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Open Access 2024 | OriginalPaper | Chapter

6. Rechtliche Aspekte des automatisierten Fahrens und der Personenbeförderung

Authors : Nadja Braun Binder, Peter Bußjäger, Raoul Fasler, Annette Guckelberger

Published in: Automatisierter ÖPNV

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Im Kap. 6 werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für automatisiertes bzw. hochautomatisiertes Fahren in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz skizziert. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem ÖPNV, wobei dieser nicht losgelöst von den allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden kann. Das Straßenverkehrsrecht steht denn auch im Zentrum der drei Beiträge. Verschiedentlich werden weitere offene Rechtsfragen aufgegriffen. Auch wenn gerade für Deutschland vieles bereits beispielgebend geregelt wurde, gelangen alle drei Beiträge zum Schluss, dass die betroffenen Rechtsgebiete aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklungen und der erwarteten unionsrechtlichen Regelungen raschen Änderungen unterworfen sein werden, weshalb es sich bei den Ausführungen auch nur um punktuelle Momentaufnahmen handeln kann.
In den folgenden drei Abschnitten werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für automatisiertes bzw. hochautomatisiertes Fahren in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz skizziert. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem ÖPNV, wobei dieser nicht losgelöst von den allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden kann. Das Straßenverkehrsrecht steht denn auch im Zentrum der drei Beiträge. Verschiedentlich werden weitere offene Rechtsfragen aufgegriffen.
Würde es sich beim Erlass von gesetzlichen Bestimmungen zur Regulierung von autonomem Fahren um einen Wettkampf handeln, würde man Deutschland aktuell auf den ersten Platz setzen, gefolgt von der Schweiz; das Schlusslicht dieser drei Rechtsordnungen würde Österreich bilden. Mit dieser lapidaren Reihung ist allerdings noch nicht viel ausgesagt. Alle drei Beiträge gelangen zum Schluss, dass die betroffenen Rechtsgebiete aufgrund der fortschreitenden technischen Entwicklungen und der erwarteten unionsrechtlichen Regelungen raschen Änderungen unterworfen sein werden, weshalb es sich bei den folgenden Ausführungen auch nur um punktuelle Momentaufnahmen handeln kann.
Deutschland sieht sich als Pionier in Sachen autonomes Fahren und will sich als Technologietreiber etablieren; entsprechend früh hatte der Bund im Juli 2021 das Gesetz zum autonomen Fahren erlassen (siehe Abschn. 6.1). Damit wurden grundlegende Voraussetzungen für den Einsatz von autonomen Fahrzeugen der SAE Stufe 4 (permanent von außen überwachte Fahrzeuge) im Regelbetrieb im Straßenverkehr geschaffen. Die Einzelheiten der Zulassung und des Betriebs von Kfz mit autonomer Fahrfunktion auf öffentlichen Straßen werden auf Verordnungsstufe geregelt.
In Österreich ermöglicht die gestützt auf das Kraftfahrzeuggesetz erlassene Automatisiertes Fahren Verordnung den Einsatz von automatisierten Fahrzeugen zu Testzwecken (siehe Abschn. 6.2). Dies umfasst auch automatisierte Fahrzeuge zur Personenbeförderung. Zwingende Voraussetzung bei allen Testfahrten ist, dass sich stets eine Testfahrperson im Fahrzeug auf dem für die lenkende Person vorgesehenen Platz befindet. Damit sind zwar Pilotversuche möglich, allerdings besteht hinsichtlich eines automatisierten ÖPNV noch erheblicher Regulierungsbedarf.
Die Schweiz hat hinsichtlich des autonomen Fahrens jüngst einen Gesetzgebungsprozess durchlaufen, wobei zum Zeitpunkt der Endredaktion des Beitrages die fraglichen Bestimmungen noch nicht in Kraft getreten sind (Abschn. 6.3). Mit der Revision des Straßenverkehrsgesetzes soll der Bereich des automatisierten Fahrens für Fahrzeuge der SAE Stufen 3–5 geregelt werden. Führerlose automatisierte Fahrzeuge sollen dabei nur auf festgelegten Fahrstrecken zugelassen werden dürfen und sie müssen durch eine Person, die sich allerdings auch außerhalb des Fahrzeugs aufhalten kann, beaufsichtigt werden.

6.1 Rechtsrahmen für hochautomatisiertes Fahren in Deutschland

Annette Guckelberger
Im Text wird für automatisierte Fahrfunktionen bzw. Fahrzeuge auch der Begriff „autonom“ verwendet, da das Gesetz zum autonomen Fahren diesen verwendet und synonym zum Begriff „automatisiert“ nutzt.

6.1.1 Einleitung

Angesichts besonderer Förderprogramme für Innovationen aus dem Bereich des automatisierten und autonomen Fahrens (BT-Drs. 20/1656, S. 74) ist zu erwarten, dass derartige Fahrzeuge perspektivisch immer mehr im öffentlichen Verkehr zum Einsatz gelangen. In rechtlicher Hinsicht werfen solche fahrerlosen Fahrzeuge vielfältige Rechtsfragen auf (z. B. aus dem Datenschutzrecht, IT-Sicherheitsrecht, Haftungs- und Versicherungsrecht, Straf- und Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht). Auch wenn autonome Fahrzeuge nicht zwingend mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet sein müssen, können mit dieser Technologie noch weitergehende rechtliche Anforderungen verbunden sein (Steege 2021a, S. 3 f.).1 Da mit zunehmender Automatisierung der Fahrzeuge die Informationsverarbeitung steigt, kommt deren rechtskonformer Programmierung samt etwaigen erforderlich werdenden Softwareupdates entscheidende Bedeutung zu (Geber 2021, S. 14). So stellt sich etwa die Frage, wie autonome Fahrzeuge programmiert sein müssen, damit sie im Falle eines Unfalls in sog. Dilemmasituationen unter besonderer Berücksichtigung und Beachtung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter ordnungsgemäß funktionieren (Brenner 2021, S. 50 ff.; Wagner 2021a, S. 27 ff.). Erst langfristig werden die bereits jetzt erörterten Fragen relevant werden, ob sich aus der Schutzpflicht des Staates für Leib und Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) eine Pflicht zur Zulassung ausschließlich autonomer Fahrzeuge oder sich umgekehrt aus den Grundrechten des GG ein Recht auf Nutzung nicht autonom fahrender Fahrzeuge entnehmen lässt (Brenner 2021, S. 47 ff.; Wagner 2021a, S. 22 ff.). Bei unionsrechtlicher Determinierung sind (auch) die einschlägigen Unionsgrundrechte heranzuziehen.
Je nach Rechtsgebiet kann dieses mehr oder weniger unionsrechtlich überlagert sein. Auch wenn unter dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) i. S. d. Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) nach § 8 Abs. 1 S. 1 PBefG die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr zu verstehen ist, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen, soll im Mittelpunkt des nachfolgenden Beitrags das Straßenverkehrsrecht stehen.2 Soweit ersichtlich hat Deutschland mit dem im Juli 2021 in Kraft getretenen Gesetz zum autonomen Fahren weltweit erstmals eine gesetzliche Grundlage für den Regelbetrieb hochautomatisierter Fahrzeuge geschaffen (BT-Drs. 20/1656, S. 74). Daher sollen nachfolgend unter Abschn. 6.1.2. die Grundzüge dieser Regelung vorgestellt werden, bevor in einem weiteren Schritt unter Abschn. 6.1.3 Bezüge zum ÖPNV hergestellt werden. Da aus Platzgründen die Rechtslage nicht im Detail dargestellt und insofern nur ein Einblick geliefert werden kann, im Übrigen jedoch hochautomatisierte Fahrzeuge unions- oder weltweit einsetzbar sein sollen und daher möglicherweise alsbald unions- und/oder völkerrechtlichen Regelungen unterliegen werden, ist es unerlässlich, sich den jeweils aktuellen Rechtsrahmen mit größter Sorgfalt zu erschließen.

