Skip to main content
Top

Psychologie der Märchen

41 Märchen wissenschaftlich analysiert - und was wir heute aus ihnen lernen können

  • 2017
  • Book
insite
SEARCH

About this book

Dieses Buch bringt zwei Dinge zusammen, die Menschen faszinieren: Märchen und Psychologie. Ein Autorenteam rund um den bekannten Sozialpsychologen Dieter Frey analysiert berühmte Märchen aus Sicht der wissenschaftlichen Psychologie: Märchen befassen sich seit jeher mit zentralen Fragen und Schwierigkeiten des menschlichen Lebens und der Entwicklung – wie auch die Psychologie! Aber kommen beide heute auch zu den gleichen Schlüssen? Stimmt die "Moral von der Geschicht‘" jedes Mal auch aus wissenschaftlicher Perspektive? 41 Märchenklassiker – jeweils nochmal kurz zusammengefasst – wollen in diesem Buch neu entdeckt und verstanden werden. Erfahren Sie, welche Lektionen wir auch heute noch von Hans im Glück, Schneewittchen, Rumpelstilzchen und all den anderen für unsere Lebensgestaltung, Führung und Erziehung lernen können. Ein spannendes Lesebuch – für Märchenfreunde, Eltern, Erzieher/-innen, Studierende der Psychologie, Sozial- und Geisteswissenschaften und alle, die sich von Psychologie faszinieren lassen.

Table of Contents

Frontmatter
1. Vorbemerkung: An wen richtet sich dieses Buch und wie kann man es nutzen?

Das Buch richtet sich an ein breites Publikum, für das Märchen im Rahmen ihrer Berufsfelder geeignet sind, z. B. Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Studierende der Sozialwissenschaften. Es ist aber ebenso interessant für Menschen allen Alters, die gerne Märchen lesen oder anderen Menschen vorlesen. Das Buch kann dabei unter verschiedenen Blickwinkeln gelesen werden: einerseits zur Auffrischung von Kindheitserinnerungen, die mit Märchen verbunden sind, aus Interesse für den psychologische Hintergrund und den spezifischen Charakter der Märchen oder insgesamt aus Interesse für Psychologie (unabhängig von Märchen). Darüber hinaus kann es zur Unterhaltung und als Ausgangspunkt für tiefer gehende Diskussionen dienen.

Dieter Frey
2. Einführung: Worin liegt die Faszination der Märchen und Psychologie?

In diesem Kapitel wird herausgestellt, wieso sowohl Märchen als auch Psychologie für viele Menschen eine große Faszination darstellen. Märchen begeistern, weil ihre Helden alle menschlichen Emotionen ansprechen – Pech und Glück, Feigheit und Mut, Gut und Böse. Gleichzeitig lösen Märchen bei den meisten Menschen die Erinnerung an die eigene Kindheit aus, sie stiften eine gemeinsame Identität und geben Orientierung fürs Leben. Der zweite Bestandteil dieses Buchs ist die Psychologie. Die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen ist so komplex, dass sie sich in viele Teilbereiche untergliedert. Von der Persönlichkeits- über die Sozial- bis hin zur klinischen Psychologie gibt dieses Kapitel einen Überblick über die verschiedenen Fachbereiche. Außerdem wird sich mit dem interdisziplinären Ansatz der Psychologie als Fach der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaft auseinandergesetzt und das dem Buch zugrunde liegende humanistische Welt- und Menschenbild definiert.

Dieter Frey, Paula Münster
3. Des Kaisers neue Kleider von Hans Christian Andersen (1837)

Das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen erzählt die Geschichte des Betrugs an einem unfähigen Regenten durch zwei listige Betrüger. In Rahmen der psychologischen Betrachtung werden typische sozialpsychologische Phänomene auf das Märchen angewandt und deren Bedeutung für die heutige Zeit besprochen. Der Zuschauereffekt beispielsweise erklärt, warum es bei Notfällen häufig für Opfer besser sein kann, wenn wenige statt vieler potenzieller Helfern zugegen sind. Des Weiteren wird anhand von Effekten des sozialen Einflusses erklärt, warum wir in der Öffentlichkeit oft wider besseres Wissen erhöhte Konformität zeigen. Unter dem Stichwort „Gruppendenken“ wird diskutiert, warum Gruppen oft Fehlentscheidungen treffen. Abschließend wird die Bedeutung einer gesunden Feedbackkultur in Unternehmen, der Erziehung von Kindern zu mündigen Bürgern und des Einstehens für unsere Überzeugungen und Meinungen im Licht des Märchens aufgezeigt.

Christian Feuerbacher
4. Von den drei Groschen von Pavol Dobšinský

Das Märchen „Von den drei Groschen“ handelt von einem armen Straßenarbeiter, den der König eines Tages bei seiner Arbeit fragt, wie er von seinem geringen Gehalt leben könne. Der arme Mann antwortet ihm, einen Groschen gebe er ab, einen verleihe er und nur der letzte bliebe ihm zum Leben. So könne er seinen Vater versorgen und für seinen Sohn vorsorgen. Diese weise Antwort stellt der König seinen Beratern als Rätsel, die es aber nicht lösen können. Schließlich wird der arme Mann als Berater an den Hof des Königs geholt. Das Verhalten des armen Straßenarbeiters ist von vorbildlicher Verantwortungsübernahme geprägt. Anhand seines Beispiels werden die psychologischen Phänomene Reziprozität/Gegenseitigkeit, soziale Verantwortung und Verhaltensvorbilder genauer erklärt.

Sarah Eichmann
5. Die Sterntaler von den Gebrüdern Grimm (1819)

Im Märchen „Sterntaler“ beschließt ein bettelarmes Waisenmädchen, aus seiner Armut und Einsamkeit auszubrechen. Auf seiner Suche nach einem besseren Leben verschenkt es seine letzten Besitztümer an andere Bedürftige. Daraufhin fallen die Sterne als Silbertaler vom Himmel und verwandeln es in eine Multimillionärin. Anhand des Beispiels des Waisenmädchens werden drei psychologische Phänomene vorgestellt: Kontrolle, Hilfeverhalten und Bedürfnisse. Unter anderem wird die Bedeutung von Kontrolle in der Psychologie erklärt und ihre Zusammenhänge mit veränderbaren und nicht veränderbaren Welten dargestellt. Zudem werden positive und negative Seiten von Hilfeverhalten aufgezeigt sowie Hilfeverhalten in unserer Gesellschaft kritisch beleuchtet. Außerdem werden menschliche Bedürfnisse betrachtet, näher auf Glück durch materielle Werte eingegangen und die neusten Forschungsergebnisse zum Sinn des Lebens vorgestellt.

