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13-11-2014 | Motorentechnik | Schwerpunkt | Article

Verbrennungsmotoren-Entwicklung: Viele kleine Schritte zur CO2-Reduzierung

Author: Richard Backhaus

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Die großen Sprünge bei der CO2-Reduktion des rein verbrennungsmotorischen Antriebs sind vorbei. Künftig sind es viele kleine Schritte, die zusammengenommen deutliche Einsparungen erbringen. Wir zeigen Beispiele für Maßnahmen, die noch Potenziale bieten.

In der Europäischen Union (EU) sollen die CO2-Emissionen von neuen Pkw ab 2020/2021 auf 95 g CO2/km gesenkt werden. Das ist der weltweit strengste CO2-Grenzwert und entspricht einem Kraftstoffverbrauch von rund 4 l Benzin beziehungsweise etwa 3,6 l Diesel/100 km. Dabei kommt dem Verbrennungsmotor auch weiterhin die Rolle des Schrittmachers für CO2-arme Mobilität zu. Denn durch die geringe Verbreitung von rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen wird deren Einfluss auf die CO2-Bilanz der Fahrzeugflotte in den nächsten Jahren noch kaum spürbar sein, ganz ungeachtet der Frage, wie hoch die CO2-Belastung durch die Erzeugung der elektrischen Energie tatsächlich ist.

In Summe großes Potenzial

Alleine durch Modifikationen an Grundmotor, Ladungswechsel, Verbrennung, Abgasnachbehandlung, Motormanagement und Thermomanagement erwarten Experten noch große Potenziale zur CO2-Reduzierung bei Otto- und Dieselmotoren. Allerdings hat die Sache einen kleinen Haken, denn die Optimierungsmaßnahmen, die große CO2-Einsparungen mit wenig Aufwand bewirken, sind zumeist schon umgesetzt. Für die Motorenentwickler bedeutet dies, unzählige kleine Optimierungen an vielen einzelnen Systemen und Bauteilen vorzunehmen, die zusammengenommen große Schritte bewirken. In Summe kann sich das CO2-Potenzial allerdings sehen lassen: "Beim Ottomotor sehe ich rund 20 Prozent und beim Dieselmotor eine Größenordnung von 15 bis 20 Prozent, die durch konventionelle Techniken zu heben sind", erklärt beispielsweise Professor Dr.-Ing. Stefan Pischinger, Direktor des Instituts für Thermodynamik der RWTH Aachen University und Leiter des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen. Im Folgenden sind einige Beispiele von Entwicklungen aufgeführt, die Diesel- und Ottomotoren künftig sauberer und sparsamer machen.

Motor-Downsizing

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Ein wesentlicher Treiber ist das Motor-Downsizing. Einerseits wird dabei der Hubraum verkleinert, um den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren, andererseits sorgt die Aufladung für eine Leistung auf dem Niveau hubraumgrößerer Motoren. Künftig wird der Downsizing-Grad weiter zunehmen, die Hubräume werden also noch kleiner. Auf der Aufladeseite führt das zu aufwendigen, mehrstufigen Turboladersystemen, wie es BMW mit dem dreistufig aufgeladenen Sechszylinder-Dieselmotor vormacht. Unter anderem Audi arbeitet als Alternative an elektrisch unterstützten Aufladungen, bei denen ein Elektromotor den Ladedruck in Beschleunigungsphasen kurzfristig anhebt, das berüchtigte "Turboloch" gehört damit wohl endgültig der Vergangenheit an.

Wie auch immer das Aufladesystem gestaltet wird: Die Zunahme der Ladedrücke führt zu einer höheren Belastung der Kolben. Bei Pkw-Dieselmotoren werden daher künftig vermehrt Kolben aus Stahl statt wie heute üblich aus Aluminium Einzug halten. Durch neue Konstruktionsansätze sind diese genauso schwer wie die aktuellen Kolben aus Aluminium. Allerdings ist der Wechsel von Aluminium auf Stahl an sich kein Allheilmittel. Vielmehr muss die gesamte Motorkonstruktion auf die spezifischen Vorteile der Stahlkolben ausgelegt werden, damit sie gehoben werden können.

Reibungsreduktion

In den vergangenen Jahren wieder stärker ins Interesse der Entwickler gerückt ist die Reibungsreduktion der bewegten Bauteile im Motor. Durch weniger Reibung nimmt die Verlustleistung ab und in der Folge sinkt der Kraftstoffverbrauch. Hier ist das Kolbensystem - also Kolben, Kolbenringe und Zylinderlaufbahn - im Fokus, da es mit rund 50 Prozent den Hauptteil der Gesamtreibung des Motors verursacht. Innovative Beschichtungen verringern Reibung und Verschleiß, beispielsweise verspricht Federal-Mogul eine CO2-Reduzierung bis zu 3 g/km durch die neue "DuroGlide"-Kolbenringbeschichtung.