6.1.2 Gesetz zum autonomen Fahren

Abgestützt auf seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Straßenverkehr aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG hat der Bund das Gesetz zum autonomen Fahren vom 12.07.2021 erlassen (BT-Drs. 19/27439, S. 16). Von dem Einsatz autonomer, also führerloser und vernetzter Kfz im öffentlichen Straßenverkehr verspricht man sich eine Erhöhung der Verkehrssicherheit und -effizienz, da die Mehrzahl aller Verkehrsunfälle in Deutschland auf menschlichem Versagen beruht (BT-Drs. 19/27439, S. 15). Ferner erhofft man sich dadurch auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels Vorteile für in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen sowie eine Herbeiführung positiver Umwelteffekte durch Reduzierung von Emissionen und Verringerung des Flächenverbrauchs (BT-Drs. 19/27439, S. 15), also die Förderung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen entsprechend der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG. Allerdings wird sich die Realisierung der zuletzt genannten Annahme erst noch zeigen müssen. Dafür sprechen etwa Primäreffekte, also Effizienzgewinne auf der Fahrzeugebene, weil die Automatisierung zu harmonisierten Fahrzeugeigenschaften, optimierter Motorsteuerung unter Berücksichtigung der Topografie und des Verkehrsflusses führt, sowie Sekundäreffekte durch Anpassung des Mobilitätsverhaltens der Verkehrsteilnehmenden durch die verstärkte Bündelung von Fahrten (BT-Drs. 20/1656, S. 72). Gerade eine Arrondierung und ein Ausbau des ÖPNV mittels autonomer Fahrzeuge kann eine Reduzierung vieler Einzelfahrten sowie des Stellplatzbedarfs bewirken (Lenz 2022, S. 268 Rn. 2). Auf der anderen Seite geht mit derartigen Fahrzeugen ein erhöhter Endenergieverbrauch einher; außerdem könnte die zunehmende Anschaffung solcher Fahrzeuge durch Einzelpersonen und die Erschließung neuer Nutzergruppen das Verkehrsaufkommen im worst case sogar erhöhen (BT-Drs. 20/1656, S. 72; s. a. Wagner 2021a, S. 71; kritisch gegenüber den Gesetzeszwecken auch Haupt 2021, S. 172 ff.).
Durch das Gesetz zum autonomen Fahren will sich Deutschland als Pionier in Sachen autonomes Fahren und als Technologietreiber etablieren, insbesondere die Voraussetzungen für die Markteinführung solcher Fahrzeuge verbessern (BT-Drs. 20/1656, S. 74; Steege 2021b, S. 128). Dabei wird in der Begründung des Gesetzentwurfs von der Kompatibilität mit dem Unionsrecht ausgegangen. Weil insbesondere die Verordnung (EU) 2018/858 nach der Formulierung ihres Geltungsbereichs und den technischen Vorgaben stets eine fahrzeugführende Person voraussetze, autonome Fahrfunktionen in Gestalt sog. „People-Mover“ oder „Goods-Mover“ dagegen ohne menschliche Führung auskommen, seien diese Fahrzeuge als rechtliches aliud (Stichwort: „Roboter“) gegenüber den Kfz der EU-Verordnung anzusehen (BT-Drs. 19/27439, S. 17). Dabei ist man sich des Anpassungsbedarfs des deutschen Rechts, sobald auf Unionsebene Vorgaben zur Typengenehmigung und zum Betrieb automatisierter und autonomer Kfz erlassen werden, durchaus bewusst (BT-Drs. 19/27439, S. 17; s. zu Änderungen des Unionsrechts unter Abschn. 6.1.4. Ausblick).
Weil hochautomatisierte bzw. autonome Fahrzeuge einen komplexen Regelungsgegenstand bilden und einen hohen Regelungsbedarf hervorrufen (Kleemann und Arzt 2021, S. 105), hat der Parlamentsgesetzgeber dafür nur die grundlegenden rechtlichen Voraussetzungen geschaffen (Haupt 2022, S. 166). In § 1j Straßenverkehrsgesetz (StVG) wurde das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Einzelheiten der Zulassung und des Betriebs von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion auf öffentlichen Straßen zu regeln. Dem Entwurf einer Verordnung zur Regelung des Betriebs von Kraftfahrzeugen mit automatisierter und autonomer Fahrfunktion (BR-Drs. 86/22) hat der Bundesrat am 20.05.2022 allerdings nur unter Maßgabe bestimmter Änderungen zugestimmt (BR-Drs. 86/22 (Beschluss)). Die Abkürzung der Verordnung lautet AFGBV.
Ausweislich der Legaldefinition in § 1d Abs. 1 StVG ist unter einem Kfz mit autonomer Fahrfunktion ein Kfz zu verstehen, das (1) die Fahraufgabe ohne eine fahrzeugführende Person selbstständig in einem festgelegten Betriebsbereich erfüllen kann und (2) über eine technische Ausrüstung gem. § 1e Abs. 2 StVG verfügt. Die Fahrzeuge werden somit nicht pauschal für den gesamten Straßenverkehr zugelassen, sondern nur für bestimmte festgelegte Areale (Haupt 2022, S. 167; zur damit verbundenen Unattraktivität für private Nutzer Steege 2022, S. 164). Wie man dem Erfordernis der Technischen Aufsicht (§ 1d Abs. 3, 1f. Abs. 2 StVG; näher unter Abschn. 2.​1.​1) entnehmen kann, bezieht sich das Gesetz nicht auf vollautonom fahrende, sondern permanent von außen überwachte Fahrzeuge (Haupt 2022, S. 168). Ausweislich der Materialien betrifft das Gesetz Kfz entsprechend der SAE (Society of Automotive Engineers) Stufe 4 (BT-Drs. 19/27439, S. 16). Durch das Gesetz zum autonomen Fahren wurden in das StVG einerseits Vorschriften zum Regelbetrieb derartiger Fahrfunktionen (§§ 1d–1h StVG) und andererseits zur Erprobung von automatisierten und autonomen Fahrfunktionen eingeführt (§ 1i StVG), die hier in einem kurzen Überblick dargestellt werden sollen.