Nadja Bürgle
6. Die Prinzessin auf der Erbse von Hans Christian Andersen (1837)

Das Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“ von Hans Christian Andersen handelt davon, wie eine Prinzessin ihre Zugehörigkeit zum Adel dadurch beweist, dass sie so feinfühlig ist, dass sie unter zwanzig Matratzen eine Erbse erspürt. Dies macht sie für den Prinzen, der ebenfalls dem Adel angehört, attraktiv und er nimmt sie zur Frau. Auch heutzutage spielt Ähnlichkeit eine große Rolle bei der Partnerwahl. Sowohl physische als auch psychische Ähnlichkeit können ein Prädiktor für glückliche Beziehungen sein. Die Erbse mag einen ungewöhnlichen Test darstellen, aber er führt wie gut konzipierte und für den Kontext passende Tests dazu, dass wir angemessenere und zuverlässigere Entscheidungen treffen. Psychologen erkennen hochsensible Menschen daran, dass sie mit all ihren Sinnen mehr Details wahrnehmen. Viele hochsensible Menschen sind auch hochsensitiv, d. h., sie können die eigenen und die Emotionen anderer Menschen besser erkennen und interpretieren. Dies birgt gewisse Vor- und Nachteile.

Kim Borrmann
7. Blaubart von Charles Perrault (1697)

Im Märchen „Blaubart“ wird eine Ehe aus materiellem Kalkül geschlossen. Die frische Gemahlin des Ritters lüftet alsbald dessen schreckliches Geheimnis: Er ermordete seine letzten Ehefrauen und versteckte sie in einem Kabinett. Wütend darüber, dass sich seine Frau dem ausdrücklichen Verbot, das Kabinett zu betreten, widersetzt hat, möchte er sie mit dem Tode bestrafen. Geschlossen nicht aus Liebe, geführt voller Geheimnisse, beendet durch einen tödlichen Konflikt – am Beispiel der Beziehung zwischen Blaubart und seiner Frau werden die Themenbereiche Partnerwahl und Partnerschaft vor dem Hintergrund psychologischer Theorien und Erkenntnisse näher betrachtet. Unter anderem werden evolutionspsychologische Faktoren und die Rolle der Intuition bei der Partnerwahl beleuchtet, verschiedene Arten von Geheimnissen und deren Auswirkungen auf Beziehungen aufgezeigt sowie Strategien zur Konfliktlösung vorgestellt.

Nadja Bürgle, Eileen Wittmann
8. Rapunzel von den Gebrüdern Grimm (1815)

Als zentrales Thema des Grimm‘schen Märchens „Rapunzel“ wird die psychische Störung Depression behandelt, welche gegenwärtig ein großes Thema unserer Gesellschaft darstellt. Des Weiteren sind Phänomene wie Selbstbestimmung, das Bedürfnis nach Macht sowie Resilienz zentral. Für das alltägliche Leben lehrt uns das Märchen vor allem, dass es in Unternehmen lohnenswert ist eine wertschätzende Unternehmenskultur zu etablieren. Zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit sind Stabilität, Wertschätzung und Unterstützung wichtige Faktoren.

Christian Feuerbacher, Marie Raith
9. Schneewittchen von den Gebrüdern Grimm (1857)

Das Märchen „Schneewittchen“ thematisiert eine Vielzahl psychologischer Phänomene mit hoher individueller und gesellschaftlicher Relevanz. Neben der Definition von Narzissmus und Differenzierung von schwarzem und weißem Neid wird der Frage nachgegangen, ob Narzissmus angeboren ist und eine Art Ideal in unserer Gesellschaft darstellt. Schönheit und Attraktivität spielen im Märchen eine zentrale Rolle. Doch wie wirkt sich Attraktivität im schulischen und beruflichen Kontext aus? Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen? Schneewittchen als heranwachsendes Mädchen begegnet verschiedenen Herausforderungen der Adoleszenz. In diesem Zusammenhang wird der Einfluss des sozialen Umfelds erläutert und Fragen der Identitäts- und Sexualitätsentwicklung aufgegriffen. Aus dem Verhalten des Jägers als zivilcouragierter Retter von Schneewittchen und der sieben Zwerge als unterstützende Weggefährten werden zentrale psychologische Erkenntnisse zu Zivilcourage und Hilfeverhalten abgeleitet.

Miriam Krug
10. Rotkäppchen von den Gebrüdern Grimm (1812)

Das Grimm‘sche Märchen „Rotkäppchen“ ist eine der bekanntesten Geschichten Europas und zählt zu den am häufigsten interpretierten und parodierten Märchen. In diesem Beitrag wird das Märchen aus psychologischer Sicht beleuchtet. Hierbei wird eine Auswahl einzelner im Märchen auftretender Phänomene der Psychologie erklärt und deren Bedeutung für die heutige Zeit dargelegt. Insbesondere beschäftigt sich dieses Kapitel mit dem Dramadreieck, einem psychologischem und sozialem Modell der Transaktionsanalyse, das die Rollen des Opfers, Verfolgers und Retters beinhaltet. Darüber hinaus werden die Phänomene des Versprechens und Vertrauens am Beispiel des naiven Kindes, Rotkäppchen, veranschaulicht. Zuletzt wird am Beispiel des Jägers auf prosoziales Verhalten und dessen aktuelle Relevanz eingegangen. Auf Basis dieser Ausführungen werden schließlich Handlungsempfehlungen für die Lebensgestaltung und Erziehung geboten.

