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2004 | Book

Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft

Theorien, Methoden, Problemstellungen

Editor: Birgit Schwelling

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Table of Contents

Frontmatter

In memoriam Horst Hegmann

In memoriam Horst Hegmann
Zusammenfassung
Während der Arbeit an diesem Sammelband verstarb unser Kollege Horst Hegmann im Alter von 42 Jahren bei einem Unfall.
Birgit Schwelling

Einführung

Frontmatter
Der kulturelle Blick auf politische Phänomene. Theorien, Methoden, Problemstellungen
Zusammenfassung
Seit den 1980er Jahren macht sich in den Geistes- und Sozialwissenschaften ein Perspektivenwandel bemerkbar, der Kultur zunehmend in das Zentrum des analytischen Interesses und der wissenschaftlichen Betrachtungsweise rückt, und damit andere Schlüsselbegriffe, wie z.B. Gesellschaft ergänzt bzw. ablöst.
Birgit Schwelling

Sozialtheoretische Grundlagen und Erweiterungen

Frontmatter
Die Politik der Moderne aus kulturtheoretischer Perspektive: Vorpolitische Sinnhorizonte des Politischen, symbolische Antagonismen und das Regime der Gouvernementalität
Zusammenfassung
Eine kulturalistische Theorie und Analyse der Politik hat zunächst den Status eines Parasiten. Sie ist parasitär gegenüber einer seit der Nachkriegszeit die westlichen Sozialwissenschaften dominierenden Selbstbeschreibung dessen, was Politik ausmacht. Diese Selbstbeschreibung folgt einem ‚liberalen‛ Vokabular; sie modelliert die Politik als ein ‚Instrument‛, ein ‚Werkzeug‛ der Gesellschaft zur Umsetzung kollektiver Ziele und misst sie anhand formaler Rationalitätsmaßstäbe, vor allem jenen der ‚Legitimität‛ und der ‚Effizienz‛ der Politik. Der liberale Code des Politischen manifestiert sich im Feld der Theorien der Politik in einer Vielzahl verschiedener, zum Teil einander bekämpfender ‚rechtsliberaler‛ und ‚linksliberaler‛ Versionen, in stärker normativ-begründungstheoretischen und analytisch-empirisch orientierten Spielarten. Diese folgen jedoch insofern dem gleichen Beschreibungscode, als sie Politik vor dem Hintergrund jener beiden Aufgaben interpretieren, die sie sich im liberalen Selbstverständnis selbst auferlegt: Politik soll und will erstens eine legitime Repräsentation der in der Gesellschaft geltenden Interessen liefern. Die Frage lautet dann, inwiefern und unter welchen Umständen eine solche Legitimität der politischen Entscheidungen und Entscheidungs-prozesse erreicht wird. Es ist die Denktradition der ‚Vertragstheorien‛ (Kontraktualismus), die seit der Frühen Neuzeit einen vielseitig verwendbaren utilitaristisch-libertär oder prozeduralistisch-linksliberal interpretierbaren Rahmen zur Modellierung dieses Legitimitätsproblems liefert, wie er in der Politischen Theorie der Gegenwart etwa durch Autoren wie Robert Nozick (1974), F.A. Hayek (1991) und James Buchanan (1975) einerseits, John Rawls (1991) und Jürgen Habermas (1992) andererseits ausbuchstabiert wird.
Andreas Reckwitz
Der kultivierte Homo Oeconomicus. Zum Ort der Kultur in der Ökonomie
Zusammenfassung
Theorien rationaler Wahlhandlungen sind seit langem ein fester Bestandteil der politikwissenschaftlichen Theoriekonkurrenz. Man kennt sie aus der Wahlforschung ebenso wie aus der ökonomischen Analyse der Politik oder aus normativen Arbeiten zur individualistischen Legitimation staatlichen Handelns. Gemeinsam ist diesen Ansätzen das Bestreben, die moderne MikroÖkonomik auf die ganze Bandbreite unterschiedlicher sozialer Phänomene anzuwenden. Es geht ihnen also nicht notwendigerweise um Wirtschaft oder Wirtschaftspolitik als Forschungsgegenstand, vielmehr wollen ihre Vertreter* — zumindest im Prinzip — jedwede Form individuellen und kollektiven Handelns aus den rationalen Wahlhandlungen nutzenmaximierender Individuen erklären. Da sie vor allem diesen spezifischen Blickwinkel betonen, lässt sich ihr Unternehmen am besten unter den Begriff Ökonomik fassen.
Horst Hegmann, Falk Reckling

