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24-01-2017 | Personalentwicklung | Schwerpunkt | Article

Führen in Teilzeit ist Glückssache

Author: Michaela Paefgen-Laß

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Familie und Beruf, das geht für die meisten Arbeitnehmer nur in Teilzeit. Doch gerecht sind aktuelle Arbeitszeitmodelle nicht, meint eine Arbeitsforscherin. Sie bremsen Karrieren aus.

Eines Vorweg: Teilzeitjobs werden in Deutschland überwiegend von Frauen besetzt. Es sind also vor allem Frauen, die bislang akzeptieren mussten, dass einmal Teilzeit immer Teilzeit bedeutet. Weil Arbeitnehmer, die von ihrem im  Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) verankerten Recht auf verkürzte Arbeitszeiten Gebrauch machen, oft genug gegen Mauern rennen, wenn sie zur Vollzeitstelle zurückkehren wollen, der Arbeitgeber sie aber nicht für ausreichend qualifiziert hält oder meint, keine entsprechende Stelle anbieten zu können. Ihm das Gegenteil nachzuweisen, ist bisher Sache des Arbeitnehmers gewesen. Das soll sich nun ändern. 

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Teilzeit als Chefsache – ein Kulturwandel

Das Signal für den Wandel muss in jedem Unternehmen von ganz oben kommen, Führungskräfte müssen für die Veränderungen sensibilisiert werden. Das geschieht am eindrucksvollsten, wenn sie es selbst erleben, wie ein Praxisbeispiel zeigt. 

Rückkehrrecht zum Vollzeitjob

Mit der Neuregelung des Gesetzes will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) die so genannte Beweislast auf den Arbeitgeber verlagern. Er ist es nun, der nachweisen muss, dass im Unternehmen tatsächlich keine Vollzeitjobs vorhanden sind und es keine besser qualifizierten Kandidaten für die Stelle gibt. Der Gesetzentwurf hat das Rückkehrrecht zum Vollzeitjob als Ziel. Unfreiwillig in Teilzeit soll niemand mehr verbleiben müssen. Arbeitnehmer, die mit Antritt der verkürzten Stelle sämtliche Hoffnungen auf Karriere zu den Akten gelegt hatten, dürften sich über die Gesetzeserweiterung besonders freuen. 

Gute Gründe zur Arbeitszeitverkürzung gibt es im Laufe eines Arbeitnehmerlebens viele. An erster Stelle rangiert die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Andere planen sich beruflich oder privat weiterzubilden, wollen ihr ehrenamtliches Engagement ausweiten, müssen Angehörige pflegen oder wollen allmählich in Ruhestand gehen. Von rund 36 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland, arbeiteten im Jahr 2015 etwa 10,3 Millionen in Teilzeit. Es sind vor allem Frauen, die im Job kürzer treten (80,8 Prozent), die es in Kauf nehmen, dass ihre Karriere sich am Beschäftigungsmodell aufhängt. Teilzeitarbeit ist nach wie vor nicht geschlechtergerecht. Und ist die Idee des Führens in Teilzeit bereits für Männer kaum realisierbar, scheint es für Frauen fast unmöglich als Teilzeitchefin auftreten zu können. Warum das so ist, zeigt eine Überblicksstudie der Hans-Böckler-Stiftung