Sabine Weber
11. Vom Fischer und seiner Frau von den Gebrüdern Grimm (1812)

Ein Fischer und seine Frau führen ein bescheidenes Leben am Ufer eines Sees. Eines Tages fängt der Fischer einen verzauberten Fisch, der ihnen sämtliche Wünsche nach mehr Luxus und Besitztümern erfüllt. Da die Fischersfrau nie genug bekommen kann, wird sie schließlich für ihren Größenwahn bestraft und am Ende lebt das Paar genauso arm wie zu Beginn. Das Märchen vom Fischer und seiner Frau aus der Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm thematisiert lehrreiche und relevante Gedanken zur Partnerschaft und Partnerwahl, erläutert anschaulich das psychologische Prinzip der Reziprozität sowie spannende psychologische Erkenntnisse zu den Themen Gehorsamkeit, Macht und Respekt. Weitere Schwerpunkte sind Lebenszufriedenheit im Zusammenhang mit materiellem Besitz sowie die Analyse des Verhaltens der Fischersfrau im Kontext der klinischen Psychologie.

Natalie Hartung, Katharina Pfaffinger
12. Rumpelstilzchen von den Gebrüdern Grimm (1812)

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den psychologischen Phänomenen, die in dem Märchenklassiker „Rumpelstilzchen“ auftreten und den daraus abzuleitenden Implikationen für unsere heutige Lebensgestaltung. Ein Bestandteil der Analyse ist der psychologische Vertrag, den die Müllerstochter mit Rumpelstilzchen schließt. Außerdem wird das Phänomen des Glaubens an eine gerechte Welt genauer betrachtet, welches dazu führt, dass Rumpelstilzchen als Bösewicht der Geschichte dasteht. Darauffolgend werden die, schlussendlich für den Ausgang der Geschichte entscheidenden, Phänomene erlernte Hilflosigkeit und Reaktanz thematisiert. Implikationen zum alltäglichen Umgang mit Größenwahn und Habgier sowie zur Unterscheidung zwischen Recht und Gerechtigkeit werden abgeleitet.

Paula Münster
13. Schneeweißchen und Rosenrot von den Gebrüdern Grimm (1837)

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Analyse des Märchens „Schneeweißchen und Rosenrot“ der Gebrüder Grimm. In dieser Geschichte nehmen zwei Schwestern einen in einen Bären verzauberten Prinzen auf. Nachdem sie mehrmals einen Zwerg aus prekären Situationen gerettet hatten, was er ihnen niemals dankte, erschlägt der Bär ebendiesen, da er seinen Schatz gestohlen und ihn verwunschen hatte. Mithilfe psychologischer Theorien und empirischer Befunde werden sowohl negative als auch positive Konsequenzen in den Bereichen Altruismus, Reziprozität und Vertrauen sowie die Implikationen, die diese aus der Perspektive der Sozial-, Arbeits- und Wirtschaftspsychologie nach sich ziehen, aufgezeigt.

Isabel Kroiß
14. Hänsel und Gretel von den Gebrüdern Grimm (1819)

„Hänsel und Gretel“ handelt von zwei Kindern, die von ihren Eltern aufgrund einer Hungersnot im Wald ausgesetzt werden. Sie verlaufen sich und gelangen an ein Lebkuchenhäuschen, das von einer bösen Hexe bewohnt wird. Diese lockt die erschöpften Kinder in ihr Haus, um sie dann im Ofen zu braten und zu verspeisen. Doch Hänsel und Gretel gelingt es, sich zu befreien, und die Hexe im Ofen zu verbrennen. Sie finden wieder zurück nach Hause und werden von ihrem Vater freudig empfangen. Da alle Akteure im Handlungsverlauf lügen, beschäftigt sich dieses Kapitel zunächst mit psychologischen Hintergründen des Lügens. Anhand Hänsels Optimismus wird beleuchtet, unter welchen Umständen dieser vorteilhaft ist. Gretels resignatives Verhalten kann durch „erlernte Hilflosigkeit“ erklärt werden. Dass der Vater trotz Bedenken und Liebe zu seinen Kindern nicht interveniert, als die Stiefmutter die Kinder aussetzt, soll Anlass sein, konformes und gehorsames Verhalten psychologisch zu erklären.

Verena Berthold, Sarah Eichmann
15. Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen von den Gebrüdern Grimm (1818)

Das Märchen „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ der Gebrüder Grimm wird eher selten erzählt. In diesem Kapitel wird aufgezeigt, dass die häufig negativen Reaktionen der Leser auf das Märchen anhand des Effekts der Erwartung, demzufolge Menschen auf verletzte Erwartungen mit Ärger reagieren, erklärt werden können. Der Titel des Märchens deutet bereits darauf hin, dass der Held des Märchens keine Furcht empfinden kann. Auch dieses Phänomen wird psychologisch unter Rückbezug auf die Persönlichkeitseigenschaft des Sensation Seeking untersucht. Des Weiteren wird anhand der Kontrastierung von eudämonischem und hedonischem Glück herausgestellt, warum das Märchen nicht wie üblich damit enden kann, dass der Held die Prinzessin heiratet, und warum dieses Ende für den Helden kein Happy End gewesen wäre. Abschließend werden Implikationen der behandelten psychologischen Phänomene für das eigene Leben diskutiert.

Angelika Stefan
16. Der Hase und der Igel von den Gebrüdern Grimm (1815)

Ein zentrales Thema des Grimm‘schen Märchen „Der Hase und der Igel“ ist das Streben nach Leistungsvergleichen, welches in Theorien sozialer Vergleichsprozesse und Minderwertigkeitstheorien skizziert wird. Des Weiteren spielen Aggression und Rache, Demütigung, Respekt und Selbstwertbedrohung eine wichtige Rolle. Für das alltägliche Leben lehrt uns das Märchen vor allem, dass soziale Vergleiche, die eine Bedrohung des Selbstwertes darstellen, ein Bewusstmachen der eigenen Stärken und Talente erfordern. Dies schützt vor impulsivem Verhalten und dient als Ansporn, an sich selbst zu arbeiten.