6.1.2.1 Regelbetrieb

§ 1e Abs. 1 S. 1 StVG gestattet den Betrieb eines Kfz mit autonomer Fahrfunktion, wenn die dort genannten vier Voraussetzungen kumulativ vorliegen (Laws/Lohmeyer/Vinke 2021, § 1e StVG Rn. 8).
Technische Ausrüstung
Zunächst muss das Kfz über die in § 1e Abs. 2 StVG normierte technische Ausrüstung verfügen, damit das Fahrzeug überhaupt zur autonomen Bewältigung seiner Fahraufgaben in der Lage ist (BT-Drs. 19/27439, S. 21). U. a. muss das Fahrzeug selbstständig den an die Fahrzeugführung gerichteten Verkehrsvorschriften entsprechen (Nr. 2). Sollte ein Kfz technisch nicht zur Erfüllung aller an die Fahrzeugführung gerichteten Verkehrsvorschriften in der Lage sein, muss dies nicht zwangsläufig das „Aus“ für die autonome Fahrfunktion bedeuten. Möglicherweise lassen sich nämlich Betriebsbereiche finden, in denen die jeweilige Verkehrsvorschrift keine Bedeutung hat (BT-Drs. 19/27439, S. 21). Deshalb wird in den Materialien empfohlen, die Auswahl geeigneter Betriebsbereiche unter Berücksichtigung der vorhandenen verkehrsrechtlichen Anordnung und deren Veränderung im laufenden Betrieb vorzunehmen (BT-Drs. 19/27439, S. 21). Überdies lässt es § 1e Abs. 3 StVG für den Fall sonstiger Beeinträchtigungen, die dazu führen, dass die Fahraufgabe durch die technische Ausrüstung nicht selbstständig bewältigt werden kann, genügen, wenn (1) durch die technische Ausrüstung sichergestellt werden kann, dass die Technische Aufsicht alternative Fahrmanöver vorgeben kann, (2) diese durch die technische Ausrüstung selbstständig ausgeführt werden und (3) die technische Ausrüstung die Technische Aufsicht mit ausreichender Zeitreserve optisch, akustisch oder sonst wahrnehmbar zur Vorgabe eines Fahrmanövers auffordern kann.
Bei der Technischen Aufsicht handelt es sich nach § 1d Abs. 3 StVG um eine natürliche Person, die das Kfz gem. § 1e Abs. 2 Nr. 8 StVG deaktivieren und für das Kfz Fahrmanöver gem. § 1e Abs. 2 Nr. 4 StVG sowie nach dem eben erwähnten Absatz 3 freigeben kann. Nach dem Gesetzeswortlaut kann also keine Institution direkt mit dieser Aufgabe betraut werden. Die Gesetzesmaterialien halten es aber für möglich, dass die mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betraute natürliche Person bei Sicherstellung der Wahrnehmung ihrer Pflichten im Einzelfall (s. § 1f. Abs. 2 StVG) mehrere autonome Kfz beaufsichtigen kann (BT-Drs. 19/27439, S. 20). Durch die Technische Aufsicht soll Art. 8 Abs. 5 des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr (WÜ) Rechnung getragen werden, wonach Fahrzeugsysteme, die einen Einfluss auf das Führen des Fahrzeugs haben, mit den dortigen Vorgaben in Einklang stehen, wenn diese Systeme vom Führer übersteuert oder abgeschaltet werden können. Diese Einschätzung des deutschen Gesetzgebers ist jedoch nur richtig, wenn Art. 8 Abs. 5 WÜ so ausgelegt wird, dass die Übersteuerung nicht durch den Fahrer im Kfz erfolgen muss (für einen Verstoß gegen das WÜ daher Gatzke 2021, S. 406; Bedenken bei Kleemann und Arzt 2021, S. 101; a. A. Lutz 2021, S. 183 f.). In § 14 Abs. 1 S. 2 AFGBV werden hohe Anforderungen an die Eignung, insbesondere die Ausbildung, der für eine Technische Aufsicht in Betracht kommenden natürlichen Personen gestellt. Die als Technische Aufsicht eingesetzte Person darf sich aber mit Zustimmung des Halters nach § 14 Abs. 2 AFGBV weiterer geeigneter natürlicher Personen zur Erfüllung ihrer Pflichten bedienen, wenn diese über mind. 3 Jahre Berufserfahrung im Bereich des Verkehrs- oder Kfz-Wesens verfügen und mind. jährlich in Bezug auf den Umgang mit sowie wesentliche Veränderungen der Kfz durch den Hersteller geschult werden (s. dazu BR-Drs. 86/222 (Beschluss), S. 14 f.).
Außerdem muss das Kfz nach § 1e Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 StVG über ein System der Unfallvermeidung verfügen, das a) auf Schadensvermeidung und -reduzierung ausgelegt ist, b) bei einer unvermeidbaren alternativen Schädigung unterschiedlicher Rechtsgüter die Bedeutung der Rechtsgüter berücksichtigt, wobei der Schutz menschlichen Lebens die höchste Priorität genießt, und das c) für den Fall einer unvermeidbaren alternativen Gefährdung von Menschenleben keine weitere Gewichtung anhand persönlicher Merkmale vorsieht. Auf diese Weise möchte der Gesetzgeber den wesentlichen Feststellungen der Ethik-Kommission automatisiertes und vernetztes Fahren in Bezug auf dilemmatische Entscheidungssituationen Rechnung tragen (BT-Drs. 19/27439, S. 22; krit. Steege 2021b, S. 131, weil die Frage der quantitativen Abwägung von Leben ungelöst bleibt). Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde § 1e Abs. 2 Nr. 8 StVG dahingehend ergänzt, dass das Kfz nicht nur jederzeit durch die Technische Aufsicht, sondern auch für Fahrzeuginsassen deaktivierbar sein muss (Wagner 2021b, S. 288).
Betriebserlaubnis für das Kfz
Außerdem benötigt das Kfz gem. § 1e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StVG eine Betriebserlaubnis nach Absatz 4. Diese ist vom Hersteller des Kfz mit autonomer Fahrfunktion zu beantragen und vom Kraftfahrt-Bundesamt zu erteilen, wenn die technischen Voraussetzungen gem. § 1e Abs. 2 StVG und die Erklärung des Herstellers nach § 1f. Abs. 3 Nr. 4 StVG vorliegen. Bei der Betriebserlaubnis handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Die Einzelheiten werden in §§ 2 ff. AFGBV näher ausgestaltet. So regelt § 3 Abs. 2, 3 AFGBV den Inhalt des Antrags samt beizubringender Unterlagen. Nach § 4 Abs. 2 AFGBV kann die Betriebserlaubnis jederzeit mit Nebenbestimmungen (s. § 36 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz) zur Gewährleistung des sicheren Betriebs des Kfz und der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der Verordnung erlassen oder verbunden werden.
Festgelegte Betriebsbereiche
Die Kfz dürfen gem. § 1e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVG nur in festgelegten Betriebsbereichen eingesetzt werden. Unter einem solchen versteht man ausweislich der Legaldefinition in § 1d Abs. 2 StVG den örtlich und räumlich bestimmten öffentlichen Straßenraum, in dem das Kfz mit autonomer Fahrfunktion betrieben werden darf. Dadurch wird klargestellt, dass die Regelungen zum autonomen Fahren grds. nur auf nach den dafür maßgeblichen Bestimmungen für den Straßenverkehr gewidmeten und öffentlich zugänglichen Flächen gelten (BT-Drs. 19/27439, S. 20). Der Gesetzgeber hat die Legaldefinition bewusst abstrakt gehalten, um eine Vielzahl von Betriebsbereichen zu ermöglichen (BT-Drs. 19/27439, S. 20). Die Festlegung des Betriebsbereichs ist durch den Halter des Kfz zu beantragen (BT-Drs. 19/27493, S. 20). Dabei sollte er sich – wie unter 6.1.2 dargelegt – an der Einhaltung der Verkehrsvorschriften durch das Kfz und – so die Materialien – an den örtlichen Gegebenheiten orientieren (BT-Drs. 19/27439, S. 20). Der vom Halter festgelegte Betriebsbereich muss genehmigt werden. Je nachdem, wo der Betriebsbereich im öffentlichen Straßenraum liegen soll, ist die nach Landes- oder Bundesrecht zuständige Behörde und im Falle von Bundesfernstraßen, soweit dem Bund die Verwaltung zusteht, die Gesellschaft des privaten Rechts i. S. d. Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes (= Autobahn GmbH des Bundes) dafür zuständig. Die Annahme, auf absehbare Zeit seien Autobahnen der einzig sinnvolle Nutzungsbereich, weil dort Kfz mit autonomer Funktion am besten zurechtkommen würden (so Haupt 2022, S. 167), deckt sich jedenfalls nicht mit benannter Zuständigkeitsregelung. Die Materialien halten es für möglich, „dass ein Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion in mehreren festgelegten Betriebsbereichen betrieben werden kann“ (BT-Drs. 19/27439, S. 20).
Eingehendere Vorschriften dazu enthalten §§ 7 ff. AFGBV. § 8 AFGBV regelt den Antrag des Halters auf Genehmigung, etwa dass der festgelegte Betriebsbereich in digitaler Form darzustellen ist, und § 9 AFGBV die Genehmigungserteilung. In § 9 Abs. 2 AFGBV werden die Voraussetzungen für die Feststellung der Eignung des Betriebsbereichs durch die Behörde konkretisiert. Auf den Bundesrat geht dabei Satz 2 zurück, wonach bei der Feststellung der Geeignetheit unvorhersehbare Umstände, z. B. infolge höherer Gewalt, unberücksichtigt bleiben (BR-Drs. 86/22 (Beschluss) S. 7 f.). § 9 Abs. 3 AFGBV enthält eine Regelung zur behördlichen Einholung von Gutachten und der Anforderung solcher vom Halter. Gem. § 9 Abs. 4 S. 1 AFGBV entscheidet die zuständige Behörde im Benehmen mit der jeweils betroffenen Gebietskörperschaft über die Festlegung des Betriebsbereichs. Ein Benehmen ist mehr als eine Anhörung und weniger als ein Einvernehmen (s. BR-Drs. 86/22 (Beschluss) S. 9). Es beinhaltet den Auftrag an die federführende Behörde, möglichst nach einer Übereinstimmung zu suchen (Siegel 2001, S. 90). In den Sätzen 2 und 3 wird das Vorgehen geregelt, wenn sich der Betriebsbereich über die Grenzen eines Bundeslandes oder auch auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen in der Bundesverwaltung erstreckt. § 9 Abs. 5 AFGBV bezieht sich auf Nebenbestimmungen zur Genehmigung, § 9 Abs. 6 AFGBV auf Nachprüfungen beim Halter. Dieser hat nach Absatz 7 nachträgliche Veränderungen unverzüglich mitzuteilen. Hervorzuheben ist außerdem, dass die vorbehaltlich der Rechte anderer zu erteilende Genehmigung nach § 7 Abs. 4 S. 2 AFGBV keinen Anspruch darauf verleiht, dass der Betriebsbereich verfügbar ist oder sich die Voraussetzungen, die der Genehmigung des Betriebsbereiches zu Grunde lagen, nicht verändern.
Im Übrigen hat der Bundesrat seiner Zustimmung eine Entschließung für den Fall einer künftigen Überarbeitung der Verordnung beigefügt, in welcher er u. a. eine Konkretisierung des abstrakten Betriebsbereichs in § 4 Abs. 3 AFGBV befürwortet und Unklarheiten für den antragstellenden Halter moniert, wenn der festgelegte Betriebsbereich den Bereich mehrerer Behörden umfasst. Auch bestünde hinsichtlich der jeweils betroffenen Gebietskörperschaft in § 9 Abs. 4 AFGBV Konkretisierungsbedarf (BR-Drs. 86/22 (Beschluss) S. 20 f.). Ferner hat der Bundesrat um eine zeitnahe Klarstellung des Verhältnisses der AFGBV zur StVO gebeten, da sich die derzeitigen Regelungen der StVO am Vorhandensein eines Fahrzeugführers orientieren (BR-Drs. 86/22 (Beschluss) S. 22).
Zulassung des Kfz
Schließlich setzt der Betrieb des Kfz dessen Zulassung zur Teilnahme am Straßenverkehr nach § 1 Abs. 1 StVG voraus. Dabei ist gem. § 11 Abs. 1 AFGBV die Fahrzeug-Zulassungsverordnung nach Maßgabe der dortigen Absätze anzuwenden.

