergeben sich jedoch volumetrische Ungenauigkeiten. Diese zeigen sich vor allem in sehr steilen und/oder mit dichter Vegetation bedeckten Bereichen, da hier mit verhältnismäßig großen Schwellenwerten (≤50 cm) gearbeitet werden muss. Diese Unsicherheiten summieren sich und können im äußersten Fall bis zu mehreren tausend Kubikmetern ausmachen. Wie bereits erwähnt, ist das GCD-Tool in der Lage, diese Unsicherheiten automatisch zu quantifizieren und zu visualisieren.

5 Fazit und Ausblick

In einem ersten Schritt konnten sowohl für den Wölzerbach (Tagesauflösung) als auch den Schöttlbach (Stundenauflösung) vergangene Abflüsse zufriedenstellend simuliert werden. Abweichungen zwischen Stationsdaten und Gitterdaten weisen jedoch auf die mittels INCA nur unzureichende Erfassung konvektiver Ereignisse hin. Da Hochwasserereignisse im untersuchten Gebiet sehr häufig von konvektiven Gewitterschauern ausgelöst werden, stellt eine Unterschätzung der mit ihnen verbundenen Niederschläge eine Hauptunsicherheit in der hydrologischen Modellierung dar. Eine erste Verbesserung der Abflusssimulation konnte für Einzelereignisse durch die Kombination von INCA- und Stationsdaten erreicht werden. Eine weitere Problematik besteht – neben der beschränkten Verfügbarkeit von hochaufgelösten Bodendaten – in der räumlichen und zeitlichen Auflösung vorhandener meteorologischer Eingangsdaten. Vor allem in Hinblick auf die Abschätzung zukünftiger Abflüsse sind hier mit der Tagesauflösung der Klimamodelldaten der Simulation von Spitzenabflüssen im kleinen, steilen Einzugsgebiet Grenzen gesetzt. Derzeit wird zur Umgehung dieser Problematik an einem Ansatz gearbeitet, um Tagesniederschläge zeitlich auf Stundenniederschläge zu disaggregieren (Scher und Peßenteiner 2020; Peßenteiner und Scher, in prep.). Die Überbrückung des zeitlichen Skalensprungs zwischen hydrologischem und hydraulischem Modell (Stunden zu Minutenauflösung) erfolgt im Moment noch über simple Interpolationsansätze.
In der hydraulischen Modellierung konnte im Rahmen der Untersuchungen gezeigt werden, dass der verwendete Ansatz zwar Anlandungs- und Erosionstendenzen (qualitativ und quantitativ) zufriedenstellend abbilden kann, jedoch das Modell für die Prognose von zukünftigen Entwicklungen nicht geeignet ist. Als Grund dafür sind folgende Punkte zu nennen: (i) Lateraler Sedimenteintrag: Im Vergleich zu Niederlandflüssen stammt der maßgebliche Anteil des Sediments in Wildbächen zumeist von lateralen Hängen und Zubringern (Rickenmann 2016). Dieses oft sehr feine Material wird im Gegensatz zum im ersten Modell berücksichtigten Geschiebe, das sich an der Sohle bewegt und zum größten Teil im Rückhaltebecken zur Ruhe kommt, bei einem Hochwasserereignis in Suspension transportiert. In weiterer Folge kann sich das Sediment anschließend in Stauräumen oder Überflutungsflächen absetzen. Der laterale Eintrag des Sediments konnte mit dem zunächst erstellten Modell nicht zufriedenstellend abgebildet werden; (ii): Ansetzen der Randbedingungen: Ein weiteres Problem stellt die Quantifizierung des zeitabhängigen Eintrags von Sediment an den Randbedingungen dar. Eine Aussage über den Volumseintrag an den Randbedingungen ist oft nur über eine Gleichgewichtsbedingung möglich. Des