Marie Raith
17. Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack von Ludwig Bechstein (1847)

Im Märchen „Tischlein deck dich“ von Ludwig Bechstein geht es um einen Handwerker, dessen Söhne alle nacheinander auf Wanderschaft gehen und von ihrem Arbeitgeber als Dank dafür besondere Geschenke bekommen, die den beiden älteren Söhne jedoch durch eine List wieder abgenommen werden. Nur durch das Geschick und das Geschenk des jüngsten Bruders, der von allen nur als dumm angesehen wird, bekommen die älteren Brüder ihre Geschenke wieder zurück, und die Familie kann zufrieden und glücklich zusammenleben. Themen, die in dem Märchen eine Rolle spielen, sind insbesondere psychologische Phänomene wie selbsterfüllende Prophezeiungen, die Grundbedürfnisse nach Maslow sowie Gerechtigkeit. Aus diesen werden praktische Implikationen abgeleitet und zudem wird deren theoretischer Hintergrund beleuchtet. Das Märchen stellt eine Weiterentwicklung einer früheren Erzählung der Grimm-Brüder dar, und es werden daher auch die Unterschiede zwischen den beiden Versionen behandelt.

Katharina Pfaffinger
18. Das Märchen von den drei Brüdern von J. K. Rowling (2008)

Begeisterte Harry-Potter-Leser werden das „Märchen von den drei Brüdern“ bereits kennen. Das von J. K. Rowling erdachte Märchen erzählt die Geschichte von drei Zaubererbrüdern, die auf einer Brücke dem Tod begegnen. Die älteren Brüder sehnen sich nach Unsterblichkeit und wollen den Tod besiegen, werden von jener unheimlichen Kapuzengestalt jedoch um ihre Seelen betrogen. Der genügsame jüngste Bruder entkommt dem Tod zunächst, verlässt aber schließlich auch dieses Leben. Die Moral des Märchens: Der Tod ist unausweichlich, die Angst vor dem Tod zwecklos, genauso wie jeder Versuch, ihm zu entrinnen. Es folgt eine psychologische Betrachtung zur Unausweichlichkeit des Todes und zum Wunsch nach Unsterblichkeit. Woher kommt dieser Wunsch, was macht er mit uns, und wie können wir die Angst vor dem Tod bewältigen? Dabei können wir einiges über uns selbst und unsere tiefsten existenziellen Ängste erfahren.

Sophie Drozdzewski
19. Der Fischer und der Dschinn aus Tausendundeiner Nacht

„Der Fischer und der Dschinn“ ist ein arabisches Märchen, das eine Begegnung zwischen einem armen, aber fleißigen Fischer und einem Dschinn (Dämon) beschreibt. Der Verlauf der dyadischen Interaktion zwischen den beiden Hauptcharakteren kann durch mehrere psychologische Phänomene erklärt werden. Die beiden Hauptcharaktere unterscheiden sich vor allem in ihrer Selbstregulationsfähigkeit, die in dem Märchen als Tugend belohnt wird. Das aggressive Verhalten des Dschinns kann als Reaktion auf soziale Exkludierung (sein jahrhundertelanges Exil in einer Flasche) gewertet werden. Seine Entscheidung, dem Fischer seine persönliche Geschichte zu erzählen, wird im Rahmen des Kapitels durch die Impression-Management-Hypothese und den fundamentalen Attributionsfehler erklärt.

Angelika Stefan
20. Der Wolf und die sieben jungen Geißlein von den Gebrüdern Grimm (1819)

Das Grimm‘sche Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“ wird aus Sicht der Psychologie beleuchtet. Hierbei werden einzelne im Märchen auftretende psychologische Phänomene erklärt und daraus die Bedeutung des Märchens für die heutige Zeit abgeleitet. Dieses Kapitel beinhaltet das Konstrukt des Rollenkonflikts, welches anhand der Problematik berufstätiger Mütter verdeutlicht wird. Weiterhin wird das Phänomen des blinden Vertrauens bzw. der kindlichen Naivität am Beispiel der sieben jungen Geißlein veranschaulicht. Zuletzt wird die Schwierigkeit von Gruppenentscheidungen genauer betrachtet und im Zuge dessen die beiden psychologischen Konstrukte Hidden-Profile-Effekt und Risky-Shift-Phänomen dargelegt. Auf Basis dieser Erläuterungen werden dem Leser im Fazit schließlich Handlungsempfehlungen für den Alltag geboten.

Lorea Urquiaga
21. Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern von Hans Christian Andersen (1845)

Das Schicksal des kleinen Mädchens aus dem Märchen „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ wirkt wie eine Geschichte aus längt vergangenen Tagen: Hungernd und frierend versuchte es an einem klirrend kalten Silvesterabend vergeblich, Schwefelhölzer zu verkaufen, und erfror schließlich in einer Nische zwischen zwei Häusern. Niemand half ihm, nach Hause konnte es aus Angst vor dem eigenen Vater nicht. Vor dem Hintergrund psychologischer Theorien und Erkenntnisse zum Hilfeverhalten (und vor allem der Frage, warum wir nicht helfen), zum Umgang mit Misserfolg und zu Bedürfnissen wird das Schicksal des kleinen Mädchens mit den Schwefelhölzern näher betrachtet – nur um festzustellen, dass seine Geschichte auch heute nicht an Aktualität eingebüßt hat und uns lehren kann, unser Handeln in Erziehung, Führung und Lebensgestaltung kritisch zu überdenken.

Eileen Wittmann
22. Väterchen Frost von Alexander Afanasjew (Mitte des 19. Jahrhunderts)

Bei Väterchen Frost (Ded Moroz) handelt es sich um das russische Äquivalent zum westlichen Weihnachtsmann und gleichzeitig um eine der wohl bekanntesten Märchenfiguren im slawischen Kulturraum. Im vorliegenden Märchen geht es um ein junges Mädchen, welches auf Befehl ihrer bösen Stiefmutter von ihrem eigenen Vater in einer frostigen Winternacht im Wald zum Sterben ausgesetzt wird. Glücklicherweise findet Väterchen Frost das gutherzige Mädchen und überschüttet es mit vielen kostbaren Reichtümern und warmen Gewändern. Als die Stiefmutter den Reichtum sieht, schickt sie auch ihre leibliche Tochter in den Wald, um die gleichen Geschenke zu ergattern wie die verhasste Stieftochter. Diese kommt aber nie wieder zurück. Auf Basis dieses Märchens werden Themen wie biologische und Stiefelternschaft (Patchworkfamilien) sowie Gehorsam näher erläutert und Implikationen für die Erziehung und Lebensgestaltung abgeleitet.