6.1.2.2 Probebetrieb

Die Erprobung von automatisierten und autonomen Fahrfunktionen wird nunmehr in § 1i StVG geregelt. Die Voraussetzungen ergeben sich aus Absatz 1. Nach Absatz 2 bedarf es einer Erprobungsgenehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt. Die Genehmigung wird auf Antrag des Halters erteilt und kann jederzeit mit Nebenbestimmungen zur Sicherstellung des sicheren Betriebs des Fahrzeugs erteilt werden. Wird der Betrieb auf einen bestimmten Bereich beschränkt, sind ggf. andere Behörden anzuhören. Außerdem beteiligt das Kraftfahrt-Bundesamt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (Abs. 3). Des Weiteren muss das Kfz nach § 1 Abs. 2 StVG zugelassen sein (§ 1i Abs. 1 Nr. 2 StVG) und darf „ausschließlich zur Erprobung“ betrieben werden (§ 1i Abs. 1 Nr. 3 StVG). Schließlich muss das Kfz nach § 1i Abs. 1 Nr. 4 StVG im Betrieb permanent wie folgt überwacht werden: Während bei automatisierten Fahrfunktionen die Überwachung durch einen in Bezug auf technische Entwicklungen für den Kfz-Verkehr zuverlässigen Fahrzeugführer zu erfolgen hat (lit. a), muss die Überwachung bei autonomen Fahrfunktionen durch eine vor Ort anwesende, in Bezug auf technische Entwicklungen für den Kfz-Verkehr zuverlässige Technische Aufsicht erfolgen. Damit geht eine Verschärfung gegenüber der bis dahin bestehenden Rechtslage einher, denn entsprechend der Gesetzentwurfsbegründung sind höhere Anforderungen an die Technische Aufsicht und die Überwachung der Erprobungsfahrzeuge angezeigt (BT-Drs. 19/27439, S. 29). Andererseits wurde beim Probebetrieb auf die Genehmigung festzulegender Betriebsbereiche verzichtet, um für einzelne Herstellerfahrzeuge einen größeren Aktionsraum für ihre Erprobung zu eröffnen (BT-Drs. 19/27439, S. 29). Ferner heißt es in den Gesetzesmaterialien, dass statt einer bloßen Deaktivierungsmöglichkeit auch eine Übersteuerung möglich sein soll, die jedoch vor Ort zu erfolgen hat (BT-Drs. 19/27439, S. 29).

6.1.3 Autonome Fahrzeuge im ÖPNV

Das PBefG gilt gem. seinem § 1 Abs. 1 S. 1 für die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und mit Kfz (s. a. die Legaldefinitionen zu Straßenbahnen, Obussen und Kfz in § 4 PBefG). Für die Personenbeförderung wird eine Genehmigung benötigt. Die diesbezüglichen Vorschriften finden sich in §§ 9 ff. PBefG. §§ 42 ff. PBefG enthalten Vorschriften zum Linienverkehr mit Kfz, unter welchem gem. § 42 S. 1 PBefG eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung zu verstehen ist, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Das PBefG wurde 2021 durch das Gesetz zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts (BGBl. I 822/2021) geändert. Eingeführt wurde u. a. eine neue Form des Linienverkehrs innerhalb des ÖPNV, der in § 44 PBefG geregelte Linienbedarfsverkehr. Nach Satz 1 handelt es sich dabei um einen Verkehr, der der Beförderung von Fahrgästen auf vorherige Bestellung ohne festen Linienweg zwischen bestimmten Einstiegs- und Ausgangspunkten innerhalb eines festgelegten Gebietes und festgelegter Betriebszeiten dient (§ 44 S. 1 PBefG; näher dazu Wüstenberg 2021, S. 253 Rn. 20 ff.).

