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26-03-2015 | Motorentechnik | Schwerpunkt | Article

Debatte um Stickoxidemission von Dieselfahrzeugen

Author: Christiane Brünglinghaus

5:30 min reading time

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Stickstoffdioxid entwickelt sich laut Umweltbundesamt zum Schadstoff Nummer eins. Ein Problem ist die hohe Anzahl an Dieselfahrzeugen, die zwar die Euro-6-Abgasnorm erfüllen, aber dennoch zu viel NOx ausstoßen.

In dem Anfang des Jahres veröffentlichten Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) wird die Belastung von Mensch und Umwelt durch Stickstoffverbindungen, als "eines der größten ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit" bezeichnet. Denn die menschengemachten Stickstoffe führen zu einer massiven Versauerung der Böden und Gewässer, schaden dem Klima und der menschlichen Gesundheit. Daneben belasten Stickstoffmonoxid oder -dioxid zum Beispiel auch Filter und Brennstoffzellen in Elektrofahrzeugen. Verantwortlich für den Anstieg der Stickstoffemissionen sind neben der Landwirtschaft und alten Kohlekraftwerken der Verkehrssektor - und hier insbesondere Stickoxid(NOx)-Emissionen von Dieselfahrzeugen.

Zwar existieren seit 2010 verbindliche EU-Grenzwerte unter anderem für Stickstoffdioxid. Allerdings werden diese in Deutschland in vielen Gebieten regelmäßig überschritten. Die Europäische Union (EU) hat deswegen bereits eine sogenannte Pilotanfrage an die Bundesregierung gestellt, der erste Schritt zu einem Vertragsverletzungsverfahren. Die Bundesregierung wurde darin aufgefordert zu zeigen, wie der Grenzwert dauerhaft eingehalten werden kann.

Denn die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid, Feinstaub und Ozon gefährdeten auch 2014 die Gesundheit der Menschen in Deutschland. Das belegen vorläufige Auswertungen des Umweltbundesamtes (UBA) von über 500 Messstationen. Besonders kritisch: Stickstoffdioxid, das vor allem aus Kfz-Abgasen stammt, entwickle sich laut UBA zum Schadstoff Nummer eins. Erneut lagen an mehr als der Hälfte der Messstationen an stark befahrenen Straßen die Jahresmittelwerte über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter, gibt die Behörde an.

Diskrepanz zwischen NOx-Grenzwert und Realemissionen

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Wie die Erfahrung vergangener Jahre zeige, so das UBA, wird sich dieser Prozentsatz noch deutlich erhöhen, wenn im Mai 2015 weitere Daten von 124 Messstationen in die Statistik einfließen, die aus technischen Gründen noch nicht ausgewertet werden konnten. UBA- Präsidentin Maria Krautzberger: "Um die Grenzwertüberschreitungen beim Stickstoffdioxid in den Griff zu bekommen, ist es wichtig, dass die neue Abgasnorm Euro 6 auch im realen Verkehr zu weniger Emissionen führt. Bisher können das viele Fahrzeughersteller nur im Labor garantieren."

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht das Problem bei den älteren Fahrzeugen: "Auch die Stickoxid-(NOx)-Emissionen der Fahrzeuge wurden mit den zunehmenden Euro-Abgasstufen immer weiter reduziert. Wenn es an sehr verkehrsintensiven urbanen Messstellen dennoch zu Überschreitungen der zulässigen Luftbelastung kommt, hängt dies mit dem Eintrag aus der Umgebung sowie mit Emissionen von älteren Fahrzeugen zusammen."

Seit dem 1. September 2014 erhalten neue Modelle europaweit nur noch die Typgenehmigung, wenn sie 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen. Ab dem 1. September 2015 ist die Euro-6-Norm generell für alle neu zugelassenen Pkw verbindlich.

Allerdings: Bei einer Untersuchung im Auftrag des niederländischen Umweltministeriums fanden Experten der Delfter Prüforganisation TNO heraus, dass neue Euro-6-Dieselmodelle im normalen Straßenverkehr nicht 80, sondern rund 500 Milligramm Stickoxide pro Kilometer emittieren. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT). Im Durchschnitt lagen die realen NOx-Emissionen von 15 modernen Diesel-Pkw in etwa siebenmal so hoch wie der gesetzliche Euro-6-Grenzwert.

Lesen Sie mehr zur Anwendung von RDE/PEMS im Typprüfungsprozess auf Seite 2.

