Räumliche Entwicklung der Musikwirtschaft in Deutschland
Herausforderungen für die amtliche Statistik und Analyse der Beschäftigten im Bereich Musik‑, Gesangs-, und Dirigententätigkeit sowie im Musikinstrumentenbau
Authors:
Dr. Marie-Louise Litmeyer, Prof. Dr. Christian Diller
Für eine räumlich differenzierende Betrachtung der räumlichen Entwicklung der Musikwirtschaft in Deutschland auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte steht lediglich die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zur Verfügung. In dieser wird jedoch nur etwa ein Viertel der Erwerbstätigen der Musikwirtschaft erfasst. Gleichwohl erbringt die Auswertung der Entwicklungen in einigen Bereichen interessante Ergebnisse. In der Gruppe der musikalisch Kreativen mit festen Beschäftigungsverhältnissen ist eine Konzentration auf kulturell traditionsreiche Großstädte vor allem in der räumlichen Mitte Deutschlands auffallend. In der Gruppe der Musikinstrumentenherstellung, die den Strukturwandel weitgehend bewältigt hat, sind die traditionellen Muster mit Schwerpunkten in Thüringen, Sachsen und Bayern nach wie vor gut ablesbar. Die beiden untersuchten Bereiche sind zwar eher zu den traditionellen und weniger dynamischen Segmenten der Musikwirtschaft zu zählen. Vertiefte Untersuchungen, die vor allem auch die dynamischeren Bereiche der Musikproduktion und der Musikveranstaltungen beinhalten und die die Selbstständigen mit einbeziehen, sind letztlich nur auf Basis entsprechend ausgerichteter Primärerhebungen möglich.
Einleitung
Mehr als drei Millionen Menschen (38 Personen pro 1000 EinwohnerIn) musizieren in Deutschland als BerufsmusikerInnen oder als Laien in einem Chor, einer Instrumentalgruppe oder einem Orchester (Statistisches Bundesamt 2017). Zudem gilt Deutschland als traditionelles Zentrum für den Musikinstrumentenbau. So ist z. B. angelehnt an französische Holzblasinstrumente in Nürnberg die Klarinette entstanden und in München wurde von Theobald Boehm die moderne Querflöte entwickelt (Goethe-Institut e. V. 2023).
Der Beitrag thematisiert daher die heutige räumliche differenzierten Entwicklung von Beschäftigung im Bereich Musik‑, Gesangs- und Dirigententätigkeiten sowie Musikinstrumentenherstellung.
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Im Abschn. 2 werden zunächst die bisherigen räumlich differenzierten Entwicklungen der Musikwirtschaft sowie die möglichen Datenquellen in Deutschland dargestellt. Im Abschn. 3 und 4 werden die Datengrundlage, Methodik und die Ergebnisse einer bundesweiten statistischen Auswertung der Beschäftigtenentwicklung vorgestellt. Abschließend wird ein Fazit gezogen und ein Forschungsausblick gegeben.
Stand der Forschung: Räumliche Entwicklung der Musikwirtschaft in Deutschland
Zur Beantwortung der Leitfrage dieses Abschnittes sind folgende Unterfragen zu klären:
Wie lässt sich die Musikwirtschaft definieren bzw. abgrenzen?
Wie lässt sich die abgegrenzte Musikwirtschaft in der amtlichen Statistik darstellen?
Welche räumlich differenzierten Befunde zur Beschäftigungsentwicklung in der Musikwirtschaft in Deutschland liegen vor?
Wie lässt sich die Musikwirtschaft definieren bzw. abgrenzen?
Analog zum Begriff der Kreativwirtschaft wird in diesem Beitrag der Begriff der Musikwirtschaft verwendet, nicht der Begriff der Musikindustrie. In diesem Begriff werden sowohl handwerklich-industrielle Tätigkeiten aus dem sekundären Sektor, insbesondere die Produktion von Musikinstrumenten, als auch künstlerisch-kreative Tätigkeiten der Produktion und Distribution von Musik, also tertiärer Wirtschaftssektoren, subsummiert.