6.1.3.1 Bezüge zwischen §§ 1d ff. StVG und ÖPNV

Bei Erlass des Gesetzes zum autonomen Fahren hat man u. a. an den Einsatz solcher Fahrzeuge im ÖPNV gedacht. So wird in den Materialien auf deren unterschiedliche Verwendungen im öffentlichen Personenverkehr in den Kommunen eingegangen, wo durch kleinere und größere Fahrzeuge verschiedene Personenbeförderungsbedarfe abgedeckt werden könnten (BT-Drs. 19/27439, S. 16). Dementsprechend werden auf S. 20 als Beispiel für Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion sog. „People-Mover“, also autonome Shuttlebusse, erwähnt, „die im Rahmen der Forschungsförderung als Ergänzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) vielfach erprobt werden“. Dafür, dass sich insbesondere der ÖPNV für den Einsatz autonomer Kfz eignen könnte, spricht, dass sich die für den Regelbetrieb solcher Fahrzeuge notwendigen Betriebsbereiche vergleichsweise gut mit dem Linienansatz des ÖPNV in Einklang bringen lassen (Wagner 2021a, S. 246) und auch der Linienbedarfsverkehr an planbare Räume und Szenarien anknüpft (Leonetti 2021, S. 108). In den Worten von Leonetti (S. 108) „ermöglicht die Betriebsbereichsfestlegung am Anfang über Linien und einzelne Straßen bis perspektivisch hin zu ganzen Stadtarealen und Quartieren eine geeignete Skalierungsmöglichkeit für das Rollout autonomer Verkehrsangebote“. Hinzu kommt, dass die Betreiber von Personenverkehren bereits über technische Betriebsleitsysteme und eine entsprechende Betriebsorganisation verfügen, „sodass die Einführung einer [T]echnischen Aufsicht und die Aufrüstung bestehender Betriebsleit- und Verkehrszentralen einen denkbaren Weg für die Praxis darstellen“ (Leonetti 2021, S. 108).
Dem ÖPNV kommt nicht nur für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, sondern auch für die Erreichung aktueller Umwelt- und Klimaschutzziele eine zentrale Bedeutung zu (Siegel und Himstedt 2021, S. 137, s.a. § 1a PBefG). Während das mit autonomen Kfz intendierte Ziel der Verkehrssicherheit beim ÖPNV weniger gewichtig sein dürfte, da Unfälle dort selten sind (Leonetti 2021, S. 80), wird sich aufgrund der heute ohnehin bestehenden Personalgewinnungsprobleme der Ausbau und die Ergänzung des bestehenden ÖPNV aller Voraussicht nach nicht ohne Digitalisierung und Automatisierung bewältigen lassen (Leonetti 2021, S. 81). Selbst wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass Automatisierung und Sharing im Verkehr den ÖPNV infrage stellen könnten, wird im Einsatz autonomer Fahrzeuge im ÖPNV eine Chance zur Erhöhung der Verkehrseffizienz und Wirtschaftlichkeit gesehen (Leonetti 2021, S. 82). Auch wenn autonome Fahrzeuge ohne Fahrer verkehren, ist jedoch im Auge zu behalten, dass an anderer Stelle, insbesondere durch die Notwendigkeit einer Technischen Aufsicht, Personalbedarfe entstehen und sonstige Kosten hervorgerufen werden. So wurden etwa die hohen fachlichen Qualifizierungsanforderungen an die Technische Aufsicht kritisiert, weil dadurch die Kosten steigen und solches Personal überhaupt schwer zu finden ist (Leonetti 2021, S. 107; s. a. Haupt 2022, S. 165 f., 168). Ferner ist zu beachten, dass mit zunehmender Autonomie der Fahrzeuge die rechtlichen Anforderungen an die Halter steigen (s. § 1f. StVG, § 13 AFGBV), etwa auch Organisationspflichten des Halters zunehmende Relevanz erlangen (Haupt 2022, S. 167 f.; Steege 2022, S. 165 f.).
Da der ÖPNV zur Daseinsvorsorge gehört, unterliegt dieser in diverser Hinsicht einengenden Voraussetzungen, sodass sich je betätigungsabhängig etwa auch beihilfe- und vergaberechtliche Fragestellungen ergeben können (Wagner 2021a, S. 51 f.). Ausweislich einer Studie zu autonomen Bussen im ÖPNV wurden als Hürden für den Einsatz solcher Busse die Beschaffung der Fahrzeuge, die Auswahl der Strecken, die Genehmigungsverfahren, Betriebskonzepte, Personaleinsatzplanung, die Betriebsüberwachung sowie das Vertragswesen zwischen den Partnern und die Finanzierung ausgemacht (Braun et al. 2020, S. 7). Wie diffizil die Lage ist, zeigt sich in der Entschließung des Bundesrates zur AFGBV. Zwar werden dort die großen Chancen des Einsatzes von Fahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen für einen nachhaltigen und attraktiven ÖPNV hervorgehoben. Zugleich wird aber mit großer Sorge auf den Umstand verwiesen, dass für die Beantragung der Genehmigung solcher Fahrzeuge möglicherweise Genehmigungskosten im Millionenbereich entstehen. „Dies würde insbesondere für finanzschwache Aufgabenträger im öffentlichen Verkehr oder kleine und mittelständische Verkehrsunternehmen die Antragstellung erheblich erschweren“, weshalb die Bundesregierung um die Prüfung finanzieller Unterstützungsmöglichkeiten für die Beantragung des Regelbetriebs solcher Fahrzeuge gebeten wurde (BR-Drs. 86/22 (Beschluss) S. 23).

6.1.3.2 Änderungen des PBefG und weiterer Regelwerke

Obwohl im Fokus der letzten Änderung des PBefG der Einsatz neuer Technologien, insbesondere neu entstehender Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung des Verkehrssektors stand (BT-Drs. 19/26175, S. 1), hat man damals keine weiteren Überlegungen zum Einsatz autonomer Fahrzeuge angestellt. Deswegen ist der Frage nachzugehen, ob und inwieweit die dortigen Regelungen an das Vorhandensein eines menschlichen Fahrers anknüpfen. Einerseits wird angenommen, dass das PBefG dem Einsatz autonomer Fahrzeuge nicht per se entgegensteht, da wesentlicher Anknüpfungspunkt der Vorschriften der Verkehrsunternehmer sei (Leonetti 2022, S. 436 Rn. 15 f. sowie Leonetti 2021, S. 89), andererseits wird aber bemängelt, dass teilweise in untergesetzlichen Regelwerken auf die Anwesenheit eines Fahrzeugführers abgestellt wird (Leonetti 2021, S. 90), sodass insoweit Anpassungen nötig sind. Angesichts der Komplexität der Materie ist es sehr schwierig, das autonome Fahren in einem Schritt allumfassend zu regeln, weshalb sich in der Konsequenz die untergesetzlichen Regelungsgeber aus anderen Bereichen nicht stets des diesbezüglichen Nachjustierungsbedarfs bewusst sein werden.