Maxim Karl
23. Dr. Allwissend von den Gebrüdern Grimm (1815)

Ein Bauer sieht den Wohlstand eines Doktors und folgt dessen spöttischem Ratschlag, sich selbst als Doktor auszugeben. Von nun an war er als Dr. Allwissend bekannt. Es dauerte nicht allzu lange, bis er von einem reichen Mann engagiert wird, um einen Diebstahl aufzuklären. Durch missverstandene Kommentare des Dr. Allwissend glauben die Diener des reichen Mannes, dass sie von ihm als Diebe identifiziert wurden. Letztlich geben sie den Diebstahl gegenüber Dr. Allwissend zu, und er konnte den Fall, ohne die Diener zu verraten, lösen. Dieses Märchen zeigt, dass Menschen durch falsche Kompetenzzuschreibung und Gruppenwahrnehmung beeinflusst werden und dem fundamentalen Attributionsfehler unterliegen können. Daher kommt einer realistischen Selbsteinschätzung und fairen Bewertung anderer Menschen eine hohe Bedeutung zu, die in den Implikationen für die Erziehung, Führung und Lebensgestaltung aufgegriffen werden.

Jochen Baumeister
24. Bremer Stadtmusikanten von den Gebrüdern Grimm (1819)

Das Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ der Gebrüder Grimm handelt von vier in die Jahre gekommenen Tieren, die von ihren Besitzern verjagt wurden oder getötet werden sollten. Doch die Tiere schließen sich zusammen und machen sich auf den Weg nach Bremen, um dort gemeinsam Straßenmusik zu machen. Auf ihrer Reise können sie eine Räuberbande aus deren Haus vertreiben und beschließen, nicht weiter nach Bremen zu wandern, sondern in jenem Räuberhaus zu bleiben. Das Märchen kann als Kritik an einer übermäßigen Leistungsorientierung verstanden werden und mahnt darüber hinaus dazu, älteren Gesellschaftsmitgliedern mehr Respekt entgegenzubringen. Es zeigt zudem deutlich, dass wir in Gruppen mehr erreichen können, als alleine. Anhand der unterschiedlichen Charaktere wird das Konzept der „Handlungs- und Lageorientierung“ verdeutlicht und auf psychologische Grundlagen von Rassismus eingegangen. Das Märchen kann auch als Aufruf verstanden werden, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen.

Verena Berthold
25. Die drei Glückskinder von den Gebrüdern Grimm (1819)

Das Märchen „Die drei Glückskinder“ handelt von drei Brüdern, die von ihrem Vater jeder ein scheinbar wertloses Erbe erhalten: einen Hahn, eine Sense und eine Katze. Nacheinander machen sie sich auf den Weg zu fremden Inseln, wo sie ihr Erbe gegen unermesslichen Reichtum eintauschen. Dies gelingt ihnen, weil die Inselbewohner mithilfe des Hahns, der Sense und der Katze in die Lage versetzt werden, das ein oder andere Problem in ihrem Alltag zu lösen. Nur die Bewohner, die die Katze im Tausch erworben haben, können ihr Miauen nicht deuten und bekommen Angst vor ihr. Bei dem Versuch, das Tier zu vertreiben, zerstören sie ihr eigenes Schloss. Im Zentrum des Märchens steht das Thema Glück, dessen Faktoren eingehend besprochen werden. Der Umgang mit Misserfolgen (Kontrollerleben und Impftheorie) und die Auswirkungen der Leistungen anderer (Lernen am Modell, Motivation durch andere) schließen sich an. Daraus lassen sich praktische Implikationen für den Alltag und die Erziehung ableiten.

Vanessa Allwardt, Maxim Karl
26. Das Rübchen von Alexander Afanasjew (Mitte des 19. Jahrhunderts)

In Zeiten der stetig zunehmenden Globalisierung und Migration sollten wir über den Tellerrand hinausblicken und uns von anderen Kulturen und deren Märchen inspirieren lassen, z. B. von dem russischen Volksmärchen „Das Rübchen“ von Alexander Afanasjew. Die Charaktere in dem Märchen gehen uns mit gutem Beispiel voran, anderen Menschen vorurteilsfrei zu begegnen. Außerdem zeigt uns „Das Rübchen“, dass wir, wenn wir vor scheinbar unlösbare Herausforderungen gestellt werden, als Team agieren sollten, unser Ziel nicht aus den Augen verlieren dürfen und dieses hartnäckig verfolgen müssen.

Irina Bachsleitner
27. Hans im Glück von den Gebrüdern Grimm (1819)

Das Grimm’sche Märchen „Hans im Glück“ wird aus Sicht der Psychologie analysiert. Hierbei werden einzelne im Märchen auftretende psychologische Phänomene erklärt und daraus die Bedeutung des Märchens für die heutige Zeit abgeleitet. Dieses Kapitel behandelt das im Zentrum des Märchens stehende Motiv des Glücks. Im Rahmen dessen werden verschiedenen Facetten von Glück wie Faktoren und Auswirkungen, Zufriedenheit und Optimismus dargelegt, bevor der Leser in das Forschungsgebiet der positiven Psychologie eingeführt wird. Anschließend wird die Frage nach dem Haben oder Sein diskutiert, faire Geschäfte anhand der Prinzipal-Agent-Theorie erläutert und die Emotion Neid genauer betrachtet. Abschließend werden Schlüsse für die Führung und Erziehung gezogen und anhand dieser Anregungen geboten, was man aus diesem Märchen für den Alltag lernen kann.