Anwendung von RDE/PEMS im Typprüfungsprozess

Denn einige Schadstoffe, wie etwa Stickoxide, können nur unter realistischen Fahrbedingungen gemessen werden. Dafür werden bereits heute versuchsweise Portable Emission Measurement Systems (PEMS) eingesetzt. Auch der ICCT hatte solche PEMS verwendet. Sie werden zuvor am Fahrzeug installiert, um Messungen im realen Fahrbetrieb auf einer festgelegten Strecke durchzuführen. "PEMS ist schon heute ein wichtiger Baustein für die Emissionsmessung. Den Schadstoffausstoß auf der Straße zu messen, wird zukünftig eine größere Rolle spielen, gerade für die aufflammende Diskussion rund um die Stickoxidemission bei Dieselfahrzeugen. Wir haben PEMS bereits heute im Portfolio", erklärt der TÜV Süd.

Um die Realemissionen zu mindern, hat die EU daher die Initiative Real Driving Emissions (RDE) gestartet. Das Technical Committee - Motor Vehicles (TCMV) der EU-Kommission diskutiert derzeit die Parameter für eine RDE-Prozedur, wie aus dem Artikel WLTP und NEFZ im Vergleich hervorgeht. Mit RDE ist auch die Einführung einer PEMS-Messung im Pkw-Bereich in Vorbereitung.

"Die Neuerungen mit Euro 6c ab 2017 beziehungsweise darauffolgende Entwicklungsstufen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit Emissionsmessungen auf öffentlichen Straßen mittels mobiler Emissionsmesstechnik (PEMS) als neues Teilelement der Typprüfung erfordern", erläutert AVL im Kapitel "Partikeloptimale Benzindirekteinspritzung - Eine Voraussetzung für RDE" aus dem Tagungsband 9. Tagung Diesel- und Benzindirekteinspritzung 2014. Gleichzeitig wird auch nur ein ambitionierter "Compliance Factor" - so wird die tolerierte Abweichung zwischen gesetzlichem Grenzwert und tatsächlichen Emissionen bezeichnet - den RDE effektiv machen, wie Dr. Christiane Vitzthum von Eckstädt vom Umweltbundesamt in einem Vortag erläutert.

Um dieser Entwicklung hin zur Emissionsmessung im realen Fahrbetrieb Rechnung zu tragen, hat AVL bereits ein umfangreiches Programm gestartet. Ziel ist, mögliche Strategien zu entwickeln, die den neuen Herausforderungen gerecht werden. AVL hat daher eine Methodik entwickelt, mit der das Zusammenwirken von innermotorischer Emissionsvermeidung und Emissionsreduzierung durch Abgasnachbehandlungssysteme optimal aufeinander abgestimmt werden kann. Den Kern bildet ein neues, mobiles Messsystem zur Emissionsapplikation im transienten und dynamischen Fahrbetrieb, wie im Artikel "Real Driving Emissions - Ein Paradigmenwechsel in der Fahrzeugapplikation" aus der MTZ 1-2014 erläutert wird.

Kurzfristige Maßnahme: Geschwindigkeitsbeschränkungen

Heiko Balsmeyer, Projektleiter des Projektes Clean Air beim VCD: "An erster Stelle müssen neue Pkw mit der Abgasnorm Euro VI/6 endlich auch im realen Fahrbetrieb die Grenzwerte für Luftschadstoffe einhalten. Bislang ist das nicht der Fall." Für ihn sind effektive Maßnahmen dazu die Beendigung der steuerlichen Bevorteilung von Dieselfahrzeugen, die Weiterentwicklung der Umweltzonen, die Anpassung der Lkw-Maut und die Nachrüstung von Bussen und Nutzfahrzeugen mit selektiver katalytischer Reduktion (SCR).

Ein kurzfristig und kostengünstig umsetzbares Mittel zur Senkung der NO2-Belastung, seien Geschwindigkeitsbeschränkungen. "Ob Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten oder das Tempolimit auf Autobahnen, wir müssen die Debatte über die Vorteile der Temporeduktion endlich aus der Tabuzone holen", betont Balsmeyer. Die Einführung von Emissionsstandards für den Schiffsverkehr und die Verlagerung von Verkehr auf die umweltverträglichen Verkehrsmittel könnten das Maßnahmenpaket sehr wirksam ergänzen.

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2010 | OriginalPaper | Chapter

Abgasnachbehandlung

Source:
Dieselmotor-Management im Überblick

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