6.1.4 Ausblick

Das autonome Fahren weist vielfältige Schnittpunkte zu diversen Rechtsgebieten auf (Wagner 2021a, S. 245). Der Bundesgesetzgeber hat durch das Gesetz zum autonomen Fahren u. a. durch Aufnahme neuer Regelungen im StVG dafür gesorgt, dass Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen im Straßenverkehr in den Regelbetrieb überführt werden können. Konkretisierende Regelungen ergeben sich aus der AFGBV. Da andere Vorschriften aber nach wie vor von der herkömmlichen Vorstellung geprägt sind, dass eine Person das Fahrzeug lenkt, zeichnen sich insoweit Nachjustierungsbedarfe ab. Damit der Einsatz solcher Fahrzeuge ein Erfolgsmodell wird, bedarf es rechtssicherer und kohärenter Regelungen. Laut dem Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist geplant, neben den bereits existierenden §§ 3a ff. PBefG ein Mobilitätsdatengesetz zur freien Zugänglichkeit von Verkehrsdaten zu erlassen; daneben wird angestrebt, die im Gesetz zum autonomen Fahren enthaltenen Regelungen zu verbessern, Haftungsfragen zu klären, aber auch die Datenhoheit der Nutzer sicherzustellen (Koalitionsvertrag 2021–2025, S. 41). Daher dürfte mit weiteren Änderungen der hier vorgestellten Regelungen zu rechnen sein (Kaufmann 2022, S. 15 f.).
Der deutsche Gesetzgeber wollte mit Erlass des Gesetzes zum autonomen Fahren eine Vorbildfunktion einnehmen (Brenner 2021, S. 46). Es bleibt abzuwarten, ob ihm dies gelingen und er Nachahmer finden wird. Sobald sich der Unionsrechtsgesetzgeber dieses Themas vertieft annimmt, können – je nach Inhalt der Vorgaben – schnell andere Vorgaben maßgeblich sein. Insoweit ist davon auszugehen, dass es sich bei den jetzigen Regelungen nur um eine Übergangslösung handelt (Haupt 2022, S. 166). Dessen sollten sich mögliche Antragsteller bewusst sein. An dieser Stelle sei auf den Vorschlag der Europäischen Kommission vom 14.12.2021 zum Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2010/40/EU zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (COM(2021) 813 final, s. auch BR-Drs. 28/22) hingewiesen. Ausweislich der Begründung dieses Vorschlags soll das gesamte Verkehrssystem durch die Digitalisierung reibungsloser und effizienter werden und zugleich für ein erhöhtes Niveau an technischer Sicherheit, Gefahrenabwehr, Zuverlässigkeit und Komfort gesorgt werden (COM(2021) 813 final, S. 1, s. auch BR-Drs. 28/22). Um eine erhöhte Effizienz in allen Verkehrsbereichen zu erreichen, sollen im Straßenverkehr gemeinsame Lösungen zunehmend als tragfähige Alternative zu Privatfahrzeugen und als Zubringer für bereits existierende und noch effizientere Verkehrsträger dienen (COM(2021) 813 final, S. 1 f.). Ferner wurde die Delegierte Verordnung (EU) 2022/545 der Kommission mit Vorschriften für die spezifischen Prüfverfahren und technischen Anforderungen für die Typengenehmigung von Kfz hinsichtlich ihrer Ereignisdatenspeicher und für die Typengenehmigung von Ereignisdatenspeichern als selbstständige technische Einheiten erlassen (ABl. EU v. 06.04.2022 Nr. L 107, S. 18 ff.). Die soeben aufgezeigten Entwicklungen lassen eine große Aufgeschlossenheit der Union gegenüber einer nachhaltigen, intelligenten und resilienten Mobilität erkennen (COM(2021) 813 final, S. 1), sodass mit weiteren unionsrechtlichen Vorschriften zu rechnen ist.

6.2 Automatisierter ÖPNV in Österreich

Peter Bußjäger

6.2.1 Einleitung

Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen eines automatisierten öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Österreich derzeit bestehen, sowie die sich aus der bestehenden Rechtslage ergebenden Handlungsbedarfe für den Gesetzgeber untersucht. Geprüft werden die verfassungsrechtlichen Grundlagen (2), die verkehrsrechtlichen (3) und sonstigen verwaltungsrechtlichen Rahmenbedingungen (4) einschließlich solcher finanzieller Art.
Dem Begriff des automatisierten ÖPNV wird das Verständnis des Einleitungsbeitrags dieser Publikation zugrunde gelegt. Der ÖPNV kann in Österreich schienengebunden (Eisenbahnen, Seilbahnen) oder durch Kraftfahrlinien, in beschränktem Ausmaß auch durch Schifffahrt erfolgen. Luftfahrtrecht bleibt ausgeblendet.

