2011 | OriginalPaper | Chapter
Politische Leitlinien
Author : acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
Published in: > Leitlinien Für Eine Deutsche Raumfahrtpolitik
Publisher: Springer Berlin Heidelberg
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Die europäische sowie die deutsche Raumfahrt stehen vor massiven Herausforderungen, die weitreichende Veränderungen mit sich bringen. Die deutsche Raumfahrtpolitik und eine daraus abgeleitete umfassende und vernetzte Raumfahrtstrategie müssen auf diese Herausforderungen reagieren und Antworten auf allen wesentlichen Ebenen definieren:
‐ Die Anziehungskraft und die Erfolge der Raumfahrt und ihrer Anwendungen machen diese zunehmend zu einer globalen Unternehmung. Aufstrebende Länder wie China, Indien, Korea und Brasilien erweitern signifikant ihre Raumfahrtaktivitäten im zivilen und militärischen Bereich. Insbesondere neue Anwendungen bei Erdbeobachtung, Navigation und Telekommunikation finden zunehmend Interesse, da sie für ihre Bürger und ihre politischen Ziele von großem Wert sind. Dies gilt zunehmend auch für Entwicklungsländer. Die deutsche Raumfahrtpolitik muss dieser vielversprechenden globalen Entwicklung Rechnung tragen.
‐ Europa steht nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages
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vor einer weitgreifenden Veränderung der Rollenverteilung zwischen EU und ESA. Diese neue Rollenverteilung wird auch wesentliche Auswirkungen auf die nationalen Raumfahrtprogramme haben. Daher gilt es in den kommenden Jahren, diese neuen Rollen — unter Einbindung aller beteiligten Partner — optimal zu gestalten und auszufüllen. Es wird erwartet, dass mittelfristig die Anzahl der Mitgliedsländer in der ESA beträchtlich zunimmt. Um die europäische Kooperation effektiv zu gestalten, wird eine Anpassung der ESA-Konvention unerlässlich. Weiterhin ergeben sich neue Möglichkeiten für langfristig angelegte strategische Partnerschaften.
‐ Die erweiterten Funktionen bei ESA und EU erfordern eine aktive, gestaltende Rolle Deutschlands auch innerhalb dieser Organisationen. Die Bereitstellung kompetenten und erfahrenen deutschen Personals, insbesondere in Führungsfunktionen, ist von wesentlicher Bedeutung und muss intensiviert werden.
‐ Die Europäisierung betrifft nicht nur die Institutionen von EU, ESA und EUMETSAT (European Organisation for the Exploitation of Meteorological Satellites), sondern auch die Industrie und die Ausbildung. Viele Absolventinnen und Absolventen der deutschen Hochschulen aus dem Bereich Luft- und Raumfahrttechnik suchen ganz gezielt Arbeitsplätze bei europäischen Unternehmen. Global agierende Firmen wie Astrium (eine Tochter der EADS European Aeronautic Defence and Space Company), Thales oder die Firma OHB (Orbitale Hochtechnologie Bremen) mit ihren europäischen Beteiligungen bieten attraktive Arbeitsplätze für die Besten ihres Faches. Um die talentiertesten, an deutschen Hochschulen qualifizierten Fachkräfte im Lande zu halten oder an geeignete Stellen in europäischen Institutionen und Firmen zu vermitteln, bedarf es eines attraktiven Lehr- und Forschungsprogramms an deutschen Hochschulen, das dem internationalen Umfeld gerecht wird und die typischen Stärken der nationalen Ausbildung in klassischen Ingenieurdisziplinen und Systemtechnik durch eine kontinuierliche Förderung durch Bund und Länder ausschöpft.
‐ Die Ausweitung der Raumfahrtaktivitäten insbesondere im Hinblick auf anwendungsorientierte Programme hat in Deutschland zu einer signifikanten Zunahme verantwortlicher Ministerien im Bund und in den Bundesländern geführt. Dies erfordert neue Maßnahmen bei Koordination und Abstimmung bei der Implementierung der deutschen Raumfahrtstrategie.
‐ Insbesondere neue Anwendungen auf den Sektoren Telekommunikation, Erdbeobachtung, Navigation sowie deren Vernetzung eröffnen breite wirtschaftliche Möglichkeiten. Weiterentwickelte partnerschaftliche Regelwerke und Instrumente zwischen der öffentlichen Hand und der Industrie sind notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Umsetzung und sollten entwickelt und eingesetzt werden.
‐ Die beträchtlichen neuen Herausforderungen müssen in Einklang gebracht werden mit den vorhandenen Stärken der deutschen Raumfahrtforschung und der Raumfahrtindustrie. Die erreichten Spitzenpositionen in der Weltraumwissenschaft, in der bemannten Raumfahrt sowie bei Technologien für Anwendungs- und Infrastrukturprogramme müssen im nationalen Rahmen weiter ausgebaut und bei europäischen und internationalen Kooperationen gezielt eingesetzt werden.