Ab dem Jahr 2025 müssen Unternehmen ESRS-konforme Nachhaltigkeitsberichte vorlegen. Eine Auswertung des Global ESG Monitor zeigt: Der Weg für die meisten Dax-, M-Dax- und S-Dax-Unternehmen ist noch weit.
Viele Unternehmen haben sich noch nicht ausreichend auf die neuen europäischen Anforderungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) eingestellt. Das zeigt die vierte Auflage des Global ESG Monitors (GEM). Der durchschnittliche ESRS-Compliance-Score der analysierten Berichte von insgesamt 194 Unternehmen aus dem Dax, dem M-Dax, S-Dax sowie einer internationalen Stichprobe liegt bei 41 Prozent. Allerdings streut die Qualität der Berichte stark. So erreicht der Top-Scorer 73 Prozent, während der Klassenletzte auf nur zehn Prozent kommt.
Die Unternehmen mit den bestbewerteten Nachhaltigkeitsberichten – die Top-Scorer – zeichnet die Denkfabrik GEM am 12. September 2024 im Rahmen der Impact Challenger Days mit dem Integrity Star aus und macht sie so als Best Practice-Beispiele öffentlich sichtbar.
Top Scorer 2024 | |||
Dax | S-Dax | M-Dax | GEM Selected |
Porsche | Adtran | Aroundtown | EDF |
Deutsche Telekom | BayWa | Aurubis | Powszechny Zaklad Ubezpieczen |
Siemens | DWS Group | Hugo Boss | Uni Credit |
Für die Bewertung verzichtet die Denkfabrik GEM bewusst auf eine Jury. Stattdessen wertet ein Analystenteam die Berichte anhand einer festgelegten Methodik aus, die auf den Standards der Global Reporting Initiative (GRI), den Vorgaben von ESRS und den International Financial Reporting Standards (IFRS) beruht. Jedes Unternehmen wurde dreifach anhand von bis zu 5.000 Variablen bewertet.
Berichte aus allen Sektoren weisen Lücken auf
Tendenziell besser schneiden die Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden sowie aus kapitalintensiven, stark regulierten oder technologieorientierten Branchen ab. Dazu gehören etwa die Sektoren Bergbau und Mineralienverarbeitung sowie das Verkehrswesen, während Dienstleister oder Hersteller von erneuerbaren Rohstoffen unter dem Durchschnitt liegen.
Dennoch kommen die Studienautoren zu dem Schluss, dass der Weg hin zum ESRS-konformen Nachhaltigkeitsbericht im aktuellen Berichtsjahr noch ein weiter ist – und zwar für alle Unternehmen, unabhängig von Geschäftsmodell, Index-, Sektor- und Branchenzugehörigkeit oder Größe. Die Autoren stützen ihre Aussage dabei auf eine Reihe von Lücken, die sie in den Berichten ausgemacht haben, und die sich nicht ohne Weiteres innerhalb eines Jahres schließen lassen.
Autoren sehen erheblichen Nachholbedarf
Dazu gehört, dass zwar 60 Prozent der Unternehmen über die sogenannte Auswirkungswesentlichkeit berichten, aber bislang nur 30 Prozent über die finanzielle Wesentlichkeit. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse, die sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Risiken sowie Chancen umfasst, ist eine grundlegende Anforderung des ESRS. Nur knapp über die Hälfte der Unternehmen hat überhaupt eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse vorgenommen.
Welche Themen die Unternehmen in ihre Wesentlichkeitsanalyse einbeziehen, bleibt ihnen, mit Ausnahme des Themas Klimaschutz, selbst überlassen. Das führt dazu, dass Unternehmen Themen wie Umweltverschmutzung oder Biodiversität wenig priorisieren, obwohl es für viele potenziell relevant wäre. So bleibt den Autoren zufolge beispielsweise die Frage offen, warum ein Unternehmen aus einer als wasserintensiv bekannten Branche wie der Bekleidungsindustrie das Thema Wasser nicht als wesentlich erachtet.
Ziele und Maßnahmen werden ohne Kontext genannt
Die Autoren weisen zudem auf mangelnde Transparenz in der Einbindung von Stakeholdern hin. Oft sei nicht klar, wie repräsentativ die ausgewählten Stakeholder seien und ob sie sich frei von Repressalien äußern konnten. Ein weitere Kritikpunkt richtet sich auf die fehlende Kontextualisierung: Viele Unternehmen berichteten gern über ihre Ziele, Maßnahmen und Policies in Punkto Nachhaltigkeit, ohne sie jedoch in den strategischen, unternehmerischen oder gesellschaftlichen Kontext einzuordnen.
So bleibt der Eindruck, dass sich Unternehmen auf Themen konzentrieren, die ihren wirtschaftlichen Interessen dienen: Klimaschutz und Wirtschaftswachstum. Ziele wie „Keine Armut“ werden hingegen vernachlässigt.
Nächster Nachhaltigkeitsbericht als Improvisationsstufe?
Trotz allem erkennen die GEM-Analysten an, dass die Wirtschaft sich intensiv mit der neuen Regulatorik auseinandersetzt. Viele Unternehmen gelobten zudem, ihre Berichterstattung in der nächsten Periode zu verbessern. Die Studienautoren sind allerdings skeptisch, ob das gelingen kann. Zu zahlreich seien sowohl Vorgaben als auch Berichtsthemen, als dass sie sich innerhalb eines Jahres umfassend in den Reports wiederfinden könnten. Die nächste Berichtsperiode wird nach Einschätzung der Autoren wahrscheinlich Berichte hervorbringen, die eher als Improvisations- und Entwicklungsstufen zu verstehen sind.
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