Medien und Diskurse

Frontmatter
Medienanalyse als kulturwissenschaftlicher Zugang zum Politischen
Zusammenfassung
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ (Luhmann 1996: 9) Mit diesem Satz beginnt Niklas Luhmanns Studie zur Realität der Massenmedien. Nehmen wir diese starke These als zutreffend an. Trifft aber auch der Satz zu: Alles, was wir über die Welt wissen wollen, können wir durch die Massenmedien erfahren? Wohl eher nicht. Wer würde schon ernsthaft behaupten wollen, auf jede Frage die Antwort in Büchern, Zeitungen, in Radio- und Fernsehsendungen, in Dokumentar- oder Spielfilmen, oder mit Hilfe des Computers finden zu können. Selbst wenn man hier und dort dem World Wide Web die Fähigkeit zuschreibt, in wenigen Augenblicken mittels entsprechender Computerprogramme — „Suchmaschinen“ genannt -jede noch so abseitige Information in kurzer Zeit finden zu können, wäre es mehr als vermessen zu behaupten, die Medien lieferten die Antwort auf alle Fragen.
Peter Krause
Diskursanalyse. Chancen und Möglichkeiten einer kulturwissenschaftlichen Forschungsperspektive am Beispiel des polnischen Verfassungsdiskurses 1989–1997
Zusammenfassung
An den Anfang seiner programmatischen Ausführungen zu einer deutenden Theorie von Kultur stellte der amerikanische Kulturanthropologe Clifford Geertz die Beobachtung der Philosophin Suzanne K. Langer, dass bestimmte wissenschaftliche Ideen und Konzepte einen ungeheuer nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung wissenschaftlicher Theorie ausüben. Eine Zeit lang scheint es, als ob sie in der Lage sind, alle analytischen Probleme einer Disziplin zu lösen. Nach einer gewissen Zeit der Anwendung einer solchen grande idée setzt in der Regel eine gewisse Ernüchterung ein und diese Konzepte werden ihren tatsächlichen Möglichkeiten entsprechend eingesetzt. Es zeigt sich also, dass sie bei weitem nicht alles, aber doch zumindest „etwas“ erklären (Geertz 1983: 7ff).
Robert Brier