Konstruktionsseitig versuchen die Motorenentwickler unter anderem die Spannung, mit der die Kolbenringe gegen die Zylinderlaufbahn drücken, so klein wie möglich auszulegen. Dabei bewegen sie sich auf einem schmalen Grad, denn bei zu geringer Kolbenringspannung kann Öl am Kolben vorbei in den Brennraum gelangen und dort die Verbrennung negativ beeinflussen. Umgekehrt können Blow-by-Gase aus dem Brennraum das Öl schneller altern lassen. Ein weiterer Weg zur Reduzierung der Reibung führt über möglichst kleine und schmale Kurbelwellenlagerungen.

Lesen Sie mehr zu Verbrennungsmotoren-Entwicklung auf Seite 2.

Variabler Ventiltrieb

Im Ventiltrieb sind bei Ottomotoren heute schon variable Systeme, mit denen sich der Ladungswechsel kennfeldabhängig anpassen lässt, weit verbreitet. Doch auch in Dieselmotoren werden künftig variable Ventiltriebe in der Breite der Anwendungen eingesetzt.

Einer der ersten Vertreter ist der 1,6-l-Dieselmotor von Volkswagen aus dem modularen Querbaukasten, bei dem sich die Steuerzeiten der Einlassnockenwelle verändern lassen. Der Vorteil: Durch die Verstellung wird die Verdichtung angepasst und eine Luftbewegung im Brennraum erzeugt, die die Durchmischung von Luft und Kraftstoff fördert und so die Verbrennung optimiert.

Einspritzung

Aufseiten der Einspritzung führen beim Dieselmotor sehr genau arbeitende Magnet- oder Piezoinjektoren und hohe Einspritzdrücke von aktuell bis 2500 bar zu feiner Kraftstoffzerstäubung und guter Verbrennung. Den Einspritzdruck werden die Hersteller bei sehr schweren und leistungsstarken Dieselfahrzeugen voraussichtlich ab 2017 auf 2700 und nach 2020 auf 3000 bar steigern.

Als Faustformel gilt in Fachkreisen, dass 500 bar mehr Einspritzdruck zu 2 bis 5 Prozent mehr Leistung, ein bis zwei Prozent weniger CO2-Ausstoß oder fünf Prozent weniger NOx-Emissionen bewirken.

Schichtladung

Während die meisten Hersteller die Direkteinspritzung beim Ottomotor für Brennverfahren mit homogener Gemischbildung einsetzen, die auf einer Gleichverteilung von Luft und Kraftstoff im gesamten Brennraum basieren, setzt Mercedes-Benz auf das Magerbrennverfahren mit Schichtladung.


Dabei wird nur an der Zündkerze ein zündfähiges Gemisch erzeugt. Mit steigender Entfernung von der Kerze im Brennraum nimmt die Kraftstoffkonzentration ab. Das erlaubt eine sehr magere Kraftstoffverbrennung und damit einen geringen Kraftstoffverbrauch.

Thermomanagement

Mithilfe von Thermomanagementmaßnahmen optimieren die Automobilhersteller den Wärmeenergiehaushalt des Antriebssystems. Dabei geht es insbesondere darum, den Motor und das Abgasnachbehandlungssystem auch bei winterlichen Temperaturen schnell auf Betriebstemperatur zu bringen und die Wärme des Motors effizient einzusetzen. Das spart Energie und bisweilen auch Kosten, beispielsweise wenn ein Katalysator einfacher ausgeführt werden kann, weil er durch optimierte Temperierung effektiver arbeitet. Der nächste Schritt führt über eine noch bessere Vernetzung der einzelnen Systeme des Antriebs untereinander und mit den GPS-Daten aus dem Navigationssystem. Die Zukunftsvision der Forscher ist der sogenannte Connected Powertrain, der mit anderen Fahrzeugen und der Infrastruktur kommuniziert, um die Systeme des Antriebs exakt auf die Topografie der Fahrtstrecke und auf die Verkehrssituation abzustimmen. Beispielsweise könnte so die anstehende Regeneration des Partikelfilters energetisch sinnvoll vom Stop-and-Go-Betrieb in der Stadt auf eine Autobahnfahrt verlagert werden.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Entwickler immer mehr den technischen Grenzen nähern, sei es auf konstruktiver Ebene, bei den Werkstoffeigenschaften sowie der Regel- und Steuerbarkeit der Systeme oder in der Fertigung. Daraus folgen neue Aufgabenstellungen im gesamten Entwicklungsprozess, bis hin zu komplett neuen Zusammenarbeitsmodellen, beispielsweise bei der Vertaktung von Simulation und Test der Bauteile und Systeme.

Alle diese Entwicklungen machen eine Elektrifizierung des Antriebs übrigens nicht überflüssig. Spätestens mit der nächsten in Brüssel angedachten Stufe von 68 bis 78 g CO2/km im Jahr 2025 kommt eigentlich kein Automobilhersteller mehr am elektrifizierten Antrieb vorbei: Diese Grenzwerte schaffen Fahrzeuge der vielzitierten Golf-Klasse oder größer nach aktuellem Stand der Technik nur mit einer Kombination aus Elektro- und hocheffizientem Verbrennungsmotor als Plug-in-Hybridantrieb.

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