Preisverhandlungen sind die Königsdisziplin des B2B-Vertriebs. Wenn der Mehrwert für den Kunden stimmt, lassen sich auch Preiserhöhungen durchsetzen.
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Der Preis ist der wichtigste Gewinnhebel des Vertriebs, aber auch das Instrument, das dem Kunden gegenüber am schwierigsten durchzusetzen ist. Denn die Einkäuferseite, die Vertriebsteams gegenüber sitzt, hat viele Abwehrtechniken entwickelt, um Preiserhöhungen abzuwehren. Insbesondere bei Langfristkontrakten, wie sie in vielen Branchen üblich sind, geht es bei Preisstrategien für beide Seiten ums Ganze.
Preisverhandlungen sind etwa dann sinnvoll, wenn digitale Zusatzleistungen oder Services des Vertriebs ein Produkt veredeln, dies aber bislang nicht honoriert wird, neue Produkte auf den Markt kommen, sich die Kostensituation des Herstellers verändert hat oder die Wertschöpfung verbessert werden soll. Dr. Georg Tacke, CEO der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners, bestätigt: "Taktisches Pricing bedeutet 2018: Preiserhöhungen durchsetzen. Nach einigen Jahren stabiler Kosten spüren viele Unternehmen Kostensteigerungen bei Personal, Rohstoffen, Energie, etc. Nicht extrem, aber immerhin im einstelligen Prozentbereich. Wer diese scheinbar vernachlässigbaren Entwicklungen nicht an die Kunden weitergibt, macht einen Fehler. Denn genau dieses 'Schlucken' von Kostensteigerungen ist der Profit-Killer Nr. 1". Um Gewinnrückgänge zu vermeiden, müssten Unternehmen (wieder) lernen, ihre Preise signifikant zu erhöhen. Preiserhöhung sollte als funktionsübergreifendes Projekt organisiert werden, das beim Top-Management aufgehängt ist, glaubt Tacke. Er plädiert dafür, die rasanten Entwicklungen durch Digitalisierung, Big Data und weitere Faktoren für das eigene Unternehmen zu nutzen. So könnte aus seiner Sicht Machine Learning Vertriebstools wie Peer Pricing, bei dem Preise auf Basis verschiedener Preisturbos differenziert werden, dynamischer gestalten, um Umsatz und Gewinn steigern.
Technologiebranche hat Defizite beim Pricing
Gerade in der Technologiebranche zeigen sich im Vertrieb Defizite bei Preisverhandlungen mit Kunden. So belegt eine Studie des Beratungshauses Ebel Hofer beispielsweise, dass nach wie vor ein Cost-Plusbasiertes Pricing dominiert. Nur eine Minderheit der befragten Unternehmen, im Kern Entscheider mittelständischer Unternehmen, setzt Preise wertbasiert.
- 80 Prozent der Studienteilnehmer nutzen keinen wertbasierten Pricingansatz.
- 27 Prozent der Befragten konnten ihre Marge nicht steigern, obwohl 88 Prozent von eine Preiserhöhung in den beiden Jahren 2016 und 2017 durchgeführt haben.
- Nur 18 Prozent der Ressourcen werden zur Preisoptimierung eingesetzt.
- Der größte Anteil an Ressourcen fließt in die Absatz- und (49 Prozent) Kostenoptimierung (34 Prozent).
Gute Planung löst das Dilemma
Das Dilemma des Vertriebs, Preiserhöhungen durchzusetzen, lässt sich abmildern, wenn Vertriebsteams die Marktlage und den Wettbewerb gut kennen und ihre eigenen Leistungen für spezifische Kunden(-gruppen) gut einordnen können. Zudem sollten Preiserhöhungen nicht pauschal begründet werden, sondern beispielsweise durch eine Aufstellung der Kostenanteile an einem gelieferten Produkt bei Preisverhandlungen transparent dargelegt werden. Bei Projektverträgen ist ein Blick auf ausgeschöpfte Einsparpotenziale auf der Lieferantenebene wichtig, um Preiserhöhungen gegenüber Einkaufsabteilungen oder einzelnen Geschäftskunden plausibel zu machen. Dazu gehört auch, Optimierungsschritte dazulegen, die der Vertrieb als Vertreter der Lieferantenseite unternommen hat. Preiserhöhungen können zudem durch Mehrleistungen für die Gegenseite plausibel gemacht werden. Dies können beispielsweise eine häufigere Lieferfrequenz für die Bestandsoptimierung, Produktbundles oder verbesserte Zahlungsfrequenzen der Kunden sein, die mit einem Skonto belohnt werden. Dem Hersteller verschafft das Zugeständnis an den Kunden gleichzeitig mehr Liquidität.
Springer-Autor Professor Oliver Roll, Inhaber des Lehrstuhls für Preis-Management an der Hochschule Osnabrück und Gründer der Unternehmensberatung Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants, bringt im Beitrag "Pricing als Ertragswerkzeug" in der Zeitschrift return (Ausgabe 2/2018, Seite 63) auf den Punkt, welchen Effekt schon kleine Preiserhöhungen für den Vertrieb haben können: "Ein Prozentpunkt, der im Pricing herausgeholt wird, schlägt sofort auf die "Bottom-line" durch. Dadurch reichen häufig schon kleine Maßnahmen, um den Gewinn deutlich nach oben zu bringen."
Gewinnbringendes Pricing
Er empfiehlt folgende Maßnahmen für ein gewinnbringendes Pricing:
Handlungsempfehlungen für Pricing |
Bepreisung nicht nur auf A-Produkte konzentrieren |
Gezielte Preisanhebungen im Randsortiment oder bei Ersatzteilen |
Kürzung von Rabatten, für die es keine logische Begründung oder Gegenleistung gibt |
Nicht-Weitergabe von Einkaufsvorteilen |
Check auf kostenlose oder sehr günstige Services und Zusatzleistungen, die beim Wettbewerb einen höheren Preis haben. |
Schulung und Sensibilisierung der Vertriebsmitarbeiter für Preisverhandlungen |
Quelle: return, Ausgabe 2 | 2018 |
Auch die Professoren Jörg Gutsche, Marco Schmäh und Udo Burchard stellen in ihrem Springer-Beitrag "Mehr Kompetenz bei Preisverhandlungen" (Ausgabe 6/2017) fest, "dass Preisverhandlungen regelmäßig erhebliche Mehrertragspotenziale bieten". Sie zeigen dabei die zentrale Bedeutung des Vertriebs auf: Die führende Rolle bei der Preissetzung falle in den meisten B2B-Unternehmen nicht der Finanz- oder der Marketingabteilung zu, sondern eben dem Vertrieb. Darin liegt für sie auch eine Chance, denn so kontrolliere in den meisten B2B-Unternehmen der Vertrieb schließlich den wichtigsten Gewinnhebel: die Preisgestaltung.