Symbolisierungen

Frontmatter
Die symbolische Dimension konstitutioneller Institutionen. Über kulturwissenschaftliche Ansätze in der Verfassungstheorie
Zusammenfassung
Der Einfluss des cultural turn auf die Verfassungstheorie wird insbesondere daran deutlich, dass Verfassungen nicht mehr allein in ihrer erwartungsstabi-lisierenden Funktion als Normen, sondern auch als Folie und unmittelbarer Bezugspunkt von gesellschaftlichen Selbstverständigungsdiskursen thematisiert werden. Der Unterschied von kulturwissenschaftlich vorgehenden Studien im Forschungsfeld der Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit zu klassischen Zugangsweisen spiegelt sich deshalb in einer Verschiebung des Analysefokus von der instrumenteilen zur symbolischen Dimension von Verfassungen. In diesem Forschungsfeld werden die Akzente durchaus unterschiedlich gesetzt (2.).1 Zuerst ist daran zu erinnern, wie bereits Georg Jellineks „Allgemeine Staatslehre„ erste Hinweise darauf liefert, weshalb die Sittlichkeit einer Gesellschaft durch Verfassungen symbolisch zum Ausdruck gebracht werden kann (2.1). Anschließend wird an Peter Häberles „Verfassungslehre als Kulturwissenschaft“ demonstriert, wie kulturelle Unterschiede durch funktional äquivalente Lösungen für die gleichen instrumenteilen bzw. staatsrechtlichen Probleme in den verschiedenen Verfassungen symbolisiert werden (2.2). Dagegen lässt sich an Marcelo Neves’ Theorie der „Symbolischen Konstitutionalisierung“ zeigen, inwieweit der von Murray Edelman entwickelte Begriff der symbolischen Politik auf Verfassungen angewendet werden kann, um die Institutionalisierung normativ wirkungsloser Verfassungen zu erklären (2.3).
André Brodocz
Herrschaftskultur. Symbolisierung von Politik am Beispiel der bundesdeutschen Außenpolitik
Zusammenfassung
Wenn im deutschsprachigen Raum Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft betrieben wird, handelt es sich in der Regel um eine Wissenschaft abseits des mainstream. Anders als in der Geschichtswissenschaft oder erst recht der Anthropologie ist der cultural turn der Geistes- und Sozialwissenschaften in der deutschen Politologie nicht ausgiebig diskutiert und daher erst recht nicht vollzogen worden. Einige der in diesem Zusammenhang relevanten Theoreme, dass z.B. öffentliche Diskurse als Repräsentation von Machtverhältnissen gelten müssen und dass soziale Interessen und Regeln einer stets zu hinterfragenden kulturellen Kontingenz unterliegen, wurden in der etablierten Politikwissenschaft lediglich punktuell beachtet.
Timm Beichelt

Identität, Erinnerung und Gedächtnis

Frontmatter
Erinnerungspolitik: Kollektive Identität, Neue Ordnung, Diskurshegemonie
Zusammenfassung
In der kulturwissenschaftlichen Diskussion der letzten zwanzig Jahre sind Erinnerung und Gedächtnis zentrale Konzepte und Themen.1 In politikwissenschaftlichen Untersuchungen spielt Erinnerung der Sache nach bereits sehr viel länger eine wichtige Rolle. Doch sind die Begriffe „Geschichtspolitik“, „Erinnerungspolitik“ oder „Vergangenheitspolitik“ wiederum nicht älter als die neue Gedächtniskonjunktur. Handelt es sich hier um eigenständige, parallel verlaufende Entwicklungen oder um wechselweise Inspirationen? Wie lässt sich das Verhältnis von Kulturwissenschaften und Politikwissenschaft bei der Untersuchung von „Erinnerung“ begreifen? Im vorliegenden Text arbeite ich zunächst das Profil einer spezifisch politikwissenschaftlichen Untersuchung von Erinnerung heraus. Die entscheidende Differenz zu anderen Disziplinen sehe ich in einer strikten Konzentration auf das jeweilige erinnerungspolitische Handeln, insbesondere seine Ziele und Funktionen. Die Thematisierung von vergangener Geschichte ist dabei Medium und Instrument. Die Ziele erinnerungspolitischen Handelns lassen sich als Einwerbung von Legitimität zusammenfassen. Dies kann die Legitimität von kollektiver Identität, die Legitimität einer neuen Ordnung oder die Legitimität von politischen Akteuren innerhalb pluralistischer Gesellschaften sein. Im Anschluss daran möchte ich anhand einiger ausgewählter neuerer deutschsprachiger Studien zeigen, wie sich kulturwissenschaftliche Anregungen in ein solches Konzept von Erinnerungspolitik integrieren lassen.
Michael Kohlstruck
50 Jahre Bundesrepublik Deutschland — 1000 Jahre Ungarn: Symbolische Repräsentationen des Nationalen als Instrument gegenwärtiger Identitätspolitik
Zusammenfassung
Der folgende Beitrag vergleicht zwei nationale, jeweils im ganzen Land gefeierte Jubiläen — 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland und 1000 Jahre Ungarn. Bei diesen handelt es sich um zwei im Jahr 2000 fast zeitgleich stattfindende, ganz konkrete und vergleichbare Thematisierungkontexte des Nationalen mit einer ebenfalls vergleichbaren Funktion: Instrument für Identitätspolitik zu sein. Nach der Einordnung dieser beiden Feierkomplexe in die sich nach 1990 neu ausrichtenden Identitätsdebatten und nach einigen methodologischen Vorüberlegungen werden das im Rahmen dieser symbolischen Inszenierungen verwendete kulturelle Repertoire, der zeitliche Bezugshorizont, auf den dieses verweist, und die vermittelten Botschaften einem Vergleich unterzogen.
Irene Götz