Katharina Gerstung
28. Die Spinne und die Weisheit – ein afrikanisches Volksmärchen

Das Märchen „Die Spinne und die Weisheit“ stammt aus Afrika und erzählt eine außergewöhnliche Geschichte über eine Spinne auf Reisen, die einem intelligenten Hasen begegnet. Hauptsächlich dreht sich das Märchen um das Thema Weisheit und darum, wie man diese erlangen kann. Dem Spinnenmännchen unterlaufen auf seiner Reise diesbezüglich einige Fehler. Das vorliegende Kapitel setzt sich mit den dazugehörigen psychologischen Phänomenen wie Wissensmanagement, Feedback und Macht auseinander. Zudem stellt dieses Kapitel das alte Märchen zur heutigen Zeit in Bezug. Aus den Erkenntnissen können einige Implikationen für die Arbeitswelt und Lebensgestaltung abgeleitet werden, die dazu dienen, die Fehler der Spinne sinnvoll zu reflektieren, sodass Sie selbst nicht Gefahr laufen, dieselben zu begehen. Diese werden in sechs Leitsätzen präsentiert.

Franziska Wittmann
29. Der Teufel mit den drei goldenen Haaren von den Gebrüdern Grimm (1857)

Ein als Glückskind bezeichneter armer Jüngling wird zur Zielscheibe eines hartherzigen Königs, da eine Prophezeiung vorhersagt, dass er die Tochter des Königs zur Frau nehmen wird. Nachdem er mehrere Attentate überlebt, wird er vom König zum Teufel mit den drei goldenen Haaren geschickt. Glücklicherweise überlebt der Junge auch diese Herausforderung, wird reich und heiratet schließlich wie vorhergesagt die Königstochter. Anhand dieses Märchens können die psychologischen Phänomene Glück sowie elementare soziale und prosoziale Motive aufgezeigt werden. Besprochen werden in diesem Kontext die Theorien der kognizierten Kontrolle und sozialer Vergleichsprozesse, der normative soziale Einfluss, Verwandtschaftsselektion, Reziprozitätsnorm und das soziale Lernen von Bandura. Daraus lassen sich Implikationen für die Erziehung, Führung und Lebensgestaltung ableiten.

Maximilian Spanner
30. Aschenputtel von den Gebrüdern Grimm (1819)

Aschenputtel, auch als Aschenbrödel geläufig, zählt zu den bekanntesten Märchen im europäischen Raum. Beim genaueren Betrachten sind in diesem zahlreiche psychologische Phänomene und Implikationen enthalten, die uns beim Bestreiten unseres Alltags auch heute noch von Nutzen sein können. Nach einer kurzen Beschreibung der verschiedenen Charaktere des Märchens wird anhand der Figur des Aschenputtels das Phänomen erlernter Hilflosigkeit erläutert. Seine missliche Situation führt dazu, dass das Mädchen sog. Copingstrategien entwickelt, welche ebenso näher betrachtet werden. Da die psychologischen Konstrukte Identität und Selbstwert gleich an mehreren Figuren zu erkennen sind, spielen auch diese im folgenden Kapitel eine größere Rolle. Schließlich werden anhand des Märchens Implikationen für die Bereiche Erziehung und Lebensgestaltung abgeleitet.

Lena Kuchta
31. Der Arme und der Reiche von den Gebrüdern Grimm (1815)

Der liebe Gott bittet ein reiches Ehepaar mit einem großen, prächtigen Haus um Unterschlupf für die Nacht. Aufgrund des ärmlichen Aussehens verweigert das reiche Ehepaar ihm die Unterkunft. Daraufhin bittet der liebe Gott ein armes Ehepaar mit einem ärmlichen Haus um Unterschlupf, der ihm gewährt wird. Für die barmherzige Aufnahme und Verpflegung erfüllt der liebe Gott dem armen Ehepaar drei Wünsche, welches fortan glücklich bis an sein Lebensende ist. Auch dem reichen Ehepaar gewährt der liebe Gott auf ihr Bitten drei Wünsche, rät aber von der Verwendung ab. Als der reiche Mann die Wünsche unbedacht ausspricht, hat er damit nichts als Scherereien. Anhand des Märchens „Der Arme und der Reiche“ werden u. a. psychologische Phänomene wie Egoismus, Selbstkonzept und Selbstwert, die Empathie-Altruismus-Hypothese, der Gerechte-Welt-Glaube sowie die Theorie des sozialen Vergleichs verdeutlicht und daraus Implikationen für die Arbeit und Lebensgestaltung abgeleitet.

Vanessa Allwardt
32. Die Schneekönigin von Hans Christian Andersen (1844)

Das Märchen „Die Schneekönigin“ ist eines von über 150 Märchen, die vom dänischen Dichter Hans Christian Andersen (1805–1875) verfasst wurden. Es zählt zu den längsten und komplexesten seiner Märchen und erzählt die Geschichte von der kleinen Gerda, die sich auf die lange und anstrengende Suche nach ihrem besten Freund Kay begibt. Jener wurde von der schrecklichen Schneekönigin in den hohen Norden entführt und wird in ihrem Schloss gefangen gehalten. Gerda trotzt auf dieser Odyssee vielen Gefahren und wächst dabei über sich hinaus. Das Märchen bietet die Gelegenheit, mehreren psychologischen Phänomenen auf den Grund zu gehen: Mut, Verantwortung, Selbstbestimmung und soziale Wahrnehmung sind zentrale Themen der Geschichte. Darüber hinaus erfahren wir, warum es sich lohnt, im Herzen Kind zu bleiben und so die Welt mit ungetrübtem Blick zu betrachten.

Sophie Drozdzewski, Katharina Sagstetter
33. Die Lebenszeit von den Gebrüdern Grimm (1840)

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Analyse des Märchens „Die Lebenszeit“ der Gebrüder Grimm, in welchem der Mensch die überflüssigen Lebensjahre der geplagten Tiere, die um Nachlass bitten, übernimmt und daraufhin selbst gebrechlich und zum Gespött wird. Mithilfe psychologischer Theorien und empirischer Befunde werden sowohl negative als auch positive Konsequenzen in den Bereichen Kontrolle, Mäßigung und Lebenszufriedenheit sowie die Implikationen, die diese aus der Perspektive der Sozial-, Arbeits- und Wirtschaftspsychologie nach sich ziehen, aufgezeigt.