International liegen mittlerweile einige Studien zur Entwicklung der Musikwirtschaft bzw. des Musikmarktes vor (z. B. IFPI 2022). Die für diesen Kontext überzeugendste Abgrenzung der deutschen Musikwirtschaft wurde in der Studie von Girard et al. (2020) vorgelegt. In Anknüpfung an eine ältere methodisch identische Studie (Seufert et al. 2015) wurden die Veränderungen der Erwerbstätigenentwicklung aller Medienbranchen (inklusive Musikwirtschaft) analysiert. Die Daten basierten auf der Umsatzsteuerstatistik und einer zusätzlichen Primärerhebung. Innerhalb der Musikwirtschaft werden sieben Bereiche unterschieden (vgl. Abb. 1). Die größten Bereiche sind die Musikveranstaltungen und die MusikerInnen, SängerInnen sowie DirigentInnen. Etwas kleiner sind die Bereiche Musikunterricht, Musikaufnahmen und Musikinstrumente. Musikverlage und Verwertungsgesellschaften runden das Gesamtbild ab.
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Die Musikwirtschaft in Deutschland kann als ein stark wachsender Wirtschaftsbereich eingeschätzt werden. Mit einem Wertschöpfungswachstum in Höhe von über einem Viertel (von 4 auf 5,2 Mrd. €) war die Musikwirtschaft im Zeitraum 2015–2020 die am stärksten gewachsene Medienbranche (Girard et al. 2020, S. 10). Auch die Zahl der Erwerbstätigen wuchs im Analysezeitraum um 25 % auf fast 158.000 Erwerbstätige. Davon waren 64.000 Personen Selbstständige.
Zu erwähnen ist eine Definition des „Musikökosystems“ (vgl. Sound Diplomacy 2021). In der Abgrenzung der relevanten Bereiche ist sie der o. g. Definition sehr ähnlich, bezieht jedoch den Rundfunk mit ein (obwohl dieser nicht nur Musik produziert). Da diese Studie aber nur empirisches Material für einige Bundesländer auswertet, wird hier als Bezugspunkt die Definition der bundesweit angelegten Studie von Girard et al. (2020) präferiert.
Wie lässt sich die abgegrenzte Musikwirtschaft in der amtlichen Statistik darstellen?
In der amtlichen Statistik lassen sich in Deutschland grundsätzlich drei Datenquellen identifizieren, die eine kontinuierliche Nachzeichnung der Entwicklung der Musikwirtschaft ermöglichen (Seufert 2016, S. 259).
Umsatzsteuerstatistik: In dieser sind auf 4‑/5-Stellerebene alle Steuerpflichtigen (Unternehmen einschließlich Selbstständige) mit einem Jahresumsatz ab 17.500 € erfasst. Hier sind Informationen zur Anzahl und Größenstruktur der Unternehmen verfügbar. Auf dieser Statistik basiert auch die o. g. Untersuchung von Girard et al. (2020).
Versichertenstatistik der Künstlersozialkasse: Erfasst werden selbstständige KünstlerInnen, deren jährliches Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze von 3900 € liegt (Ausnahme: BerufsanfängerInnen). Sie ermöglicht eine auf einem Fragebogen beruhende Unterteilung in die Bereiche Musik, darstellende Kunst oder bildende Kunst einschließlich Design (Künstlersozialkasse 2022).
Beschäftigtenstatistik: Sie erfasst die sozialversichert und geringfügig Beschäftigten nach Wirtschaftszweigen auf 4‑/5-Stellerebene und ermöglicht eine Untergliederung nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Altersgruppen, Voll- und Teilzeitkräften, Berufsqualifikation und -abschluss.
Die Zahlen aus der Umsatzsteuerstatistik werden aus Datenschutzgründen allerdings auf kleinräumiger Ebene zur Verfügung gestellt und die Künstlersozialkasse stellt lediglich Zahlen für den Gesamtbereich Musik bereit. Somit kann bei einer differenzierten Betrachtung unterschiedlicher Segmente der Musikwirtschaft nur auf die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zurückgegriffen werden.