Normen, Werte und Weltbilder

Frontmatter
Die unvollendete Einheit — ein später Triumph der DDR? Theoretische Konsequenzen aus der Analyse der politischen Kultur Ostdeutschlands
Zusammenfassung
Bilanziert man die deutsch-deutsche Wiedervereinigungsgeschichte eineinhalb Jahrzehnte nach dem gesellschaftlichen Umbruch im Osten, so bietet sich wohl nach wie vor der Begriff der „unvollendeten Einheit“ (Rebe/Lang 1996) an. Dieser Terminus zielt heute weniger denn je auf Defizite bei der strukturellen Umgestaltung der ostdeutschen Gesellschaft ab, hatte doch die Prozedur des Beitritts mit dem damit verbundenen umfassenden Institutionentransfer von West nach Ost den Bürgern der ehemaligen DDR diesbezüglich schon sehr bald einen ready-made state (Rose/Haerpfer 1996) zur Verfügung gestellt. Dieser Vorteil gegenüber den anderen postkommunistischen Staaten, wo die neuen Strukturen in langwierigen politischen Prozessen erst mühsam ausgehandelt werden mussten, schlug sich jedoch nicht in dem Maße auf das Gelingen des Gesamtprojektes Deutsche Einheit nieder, wie es von vielen erwartet wurde. Dem Beobachter drängt sich dabei das Gefühl auf, dass die Stimmung mittlerweile viel schlechter ist als die tatsächliche Lage. Die Ostdeutschen scheinen immer noch nicht so richtig in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland angekommen zu sein. Dies zeigt sich — neben den geläufigen deutsch-deutschen Verständigungsschwierigkeiten — vor allem darin, dass sie sich gegenüber den rechtlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Institutionen deutlich skeptischer und reservierter verhalten als ihre westdeutschen Landsleute.
Detlef Pollack, Olaf Müller
Ideen, Weltbilder, Normen und Handlungsrepertoires: Die kulturelle Wende in den Internationalen Beziehungen
Zusammenfassung
Auch in der Teildisziplin der Internationalen Beziehungen1 ist in den 1990er Jahren Kultur zu einem zentralen Schlüsselbegriff geworden. Angesichts der Vielzahl an heterogenen Verwendungsweisen erscheint es wenig fruchtbar, eine klare Strukturierung dieses Begriffsfeldes anzustreben, etwa mit dem Ziel, die Definition des Begriffes zu erreichen. In diesem Beitrag soll vielmehr der bescheidene Versuch unternommen werden, einen groben Überblick über die derzeitige Verwendung von Kultur-Konzepten sowie von kulturwissenschaftlich beeinflussten Begrifflichkeiten in den deutschsprachigen Internationalen Beziehungen zu geben. Dabei soll insbesondere die Zielstellung des vorliegenden Sammelbandes im Auge behalten werden, nämlich die Kommunikation über traditionelle (teil-)disziplinäre Grenzen hinweg zu befördern.
Klaus Roscher

