Das kettenhemdartige Material weist außergewöhnliche Flexibilität und Festigkeit auf. Zum Einsatz kommen könnte es unter anderem für Körperschutzausrüstungen.
Die Abbildung zeigt, wie X-förmige Monomere miteinander verbunden werden, um das erste mechanisch ineinandergreifende 2-D-Polymer zu erzeugen. Ähnlich wie bei einem Kettenhemd weist das Material eine außergewöhnliche Festigkeit auf.
Mark Seniw, Center for Regenerative Nanomedicine, Northwestern University
Ein Team der Northwestern University im US-Bundesstaat Illinois hat das erste zweidimensionale Material mit mechanischer Verzahnung entwickelt. Das nanoskalige Polymer ähnelt den ineinandergreifenden Gliedern eines Kettenhemds und soll eine außergewöhnliche Flexibilität und Festigkeit aufweisen. Laut der Universität enthält das Material 100 Billionen mechanische Bindungen pro Quadratzentimeter – die höchste Dichte an mechanischen Bindungen, die je erreicht worden sei. Zu den Einsatzmöglichkeiten gehörten Körperschutzausrüstungen, aber auch andere Anwendungen, für die leichte, flexible sowie robuste Materialien erforderlich seien.
"Wir haben eine völlig neue Polymerstruktur geschaffen", sagt Prof. William Dichtel, Co-Autor der Studie, die am 17. Januar in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde. Da jede der mechanischen Verbindungen Spielraum habe, könne die Struktur nicht leicht reißen. "Wenn man daran zieht, kann es die einwirkende Kraft in mehrere Richtungen ableiten. Und wenn man es zerreißen will, müsste man es an vielen, vielen verschiedenen Stellen brechen. Wir erforschen seine Eigenschaften weiter und werden es wahrscheinlich noch jahrelang untersuchen", so Dichtel.
Neues Verfahren führte zum Ziel
Über viele Jahre hinweg hatten Forschende versucht, mechanisch verzahnte Moleküle mit Polymeren zu entwickeln. Doch war es nahezu unmöglich, Polymere dazu zu bringen, mechanische Bindungen einzugehen. Deshalb verfolgte Dichtels Team einen neuen Ansatz. Sie begannen mit X-förmigen Monomeren – den Bausteinen von Polymeren – und sortierten diese in einer spezifischen kristallinen Struktur. Anschließend reagierten sie die Kristalle mit einem anderen Molekül, um Bindungen zwischen den Molekülen innerhalb des Kristalls herzustellen.
Die resultierenden Kristalle bestehen aus zahlreichen Schichten von 2-D-verzahnten Polymerblättern. Innerhalb dieser sind die Enden der X-förmigen Monomere mit den Enden anderer X-förmiger Monomere verbunden. Dann werden weitere Monomere durch die Zwischenräume gefädelt. Trotz seiner starren Struktur sei das Polymer "überraschend flexibel", so die Mitteilung.
Material kann in großen Mengen produziert werden
Dichtels Team fand auch heraus, dass sich die Schichten der ineinandergreifenden Monomere voneinander ablösen, wenn das Polymer in Lösung gebracht wird. "Nachdem das Polymer gebildet wurde, gibt es nicht viel, was die Struktur zusammenhält", so Dichtel. "Wenn wir es also in ein Lösungsmittel geben, löst sich der Kristall auf, aber jede 2-D-Schicht hält zusammen. Wir können diese einzelnen Schichten manipulieren."
Die Forschenden stellten 0,5 kg des Materials her und gehen davon aus, dass noch größere Mengen möglich sind, sobald sich die vielversprechendsten Anwendungen zeigen. Bisherige Polymere mit mechanischen Bindungen wurden in der Regel in sehr geringen Mengen mit Methoden hergestellt, die wahrscheinlich nicht skalierbar sind.
Inspiriert von der inhärenten Festigkeit des Materials fügte Dichtels Team es an der Duke University unter der Leitung von Prof. Matthew Becker zu Ultem hinzu. Ultem ist eine amorphes Polyimid, gehört zur selben Familie wie Kevlar und weist eine hohe strukturelle Festigkeit auf. Es hält extremen Temperaturen sowie sauren und ätzenden Chemikalien stand. Die Forschenden entwickelten ein Verbundmaterial aus 97,5 % Ultem-Fasern und nur 2,5 % des 2-D-Polymers. Dieser geringe Prozentsatz habe die Gesamtfestigkeit und -zähigkeit von Ultem "erheblich erhöht", heißt es.
Dichtel geht davon aus, dass das neue Polymer als Spezialmaterial für leichte Körperschutzausrüstung und ballistische Stoffe eine Zukunft haben könnte: "Wir müssen noch viele weitere Analysen durchführen, aber wir können sagen, dass es die Festigkeit dieser Verbundwerkstoffe verbessert."