Legt man die in Abb. 1 dargelegte Systematik der Musikwirtschaft zugrunde, lässt sich in der Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nur ein Teil der Bereiche der Musikwirtschaft auch kleinräumig abbilden. MusikpädagogInnen können in der Sozialversicherungsstatistik nicht von anderen PädagogInnen getrennt dargestellt werden. Auch Beschäftigte im Bereich von Musikveranstaltungen können nicht von Beschäftigten in anderen Veranstaltungsbereichen isoliert werden. Gleiches gilt für den gesamten Bereich der Musikproduktion. Für zwei Bereiche stellt die Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine relativ gute Grundlage dar:
Musikinstrumente bilden eines der traditionellen Segmente der Musikwirtschaft. Für das Jahr 2018 wies die Umsatzsteuerstatistik in Deutschland 1300 Musikinstrumentenhersteller mit einem Umsatz von 707 Mio. € aus. Für 2019 wurde eine Erwerbstätigenzahl von 6930 ermittelt, von denen 6432 sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Einerseits sind Musikinstrumentenhersteller traditionell vielfach räumlich eng miteinander verbunden, was Beispiele wie das Holzinstrumentenbaucluster im Vogtland belegen (TU-Chemnitz 2022). Anderseits ist dieser Bereich durch starke Import- und Exportverflechtungen geprägt (Seufert et al. 2015; Girard et al. 2020, S. 56). Zu erwähnen ist allerdings, dass Musikinstrumente nur noch einen Teil der Klangerzeugung präsentieren. An Bedeutung gewonnen haben alle Formen elektronischer Klangerzeugung, die in völlig anderen Branchen wie der Unterhaltungselektronik anzusiedeln sind und somit hier nicht ausgewiesen werden können.
Kreative: In diesem Bereich unterscheidet die Studie von Girard et al. (2020, S. 56) zwischen UrheberInnen (4938) und ausübenden KünstlerInnen (26.003). Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in diesen Bereichen unterschiedlich: Er liegt bei den UrheberInnen nur bei 7 %, bei den ausübenden KünstlerInnen bei 67 %.
Festzuhalten bleibt: In der einzig verfügbaren Statistikgrundlage für eine flächendeckend und kleinräumlich differenzierende Darstellung der Musikwirtschaft in Deutschland sind vor allem eher konservative Bereiche gut erfasst: Die Musikinstrumentenindustrie und der Bereich der Kreativen mit relativ stabilen Angestelltenverhältnissen. Freie Kreative und MusikpädagogInnen, der gesamte Bereich der Musikproduktion und der Musikveranstaltungen lassen sich dagegen nicht klar von anderen Bereichen der Kunst abgrenzen und können somit in ihrer räumlichen Entwicklung nicht flächendeckend abgebildet werden.
Welche räumlich differenzierten Befunde zur Entwicklung der Musikwirtschaft in Deutschland liegen vor?
Die oben genannten Studien zur Entwicklung der deutschen Musikwirtschaft nehmen keine kleinräumigen Differenzierungen vor. Im Rahmen des Kreativitätsmonitoring (BMWI 2019) wurde die übergeordnete Ebene der Kultur- und Kreativwirtschaft, von deren Beschäftigten 5 % zur Musikwirtschaft zu rechnen sind, einer raumbezogenen Betrachtung (bis auf die Ebene einzelner Städte und Gemeinden) unterzogen. Aus ihr lassen sich Vermutungen für die Musikwirtschaft ableiten. Das Ergebnis war ein eindeutiges Stadt-Land-Gefälle. Einzelne Metropolen wie Köln oder München ragten hier heraus. Zudem nahm die Zahl der Betriebe der Kreativwirtschaft in den ländlichen Regionen im Zeitverlauf ab (BMWI 2019, S. 19ff.).