Weiteren ist bei steilen Wildbächen an den Randbedingungen häufig schießender Abfluss gegeben, was zu numerischen Problemen bei der Modellierung führen kann; (iii) unzureichende Kalibrierungs- und Validierungsmöglichkeiten: Häufig ist die Datengrundlage für eine Kalibrierung und Validierung eines solchen numerischen Geschiebetransportmodells nicht gegeben (Chiari 2008). Dies gilt auch für den Schöttlbach, in dem mehr Messungen, auch nach kleineren Ereignissen, notwendig wären. Hierbei sind jedoch Limits durch zeitliche und finanzielle Mittel gesetzt. Für die Abschätzung der quantitativen Veränderung des Sedimenttransports infolge des Klimawandels wird deshalb derzeit an dem in Abschn. 3.2. beschriebenen zweiten Modell gearbeitet, welches das gesamte Einzugsgebiet abbildet und über Kopplung von Debris-Flow- und Schwebstoffmodul die Ermittlung der Schwebstoffkonzentration am Gebietsauslass ermöglicht. Die Modellierung und Summation mehrerer kleinerer Einzel-Ereignisse sowie des großen Events 2017 soll hiermit eine quasi-kontinuierliche Entwicklung abbilden und die Verwendung der Daten der GCD-Analyse zur Validierung ermöglichen.
Durch den Einsatz der GCD-Analyse konnten die geomorphologischen Auswirkungen des Ereignisses 2017 trotz unterschiedlicher Auflösungen der Eingangsdatensätze plausibel quantifiziert werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass der Sedimentoutput am Gebietsauslass von den Einträgen an den Hängen dominiert wird, und weniger von der Umverteilung vorhandener Ablagerungen früherer Überflutungsereignisse abhängt. Neben Unsicherheiten, die hauptsächlich aus dem ALS-Datensatz propagiert werden, spielen auch anthropogene Einflüsse eine nicht zu vernachlässigende Rolle, da immer wieder Material aus dem Rückhaltebecken abtransportiert wurde. Die Reaktion von Wildbacheinzugsgebieten auf Starkniederschlagsereignisse ist höchst unterschiedlich und kann aufgrund des nicht-linearen Verhaltens geomorphologischer Systeme nur schwer vorhergesagt werden. Durch die Gegenüberstellung mehrerer Einzugsgebiete in der Obersteiermark sollen in einem nächsten Schritt treibende Parameter (Vegetationsdichte, Sedimentmächtigkeit, Landnutzung etc.) sowie deren Einfluss auf die Sedimentbereitstellung analysiert und dadurch die Abschätzung von Impacts zukünftiger Ereignisse verbessert werden.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Kopplung verschiedener Modelle und Methoden, wie sie in diesem Beitrag behandelt wurde, aufgrund unterschiedlicher Datenverfügbarkeit sowie abweichender räumlicher und zeitlicher Prozessskalen einige Unsicherheiten birgt, an deren Sichtbarmachung, Quantifizierung und – sofern möglich – Überwindung gearbeitet wird. In der Praxis wurde die Dringlichkeit der Fragen nach zu erwartenden zukünftigen Abflüssen sowie Veränderungen im geomorphologischen System mit den Hochwasserereignissen in den Sommern 2011 und 2017 erneut aufgezeigt. Die bisherigen Ergebnisse des Projekts RunSed-CC stimmen uns trotz bestehender Herausforderungen optimistisch, mit der Verwendung einer Kette frei verfügbarer und quelloffener Modelle und Werkzeuge auch künftig einen Beitrag zu einem verbesserten Verständnis für den Sedimenttransport bei Wildbachereignissen leisten zu können.

