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2020 | OriginalPaper | Chapter

2. Perspektivische Beschreibung und Eingrenzung des Objekt- und Erkenntnisbereichs

Author : Liane Rothenberger

Published in: Terrorismus als Kommunikation

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Kommunikation ist ein weites Feld. Terrorismus ist ein weites Feld. Sprachlich wie in den realen Akten auch. Jegliche Definition und Benennung von Ereignissen als „Terrorismus“ hat Konstruktionscharakter, ist eine bewusste Asymmetrie. Dies sollte stets im Bewusstsein bleiben, damit klar bleibt, dass die in dieser Arbeit aufgeführten Definitionskennzeichen nicht als objektive Merkmale, sondern als perspektivische Zuschreibungen daherkommen. Im Folgenden werden – unter der Prämisse der Konstruktion – Definitionen von „Terrorismus“ dargeboten und der Untersuchungsgegenstand wird abgegrenzt, indem Inklusions- sowie Exklusionskriterien festgelegt werden, die bestimmte Gewaltakte von „Terrorismus“ perspektivisch absondern oder ihm zurechnen.

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Footnotes
1
Nacos (2007, S. 8) beispielsweise nennt den Terrorismusbegriff oft nur noch „the t-word“. Auch Glück (2008) beschränkt sich aus Gründen der Wertbehaftetheit des Wortes „Terrorismus“ auf die Abkürzung „T“ und schreibt zum Beispiel „T-Akt“. Weinhauer und Requate (2006, S. 9) merken in einer Fußnote an: „Allen ‚neutralen‘ Definitionsversuchen zum Trotz zeigt der politische Sprachgebrauch unabweisbar, dass es sich dabei um eine politisch wertende Fremdzuschreibung handelt, die eine klare Delegitimierung der mit ‚Terroristen‘ bezeichneten Gewalttäter zum Ziel hat. Diese grundsätzliche Problematik der Begriffsverwendung sollte zumindest präsent sein. Aus Gründen der Lesbarkeit wird im weiteren Text auf die Anführungszeichen verzichtet, sie sollten aber prinzipiell ‚mitgedacht‘ werden“. Sicherlich wird hier ein richtiger Anstoß gegeben, allerdings könnten bei dieser Beschreibung für etliche negativ konnotierte Wörter Anführungszeichen mitgedacht werden. Bei einer möglichst eindeutigen Beschreibung, was in einer bestimmten Studie unter Terrorismus verstanden werden soll, sind sie deshalb nicht nötig.
 
2
Die Terrorismusforscher Nacos, Bloch-Elkon und Shapiro geben gleich im Vorwort ihre normative Grundlegung preis: „Our fundamental concern is the health of American democracy“ (Nacos et al. 2011, S. xi).
 
3
Von den Assassinen beziehungsweise dem Namen ihres Gründers abgeleitet sind das englische Wort für politischen Mord „assassination“ und der „politische Mörder“ im Französischen: „l’assassin“ (vgl. Heine 2004, S. 47).
 
4
Schmid und de Graaf führten eine Studie über den Zeitraum von 1968 bis 1979 durch und schickten Fragebögen an Journalisten (v. a. wurden die Bögen an Teilnehmer einer Konferenz des International Press Institute im November 1978 mit dem Titel „European Terrorism and the Media“, aber auch an andere, verteilt). Mehr als drei Viertel der befragten Journalisten gaben an, dass ihr Medium Gewalttaten von Staaten nicht mit dem Terminus „Terrorismus“ bezeichne. Nach Meinung der Autoren sagt die Studie mehr aus über das Verhältnis von Regierungen und Medien zum Thema Terrorismus als über die Beziehung Terroristen – Medien – Rezipienten, die sie eigentlich untersuchen wollten (vgl. Schmid und de Graaf 1982, S. 5).
 
5
Schmid und de Graaf bezeichnen sich nicht als „Terrorismus-“, sondern als „Friedensforscher“ (vgl. Schmid und de Graaf 1982, S. 3).
 
6
Wenn nicht anders angegeben, entsprechen Hervorhebungen wie Kursivierungen, Fettungen, Unterstreichungen oder Spationierungen in Zitaten immer dem Original. Sollte die Verfasserin an Hervorhebungen im Zitat etwas geändert oder eigene hinzugefügt haben, so wird dies angemerkt.
 
7
Natürlich kann es aber im Nachgang eines Anschlags zu einer Kriegserklärung kommen. Dabei wird beispielsweise das Label „War on Terror“ benutzt, um Gewalttaten gegen etwas Illegitimes (Terror) mit Legitimität (offizielle Kriegserklärung) zu versehen.
 
8
Unter „Ideologie“ werden Werte, Prinzipien, Ziele und Glauben verstanden, die eine bestimmte (politische) Identität ausmachen. Eine Ideologie hält eine Motivation, ein Handlungsgerüst bereit, das eine bestimmte Weltsicht und Lebensart eines Individuums impliziert (vgl. Martin 2006, S. 55), die meist keine alternative Perspektive, keine Abweichung von „ihrer Wahrheit“ duldet. Ideologie ist häufig resistent gegen Kritik.
 