Weitere raumdifferenzierende Untersuchungen liegen nur für Teilbereiche der Musikwirtschaft vor. Hier ist eine Untersuchung zu Musikspielstätten in Deutschland zu nennen: In einer Online-Befragung wurde der Standort von 100 Musikspielstätten überwiegend auf Bundesländerebene ausgewertet. Diagnostiziert wurde auch hier ein Stadt-Land-Gefälle. Hervorgehoben wurde die Stadt München mit 7,2 Spielstätten je 100.000 EinwohnerIn (Initiative 2021, S. 42).
Weiterhin zu nennen ist eine Studie, in der empirisches Material der Musikwirtschaft in den Bundesländern Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bremen, den Regionen Stuttgart und Hannover sowie den Städten Augsburg, Köln und München zusammengestellt wurde (Sound Diplomacy 2021). Diese betont weniger den kommerziellen Aspekt der Musikwirtschaft, sondern legt den Fokus eher auf den Aspekt die Vernetzung der systemischen Teilbereiche. Auch wenn dieser Ansatz grundsätzlich interessant ist und die ausgewählten Regionen und Städte vermutlich eine gewisse Relevanz für die Musikwirtschaft in Deutschland haben, ermöglicht die Studie keine generalisierten Aussagen. Die Untersuchungen wurden für die einzelnen Teilräume additiv durchgeführt; es fehlt ein systematischer Vergleich. Der Vollständigkeit halber zu erwähnen sind vertiefende Untersuchungen zu Spielstätten in einzelnen Städten wie Berlin (Damm und Drevenstedt 2019) und Stadtteilen wie Hamburg-St. Pauli (Doll et al. 2010).
Datengrundlage und Methodik
Für die empirische Analyse ist eine Auswertung der amtlichen Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vorgesehen. Die Daten stammen von der Bundesagentur für Arbeit (2023) und enthalten nur Kreise mit mehr als drei Beschäftigten bzw. solche, bei denen keine direkte Zuordnung zu einem Betrieb möglich ist. Als Indikatoren dienen für die musikalisch Kreativen die Beschäftigten mit Musik‑, Gesangs-, und Dirigententätigkeiten. Im Bereich der Musikinstrumentenherstellung werden die Beschäftigten im Musikinstrumentenbau betrachtet, wobei weite Teile der moderneren digitalen Klangerzeugungsmöglichkeiten keine Berücksichtigung finden. Als Untersuchungsebene für die Beschäftigten (sozialversicherungspflichtig (SVB) und geringfügig (GVB) Beschäftigte) wurden die 400 Kreise in Deutschland zwischen 2013 und 2021 betrachtet (Stichtag: 31.06.).
Neben einer deskriptiven Analyse werden die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate und der normierte Variationskoeffizient berechnet, um die Entwicklung beider Branchen im Zeitverlauf zu untersuchen und die regionalen Disparitäten für 2019 (ohne mögliche Coronaverzerrungen) aufzuzeigen.
Empirische Untersuchung zur regionalen Verteilung ausgewählter Bereiche der Musikwirtschaft
Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass im Jahr 2013 deutschlandweit 0,1 % der ArbeitnehmerInnen (35.930) im Bereich Musik‑, Gesang‑, Dirigententätigkeiten gearbeitet haben. Im Jahr 2019 waren 0,09 % der Arbeitnehmer (35.752) in diesem Bereich tätig. In den Coronajahren 2020 und 2021 sind die Beschäftigungszahlen weiter auf 33.396 gesunken. Ferner waren im Gesamtzeitraum ca. 67 % SVB beschäftigt und die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate lag bei −0,09 %.
Für den Bereich des Musikinstrumentenbaus wurden 2013 3640 und 2019 3766 Personen, jeweils ca. 93 % SVB, registriert. Zwischen 2020 und 2021 sank die Zahl leicht auf 3726 Personen. Das heißt, die Beschäftigungszahlen sind im gesamten Untersuchungszeitraum durchschnittlich um 0,29 % gewachsen. Insgesamt arbeiten deutschlandweit 0,01 % aller Beschäftigten im Musikinstrumentenbau.