Danksagung

Wir bedanken uns beim Österreichischen Klimafonds für die Finanzierung des Projekts RunSed-CC (ACRP, 9th call, 2016), im Zuge dessen die vorliegende Studie entstand, sowie beim Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) für die Unterstützung des Doktoratskollegs Climate Change (W1256). Der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), dem Hydrografischen Dienst Steiermark und dem forsttechnischen Dienst der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) danken wir für die freundliche Bereitstellung der Daten. Den KollegInnen der Universität Innsbruck möchten wir für die Zusammenarbeit bei der Laser-Scanning-Kampagne von 2018 unseren Dank aussprechen.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literature
go back to reference Bunte, K., Abt, S.R. (2001): Sampling surface and subsurface particle-size distributions in wadable gravel-and cobble-bed streams for analyses in sediment transport, hydraulics, and streambed monitoring. US Department of Agriculture, Forest Service, Rocky Mountain Research Station.CrossRef Bunte, K., Abt, S.R. (2001): Sampling surface and subsurface particle-size distributions in wadable gravel-and cobble-bed streams for analyses in sediment transport, hydraulics, and streambed monitoring. US Department of Agriculture, Forest Service, Rocky Mountain Research Station.CrossRef
go back to reference Chiari, M. (2008): Numerical Modelling of Bedload Transport in Torrents and Mountain Streams—SETRAC. Institut für Alpine Naturgefahren, Dissertation, Universität für Bodenkultur Wien. Chiari, M. (2008): Numerical Modelling of Bedload Transport in Torrents and Mountain Streams—SETRAC. Institut für Alpine Naturgefahren, Dissertation, Universität für Bodenkultur Wien.
go back to reference Chimani, B., Heinrich, G., Hofstätter, M., Kerschbaumer, M., Kienberger, S., Leuprecht, A., Lexer, A., Peßenteiner, S., Poetsch, M., Salzmann, M., Spiekermann, R., Switanek, M., Truhetz, H. (2016): ÖKS15 – Klimaszenarien für Österreich. Daten, Methoden und Klimaanalyse. Projektendbericht. Chimani, B., Heinrich, G., Hofstätter, M., Kerschbaumer, M., Kienberger, S., Leuprecht, A., Lexer, A., Peßenteiner, S., Poetsch, M., Salzmann, M., Spiekermann, R., Switanek, M., Truhetz, H. (2016): ÖKS15 – Klimaszenarien für Österreich. Daten, Methoden und Klimaanalyse. Projektendbericht.
go back to reference Fehr, R. (1987): Einfache Bestimmung der Korngrössenverteilung von Geschiebematerial mithilfe der Linienzahlanalyse. Schweizer Ingenieur und Architekt, 38(87):1104–1109. Fehr, R. (1987): Einfache Bestimmung der Korngrössenverteilung von Geschiebematerial mithilfe der Linienzahlanalyse. Schweizer Ingenieur und Architekt, 38(87):1104–1109.
go back to reference Gegenleithner, S., Schneider, J., Zenz, G. (2020): Adaptierung eines Open Source Codes zur Modellierung von Geschiebetransport in Wildbächen, Tagungsband Wasserbausymposium 2020, ETH Zürich. Gegenleithner, S., Schneider, J., Zenz, G. (2020): Adaptierung eines Open Source Codes zur Modellierung von Geschiebetransport in Wildbächen, Tagungsband Wasserbausymposium 2020, ETH Zürich.
go back to reference Green, W.H., Ampt, G.A. (1911): Studies in soil physics. I. The flow of air and water through soils J. Agric Sci 4:1–24.CrossRef Green, W.H., Ampt, G.A. (1911): Studies in soil physics. I. The flow of air and water through soils J. Agric Sci 4:1–24.CrossRef
go back to reference Hervouet, J.M. (2007): Free surface flows: Modelling with the finite element method. Wiley & Sons, Chichester, West Sussex, United KingdomMATH Hervouet, J.M. (2007): Free surface flows: Modelling with the finite element method. Wiley & Sons, Chichester, West Sussex, United KingdomMATH
go back to reference Hervouet, J.M., Ata, R. (2017): User manual of opensource software TELEMAC-2D. Technischer Bericht Hervouet, J.M., Ata, R. (2017): User manual of opensource software TELEMAC-2D. Technischer Bericht
go back to reference Hofstätter, M., Jacobeit, J., Homann, M., Lexer, A., Chimani, B., Philipp, A., Beck, C., Ganekind, M. (2015): WETRAX – Weather Patterns, Cyclone Tracks and related Precipitation Extremes. Großflächige Starkniederschläge im Klimawandel in Mitteleuropa. Projektendbericht. Geographica Augustana 19: 25–34. Hofstätter, M., Jacobeit, J., Homann, M., Lexer, A., Chimani, B., Philipp, A., Beck, C., Ganekind, M. (2015): WETRAX – Weather Patterns, Cyclone Tracks and related Precipitation Extremes. Großflächige Starkniederschläge im Klimawandel in Mitteleuropa. Projektendbericht. Geographica Augustana 19: 25–34.
