Personalabteilungen werden durch zu viele Aufgaben und Anforderungen regelrecht lahm gelegt. Springer Professional sprach mit HR-Experte Georg Larch über mögliche Lösungswege, um das HRM wieder schlagkräftig zu machen.
springerprofessional.de: Das Human Resources Management (HRM) ist zu einer Schlüsselfunktion in Unternehmen geworden. Können Sie kurz skizzieren, was aktuell die wesentlichsten Erwartungen an Personalabteilungen in Unternehmen sind?
Georg Larch: Es gibt zu viele Aspekte, die gleichzeitig gemanagt werden müssen, etwa Talent Management, Diversity, Compliance, Digitalisierung der Prozesse oder agiles Arbeiten. Je nach Unternehmenssituation müssen daher Prioritäten gesetzt werden. Einzig Top-Mitarbeitenden zu finden und zu halten, ist angesichts eines harten Wettbewerbs in allen Organisationen ein sehr wichtiges Thema. Wenn Unternehmen nicht mehr ohne weiteres geeignete Mitarbeitende finden, hat dies im schlimmsten Fall auch Auswirkungen auf die Liefer- und Funktionsfähigkeit. Die Folgen wären dramatisch.
Personalabteilungen tun gut daran, die Verantwortung dafür nicht alleine zu übernehmen. Retention Management ist auch eine Aufgabe des Top Managements. HR muss aber zumindest die richtigen Fragen stellen, intern die richtigen Prioritäten setzen und alle Kräfte bündeln. Dazu gehört, abteilungsübergreifend die richtigen Programme zu lancieren, um als Unternehmen genügend Strahlkraft als Arbeitgebermarke zu entwickeln.
Das Recruiting umfasst längst mehr als Stellenanzeigen zu schalten und reicht von Active Sourcing bis hin zu strategischem Employer Branding, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Ist das Know-how dafür in Personalabteilungen überhaupt vorhanden?
Recruiting ist nur eine von vielen Aufgaben. Leider wird das Thema aufgrund des starken Wettbewerbs komplexer und führt zu steigenden und sich ständig ändernden Anforderungen. Unserer Erfahrung nach ist daher das Know-how in den Personalabteilungen oft nicht ausreichend. HR-Manager müssen heute auch Social Media, Media Buying oder Active Selling beherrschen, um Top-Personal zu finden, zu überzeugen und zu binden. So hat etwa das Social Media Recruiting deutlich an Bedeutung gewonnen und allein die Bewertung externer Angebote in diesem Bereich erfordert enorme Kompetenz.
Welche Alternativen haben Unternehmen, um das Fachkräfteproblem zu lösen?
Unternehmen können und sollten in interne Entwicklung investieren. Unterschiedliche Aufgaben wie Arbeitsrecht oder Recruiting erfordern unterschiedliche Persönlichkeitstypen. Wenn wir von notwendigem Know-how sprechen, sollten wir meines Erachtens in Richtung Management denken. Die wenigsten Personalleiter können in der Tiefe mit Experten der jeweiligen Bereiche mithalten. Das ist auch ganz natürlich, müssen sie doch eine Vielzahl von Disziplinen abdecken. Trotzdem müssen sie zumindest verstehen, welche Möglichkeiten der Markt bietet, und ob und wie ihr Unternehmen davon profitieren kann.
Erfahrene Spezialisten - intern und extern - erzielen in kürzerer Zeit bessere Ergebnisse. Dies kann dazu führen, dass Marketingabteilungen stärker in die Personalsuche über Social Media eingebunden werden. Oder es werden spezialisierte externe Dienstleister hinzugezogen. Die Rolle des HRM ist damit gut ausgefüllt, die Spezialisten bestmöglich zu koordinieren und zusammenzuführen und damit ein gutes Ergebnis für das Unternehmen zu erzielen.
HR-Manager sollen den Wandel begleiten, Mitarbeiter entwickeln, Business-Partner für das Management sein. Das sind in Summe oft schwer zu leistende Aufgaben. Welche Rolle spielen HR-Interim Manager in diesem Zusammenhang?