6.2.2 Verfassungsrechtlicher Rahmen

Kompetenzzuweisungen der Bundesverfassung
Das österreichische Bundesverfassungsrecht, vornehmlich die zentrale Verfassungsurkunde, das Bundes-verfassungsgesetz (B-VG), weist die Zuständigkeiten hinsichtlich des Verkehrsrechts überwiegend dem Bund zu: Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG sind die Angelegenheiten des „Verkehrswesen[s] bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt sowie der Schifffahrt“ (letztere mit Ausnahme einzelner in Art. 11 Abs. 1 Z. 6 genannter, hier nicht weiter relevanter Angelegenheiten) Zuständigkeit des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung. Dies gilt auch hinsichtlich des „Kraftfahrwesen[s]“ und der „Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundesstraßen erklärten Straßenzüge“. Bundesstraßen sind auf der Grundlage des Bundesstraßengesetzes 1971 (BStG) die Autobahnen und Schnellstraßen (Lachmayer 2017a, S. 73). Zu deren Planung, Errichtung und Erhaltung ist auf der Grundlage des ASFINAG-Gesetzes ein ausgegliederter Rechtsträger, die ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft), zuständig.
Von dieser umfassenden Bundeszuständigkeit sind die Angelegenheiten der „Straßenpolizei“ ausgenommen, welche gemäß Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG Bundessache lediglich in der Gesetzgebung, in der Vollziehung aber Landessache sind. Allerdings sind gemäß Art. 11 Abs. 3 B-VG auch die Durchführungsverordnungen zu diesen Angelegenheiten, sofern im Gesetz nichts anderes bestimmt wird, vom Bund zu erlassen. Nach dieser Bestimmung kann der Bundesgesetzgeber auch Anordnungen hinsichtlich der Art der Kundmachung von Durchführungsverordnungen, zu deren Erlassung die Länder auf dem Gebiet der Straßenpolizei ermächtigt werden, treffen.
In der Gesetzgebung und Vollziehung der Länder verbleiben gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG die Angelegenheiten der Straßen, die keine Bundesstraßen sind.
Eine auf die österreichische Kompetenzverteilung bezogene Darstellung muss bei der Vollziehung des Bundes zwischen der sogenannten unmittelbaren und der mittelbaren Bundesverwaltung differenzieren (vgl. Art. 102 Abs. 1 B-VG). Das „Verkehrswesen“, beinhaltend das „Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt sowie der Schifffahrt“ (Bußjäger 2014, Rz. 22), kann gemäß Art. 102 Abs. 2 B-VG in unmittelbarer Bundesverwaltung geführt werden, muss aber nicht. Entscheidet sich der Bund, für die Vollziehung in diesen Angelegenheiten keine eigenen Bundesbehörden einzurichten, ergibt sich aus Art. 102 Abs. 1 B-VG die Vollziehung in mittelbarer Bundesverwaltung. Dies bedeutet einen Bundesvollzug durch Landesorgane, konkret den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden, darunter vor allem die Bezirksverwaltungsbehörden. Hinsichtlich des Verkehrswesens erfolgt in verschiedenen Bereichen eine Bundesvollziehung durch den jeweils zuständigen Bundesminister für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, aber in weiten Bereichen auch eine mittelbare Bundesverwaltung.
Auf die einzelnen Bereiche eines automatisierten öffentlichen Verkehrs bezogen, ergeben sich die in der Abb. 6.1 dargestellten Zuständigkeiten. Auf Grund des Umstandes, dass, wie erwähnt, gerade im Verkehrswesen Angelegenheiten sowohl in unmittelbarer wie auch in mittelbarer Bundesverwaltung geführt werden dürfen, ergibt sich eine weitere Gemengelage.
Zu guter Letzt bleibt darauf hinzuweisen, dass Bund und Länder, soweit sie als Träger von Privatrechten agieren, gemäß Art. 17 B-VG nicht an die Kompetenzverteilung gebunden sind. Dies ist insoweit bedeutsam, als die Privatwirtschaftsverwaltung in Österreich auch weite Teile der Förderungsverwaltung umfasst, eben soweit die Förderung nicht in hoheitlicher Form vergeben wird. Budgetär spielt diese Privatwirtschaftsverwaltung eine enorme Rolle und föderalismuspolitisch ist sie eine wichtige Grundlage für das Handeln der Länder, die in ihren hoheitlichen Kompetenzen durch die zentralistische Bundesverfassung weitgehend marginalisiert sind. Auf die Bedeutung der Förderungsverwaltung gerade im ÖPNV in Österreich wird noch eingegangen.
Die Darstellung in Abb. 6.1 veranschaulicht die Kompetenzverteilung in den für den automatisierten ÖPNV vorrangig relevanten Verwaltungsmaterien.
Welche konkrete Verwaltungsmaterie in Zusammenhang mit automatisiertem Fahren betroffen ist, kann nur durch eingehende Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Versteinerungsmaterial der betreffenden Bundeskompetenz gesagt werden. Ohne diese in der österreichischen Verfassungsdoktrin und der Rechtsprechung des VfGH eingeübte Methodik hier im Einzelnen vorstellen zu wollen, kann gesagt werden:
Die Zuordnung einer bestimmten Angelegenheit zu im B-VG explizit nummerierten Kompetenzen hängt nach den vom VfGH angewandten Interpretationsmaximen der Versteinerungstheorie und der intrasystematischen Fortentwicklung davon ab, ob sich zum Entstehungszeitpunkt der jeweiligen Kompetenznorm im damaligen Begriffsverständnis Anhaltspunkte finden, die darauf schließen lassen, dass die betreffende Angelegenheit genau dieser Kompetenznorm zugehörig ist (Gamper 2016, S. 587 ff.).
Speziell die Abgrenzung zwischen Kraftfahrwesen und Straßenpolizei kann mitunter heikel sein (Lachmayer 2017a, S. 74, 2017b, S. 153). Die Übernahme von Fahraufgaben eines oder einer Lenker:in durch das automatisierte System ist wohl der Straßenpolizei zuzuordnen (Lachmayer 2017b, S. 154).
Grundrechtliche Aspekte
Das automatisierte Fahren wirft generell auch grundrechtliche Fragen auf, nicht nur unter datenschutzrechtlichen Aspekten, auf die weiter unten (Abschn. 6.2.4) eingegangen wird. Es stellen sich auch Fragen der staatlichen Schutzpflichten gegenüber schädlichen Auswirkungen neuer Technologien (Hilgendorf 2015, S. 469). In der gebotenen Interessenabwägung wird dabei der Verkehrssicherheit grundsätzlich Priorität gegenüber anderen Interessen eingeräumt werden müssen (Kaltenegger 2018, S. 418).
Unions- und völkerrechtliche Einflüsse
Unions- und völkerrechtliche Vorgaben für automatisierten ÖPNV sind grundsätzlich nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrags (Romaniewicz-Wenk und Jirak 2018, S. 467; Amlacher und Andréewitch 2017a,b, S. 168 f.).3 Im Hinblick auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern bleibt jedoch darauf hinzuweisen, dass die Implementierung sowohl des Völkerrechts als auch des Unionsrechts in die nationale Rechtsordnung, wie sich aus Art. 16 Abs. 4 (Staatsverträge) und Art. 23d Abs. 5 B-VG (Unionsrecht) ergibt, Sache des für die jeweilige Verwaltungsmaterie zuständigen Gesetzgebers ist (Amlacher und Andréewitch 2017a, b, S. 170; Haselbacher 2020, S. 128). Im Übrigen gelten die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes als Bestandteile des Bundesrechtes.
Finanzverfassungsrechtlicher Rahmen
Während sich aus den oben beschriebenen Kompetenzzuordnungen eine klare Dominanz des Bundes ergibt, zeigt sich ein etwas anderes Bild, wenn die finanziellen Verflechtungen im ÖPNV in Österreich in die Betrachtung mit einbezogen werden. Die Grundlagen finden sich in einem gesonderten Bundesverfassungsgesetz, dem Finanz-Verfassungsgesetz (F-VG) aus dem Jahre 1948.
Gemäß § 2 F-VG tragen der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt. Da der einfache Bundesgesetzgeber die Besteuerungsrechte zuweist und das eigene Abgabenerfindungsrecht der Länder in der Praxis bescheiden ist (§ 3 F-VG), sind die Länder und Gemeinden als dritter Partner zur Finanzierung ihrer Aufgaben weitgehend auf den Finanzausgleich (§ 4 F-VG) angewiesen (beachte die Ausnahme des § 9 Wiener Dienstgeberabgabegesetz). Der von Bund, Ländern und Gemeinden im Wesentlichen im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung finanzierte ÖPNV ist in der Praxis ein wesentliches Element dieses Finanzausgleichs. Siehe dazu näher unter Abschn. 6.2.4. Verwaltungsrechtliche Aspekte.

6.2.3 Relevantes Bundesrecht

Kraftfahrzeuggesetz
In § 102 Abs. 3a und 3b KFG sind – entsprechend der wenig berücksichtigten Kritik aus dem Begutachtungsverfahren wenig bestimmte bzw. determinierte (Eisenberger et al. 2016, S. 388; Lachmayer 2017a, b, c, S. 516; Romaniewicz-Wenk und Jirak 2018, S. 466 ff.; Amlacher und Andréewitch 2017a, b, S. 170) – Verordnungsermächtigungen enthalten, die es dem zuständigen Bundesminister ermöglichen, festzulegen, welche Fahraufgaben der Lenker eines Fahrzeugs einem Assistenzsystem übertragen darf. Weiters ist gemäß Abs. 3b festzulegen,
1.
in welchen Verkehrssituationen,
 
2.
auf welchen Arten von Straßen,
 
3.
bis zu welchen Geschwindigkeitsbereichen,
 
4.
bei welchen Fahrzeugen,
 
5.
welchen Assistenzsystemen oder automatisierten oder vernetzten Fahrsystemen Fahraufgaben übertragen werden können.
 