go back to reference Hübl, J., Beck, M., Moser, M., Dobrounig, R., Kammerlander, J., Neumayr, G., Brenner, F., Zeindl, H., Gotthalmseder, P., Grünwald, F., Kaufmann, C., Mehlhorn, S. (2018): Ereignisdokumentation 2017 Detailberichte Salzburg und Steiermark, IAN Report 192. Hübl, J., Beck, M., Moser, M., Dobrounig, R., Kammerlander, J., Neumayr, G., Brenner, F., Zeindl, H., Gotthalmseder, P., Grünwald, F., Kaufmann, C., Mehlhorn, S. (2018): Ereignisdokumentation 2017 Detailberichte Salzburg und Steiermark, IAN Report 192.
go back to reference Hübl, J., Eisl, J., Kundela, G., Hohl, D., Karagiorgo, K., Hofer, B., Tscharner, S., Wagner, M. (2012): Ereignisdokumentation und Ereignisanalyse Wölzerbach Band 2: Ereignisanalyse. IAN Report 143. Hübl, J., Eisl, J., Kundela, G., Hohl, D., Karagiorgo, K., Hofer, B., Tscharner, S., Wagner, M. (2012): Ereignisdokumentation und Ereignisanalyse Wölzerbach Band 2: Ereignisanalyse. IAN Report 143.
go back to reference Krenn, P., Peßenteiner, S., Kamp, N. (2019): Das Wildbachereignis von 2017 im Schöttlbach, Oberwölz – eine geomorphologische Bestandsaufnahme mittels UAV-based laser scanning (ULS). Zeitschrift für Wildbach‑, Lawinen, Erosions- und Steinschlagschutz 184:224–237 Krenn, P., Peßenteiner, S., Kamp, N. (2019): Das Wildbachereignis von 2017 im Schöttlbach, Oberwölz – eine geomorphologische Bestandsaufnahme mittels UAV-based laser scanning (ULS). Zeitschrift für Wildbach‑, Lawinen, Erosions- und Steinschlagschutz 184:224–237
go back to reference Meyer-Peter, E., Müller, R. (1948): Formulas for bed-load transport. Rept 2nd Meeting Int Assoc Hydraul Struct Res, Stockholm, S. 39–64. Meyer-Peter, E., Müller, R. (1948): Formulas for bed-load transport. Rept 2nd Meeting Int Assoc Hydraul Struct Res, Stockholm, S. 39–64.
go back to reference Peßenteiner, S., Kamp, N., Krenn, P. (2019): Abfluss- und Sedimenttransportmodellierung in Wildbacheinzugsgebieten – Erste Erkenntnisse aus den Niederen Tauern am Beispiel Schöttlbach. GEOGRAZ. Grazer Mitteilungen der Geographie und Raumforschung 65:16–21. Peßenteiner, S., Kamp, N., Krenn, P. (2019): Abfluss- und Sedimenttransportmodellierung in Wildbacheinzugsgebieten – Erste Erkenntnisse aus den Niederen Tauern am Beispiel Schöttlbach. GEOGRAZ. Grazer Mitteilungen der Geographie und Raumforschung 65:16–21.
go back to reference Rickenmann, D. (2016): Methods for the quantitative assessment of channel processes in torrents (steep streams). CRC Press, London.CrossRef Rickenmann, D. (2016): Methods for the quantitative assessment of channel processes in torrents (steep streams). CRC Press, London.CrossRef
go back to reference Sass, O., Harb, G., Truhetz, H., Stangl, J., Schneider, J. (2015): Abschlussbericht Projekt ClimCatch Klima-und Energiefonds Projekt B175084. Sass, O., Harb, G., Truhetz, H., Stangl, J., Schneider, J. (2015): Abschlussbericht Projekt ClimCatch Klima-und Energiefonds Projekt B175084.
go back to reference Schulla, J. (2019): Model Description WaSiM. Technischer Bericht. Schulla, J. (2019): Model Description WaSiM. Technischer Bericht.
go back to reference Shields, A. (1936): Application of similarity principles and turbulence research to bed-load movement. Mitteilunger der Preussischen Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau 26, Berlin, S 5–24. Shields, A. (1936): Application of similarity principles and turbulence research to bed-load movement. Mitteilunger der Preussischen Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau 26, Berlin, S 5–24.
go back to reference Tassi, P. (2017): User manual of opensource software SISYPHE. Technischer Bericht. Tassi, P. (2017): User manual of opensource software SISYPHE. Technischer Bericht.
go back to reference Wheaton JM (2008): Uncertainity in Morphological Sediment Budgeting of Rivers. Original typescript. Wheaton JM (2008): Uncertainity in Morphological Sediment Budgeting of Rivers. Original typescript.
Metadata
Title
Modellierung vergangener und zukünftiger Abflüsse und Sedimentfrachten mit freier Software – Einblicke am Beispiel des Schöttlbach (Niedere Tauern)
Authors
Mag. Stefanie Peßenteiner, Bakk.
DI Sebastian Gegenleithner, BSc
Nicole Kamp, MSc
Paul Krenn, BSc, MSc
Publication date
13-05-2020
Publisher
Springer Vienna
Published in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Issue 7-8/2020
Print ISSN: 0945-358X
Electronic ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-020-00675-8

Other articles of this Issue 7-8/2020

Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 7-8/2020 Go to the issue

Aktuell

Aktuell

Mitteilungen der ÖWAW

Mitteilungen der ÖWAW

ExpertInnen im ÖWAV

ExpertInnen im ÖWAV

Umweltrecht kompakt

Umweltrecht kompakt