Die Differenzierung der Beschäftigten nach den Siedlungsstrukturtypen des BBSR zeigt, dass Personen, die im Bereich Musik‑, Gesang‑, Dirigententätigkeit arbeiten, vor allem in kreisfreien Großstädten tätig sind. Betrachtet man die Entwicklung der Beschäftigten über die Zeit (vgl. Abb. 2) ist zu erkennen, dass besonders starke Rückgänge in dünn besiedelten ländlichen Kreisen zu verzeichnen sind (Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate −1,4 %). In ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen und kleinen Großstädten ist der Rückgang mit durchschnittlich −0,8 % am geringsten.
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Dennoch ist der Einzelbetrachtung für die jeweiligen Kreise im Jahr 2019 zu entnehmen (vgl. Abb. 3), dass das Gesamtbild etwas differenzierter ist. Unter den Top Ten der Zentren für Beschäftigte im Bereich Musik‑, Gesang‑, Dirigententätigkeit liegen Dessau-Roßlau, Gera, Nordhausen, Coburg, Frankfurt (Oder), Würzburg, Schmalkalden-Meinigen und Hof. An der Spitze steht die als KünstlerInnenstadt bekannte Stadt Weimar mit 825 ArbeitnehmerInnen je 100.000 SVB- und GVB-Beschäftigte. Die absoluten Werte zeigen hingegen, dass in Agglomerationszentren (u. a. Berlin, München, Hamburg) besonders viele Personen in diesem Bereich arbeiten.
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Die Untersuchung der regionalen Disparitäten differenziert nach Siedlungstypen im Jahr 2019 zeigt, dass im Bereich der Musik‑, Gesang- und Dirigententätigkeiten die Unterschiede zwischen den kreisfreien Großstädten am größten sind (Normierter Variationskoeffizient: 15,2 %). In städtischen Kreisen sind hingegen die geringsten Disparitäten festzustellen (Normierter Variationskoeffizient: 7,8 %). Für die dünn besiedelten ländlichen Kreise liegt er hingegen bei 10,0 % und die ländlichen Kreise mit Verdichtungsansätzen weisen einen normierten Variationskoeffizienten von 8,3 % auf.
Der Musikinstrumentenbau konzentriert sich hingegen auf ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen. Diese Kreise zeichnen sich außerdem durch eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bei den Beschäftigten von 0,7 % aus. Insbesondere in städtischen Kreisen ist ein starker Rückgang zu verzeichnen (Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von −1,2 %) (vgl. Abb. 2). An der Spitze liegt mit 641 ArbeitnehmerInnen im Bereich Musikinstrumentenbau je 100.000 SVB- und GVB-Beschäftigte der Vogtlandkreis, gefolgt von den Kreisen Erlangen-Höchstadt, Görlitz, Neustadt a. d. Aisch, Bad Windsheim, Mühldorf a. Inn, Bad Tölz, Wolfratshausen, Tuttlingen, Bamberg, Saale-Holzland-Kreis und Kitzingen. Absolut wurden die meisten ArbeitnehmerInnen im Vogtlandkreis, Hamburg und Erlangen-Höchstadt registriert (vgl. Abb. 3).
Betracht man die Disparitäten für das Jahr 2019 differenziert nach Siedlungstypen ist festzustellen, dass in städtischen Kreisen die Unterschiede am geringsten (Normierter Variationskoeffizient: 17,6 %) und in ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen am größten (Normierter Variationskoeffizient: 54,7 %) sind. Zudem liegt der normierte Variationskoeffizient in dünn besiedelten ländlichen Räumen bei 32,4 % und in kreisfreien Großstädten bei 29 %.