Glückssache und Goodwill

In "Flexible Arbeitszeiten - Eine Gerechtigkeitsfrage" vergleicht Arbeitszeitforscherin Yvonne Lott die Ergebnisse aktueller Erhebungen der Hans-Böckler-Stiftung und anderer Forscher zum Thema Arbeitszeitgestaltung. Nur elf Prozent aller Jobs im Management sind in Deutschland mit Teilzeitkräften besetzt, bei herausgehobenen Führungsjobs sind es sogar nur rund sechs Prozent. Für Frauen, die ohnehin seltener in Jobs mit Führungsaufgaben arbeiten, kann die Teilzeitarbeit zur regelrechten Karrierefalle werden. Es wird ihnen weniger Gelegenheit zu Fortbildung geboten, weniger Chancen, sich an wichtigen Unternehmensprojekten beteiligen zu dürfen. Außerdem: Wer seinen Führungsjob in Teilzeit behalten will, ist vor allem vom Goodwill der Vorgesetzten abhängig, sagt Lott. Teilzeit widerspricht dem Bild der Führungskraft. Die Verfügbarkeitserwartung in den oberen Hierarchieebenen macht die Inanspruchnahme von Elternzeit zur Glückssache. Je höher der innerbetriebliche Status, desto weniger wird in Teilzeit gearbeitet, so die Arbeitsforscherin. 

  • Obere Hierarchieebene: Hohe Verfügbarkeitserwartungen. Teilzeit oder längere Elternzeit ist für beide Geschlechter vom Vorgesetzten abhängig und wird selten realisiert.
  • Mittlere Hierarchieebene: Weniger hohe Verfügbarkeitserwartungen. Teilzeit oder Elternzeit ist stark an die traditionelle Geschlechterbilder "Ernährer" und "Mutter" geknüpft.
  • Untere Hierarchieebene: Keine Wahlmöglichkeiten für Frauen wie Männer. Jobs werden entweder in Vollzeit oder Teilzeit angeboten. 

Nachhaltige Unternehmen lassen in Teilzeit führen

Ein Personalmanagement, das es nicht schafft den Blick vom traditionellen Bild einer allzeit in Verantwortung stehenden Führungskraft zu lösen, negiert das Recht des Menschen auf den Posten "Chef" und "Chefin" auf Wohlergehen und riskiert dessen Verschleiß. Teilzeitführungsmodelle werden für Unternehmen als Teil einer nachhaltigen Personalpolitik zunehmend strategisch relevant. Unternehmen, die ihre Führungskräfte in Teilzeitarbeiten lassen, profitieren von höherer Zufriedenheit, Motivation, Kreativität und Innovation, wie Springer-Autorin Anja Karlshaus in Führung in "Teilzeit: Herausforderung und Chance für eine nachhaltige Personalpolitik" schreibt. "Häufig sind Teilzeitführungskräfte bereit, auch eine Arbeitsverdichtung zu akzeptieren und zeigen eine konzentriertere und fokussiertere Leistung als ihre Vollzeitkollegen" (Seite 78). Weniger Burnout-Erkranungen und damit geringere Kosten für gesundheitliche Ausfälle sowie Bindung von Know-how an das Unternehmen, weil die Fluktuation abnimmt. Das sind weitere Vorteile, die entstehen, wenn sich Unternehmen dazu entschließen ihrer Führungsraft ein Teilzeitarbeitsmodell anzubieten. Außerdem werden Nachwuchskräfte und Mitarbeiter intrinsisch motiviert, weil die Führungskraft Aufgaben und Verantwortung zwangsläufig abgeben und delegieren muss. 

Warum das Recht auf Rückkehr wichtig ist

Mit Blick auf die direkten und indirekten Vorteile, resümiert Karlshaus, kann Teilzeitführung also nicht pauschal als zu teuer oder zu kompliziert vom Tisch gewischt werden (Seite 79). Wenn sich die obere Managementebene aber in Richtung Teilzeit bewegen soll und das Unternehmen davon profitieren will, darf im Mitarbeiter die Befürchtung in einer Straße ohne Wiederkehr gelandet zu sein, gar nicht erst aufkeimen. Das gesetzlich verankerte Recht auf Rückkehr zum Vollzeitjob, könnte es nun auch Führungskräften beiderlei Geschlechts erleichtern, sich ohne Furcht vor negativen Konsequenzen für die Karriere, für das zur jeweiligen Lebensphase passende Arbeitszeitmodell zu entscheiden. 

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