Mit einem umfassenden Datenmanagement erreicht die Finanzbranche ihre ESG-Ziele leichter und schneller. Hierzu benötigen die Institute hochwertige externe Informationen, aber auch eine siloübergreifende Datenintegration innerhalb der Unternehmen. Beides fordert die Banken 2023 und darüber hinaus.
Eine gemeinsame Studie des britischen Institut Economist Impact und des Bank-IT-Lösungsanbieter SAS hat ergeben, dass der Themenkomplex Environment, Social und Governance (ESG) neben der Daten- und Cyber-Sicherheit und steigenden Kundenanforderungen immer relevanter für Banken wird: Fast zwei Drittel (64 Prozent) der rund 500 für den "Banking in 2035: Global Banking Survey Report" befragten Bankentscheider gaben an, dass die Finanzunternehmen anderen Branchen hinterherhinken, wenn es um das Erreichen entsprechender Nachhaltigkeitsziele geht.
Externe ESG-Daten genau prüfen
Dabei kommt es vor allem auf den Austausch von Informationen an, meint KPMG-Partner Christoph Betz in der Zeitschrift "Bankmagazin" (Ausgabe 10 | 2022): "ESG-Daten sind für die Zukunft von Kreditinstituten von fundamentaler Bedeutung: Sie bilden die Basis für Geschäftsentscheidungen und das eigene Reporting. Außerdem werden sie benötigt, um ESG-Risiken im eigenen Portfolio zu beurteilen, denn auch die Finanzwirtschaft muss sich gegen Klimarisiken wappnen."
Allerdings sollte die Branche beim Zukauf der Daten einiges beachten, erläutert der Sustainable-Finance-Experte. "ESG-Daten sind nicht gleich ESG-Daten, und die Anbieterlandschaft ist enorm." Laut der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) gebe es derzeit 59 Rating-Anbieter auf dem europäischen Markt. Deshalb müssen die Geldhäuser vor dem Zukauf klar definieren, welche Informationen sie konkret benötigen, und klären, ob die einzelnen Anbieter ihren konkreten Bedarf abdecken. Außerdem komme es auf die Konsistenz der jeweiligen Daten an. "Denn die Anbieter verwenden unterschiedliche Methodiken und Quellen bei der Datenerhebung, so dass selbst Rohdaten nicht immer identisch sind."
European Data Warehouse als Datenbasis nutzen
Zu einer zentralen Säule könnten die Daten des European Data Warehouse (EDW) werden. Dieses wurde 2012 in Frankfurt im Rahmen der Asset-Backed-Securities-Kreditinitiative der Europäischen Zentralbank (EZB) aus der Taufe gehoben. Der Datenbestand umfasst laut Edeltraud Leibrock, Group Vice President Financial Services beim Beratungshaus Publicis Sapient, und EDW-Chef Christian Thun "einen Datenschatz mit Milliarden von Einzelinformationen". Ziel der Initiative ist es, allen Marktteilnehmern den Zugang zu standardisierten, zeitnahen Informationen zu ABS-Transaktionen sowie privaten Kreditportfolios und deren Wertentwicklung zu ermöglichen, schreiben die beiden Experten in ihrem Bankmagazin-Beitrag "Den Datenschatz heben" (Ausgabe 11 | 2022).
Im EDW werden den Autoren zufolge alle Transaktionen auf Einzelkreditebene sowie die relevante Dokumentation erfasst und auf ihre Qualität hin überprüft. Doch derzeit nutzten vorwiegend US-amerikanische und angelsächsische Marktteilnehmer diese öffentlich zugänglichen Datensätze und Reportings. "Die Unternehmen validieren und kalibrieren damit ihre Risikomodelle oder generieren neue Geschäftsmodelle", so die Autoren. "Europäische Banken sind deutlich zurückhaltender", betonen Leibrock und Thun.
Dabei ließen sich mit den Daten als Grundlage ESG-Risiken besser einordnen, bewerten und entsprechend mit Eigenkapital unterlegen sowie die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung und der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) unterstützten. Die EDW-Daten bildeten "die ganze Breite der europäischen Banken ab". Daraus lassen sich Leibrock und Thun zufolge Indikatoren und Musterportfolios ableiten, die den Banken bei der Bewertung ihrer eigenen Risiken helfen.
Siloübergreifende Datenintegration ist essenziell
Abseits der Nutzung externer Daten sieht Leibrock in der "siloübergreifenden Datenintegration" eines der "größten und wichtigsten Handlungsfelder der nächsten Jahre" für die Branche. Wie die Expertin in einem Interview mit Springer Professional betont, "ist die Datenintegration nicht nur für die Umsetzung von ESG essenziell, sondern auch für alle anderen Bereiche der Digitalisierungsagenden, insbesondere für den Einsatz intelligenter Technologien."