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Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 2/2021

Open Access 01-04-2021 | Editorial

Offene Systeme, Dienste und Lösungen

Author: Matthias Knoll

Published in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Issue 2/2021

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Dieses Schwerpunktheft beginnt ein wenig anders als unsere Ausgaben zuvor. Wie Sie bereits dem Dezember-Heft entnehmen konnten, verstarb die Mitbegründerin dieser Zeitschrift und unsere langjährige Schriftleiterin, Frau Professorin Heilmann im Spätherbst letzten Jahres. Zu Beginn der aktuellen Ausgaben möchten wir daher in einem Nachruf ihr Lebenswerk und ihre Verdienste nicht nur um dieses Journal, sondern auch für die Wirtschaftsinformatik insgesamt würdigen.
Offenheit im Kontext der IT ist nicht unumstritten und bei detaillierter Betrachtung ein vielschichtiger Begriff. Sie darf nicht mit Kostenfreiheit verwechselt werden. Viele Dienste und Lösungen sind kostenfrei verfügbar, von Offenheit sind diese Angebote jedoch weit entfernt. Steht das Konstrukt der Offenheit unter Umständen gar einem bislang gültigen Paradigma des betriebswirtschaftlichen Strebens nach Wachstum und (finanziellem) Erfolg entgegen?
Zunächst vielleicht ausschließlich mit Open Source assoziiert reicht Offenheit weit darüber hinaus. Es stellt sich also die Frage, was soll in welchem Umfang offengelegt werden und vor allem wie und warum – Programmcode, Schnittstellenspezifikationen, Protokolle, Daten, Prozesse, Geschäftsideen?
Für Antworten auf diese Fragen sind neben notwendigen technischen insbesondere rechtliche Überlegungen erforderlich. Auch die innere Einstellung der an der Diskussion rund um Offenheit beteiligten „Stakeholder“ erscheint bedeutsam.
Während auf technischer Ebene Offenheit propagiert werden kann, indem für die Dienste- und Lösungsentwicklung bedeutsame Konzepte und Werkzeuge unter einer geeigneten Lizenzform als Open-Source veröffentlicht werden, muss auf betriebswirtschaftlicher und emotionaler Ebene zunächst meist umfangreiche Überzeugungsarbeit geleistet werden, denn nicht immer ist das Ziel einer Öffnung sofort erkennbar. Etwa wenn wichtige Anbieter scheinbar visionär und selbstlos Technologien und Tools großzügig frei zur Verfügung stellen. Tatsächlich haben diese Unternehmen, aber auch zahlreiche Anwenderorganisationen erkannt, dass Verdienstmöglichkeiten im Kontext der digitalen Transformation nicht im Werkzeug selbst, sondern in neuartigen Diensten und Lösungen liegen, die damit entwickelt werden oder sie nutzen. Vielleicht auch deshalb gewinnt Open Source Software in unterschiedlicher Form – von der Firmware bis zum Anwendungssystem – als Bestandteil von immer zahlreicheren Diensten und Lösungen wirtschaftlich stärker an Bedeutung.
Und was geschieht, wenn Daten und Prozesswissen im Sinne entsprechender Lizenzvereinbarungen frei sind? Einige, in der Digitalisierung proaktiv handelnde Organisationen haben erkannt, dass sich dadurch sowohl die Qualität als auch die Vielfalt und Passgenauigkeit darauf basierender Dienste und Lösungen verbessern lässt.
Sind solche Initiativen nun tatsächlich der ideale (oder notwendige) Weg zur Optimierung eigener Angebote, eine professionelle Form der Imagepflege, der Versuch einer rigorosen Marktbereinigung, betriebswirtschaftlicher Leichtsinn oder eine Kombination daraus? Wie wird mit objektiven Risiken und berechtigten individuellen Ängsten umgegangen?
Offenheit bedeutet, unabhängig vom „Was“ und „Wie“, immer auch Transparenz und damit Mut. Was transparent ist, ist angreifbar. Andererseits stärkt Transparenz, weil unabhängig überprüft werden kann, was geschieht (oder nicht geschieht) und Ideen zur Behebung von Unzulänglichkeiten gemeinsam diskutiert werden können, mit dem Ziel, den bestmöglichen Kompromiss zu finden und den größtmöglichen Nutzen zu erzielen.
Entsprechend sind mit Offenheit verbundene Diskussionen stets thematisch vielschichtig, mitunter sehr kontrovers und vielfach überaus leidenschaftlich.
Diese Ausgabe will daher mit ihren Beiträgen dabei unterstützen, die für die jeweilige Organisation „richtige“ Antwort auf diese und viele weitere Fragen zu finden und so eine klare eigene Positionierung im Themenkreis Offenheit zu ermöglichen. Hierzu ordnet der Einführungsbeitrag zunächst die Begriffe und gibt einen Überblick über die verschiedenen Facetten der Offenheit.
Danach widmet sich der zweite Beitrag der Frage der Offenheit im Rahmen des Identitätsmanagements als zentralem Dienst in der Digitalisierung und schlägt eine Lösung für das Problem der Interoperabilität vor. Denn je digital angereicherter unser Leben wird, desto mehr Konten, Zugänge und andere Merkmale, die eine Identitätsbestimmung benötigen, besitzen wir.