Isabel Kroiß
34. Frau Holle von den Gebrüdern Grimm (1812)

In diesem Kapitel wird das Märchen „Frau Holle“ von den Gebrüdern Grimm besprochen. Nach einer Beschreibung aller Charaktere wird das Märchen mit ausgewählten psychologischen Phänomenen in Verbindung gebracht. Es werden der autoritäre Charakter, das Milgram-Experiment sowie das Stockholm-Syndrom und die Theorie des sozialen Vergleichs herausgearbeitet. Abschließend folgt die Besprechung der Relevanz dieser Themen in unserer heutigen Zeit: Was bedeuten sie für unser Denken und Entscheiden, für die Leistungs- und Sollerbringung und für unser Glück? Dazu werden einige Denkanstöße gegeben.

Nicole Blabst
35. Der alte Großvater und der Enkel von den Gebrüdern Grimm (1857)

Das Märchen „Der alte Großvater und der Enkel“ von den Gebrüdern Grimm veranschaulicht am Beispiel einer Drei-Generationen-Familie sehr eindringlich, was dem Zusammenleben in unserer Gesellschaft zugrunde liegt. Unter dem Licht psychologischer Phänomene wird darauf eingegangen, wie Eltern durch ihre Vorbildfunktion ihre Kinder erziehen und wie soziale Rollen und Stereotype unser Bild von und unsere Erwartungen an andere, aber – im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung – auch an uns selbst prägen. Oft hilft es dabei, einen Schritt zurückzutreten, um die Situation sowie das eigene Verhalten zu reflektieren und dadurch eine neue Perspektive auf uns selbst sowie auf die Menschen um uns herum und unser Zusammenleben zu gewinnen. Genau dazu regt das Märchen über den alten Großvater und seinen Enkel an.

Julia Käs
36. Die drei kleinen Schweinchen von Joseph Jacobs (1890)

Joseph Jacobs erzählt in seinem im Jahr 1890 verfassten Märchen „Die drei kleinen Schweinchen“ von der gemeinsamen Flucht dreier Schweinchen vor dem bösen Wolf. Nachdem der Wolf die drei Schweinchen aufgrund der instabilen Häuser der ersten beiden Schweinchen mehr und mehr in die Enge drängen konnte, gelang es ihnen dennoch, diesen durch den Rückzug in das stabile Haus des dritten Schweinchens und mit einer List zu bezwingen. Das Märchen zeigt uns, wie wichtig der Zusammenhalt in solch einer Gefahrensituation ist und welche Lehre die ersten beiden Schweinchen letztendlich daraus ziehen können. Anhand des Märchens werden verschiedene psychologische Phänomene verdeutlicht. Dabei wird im Erziehungskontext auf die Bedeutung der Vorbereitung auf ein selbstständiges Leben eingegangen. Im Arbeitskontext wird der Fokus auf gemeinsame Ziele, Bedürfnisse und Motivation gelegt und im allgemeinen sozialen Kontext werden die Themen Lernen und Helfen anhand des Märchens beleuchtet.

Katharina Sagstetter
37. Der kleine Muck von Wilhelm Hauff (1826)

Ein kleinwüchsiger Mann namens Muck wird von Kindheit an für sein wunderliches Aussehen verspottet. Er gerät durch Diebstahl in den Besitz von Pantoffeln und einem Spazierstock, durch dessen magische Eigenschaften er eine Anstellung am Königshof findet. Die Pantoffeln lassen ihn in Windeseile laufen, mithilfe des Spazierstockes kann er Schätze finden. Als Liebling des Königs bringt ihn die Missgunst der anderen Angestellten in die gefährliche Lage, die Zauberfähigkeiten seiner Gegenstände zu verraten. Der König nimmt ihm beide ab, und nur durch eine List kann Muck ihrer wieder habhaft werden. Dieses Märchen zeigt, wie Voreingenommenheit die Wahrnehmung anderer Menschen beeinträchtigt. Der Verklärungseffekt führt dazu, dass Muck nur auf sein Aussehen reduziert und unterschätzt wird. In diesem Märchen werden einige kriminelle Taten begangen, aber nicht geahndet, da der Gerechte-Welt-Glaube zu der Erwartung führt, dass sich gute und schlechte Erfahrungen letztlich ausgleichen.

Jochen Baumeister, Maximilian Spanner
38. Dornröschen von den Gebrüdern Grimm (1819)

Das Grimm‘sche Märchen „Dornröschen“ wird aus Sicht der Psychologie analysiert. Hierbei werden einzelne im Märchen auftretende psychologische Phänomene erklärt und daraus die Bedeutung des Märchens für die heutige Zeit abgeleitet. Dieses Kapitel behandelt zunächst das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit und die Folgen von einer Verletzung ebendieses Zugehörigkeitsbedürfnisses (soziale Exklusion). Weiterhin wird das Konstrukt der Neugier am Beispiel von Dornröschen veranschaulicht. Im Zuge dessen wird das in der Psychologie viel verwendete Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit vorgestellt. Zuletzt wird das Märchen vor dem Hintergrund der Psychoanalyse betrachtet. Im Mittelpunkt steht hier das von Freud begründete Motiv der Verdrängung. Auf Basis dieser Erläuterungen werden dem Leser im Fazit schließlich Handlungsempfehlungen für den Alltag geboten.

Katharina Gerstung, Lorea Urquiaga
39. Der Jäger, der seine Frauen ungleich behandelte – ein afrikanisches Volksmärchen

In diesem Kapitel wird das Märchen „Der Jäger, der seine Frauen ungleich behandelte“ thematisiert. Das Märchen stammt aus Guinea und handelt von einem Jäger, der mit zwei Frauen zusammenlebt. Dabei entsteht für eine der beiden Frauen eine große Ungerechtigkeit, da sie sich vernachlässigt fühlt. Dies resultiert in einer Racheaktion, in der sie vom Opfer zur Täterin wird. Nach einer Beschreibung aller Charaktere wird der Zusammenhang des Märchens mit psychologischen Phänomenen hergestellt. Hierzu zählen der Glaube an eine gerechte Welt, die Frustrations-Aggressions-Theorie sowie soziale Zurückweisung. Abschließend wird die Relevanz dieser Themen in unserer heutigen Zeit diskutiert: Wo erfahren wir Ungerechtigkeit?