9
Auch einige leitende Mitglieder der RAF flohen geraume Zeit ins Ausland und lenkten von dort die Aktivitäten der Gruppe. Weiterhin denke man nur an die gewaltige Diaspora der die LTTE unterstützenden Tamilen v. a. in Kanada, den USA und England.
 
10
Terrorismus als Kampfstrategie der kleinen, sonst machtlosen Gruppen stellt eine asymmetrische Konfliktkonstellation dar. Auch der Guerillakampf (Guerrilla (span.) = „kleiner Krieg“; die Wortwurzel ist la guerra = der Krieg) ist eine irreguläre Kampfstrategie, allerdings eine militärische; „hier geht es um Belästigung, allmähliche Einkreisung und letztlich die Vernichtung des Feindes. Dagegen stellt Terrorismus wie erwähnt eine Kommunikationsstrategie dar. Gewalt wird nicht wegen ihres Zerstörungseffektes, sondern als Signal verwendet, um eine psychologische Breitenwirkung zu erzielen. Um eine griffige Formel, die Franz Wördemann schon in den 1970er Jahren geprägt hat, wieder aufzunehmen: Der Guerillero will den Raum, der Terrorist dagegen das Denken besetzen“ (Waldmann 2005, S. 19). Guerillakrieg ist ein asymmetrischer Kampf von Soldaten, also einem offiziell staatlichen Militärapparat, gegen eine „Bürgerarmee“ (vgl. Schneider 2008, S. 187). Allerdings können beide Taktiken auch miteinander kombiniert auftreten. Auch Beermann (2004) und Daase (2001, S. 703–704) nehmen Abgrenzungen von Terrorismus gegenüber Krieg, Guerillakampf und gemeiner Kriminalität vor. Für eine Differenzierung von benachbarten Begriffen wie Extremismus, Kriminalität, Kriegsverbrechen und Genozid siehe auch Badr (2017, S. 40). Chaliand (1987, S. 14) vergleicht den oft auf Medien, besonders das Fernsehen, ausgerichteten Terrorismus mit einem Guerillakrieg: „When this type of propaganda terrorism is used by political movements of some size, it becomes a substitute for guerrilla warfare (the Irish Republican Army (IRA), the Palestinians). Both guerrilla warfare and terrorism are the weapon of the weak against the strong. As techniques, they are neither of the Right nor of the Left“.
 
11
Harmon (2008, S. 7) konstatiert ebenso: „Terrorism is always political, even when it also evinces other motives, such as the religious, the economic, or the social.“
 
12
Hier ließe sich anführen, dass manche Anschläge, beispielsweise auf den Zar, doch auch explizit mit dem Ziel, diese bestimmte Person umzubringen, durchgeführt wurden.
 
13
„the ‚out-group‘ whom the terrorists want to terrify and intimidate through their actions, and the ‚in-group‘ whom the terrorists seek to inspire“ (Wright-Neville 2010, S. 139).
 
14
Elter (2008) gibt einen detaillierten Überblick über Entwicklung und Wandel des Terrorismus vom politischen Mord in der Antike über die Assassinen und den Tyrannenmord im Mittelalter, „la terreur“ der französischen Revolution, politische Attentate im späten 19. Jahrhundert und Guerillakriege im dritten Jahrtausend.
 
15
In Schmid und Jongman (1988, S. 32–38) findet sich eine umfangreiche Auflistung (damaliger) Definitionen von Regierungen und Akademikern sowie verschiedener Typologien (1988, S. 39–59).
 
16
Vorrangig werden dort Schmid und de Graaf, Alexander, Weimann, Schlesinger und Paletz mit ihren grundlegenden Werken genannt.
 
17
Gerne hätte die Autorin Definitionen anderer Länder und Kulturkreise angeführt, jedoch bot der Markt der wissenschaftlichen Bücher dazu nicht viel – zumindest nichts, was nicht an Sprachschwierigkeiten scheiterte. Ein Beispiel allerdings aus dem islamischen Raum: Die Organization of the Islamic Conference (OIC) konnte sich bei einem Treffen im April 2002 nicht auf eine einheitliche Definition von „Terrorismus“ einigen, kam aber zu dem Schluss, die damaligen palästinensischen Gewaltakte definitiv nicht als „Terrorismus“ einzuordnen, sondern als Kampf gegen die israelische „Okkupation“ (vgl. Silke 2004, S. 6).
 
18
Verschiedene Definitionen von „Terrorismus“ aus der Sicht von politischen Institutionen und dergleichen enthält auch Beermann (2004, S. 9–12 sowie 63–67).
 
19
Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive beschäftigt sich Herzog (1991) ausführlich mit einer Definition von Terrorismus.
 
20
Einige Definitionen, zum Beispiel des US Department of Defense oder des Federal Bureau of Investigation, finden sich in Tuman (2003, S. 6–7). Eine Zusammenstellung von Terrorismusdefinitionen der US-amerikanischen Behörden bietet auch Martin (2006, S. 47–48).
 