HR-Manager müssen sich als Business-Partner mit vielen und ständig wechselnden Themen beschäftigen. Ziel des HRM muss es sein, das Unternehmen bestmöglich zu unterstützen. Jeder Personalleiter hat dabei seine Stärken und Schwächen, sehr gute erkennen genau, wann und wo sie von externer Unterstützung profitieren. Nicht jeder Manager will und kann Personalabbauprogramme selbst steuern oder die Einführung neuer HR Systeme begleiten. Genau hier können Interim-HR-Manager einen Mehrwert bieten. Sie bringen nicht vorhandenes Wissen ein und füllen Lücken, qualifizieren Teams und kommen, um zu gehen.
Die Vielfalt der Kompetenzen am Interim Markt ist groß und spiegelt die Bedarfssituation im HRM wider. HR-Interim Management kommt oft zum Einsatz, wenn das HRM nicht auf der Höhe der Zeit ist oder Unternehmen in eine Krise geraten. Gerade in diesen Sondersituationen zählt Erfahrung und Unternehmen haben keine Zeit zu verlieren. Insgesamt sehen wir, dass Interim Management im HR-Bereich stark an Bedeutung gewonnen hat und zu einer der wichtigsten Funktionen im Interim Management geworden ist. Aus unserer Sicht wird das auf absehbare Zeit so bleiben.
Interim Manager eilt oft der Ruf voraus, das sie aufräumen und umstrukturieren sollen. Welchen Einfluss hat das auf die Qualität der Zusammenarbeit mit dem HR-Stammpersonal?
Es ist wichtig, dass von Anfang an Aufgaben und Ziele des Interimseinsatzes klar und proaktiv kommuniziert werden. So können Missverständnisse vermieden werden. Das A und O in der Zusammenarbeit eines Interim Managers mit dem permanenten Management ist aber auch die Flexibilität und Teamfähigkeit des Externen, um Vertrauen und Kooperation als Basis für gemeinsames Handeln zu schaffen.
Durch seine Neutralität - keine politische Agenda innerhalb der Firma - und die Fähigkeit, sich innerhalb weniger Tage an den Eckpunkten des Unternehmens zu orientieren und daraus konkrete Handlungsschritte abzuleiten, gelingt es einem Interim Manager in der Regel schnell, auf Augenhöhe kooperativ zu agieren. Aufgrund seiner Erfahrungen in ähnlichen Situationen verfügen externe Berater über das nötige Fingerspitzengefühl, um gemeinsam mit dem HR-Bereich wirksam zu werden und notwendige Restrukturierungsmaßnahmen sensibel zu kommunizieren und vorzubereiten.
HR-Aufgaben sind stark Trends unterworfen. Was kommt Ihrer Einschätzung als nächstes auf Personalabteilungen zu und wie können sich diese wappnen?
Recruiting wird ein Megatrend bleiben. Hier wird es weiter Innovationen und einen harten und zunehmend internationaleren Konkurrenzkampf um die besten Köpfe geben.
Durch die ESG-Direktive, die seit 2022 Schritt für Schritt von den Unternehmen umgesetzt werden muss, sind diese verpflichtet, messbare Angaben zu allen drei Bereichen - Environmental, Social, Governance - vorzulegen. Gerade beim Punkt "social" werden HR-Nachweise der aktiven Umsetzung zu Vielfalt und Gleichberechtigung zwingender. Dies umschließt den kompletten Recruiting-Prozess und in der Folge ebenfalls das Nachhalten bei Personalentwicklung, Karriereperspektiven bis hin zu flexiblen Arbeitsmodellen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Unterschied zu bisher muss die Nachhaltigkeit und Verankerung in die Geschäftsmodelle bei den Unternehmen mittels Kennzahlen nachgewiesen werden, kann also nicht nur auf dem Papier berichtet werden.
Im Kontext des Mega-Trends Digitalisierung werden Unternehmen darüber hinaus zunehmend gefordert sein, sich mit der gestiegenen Geschwindigkeit bei der Umsetzung ihrer Projekte vertraut zu machen. Stichwort KI-gestützte Prozesse.