Greenwashing-Ermittlungen gegen die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS haben Kritiker auf den Plan gerufen, denen die aktuellen Offenlegungspflichten nicht reichen. Es fehlen nicht nur Standards für das schnell wachsende Segment, sondern auch die nötigen Daten.
Der Run auf ESG-Investments und der große Informationsbedarf der Anleger setzen Banken und Asset Manager immer mehr unter Druck.
Olivier Le Moal/Panthermedia
Mit dem Aktionsplan 'Financing Sustainable Growth' hat die Kommission der Europäischen Union (EU) einen umfassenden Rahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit im Finanzsektor geschaffen. Während die Taxonomie-Verordnung insbesondere ein Klassifzierungssystem für nachhaltige Produkte schafft und die Benchmark-Verordnung die Mindestanforderungen an Klimawandel-Referenzwerte regelt, stellt die Offenlegungs-Verordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) konkrete Transparenzanforderungen auf. Diese umfassen sowohl die Offenlegung auf Unternehmensebene als auch in spezifischen Produktinformationen für die Kunden", schreiben Christian Schiele und Matthias Petras im Bankmagazin-Beitrag "Die Anforderungen an Nachhaltigkeit umsetzen" (Ausgabe 7-8 | 2021).
Das sprunghaft angestiegene Interesse von Anlegern an ESG-Investments (Environment, Social, Governance) macht den genauen Blick auf diese Form der Geldanlage notwendig. So prognostizierte der Luxemburger Ableger des Beratungshauses Pricewaterhouse Coopers (Pwc) in einer Studie 2020, dass das europäische ESG-Vermögen bis 2025 zwischen 5,5 Billionen und 7,6 Billionen Euro liegen wird. Das wären zwischen 41 und 57 Prozent des gesamten Fondsvermögens in Europa. Ende 2019 waren es noch 15,1 Prozent.
Verdacht des Greenwashings bei der DWS
Dass aber Banken und Asset Manager mit den gesetzlichen Anforderungen und dem steigenden Informationsbedürfnis von Investoren mitunter überfordert sind, zeigen aktuelle Nachrichten aus der Fondsbranche: Neben der deutschen Finanzaufsicht Bafin, werfen auch US-Behörden der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS vor, ihre Investmentprodukte grüner dargestellt zu haben, als sie es tatsächlich sind. Die DWS habe laut eines Berichts der Wirtschaftszeitung "Wall Street Journal" die Nachhaltigkeitskriterien zu hoch angesetzt. Die Nachricht hatte in der vergangenen Woche einen Kurseinbruch von knapp 14 Prozent verursacht. Aktuell (31. August 2021) liegt das Minus der DWS-Aktie bei rund 13 Prozent.
Das "Wall Street Journal" hatte berichtet, dass die Untersuchungen durch die US-Staatsanwaltschaft und die Börsenaufsicht SEC erst am Anfang stehen. Im Vorfeld der Ermittlungen war Desiree Fixler, Ex-Nachhaltigkeitschefin der DWS, nach gerade einmal sechs Monaten Amtszeit im Frühjahr 2021 aus dem Amt geschieden. Fixler hatte sich offenbar im Unfrieden von ihrem ehemaligen Arbeitgeber getrennt. Im August bewertete sie die Angaben zu den Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens als "übertrieben". Medienberichten zufolge sollen die Vorwürfe eines mangelnden Nachhaltigkeitsanspruchs zu Fixlers Entlassung geführt haben.
Engagement als "moralisches Feigenblatt"
Wie es zu diesem Greenwashing kommt, erläutert Kevin Schaefers im Buchkapitel "Über ökonomistisches, konventionelles und supererogatorisches Engagement. Eine investmentethische Betrachtung" (Seite 69):
Wo Engagement nicht als eigenständige Anlagestrategie, sondern bloß als Overlay über eine konventionelle Investmentstrategie betrieben wird, besteht bei ökonomistischen Investoren jedoch die Gefahr des Greenwashing, das heißt der Schönfärberei. Engagement dient dann gerne als moralisches Feigenblatt, wenn in rentable, aber moralisch anstößige oder moralwidrige Branchen, Produkte oder Dienstleistungen (legal) investiert werden soll. Mit Hinweis auf die Engagement-Aktivitäten lässt sich gegenüber Dritten dann immer behaupten, man tue dies nur in der redlichen Absicht, diese Unternehmen hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise transformieren zu wollen."
Auch DWS-Chef Asoka Woehrmann hatte noch vor einigen Wochen betont, wie wichtig ihm die Nachhaltigkeitsstrategie seines Unternehmens sei. "Das Thema nachhaltige Geldanlage können wir gar nicht überbewerten. In diesem Bereich erleben wir gerade einen gesellschaftlichen Ruck, der seinesgleichen sucht", sagte er auf der Hauptversammlung des Fondsanbieters Anfang Juni in Frakfurt.
Doch in einem Interview mit dem TV-Sender "ntv" behauptete seine ehemalige Nachhaltigkeitsexpertin, dass die Fondsgesellschaft hauptsächlich in die Papiere von Microsoft und Apple investiere. Beide sind keine ausgewiesenen ESG-Anlageziele. Fixler monierte in diesem Zusammenhang noch immer fehlende Standards. Viele Unternehmen versuchten den Investoren das zu sagen, was diese hören wollen, so ihr Fazit.
Investoren wollen Rendite mit moralischer Legitimität
Laut Springer-Autor Schaefers sind vor allem konventionelle Investoren an entsprechenden Anlagen interessiert. Diese seien idealtypische Kapitalanleger, die primär aus dem Eigeninteresse investieren, finanzielle Ziele zu erreichen. Was sie aber von rein ökonomistischen Investoren unterscheidet, sei die Absicht, dies moralkonform zu tun. Konventionelle Investoren unterstellen laut Schaefer ihr Renditestreben der Bedingung moralischer Legitimität.
"Sie sind bereit, einen finanziellen Nachteil hinzunehmen, um moralische Mindeststandards einzuhalten. Diese können auch über die Einhaltung von gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Sie wollen beispielsweise nicht in Unternehmen investieren, die Kinder als Arbeitskräfte einsetzen (auch wenn es legal wäre und Kosten sparen würde)", so der Springer-Autor (Seite 70).
Offenlegungspflichten begründen hohen Datenbedarf
Ob Regeln wie die SFDR tatsächlich die Informationen zur Nachhaltigkeit von Finanzprodukten verbessern, sind sich die Bankmagazin-Autoren Schiele und Petras nicht sicher: "Ob die neuen Offenlegungsanforderungen tatsächlich zu einer efektiven Förderung der Nachhaltigkeit führen, hängt von der Validität und der Objektivität der Informationen ab. Auch besteht das Risiko von Greenwashing, wenn durch extensive Offenlegung nur der Eindruck von Nachhaltigkeit erzeugt wird", heißt es in ihrem Fazit.
Aufgrund der Anforderungen durch die Regulatory Technical Standards (RTS) ab Januar 2022 entstehe laut der Autoren ein hoher Datenbedarf bei den Finanzinstituten im Hinblick auf die Asset-Allokation oder die relative Performance. Als besondere Herausforderung heben Schiele und Petras die Anforderungen an die Angaben zu nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen hervor.