Wissen und Glauben

Frontmatter
Politisches Wissen und die Wirklichkeit der Politik. Zum Nutzen der Wissenssoziologie für die Bestimmung des Politischen
Zusammenfassung
Als Frank Nullmeier 1993 den Aufsatz „Wissen und Policy-Forschung“ vorlegte und ein „‚interpretatives‛ Vorgehen unter dem Titel ‚wissenspolitologi-scher Ansatz‛“ (Nullmeier 1993: 175) vorstellte, betrat er ein weitgehend unbestelltes Feld, das zwar an verschiedenen Stellen kultiviert wurde, auf dem man jedoch von einer ertragreichen Ernte weit entfernt blieb. Nullmeier zielte in dieser Situation mit der von ihm vorgeschlagenen ‚Wissenspolitologie‛ auf eine Verbesserung, indem er zum einen die unterschiedlichsten, im weitesten Sinne ‚interpretativen‛ oder ‚kulturwissenschaftlichen‛ Ansätze innerhalb der Politikwissenschaft zusammenzog und zum anderen eine thematische Fokus-sierung auf die Policy-Analyse vornahm. Die Kombination beider Strategien erwies sich als äußerst erfolgreich, entwickelte sich Nullmeiers Aufsatz doch zu einem bedeutenden Referenztext der ‚Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft‛, wie sie sich in den 1990er Jahren vorsichtig — und teils misstrauisch observiert — etablierte. So führte Nullmeier vor Augen, dass es so etwas wie ‚interpretative Ansätze‛ in der Politikwissenschaft durchaus gab und dass es sich als lohnend erweisen könnte, in dieser Richtung weitere Anstrengungen zu unternehmen. Überdies hatte er mit der Policy-Forschung einen Forschungszweig ausgewählt, der innerhalb des Faches einen großen Raum einnimmt, dessen empiristische und theoriefeindliche Engführung als ‚Politik-feldanalye‛ und dessen Konzentration auf das mechanische Modell des ‚Policyzyklus‛ jedoch zunehmend zu Problemen führte.
Dariuš Zifonun
Heilige Versteinerung? Das Verhältnis von Religion und Demokratie an der Jahrtausendwende
Zusammenfassung
Seit dem Ende des Kalten Krieges mehren sich die Anzeichen dafür, dass das längst geregelt geglaubte Verhältnis von Religion und Politik in westlichen Demokratien überraschenden Zündstoff enthält. Im Falle des wiedervereinigten Deutschland wären etwa der Streit um Kruzifixe in bayrischen Klassenzimmern, die Auseinandersetzung um das Tragen von Kopftüchern in baden-württembergischen Schulen sowie die bis heute andauernde Kontroverse um das Fach LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde) in Brandenburg zu nennen. Diese Beispiele berühren sowohl das Staat-Kirche-Verhältnis in Deutschland als auch das damit verbundene Problem der Religionsfreiheit und Integration nicht-christlicher Zuwanderer im staatlichen Schulwesen. Aber auch für die traditionelle Dimension religiöser Sinnstifung von Politik lassen sich Belege finden. So wurde 1996 im Rahmen der Debatte für und wider die Fusion von Berlin und Brandenburg zu einem Bundesland immer wieder die Frage nach Sinn und Zweck dieses Vorhabens aufgeworfen. Ein Berliner Bezirksverein der CDU fand eine besonders prägnante Antwort mit dem Slogan: „Für ein christliches Preußen“. Darauf antworteten die Jungsozialisten mit eigenen Plakaten, auf denen zu lesen war: „Für ein buddhistisches Sachsen“.1
Michael Minkenberg