Der dritte Beitrag thematisiert in kompakter Form wesentliche rechtliche Fallstricke beim Einsatz von Open-Source- und freier Software und gibt wertvolle Hinweise für die Praxis. Sie verdeutlichen anschaulich, dass die Verwendung von Open-Source- und freier Software nicht ohne gute Vorbereitung und fortlaufende juristische Begleitung erfolgen sollte.
Hat man diese Fragen im Blick, kann eine Vielzahl von Open-Source-Lösungen die Entwicklung aktuell stark nachgefragter digitaler Produkte deutlich beschleunigen, wie der folgende Praxisbeitrag anhand zahlreicher Beispiele und konkreter Tipps aufzeigt.
Zwei weitere Beiträge an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis diskutieren die Frage, inwieweit sich die relativ neue Disziplin der erklärenden KI („explainable AI“, XAI) und Offenheit ergänzen oder gar bedingen und wie elegant und nutzenstiftend sich höchst komplexe Fragestellungen aus dem Qualitätsmanagement im Kontext der Herstellung von Solarmodulen mit freier Software lösen lassen. Ein Weg, der nicht nur, aber auch für junge, innovative Unternehmen zentral sein kann, fehlt hier mitunter das Budget für manche kommerzielle Lösung.
Eine andere, aber ebenso wichtige Form der Offenheit ist die Informationstransparenz. Gezeigt wird dies im siebten Schwerpunktbeitrag am Beispiel von frei zugänglichen – auch kritischen – Kundenrezensionen, die damit mehr bewirken als umfassende, jedoch wenig lebendige Darstellungen von Produkteigenschaften.
Dass Offenheit gerade im Umgang mit Daten und Informationen als dem neuen „Rohstoff“ der Digitalisierung zentral für die Zukunft sein könnte, dafür plädiert mit großem Engagement auf Basis umfangreicher Praxiserfahrungen der achte Schwerpunktbeitrag mit dem Fokus auf Open Data. Es wird deutlich: Eher selten sind technische Aspekte relevant. Vielmehr sind innere Einstellungen ein viel wichtigerer Erfolgsfaktor. Und diese innere Einstellung ist wiederum Folge (oder Auslöser?) einer Akzeptanz teilweise tiefgreifender Veränderungen im Kontext der digitalen Transformation, die es zu verstehen, anzunehmen und umzusetzen gilt.
Schließlich betrachtet ein Beitrag das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit beim Einsatz der Corona-Warn-App.
Den Schwerpunkt schließt ein Einwurf zum Thema „freie Smartphones“. Angesichts eines faktischen Duopols in diesem Markt ist ein Blick auf die Verfügbarkeit freier Betriebssysteme für Mobilgeräte auch in den vergangenen Jahren öfter interessant, aber eher ergebnisarm gewesen. Doch erstmals versprechen nun zwei Geräte Alltagstauglichkeit, eines davon sogar aus Deutschland. Das soll – wenngleich nur als persönliche Einschätzung – im Rahmen dieses Schwerpunktes nicht unbeachtet bleiben.
Die beiden Außerhalb-Beiträge widmen sich zwei wichtigen Wirtschaftsinformatik-Themen. Im Fokus stehen IoT-Security-Best-Practices und die Frage der IT-Integration in Zeiten der Digitalisierung.
Aktuelle Beispiele zeigen, wie schlecht es teilweise um die Sicherheit von IoT-Geräten bestellt ist. Hier besteht großer Handlungsbedarf, der anhand von Empfehlungen umsetzbar gemacht wird. Die von den Autoren im zweiten Beitrag formulierte Frage „IT-Integration in Zeiten von Digitalisierung – (K)ein alter Hut?“ ist durchaus berechtigt. Einerseits gibt es Bemühungen zur IT-Integration seit es IT gibt, andererseits besteht wissenschaftlicher Forschungsbedarf und der Bedarf nach einer gemeinsamen Sprache als Basis für IT-Integrationsprojekte.
Zwei Rezensionen runden die Ausgabe ab. Die Erste wirft einen Blick auf die juristische Literatur im Kontext von Open-Source. Die Beherrschung der Technik ist ein Aspekt, sie dann jedoch auch rechtlich einwandfrei einzusetzen, ein anderer. Die gesamte Komplexität dieses herausfordernden Themenfeldes verdeutlicht daher mit fast 400 Seiten das Standardwerk „Open Source Software“ von Till Jaeger und Axel Metzger.
Die zweite Rezension beleuchtet das nicht minder bedeutsame Thema „IT-Audit“, das Stefan Beißel in seinem gleichnamigen Werk diskutiert.
Mein herzlicher Dank gilt allen Autorinnen und Autoren, die auch unter den aktuell schwierigen Bedingungen ihr Wissen mit mir und Ihnen teilen und auf diesem Weg wertvolle Impulse für die Diskussion und Implementierung offener Systeme, Dienste und Lösungen geben.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre, aus der Sie viel Wissen mitnehmen können, und freue mich über Ihr Lob, aber auch über Ihre Fragen, Anregungen und Kritik.
Matthias Knoll
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadata
Title
Offene Systeme, Dienste und Lösungen
Author
Matthias Knoll
Publication date
01-04-2021
Publisher
Springer Fachmedien Wiesbaden
Published in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Issue 2/2021
Print ISSN: 1436-3011
Electronic ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-021-00715-1

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