Nicole Blabst, Franziska Wittmann
40. König Drosselbart von den Gebrüdern Grimm (1812)

König Drosselbart, ein eher unbekanntes Märchen der Gebrüder Grimm, zeigt uns, dass wir Märchen trotz ihres moralischen Werts durchaus auch kritisch hinterfragen sollten. Die Charaktere zeigen Verhaltensweisen wie Demütigung oder Bestrafung, welche zur damaligen Zeit akzeptabel gewesen sein mögen, heute jedoch differenziert betrachtet werden müssen. Doch auch daraus können wir unsere Lehren ziehen. Anhand der psychologischen Phänomene zu den Themen psychologischer Vertrag, Zufriedenheit und Anspruchsniveau sowie Bestrafungslernen werden Implikationen für die Erziehung, Arbeit und Lebensgestaltung abgeleitet.

Irina Bachsleitner, Julia Käs
41. Der gestiefelte Kater Der gestiefelte Kater von den Gebrüdern Grimm (1812)

Dieses Kapitel befasst sich mit psychologischen Phänomenen und Implikationen für verschiedene Lebensbereiche, die in dem Märchen „Der gestiefelte Kater“ in Erscheinung treten beziehungsweise daraus abgeleitet werden können. So verkörpert die Figur des Katers das Konstrukt der Handlungsorientierung, die der von großer Dankbarkeit und Lageorientierung geprägten Figur des Müllersohnes gegenübersteht. Die beiden Figuren verbindet das Konstrukt der Freundschaft, das ebenfalls im Rahmen dieses Kapitels näher erläutert wird. Anhand dieser Kontroverse zwischen der dominanten Art des Katers und dem demütigen Müllersohn lassen sich Handlungsempfehlungen für Führungskräfte und den Arbeitsbereich ableiten. Weitere Themen im Märchen lassen zudem auf Implikationen in den Bereichen Erziehung und Lebensgestaltung schließen.

Lena Kuchta, Sabine Weber
42. Es ist wirklich wahr von Hans Christian Andersen (1848)

Das Märchen „Es ist wirklich wahr“ von Hans Christian Andersen thematisiert, wie durch das Weitererzählen einer Geschichte der Inhalt derselben immer weiter verfälscht wird, bis aus einer „kleinen Feder fünf Hühner werden“. Das Phänomen, dass Nachrichten nach mehreren Weitergaben verändert werden, nennt man „stille Post“. Es beschreibt wie schwierig erfolgreiche Kommunikation ist, da alles, was wir wahrnehmen, durch vergangene Erfahrungen geprägt ist. Dies führt dazu, dass sich jeder seine eigene Wahrheit konstruiert. Warum wir überhaupt Geschichten über andere weitererzählen, kann verschiedene Motive haben. „Gossip“ fördert kulturelles Lernen und erfüllt Bedürfnisse wie Verbundenheit oder Kontrolle. Es kann aber auch als Machtinstrument eingesetzt werden, um andere Menschen schlecht dastehen zu lassen. Auch Medien können unser Bild von der Welt beeinflussen, weshalb ein kritischer Umgang mit diesen erlernt werden sollte.

Kim Borrmann, Miriam Krug
43. Ali Baba und die vierzig Räuber Ali Baba und die vierzig Räuber aus Tausendundeiner Nacht

Der arme Holzfäller Ali Baba entdeckt im Wald eine Räuberhöhle voller Schätze, welche er großzügig mit seiner Familie und anderen Bedürftigen teilt. Immer wieder entgeht er den Racheplänen des Räuberhauptmannes, der versucht seine Beute und seine Vormachtstellung in der Bande zu verteidigen. Das Märchen von Ali Baba und den vierzig Räubern aus der Geschichtensammlung von Tausendundeiner Nacht ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Es animiert den Leser durch zahlreiche unvorhergesehene Wendungen dazu, sich immer wieder neu auf die Geschichte einzulassen und sich eine eigene Meinung zu den Protagonisten und ihren Handlungen zu bilden. Die Erzählung wirft hochaktuelle Fragen auf, die nach einer inhaltlichen Einführung in das Märchen und dessen Charaktere aus psychologischer Sicht beleuchtet werden. Es werden Phänomene aus der Moralpsychologie erklärt sowie psychologische Theorien und empirische Erkenntnisse zu verschiedenen Themen rund um Ehrgefühl, Gier und Loyalität diskutiert.

Natalie Hartung
44. Nachwort: Märchen sind Chancen für eine bessere Welt

In diesem Nachwort wird thematisiert, inwiefern Märchen eine Chance für eine bessere Welt darstellen. Unsere psychologischen Analysen der Märchen unterliegen dem humanistischen Grundgedanken von einer offenen Gesellschaft, gegenseitiger Wertschätzung und Toleranz. Märchen transportieren seit Jahrhunderten Weisheiten und Werte, welche wir nutzen können, um unser Leben zu gestalten, zu strukturieren oder zu verändern. Sie regen zur Reflexion an – beginnend bei der kritischen Reflexion der Märchen bis hin zum Hinterfragen des eigenen Handelns. Es soll herausgestellt werden, dass Psychologie – im Sinne der positiven Psychologie – dazu beitragen kann, Verantwortung zu übernehmen sowie kritische Zustände zu hinterfragen und zu verändern.

Dieter Frey, Paula Münster
Backmatter
Title
Psychologie der Märchen
Editor
Dieter Frey
Copyright Year
2017
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-53668-1
Print ISBN
978-3-662-53667-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-53668-1

Accessibility information for this book is coming soon. We're working to make it available as quickly as possible. Thank you for your patience.

    Image Credits
    Schmalkalden/© Schmalkalden, NTT Data/© NTT Data, Verlagsgruppe Beltz/© Verlagsgruppe Beltz, EGYM Wellpass GmbH/© EGYM Wellpass GmbH, rku.it GmbH/© rku.it GmbH, zfm/© zfm, ibo Software GmbH/© ibo Software GmbH, Lorenz GmbH/© Lorenz GmbH, Axians Infoma GmbH/© Axians Infoma GmbH, OEDIV KG/© OEDIV KG, Rundstedt & Partner GmbH/© Rundstedt & Partner GmbH