Visualisierungen

Frontmatter
Die politische Kultur des Auges. Der pictorial turn als Aspekt des cultural turn in der Politikwissenschaft
Zusammenfassung
Bilder werden in der politischen Kommunikation moderner Gesellschaften immer wichtiger. Man kann zugespitzt von einem Wandel von einer eher logo-zentrischen zu einer eher ikonozentrischen politischen Kultur sprechen (Hofmann 1999). Bilder und visuelle Kommunikation haben auch wissenschaftlich Konjunktur (Böhme 1999; Belting 2001; Müller 2003).1 Gleichzeitig haben sie, wenn man von Ausnahmen absieht (von Beyme 1998; Dörner/Vogt 1996; Hofmann 1993, 1996b; Landfried 1999; Müller 1997; Münkler 1994), in der Politikwissenschaft einen eher schlechten Ruf. Schaut man sich in den deutschen Sozialwissenschaften um, so wird man feststellen müssen, dass es keine elaborierte Theorie visueller politischer Kommunikation gibt.2 Vielmehr findet man eine vielstimmige und unsystematische Behandlung des Themas, die allzu oft schlicht bildskeptisch ist und, insbesondere wenn es um das audiovisuelle Medium Fernsehen geht, geradezu apokalyptische Töne anschlägt (Eco 1987: 28). Da ist die Rede vom immer weiteren Auseinanderdriften von medialem Bild und politischer Realität. Reine „Darstellungspolitik“, die sich immer mehr vor die bildlich bzw. audiovisuell nicht vermittelbare „Entscheidungspolitik“ schiebe (Kaase 1998: 35 ff.), erzeuge eine gefährliche Differenz zwischen dem politisch Möglichen und dem kommunikativ Vermittelbaren. Symbolische Politik (Sarcinelli 1987) trete in einer repräsentativen Öffentlichkeit an die Stelle der deliberierenden Politik in der bürgerlichen Öffentlichkeit und erschöpfe sich in der rein visuellen bzw.
Wilhelm Hofmann
Politologie und Ikonologie. Visuelle Interpretation als politologisches Verfahren
Zusammenfassung
Das Politische und das Bildliche verbindet eine eigentümliche Logik. Beide Bereiche gesellschaftlicher Wirklichkeit funktionieren aufgrund eines nicht vollständig rationalisierbaren Prozesses. Politik und Bilder sind kommunikative Produkte mit einer kulturellen Komponente, die nur schwer zu ermessen ist. Zu Unrecht werden Bilder bislang von der Politologie als politisches Quellenmaterial ignoriert, weil sie als irrationale und alogische Phänomene betrachtet werden, die im Widerspruch zum rationalen Anspruch politischer Willensbildung und Entscheidungsfindung stehen. Damit ist einer kulturwissenschaftlich orientierten Politologie ein wichtiges Analyseinstrumentarium verschlossen. Denn nicht nur die Unterhaltungskultur, auch die politische Kultur des 21. Jahrhunderts ist durch eine deutliche Zunahme visueller Kommunikationsformen geprägt, die der Politologie aufgrund ihrer weitgehenden Ignoranz gegenüber bildlichen Kommunikationsmustern unverständlich sein müssen.
Marion G. Müller
Politische Ikonologie der modernen Architektur
Zusammenfassung
Um das lose Gerede über „politische Architektur“ zu vermeiden, empfiehlt es sich, nach einer beglaubigten Methode zu suchen, die politische Bedeutungen nicht nur assoziativ analysieren kann. Dies ist noch immer die Methode der Ikonologie. Bei der Annäherung an eine politische Ikonologie der modernen Architektur sind zwei Fragen zu klären:
Welche Rolle spielen die Sozialwissenschaften und die Geschichtswissenschaft im Rahmen der interdisziplinären ikonologischen Analyse? Die Ikonologie zeigt eine innere Verwandtschaft mit sozialwissenschaftlichen Mehrebenenanalysen. Aber die Wissenschaften, die sich mit dem Politischen befassen, spielen im Ganzen nur die Rolle einer Hilfswissenschaft (vgl. Abschnitt 2). * Weite Teile des Beitrags gehen zurück auf von Beyme, Klaus (1996): Politische Ikonologie der Architektur. In: Hipp, H./Seidl, E. (Hrsg.): Architektur als politische Kultur. Berlin: Dietrich Reimer, S. 19–34.
Klaus von Beyme
Backmatter
Metadata
Title
Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft
Editor
Birgit Schwelling
Copyright Year
2004
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-80964-3
Print ISBN
978-3-8100-3996-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-80964-3