Strategische Personalplanung sollte fest in Unternehmen installiert werden, so Expertin Jutta Rump. Im Interview erklärt die Springer-Autorin, warum diese ein wichtiges internes Steuerungsinstrument ist und welche Vorteile ein gezieltes HR-Management bietet.
Sie widmen sich in Ihrem Buch rund um strategische Personalplanung langfristigen Trends und aktuellen Entwicklungen. Was gibt es für aktuelle Entwicklungen?
Jutta Rump: Aktuell beherrscht natürlich die Corona-Pandemie das kurz- bis mittelfristige Agieren vieler Unternehmen sehr stark. Davon sind einige Branchen umfassender betroffen als andere. Allerdings muss man festhalten, dass viele Trends und Entwicklungen, die sich bereits vor der Krise abzeichneten, weiterhin Bestand haben. Für einige wirkte die Pandemie wie ein Brandbeschleuniger, andere wurden vorübergehend zurückgedrängt. Letztlich kommt es zu einer Vermischung der Effekte der Corona-Pandemie mit den bestehenden Trends im Sinne einer neuen Normalität.
Und was sind die langfristigen Trends?
Es sind vor allem die drei D – Digitalisierung, Demografie und Diversität – die man als Megatrends bezeichnen kann. Dabei bezieht sich Diversität nicht ausschließlich auf die klassischen Dimensionen Gender, Age und Kultur, sondern auch auf die Vielfalt in Bezug auf Lebensentwürfe, Erwerbsverläufe und die Art und Weise, wie wir arbeiten. Hinzu kommen ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Entwicklungen.
Nicht alle Unternehmen haben bereits eine umfassende Personalplanung? Was sollten sie bei der Einführung beachten?
Die langfristige Orientierung macht eine strategische Personalplanung durchaus anspruchsvoll. Insbesondere da, wo ein Blick in eine unsicher erscheinende Zukunft erforderlich ist, sind Führungskräfte gefordert. Denn kurzfristige Unternehmensziele müssen mit nachhaltiger und solider Planung kombiniert werden. Strategische Personalplanung darf auch nicht primär kostengetrieben sein, um kurzfristige wirtschaftliche Erfolge zu realisieren. Letztendlich ist eine strategische Personalplanung als internes Steuerungsinstrument im Sinne eines Cockpits zu verstehen. Und auch die Mitarbeitenden profitieren von einer strategischen Personalplanung. Diese sollte vor diesem Hintergrund als ein sich regelmäßig wiederholender Prozess im Unternehmen installiert werden. In festen Abständen, beispielsweise einmal im Jahr, sollten sich die verantwortlichen Personen zusammensetzen und die getätigten Eingaben prüfen.
Welche Rolle spielen Betriebsräte bei einer strategischen Personalplanung?
Eine frühzeitige Einbeziehung der Interessenvertretungen lohnt sich, denn Betriebs- und Personalräte verfügen in der Regel über umfangreiche Kenntnisse der Personalstruktur. Sie kennen die Wünsche und Sorgen der Beschäftigten. Betriebs- und Personalräte können die personal- und altersbezogenen Risiken einer Organisation gut einschätzen und damit den Personalplanungsprozess konstruktiv-kritisch begleiten. Ein gemeinsames Vorgehen und eventuelle Unterschiede in den Perspektiven von Unternehmensleitung und Interessenvertretung bieten Chancen für die Personalplanung. Ein Ziel ist es, die Vorstellungen des Arbeitgebers und die wirtschaftlichen und dienstlichen Anforderungen so gut wie möglich mit den Interessen der Beschäftigten zu verknüpfen.
Wenn Unternehmensleitung und Betriebsrat über Möglichkeiten, Chancen und Grenzen der Personalplanung diskutieren, kann die jeweilige Seite ihren Standpunkt einbringen und dafür sorgen, dass alle Fakten, Strategien und Entwicklungen beleuchtet werden. So können Themen wie Digitalisierung, Altersstrukturwandel, Kompetenzmanagement und Bildungsplanung in die Diskussion einfließen und entsprechende Zusammenhänge analysiert werden.
Wie verändert Corona die Personalpolitik von Unternehmen?
Die digitale Transformation wird durch die Corona-Krise beschleunigt und findet in größerem Ausmaß als bisher statt. So nutzen eine Reihe von Unternehmen die Krisenzeit sowie die damit verbundene Disruption als Treiber der Digitalisierung von Prozessen, Strukturen und Geschäftsmodellen. Damit einher geht auch eine ökonomische Transformation. Schließlich ist parallel zur digitalen und ökonomischen Transformation die ökologische Transformation zu beobachten. Nicht wenige Unternehmen überlegen, welche gewohnten Abläufe möglicherweise anders - auch digitaler - zu bewerkstelligen sind. Im Moment hat man allerdings den Eindruck, dass die ökologische Transformation eher im Hintergrund – quasi auf der Hinterbühne - stattfindet.
Wie gelingt diese Transformation trotz Krise?
Das Handeln von Unternehmen wird stark von drei limitierenden Faktoren beeinflusst: Krisenbedingt eingeschränkten finanziellen Mitteln, Zeit als knappem Gut in einer immer schnelllebigeren Umwelt und nicht zuletzt dem Fachkräftemangel. Vor der Corona-Krise war der Arbeitsmarkt durch einen Nachwuchs- und Fachkräftemangel gekennzeichnet. Der Arbeitsmarkt war zum großen Teil ein Arbeitnehmermarkt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Während der Corona-Krise haben sich bestimmte Segmente in Richtung Arbeitgebermarkt bewegt.
Wird nach der Corona-Krise eine Gegenentwicklung einsetzen?
Nach der Corona-Krise wird eine Polarisierung erwartet: Angesichts der Demografie sowie der Entwicklung zur Wissens- und Innovationsgesellschaft sowie der Transformations-Trilogie werden Fachkräfte mit bestimmten Kompetenzprofilen gesucht. Nachwuchs- und Fachkräftemangel werden zur Tagesordnung gehören. Demgegenüber sind mit der digitalen und ökonomischen Transformation Personalanpassungsprozesse verbunden. Bestimmte Tätigkeiten werden durch Algorithmen und Roboter substituiert oder simplifiziert. Die Neue Normalität wird also durch ein Spannungsfeld gekennzeichnet sein. In ein und demselben Betrieb werden in einigen Bereichen dringend Fachkräfte gesucht, während in anderen Bereichen harte Personalanpassungsprozesse notwendig sind.
Wie sieht es mit flexiblen Arbeitsmodellen aus?
Auch die Organisation befindet sich stark im Wandel. Dabei steht seit der Corona-Pandemie vor allem das Thema mobile Arbeit stark im Fokus, aber auch agiles und zeitflexibles Arbeiten bringt immense Implikationen für Zusammenarbeit und Führung mit sich. Nicht zuletzt steigt durch die Megatrends und die Corona-Krise die Bedeutung der Beschäftigungsfähigkeit beziehungsweise Employability. Diese ist eng verknüpft mit Empowerment, das wiederum eine Talent- und Stärkenorientierung voraussetzt. Nur dann sind Mitarbeitende willens und in der Lage, immer mitzudenken, über den Tellerrand hinauszuschauen, aktiv Veränderungen anzustoßen und sich lebenslang weiterzuentwickeln und lebenslang zu lernen.