Auch wenn bei jeder größeren internationalen Automesse neue Erdgasfahrzeuge präsentiert werden, will die Technik im Pkw-Segment nicht so richtig ihr Nischendasein überwinden. Anders sieht es bei Nutzfahrzeugen, vor allem bei Omnibussen aus. Dort gilt Erdgas derzeit als der einzige echte alternative Kraftstoff mit einem Ausblick auf flächendeckenden Einsatz. Erdgas, so eine Presseveröffentlichung von Iveco, sei "die effektivste Technik, die sofort Abhilfe bei der Luftverschmutzung in Ballungszentren und der Senkung der CO2-Emissionen schafft. Zudem weist Erdgas den niedrigsten Kohlenstoffgehalt aller existierenden Kraftstoffe auf und führt zu einer deutlichen Senkung der Feinstaub- und Stickoxidbelastung".
Derlei Lobeshymnen haben einen guten Grund: Im letzten Jahr haben Iveco und Iveco Bus nach Unternehmensangaben mehr als 900 erdgasbetriebene Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert. 2015 lag der Anteil an Niederflur-Linienbussen mit Erdgasantrieb von Iveco Bus in Europa damit bei 25 Prozent, was beispielsweise durch reduzierte CO2 -Emissionen eine deutlich geringere Umweltbelastung bedeute.
Ab 2020 stehen auch für Busse CO2-Grenzwerte im Raum
Damit kommt das Unternehmen Bestrebungen der EU-Kommission zuvor, im Kampf gegen den Klimawandel auch für Lkw, Stadt- und Fernbusse CO2-Grenzwerte einzuführen. Die Regulierung soll nach 2020 greifen. Bislang gibt es CO2-Obergrenzen in der EU lediglich für Pkw und Nutzfahrzeuge bis zu 3,5 t. Wie Christiane Brünglinghaus im Online -Artikel "EU plant CO2-Grenzwerte für Lkw und Busse" schreibt, fordert die EU-Kommission eine raschere Einführung emissionsarmer alternativer Energieträger im Verkehrssektor — wie zum Beispiel Biokraftstoffe — und den Übergang zu emissionsfreien Fahrzeugen. Darunter fallen auch die verstärkten Maßnahmen für Lkw, Stadtbusse und Fernbusse.
Was mit einer gezielten Umweltpolitik zu erreichen ist, kann man nach Ansicht von Michael Bargende, Andreas Jauss, Holger Winkelmann, Thorsten B. Bender und zahlreichen weiteren Co-Autoren in der schwedischen Stadt Malmö besichtigen. Im Kapitel "Fahrzeugentwicklung für Erdgas und erneuerbares Methan" des Fachbuchs "Erdgas und erneuerbares Methan für den Fahrzeugantrieb" berichten sie davon, dass in Malmö bereits 2014 alle öffentlichen Busse mit Erdgasantrieb, 65 Prozent sogar mit reinem Bio-Erdgas unterwegs waren. Ab 2020 soll der gesamte regionale Nahverkehr in Malmö und in der umgebenden Region Skåne zu 100 Prozent mit Bio-Erdgas bestritten werden.
Viele Neuanschaffungen setzen auf Gasantrieb
Von einem anderen Beispiel berichtet Detlef Krehl in seinem Beitrag "CNG und LNG chancenreicher Diesel-Ersatz" für die MTZ 7/2014. Aufgrund der aktuellen Luftreinhaltungsrichtlinien steht demnach für US School Districts, unter anderem in Los Angeles, bei der Entscheidung einer Neuanschaffung von Schulbussen der CNG-Antrieb an erster Stelle auf der Prioritätenliste. Sein Vorteil gegenüber einem Dieselmotor sei der um 27 Prozent geringere Anteil umweltschädlicher Emissionen.
Inwieweit es sich bei den Gasantrieben um eine Übergangslösung handeln wird, ist derzeit nicht absehbar. Für Ulrich Sieg von der Hamburger Hochbahn jedenfalls steht fest, dass die Antriebe von Bussen zumindest im städtischen ÖPNV zukünftig elektrisch sein werden. In seinem Beitrag "Elektrisch angetriebene Stadtbusse — Ausgangslage, Entwicklungsstand, Ausblick" für den Tagungsband zu den Hamburger Karosseriebautagen 2016 schränkt Sieg allerdings auch ein: "Welche Art von E-Bus-Systemen sich ab wann durchsetzen werden, ist und bleibt wohl noch einige Zeit offen." Dies sei der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung und Durchdringung der komplexen Systemausprägungen geschuldet.
Elektrische Stadtbusse in Lauerstellung
Schützenhilfe erhält Sieg von den ZF-Autoren Andreas Grossl, Wolfgang Krojer, Harald Wendl und Franz Bitzer: "Elektromobilität steht nicht etwa für einen kurzfristigen Hype, sondern hat sich — parallel zu kontinuierlichen Effizienzverbesserungen bei verbrennungsmotorischen und hybridisierten Antriebssträngen — zu einem bedeutsamen, anhaltenden Markttrend entwickelt", schreiben sie in ihrem Beitrag "Portalachse AVE 130 für elektrische Stadtbusse" für die ATZ 12/2015. Künftig plant ZF den Autoren zufolge, die eigenen Elektronikkompetenzen in noch größerem Umfang in das AVE-130-Portalachsensystem einzubringen. Primäre Ziele sind dabei Entwicklungserleichterungen für OEMs, weitergehende Zusatzfunktionen sowie eine abermals höhere Effizienz.