Vier Monate als Konzernchef und Pressesprecher in Personalunion gingen für den Vorstandsvorsitzenden von Siemens, Joe Kaeser am 1. Juli zu Ende. Nach dem Weggang des langjährigen Head of Communications and Governemnt Affaires Stephan Heimbach hatte Kaeser dessen Posten vorübergehend mitverantwortet. Jetzt soll Clarissa Haller, ehemalige Sprecherin des Wettbewerbers ABB die Unternehmenskommunikation des DAX-Konzerns leiten. Damit betritt die 49-jährige eine der letzten Männerrunden in ihrem Beruf. Denn nur noch in der Altersgruppe ab 50 Jahren und in den DAX-30-Konzernen überwiegt der Anteil der männlichen Pressesprecher. Ansonsten ist der Genderswitch vollzogen und das Berufsfeld weitgehend feminisiert. Doch welche Faktoren beeinflussen den Karriereverlauf von Pressesprecherinnen?
Plaudern Frauen freundlicher?
Frauen, so will es das landläufige Klischee, kommunizieren freundlich, herzlich und verständnisvoll. Sie gelten als dialogbereite und konsensfähige Gesprächspartner. Oberflächlich betrachtet wären sie deshalb für die Public Relations geradezu bestimmt. Doch weit gefehlt: "Wer aus reiner Freude an der Beziehungspflege und Kommunikation in die Unternehmens-PR geht, wird enttäuscht sein und es schwerer haben, erfolgreich zu sein", stellt Springer-Autorin Katrin Hassenstein einen Irrtum über das Berufsfeld Public Relations richtig (Seite 95). Das Umfeld der Pressesprecherin ist nämlich managerorientiert und damit männlich codiert. Ihre kommunikativen Soft Skills spielen damit im Tagesgeschäft eine untergeordnete Rolle. Sie verhandelt, budgetiert, plant strategisch und zielgerichtet. Machen in Wirklichkeit also männliche Eigenschaften die weibliche Kommunikationsbegabung aus?
"Frauen stellen mittlerweile einen Anteil von 57 Prozent des Berufsfeldes. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken. In der Altersgruppe unter 29 Jahren sind es bereits 80 Prozent Frauen", ermittelte die Studie, Profession Pressesprecher 2015.
Wider die "Revolution des Herzens"
Mit ihrer Forschungsarbeit, für die die Autorin 106 männliche und 112 weibliche Pressesprecher zwischen 24 bis 62 Jahren – Durchschnittsalter 42,6 Jahre – befragte, widerlegt Hassenstein tatsächlich die vorherrschenden PR-theoretischen Ansätze "revolution of the heart" und "feminist model of a leadership". Nicht expressive und damit typische weibliche Eigenschaften bestimmen die Karriere von Pressesprecherinnen. Besonders bei Frauen ist der Berufserfolg an instrumentelle, also männlich konnotierte Fähigkeiten und die persönliche Motivation gebunden. Katrin Hassenstein kommt zu dem Fazit: "Weibliche Kommunikations- und Interaktionsbegabung hin oder her: Die Kommunikationsmanagerinnen der Zukunft brauchen instrumentelle Stärke, um sich durchzusetzen" (Seite 187).
Fazit: Die Karriere von Pressesprecherinnen wird maßgeblich von instrumentellen Persönlichkeitsfaktoren und weniger von der als feminin eingeordneten Expressivität bestimmt. Die unterschiedlichen Eigenschaften von Expressivität und Instrumentalität hat die Autorin in folgender Tabelle in Buchkapitel "Methode und Operationalisierung" dargestellt (Seite 109):
Expressivität (feminin) | Instrumentalität (maskulin) |
gefühlsbetont | unabhängig |
fähig, auf andere einzugehen | aktiv |
sanft | entscheidungsfreudig |
hilfreich | nicht leicht aufgebend |
freundlich | selbstsicher |
der Gefühle anderer bewusst | sich überlegen fühlend |
verständnisvoll | kann Druck gut standhalten |
Pflege häuslicher Beziehungen |