Fazit und Konsequenzen für die weitere Forschung
Zunächst wurden durch die Untersuchung die Grenzen der amtlichen Statistik zur räumlich differenzierten Erfassung der Musikwirtschaft deutlich. Die durchgeführte statistische Auswertung erfasst insgesamt nur ca. 40.000 Beschäftigte der Musikwirtschaft. Das entspricht ca. einem Viertel der Beschäftigten dieser Branche (insgesamt 160.000). Dies liegt zum einen daran, dass die zugrunde gelegte amtliche Statistik nur die SVB- sowie GVB-Beschäftigten umfasst. Selbstständige und Beamte werden nicht berücksichtigt. Zum andern ist es wegen der Systematik der Statistik nur möglich, die Beschäftigten mit Musik‑, Gesangs- und Dirigententätigkeiten und den Musikinstrumentenbau isoliert zu betrachten. Und auch hier wurden vor allem die Beschäftigten der traditionellen Musikbereiche, der E‑Musik betrachtet; die der U‑Musik wurden nur teilweise erfasst. Die wichtigen und dynamischeren Bereiche der Musikveranstaltungen, Musikproduktion, aber auch weite Teile der Musikpädagogik können hier nicht dargestellt werden, da sie in der Statistik mit anderen Bereichen außerhalb der Musikwirtschaft zusammengefasst sind.
Dennoch ergab die Auswertung der beiden Teilbereiche interessante Ergebnisse: Für den Bereich der (traditionellen) Kreativen wurde die sich aus anderen Studien zur Kreativwirtschaft (BMWI 2019) ergebene Vermutung einer Konzentration in Großstädten weitgehend bestätigt. Interessant ist dabei allerdings, dass nicht die größten Metropolen wie München, Berlin und Köln die größte Konzentration aufweisen, sondern Städte wie Weimar und Dessau, die durch Traditionseinrichtungen geprägt sind.
Der kontinuierliche Rückgang der Beschäftigten im Bereich der musikalisch Kreativen umfasst alle Raumtypen. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Arbeitsverhältnisse sich in diesen Bereichen hin zu weniger abgesicherten Bereichen, wie vor allem Selbstständigen, entwickeln, die in dieser Statistik nicht erfasst sind. Hinter dieser Entwicklung könnten sich aber auch veränderte Tätigkeitsbilder der Kreativen verbergen: Etwa die Abkehr von der Musik zu andere Kulturbereichen.
Die Musikinstrumentenproduktion hat quantitativ in Deutschland eine nur noch sehr geringe Bedeutung. Insgesamt ist jedoch die relativ hohe Bedeutung von einer noch weitgehend an traditionellen Fertigungsmustern (Rohstoff Holz, vgl. Abb. 4) orientierte Industrie in ländlichen Kreisen nicht überraschend. Deutlich erkennbar ist die Konzentration auf Regionen in der Mitte Deutschlands wie das Vogtland, das Erzgebirge und einzelne Landkreise in Franken und im grenznahen Bereich zu Österreich.
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Um angesichts der unvollständigen Informationen aller amtlichen Datenquellen auch kleinräumig differenzierte Ergebnisse für die weniger konservativen Bereiche der Musikwirtschaft zu erhalten, sollten vorliegende Primärerhebungen (z. B. Girard et al. 2020) bei ihrer nächsten Durchführung entsprechend konzipiert werden. Daraus könnten sich vor allem weitere interessante Ergebnisse zu räumlichen Clustern einzelner Bereiche der Musikwirtschaft ergeben (z. B. Marquardt 2018).
Danksagung
An dieser Stelle sei Dr. Christian Teichert vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung Hessen für die Beratung und Unterstützung bei der Datenbeschaffung gedankt. Zudem sei Lisett Diehl für die graphische Unterstützung und Christina Mackenroth für die Zurverfügungstellung des Fotos gedankt. Außerdem möchten wir den Moderatoren des vorliegenden Themenhefts Björn Braunschweig und Dr. Benjamin Klement, den zwei anonymen GutachterInnen und Dr. Thomas Neise für die konstruktiven Hinweise zu diesem Beitrag danken.
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