21
Das Forschungsinstitut beschäftigt sich mit Krisen aller Art: „the RAND Corporation, a non-profit research foundation founded by the United States Air Force with deep ties to the American military and political establishments, as well as private security and military companies“ (Jackson 2009, S. 81). So waren einige Außen- und Sicherheitspolitiker der USA mit der RAND-Corporation verbunden. Auch Datenbanken, Institute und Experten wie Walter Laqueur oder Yonah Alexander sind mit verschiedenen Regierungsinstitutionen verflochten, wie Herman und O’Sullivan (1989) darlegen.
 
22
Ein Amoklauf wird zudem nicht als terroristischer Akt eingestuft, weil damit kein (politisches) Endziel erreicht werden soll, sondern meist nur die eigene Apokalypse. Er ist ein Einzelereignis und nicht von einer Gruppe geplant.
 
23
Vom Wortursprung her bedeutet „Jihâd“ das Bemühen, ein bestimmtes Objekt oder Ziel zu erreichen. Der große Jihâd meint das Bemühen um den Glauben und die Moral, der kleine Jihâd steht im islamischen Recht für „eine der zulässigen Formen des Krieges zur Erweiterung des islamischen Herrschaftsbereichs oder zu dessen Verteidigung (Suren 8:30; 61:8; 2:217 u. a.). J. ist eine Pflicht der Gemeinschaft der Muslime, die ständig verfolgt werden muss“ (Szyska 2002, S. 147).
 
24
Wie in der Einleitung angesprochen, beschäftigen sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 viele Wissenschaftler mit religiös motiviertem Terrorismus, vor allem mit Al-Qaida, dem Islamischen Staat und islamischem Fundamentalismus. Der „Terror hat Konjunktur“ (Palm und Rötzer 2002, S. 11).
 
25
Später fügt Waldmann noch eine (Teil-)Kategorie hinzu und sieht im Wesentlichen vier Motivlagen, an denen er eine Unterteilung festmacht: „das Streben nach einer revolutionären Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Strukturen im Sinne der Ideen von Marx; der Wille ethnischer Minderheiten oder unterdrückter Völker nach staatlicher Eigenständigkeit, zumindest aber nach vermehrter politischer Autonomie; ein dritter Teiltypus sind Law-and-Order-Bewegungen, die am Staat vorbei, unter Verletzung der Gesetze, die bestehende soziale Ordnung zu schützen vorgeben – man kann sie als rechtsradikalen oder vigilantistischen Terrorismus bezeichnen. Die vierte Teilkategorie bildet der religiös motivierte Terrorismus“ (Waldmann 2005, S. 99–100). Beispiele für rechtsradikalen Terrorismus sind der Ku-Klux-Klan in den USA oder die Neofaschisten.
 
26
Eine Literaturliste von Werken, die sich hauptsächlich aus psychologischer Sicht mit dem Thema „Terrorismus“ befassen, findet sich in Blumberg (2002). Zusätzlich zu allen „inhaltlich“ begründeten Motivationen politischer, religiöser und sozialrevolutionärer Natur kann immer auch die narzisstische Motivation „einer kompensatorischen Grandiosität“ treten (Hoffmann 2016, S. 111), also die Fantasie, durch den Gewaltakt eine besondere Bedeutung zu erlangen und das bisherige von Leere und Ungenügen geprägte Selbstwertgefühl aufzuwerten.
 
27
Bangert (2011) nähert sich dem Phänomen Terrorismus aus spieltheoretischer Perspektive und zeigt auf, dass diese auch staatliche Abwehrmechanismen beschreiben kann und zum Beispiel Situationen erklärt, in denen Staaten bei der Einführung von Präventivmaßnahmen zögerlich sind, weil sie hoffen, durch Aktionen anderer Staaten leichter Nutzen zu erhalten.
 
28
Der Prozess der Dekolonisation geht oft einher mit Gründungen von nationalen Befreiungsbewegungen wie beispielsweise der FLN in Algerien oder der PFLP in Palästina.
 
29
Nacos (2007, S. 25) stellt eine ähnliche Liste zusammen: Anstatt „terrorist“ werde je nach Standpunkt nationalist, revolutionary, separatist, guerrilla, bomber, murderer, criminal verwendet; anstatt „terrorism“ nationalism, revolution, guerrilla warfare, bombing, kidnapping, crime, assassination.
 
30
Ein Symbol verweist auf mehr als den eigentlichen Gegenstand (der kein materieller sein muss), es ist über sich hinausweisend.
 
31
Eventuell hätte man hier noch auf Größe der Gruppe und Motiv des Anschlags kontrollieren können.
 
32
Zur Bestimmung der Funktionen von Begriffen (kommunikativ, kontextual, ökonomisch, ordnend, provokativ) und deren Definition siehe Merten (1977, S. 30).
 
33
Rosengren (2000, S. 38–44) unterscheidet verbale und nonverbale Kommunikation, fixierte und nicht-fixierte Kommunikation sowie medial vermittelte Kommunikation.
 
Metadata
Title
Perspektivische Beschreibung und Eingrenzung des Objekt- und Erkenntnisbereichs
Author
Liane Rothenberger
Copyright Year
2020
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-31080-6_2