Die Verordnungsermächtigung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG wohl kaum (Lachmayer 2017b, S. 154). Auch ein sogenannter Code of Practice, der im Rahmen der Antragstellung versucht, weitere Vorgaben für verbindlich zu erklären, reicht nicht aus (Lachmayer 2017a, b, c, S. 516). Dieser ist nämlich „soft law“ und daher freiwillig (Lachmayer 2017b, S. 151).
Auf der Grundlage des § 102 Abs. 3a und 3b KFG sowie § 34 Abs. 6 KFG wurde die Automatisiertes Fahren Verordnung (AutomatFahrV) erlassen (Zelenka 2017, S. 502; Haselbacher 2020, S. 128; Romaniewicz-Wenk und Jirak 2018, S. 468; Ennöckl und Erlacher 2017, S. 71; Roubik 2018, S. 7; Amlacher und Andréewitch 2017a, b, S. 171).
Die Verordnung regelt in ihrer derzeitigen Fassung vor allem Anwendungsfälle für Testzwecke (2. Abschnitt). Darin ist in § 7a AutomatFahrV auch das automatisierte Fahrzeug zur Personenbeförderung geregelt. In § 7 AutomatFahrV wird der Test eines selbstfahrenden Minibusses mit maximal 20 km/h erlaubt. Er kann auf vordefinierten Teststrecken oder vordefinierten Testgebieten getestet werden. Im Übrigen sind im 3. Abschnitt Anwendungsfälle für genehmigte Systeme in Serie in Form der Einparkhilfe (§ 10 AutomatFahrV) und dem Autobahn-Assistenten mit automatischer Spurhaltung (§ 11 AutomatFahrV) vorgesehen (Roubik 2018, S. 7, 2019, S. 154).
Zwingende Voraussetzung bei allen Testfahrten ist, dass sich stets eine Testfahrer:in im Fahrzeug auf dem für Lenker:innen vorgesehenen Platz befindet (§ 3 AutomatFahrV) (Roubik 2018, S. 8).
Im Übrigen erweist sich die Verordnung als fragmentarisch, es fehlen Informationspflichten gegenüber der Bevölkerung und nähere Festlegungen über die Teststrecken (Lachmayer 2017b, S. 161).
In § 96 KFG ist im Übrigen nunmehr geregelt, dass Kraftfahrzeuge mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 10 km/h auch auf öffentlichen Straßen verwendet werden dürfen, wenn sie keinen Lenker:innenplatz aufweisen. Eine Person zur Bedienung muss sich allerdings in der Nähe aufhalten. Diese Person hat auch die Lenker:innenpflichten zu erfüllen. Außerdem muss das Fahrzeug mittels eines Notschalters jederzeit zum Stillstand gebracht werden können (AustriaTech 2021, S. 25).
Weiteres Verkehrsrecht des Bundes
Für den ÖPNV in besonderer Weise relevant ist das Eisenbahnrecht. Zu den Eisenbahnen zählen Haupt-, Neben- und Straßenbahnen (§ 1 Eisenbahngesetz – EisbG).
§ 110 EisbG enthält Bestimmungen über die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Schienenfahrzeuge und die Erteilung einer Fahrzeugtypengenehmigung durch den zuständigen Bundesminister, soweit nicht die Eisenbahnagentur der EU zuständig ist.
In Betracht kommen darüber hinaus Seilbahnen i. S. d. Seilbahngesetzes (SeilbG 2003)4 und zwar dann, wenn es sich um öffentliche Seilbahnen handelt. Das sind solche mit Personenbeförderung, die nach Maßgabe der in der Konzession ausgewiesenen Zeiträume zur Führung eines allgemeinen Personenverkehrs verpflichtet sind (§ 5 SeilbG 2003). Zu denken ist dabei weniger an die typischerweise touristischen Zwecken dienende Seilbahn als an solche Einrichtungen, die auch in Städten eingerichtet werden können. Seilbahnen sind im Übrigen im Vergleich zu anderen Betriebsmitteln des ÖPNV vergleichsweise weitgehend automatisiert.
Auf Grund der geringen Relevanz kann im vorliegenden Fall das Schifffahrtsrecht ausgeblendet werden. Regelungen für einen automatisierten Verkehr sind in den maßgeblichen Vorschriften jedenfalls nicht enthalten.
Relevantes Landesrecht
Das Landesrecht erwähnt automatisiertes Fahren derzeit nicht. Da sich dieses, wie oben dargestellt, auf die Planung, Errichtung und Erhaltung von Straßen bezieht, soweit es sich nicht um Autobahnen und Schnellstraßen handelt, scheint dieses auch nur von begrenzter Relevanz zu sein. Allerdings ist anzumerken, dass das Landesrecht dann berührt sein kann, wenn der automatisierte ÖPNV infrastruktureller Einrichtungen auf Straßen bedarf.5
Regulierungsbedarf
Das automatisierte Fahren berührt nicht nur die technischen Aspekte des Kraftfahrrechtes. Ob es notwendig ist, ein eigenständiges Regelungswerk zu entwerfen, wie gelegentlich gefordert wird, kann hier dahingestellt werden (Gstöttner und Lachmayer 2021, S. 480).
Straßenverkehrsrechtlich (StVO) wird zu klären sein, wer beim automatisierten Fahren für die Einhaltung von Verkehrsvorschriften verantwortlich ist. Wenn Regulierungsbedarf in der StVO dahingehend geortet wurde, wie Lenker:innen darauf eingestellt werden, selbst das Steuer eines automatisierten Fahrzeugs zu übernehmen (Lachmayer 2017a, b, c, S. 519; Amlacher und Andréewitch 2017a, b, S. 170), dann stellt sich bei einem automatisierten ÖPNV diese Frage zwar nicht, weil keine potenziellen Lenker:innen, sondern nur Passagiere zur Verfügung stehen, aber es wirft die Frage auf, wie die Verkehrsunternehmen mit dem Problem umgehen, unter Umständen Lenker:innen in Form einer Technischen Aufsicht zu benötigen, wie in der Novelle des deutschen Straßenverkehrsgesetzes (StVG) 2021.
Dazu kommen jedoch noch weitere Aspekte, die automatisiertes Fahren generell betreffen, wie etwa die Geschwindigkeit im Hinblick auf Reaktionszeit und Anhalteweg (Gruber et al. 2018, S. 49). Außerdem wurde eine mögliche Störung des Verkehrsflusses durch automatisiertes Bremsen und Beschleunigen diagnostiziert (Gruber et al. 2018, S. 59).
Im Führerscheingesetz ergibt sich der Regulierungsbedarf, ob und unter welchen Umständen jemand ein Fahrzeug in Betrieb setzen darf, das ganz oder teilweise automatisiert ist.
Bezogen auf den ÖPNV ergibt sich Regulierungsbedarf im EisbG nicht nur hinsichtlich der Typengenehmigung der Schienenfahrzeuge und ihres Inverkehrbringens (§ 110 EisbG), sondern auch hinsichtlich der Bestimmungen über die Fahrerlaubnisse zum Führen eines Triebfahrzeuges (§§ 124 ff. EisbG).
Die geltende Rechtslage enthält dahingehend Regelungslücken, als im Notfall im automatisierten ÖPNV keine Fahrer:in anwesend ist. Es müssen daher Vorkehrungen getroffen werden, dass nicht nur erwachsene Passagiere, sondern vor allem auch Kinder oder beeinträchtigte Personen Notknöpfe drücken können. Dafür lassen sich Normen heranziehen, die für ähnliche Situationen in derzeit nicht fahrerüberwachten Verkehrsmitteln bestehen, wie in § 87 Abs. 1 SeilbG 2003 oder § 16 Schleppliftverordnung (Gruber et al. 2018, S. 74). Denkbare Anknüpfungspunkte wären das KraftfahrlinienG oder auch § 63 KFG-Durchführungsverordnung oder § 106 KFG (Gruber et al. 2018, S. 74).
Nicht übersehen werden darf auch, dass der automatisierte Verkehr strafrechtliche Fragen aufwirft (Rohregger 2017, S. 196 ff.). Hier kann Regulierungsbedarf insoweit besteht, als die „Systemverantwortung“ für das Funktionieren und die Sicherheit der Systeme zu klären ist (Rohregger 2017, S. 199). Schließlich sind auch zivilrechtliche Fragen zu erwähnen, auf die hier nicht näher einzugehen ist. Sie beziehen sich einerseits auf die zivilrechtliche Haftung der Lenker:innen automatisierter Fahrzeuge (Amlacher und Andréewitch 2017a, S. 208; Eisenberger et al. 2016, S. 389; Eustacchio 2017, S. 509; Harnoncourt 2016, S. 546; Graul 2020, S. 24), die es im vollautomatisierten ÖPNV zudem nicht mehr gibt, bzw. auf die Produkthaftung dafür (Koch 2021, S. 113; Amlacher und Andréewitch 2017a, S. 211; Harnoncourt 2016, S. 549).

6.2.4 Verwaltungsrechtliche Aspekte

Organisation und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs
Der ÖPNV in Österreich ist das Ergebnis eines komplexen Finanzierungssystems, an dem alle drei staatlichen Ebenen, Bund, Länder und Gemeinden, partizipieren. Grundlage ist das Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (ÖPNRV-G 1999). Als verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlagen wurden ursprünglich Art. 10 Abs. 1 Z. 8, 9 und Art. 17 B-VG, das F-VG sowie nicht näher bestimmtes EU-Sekundärrecht6 beansprucht (1132/A XX. GP, 20). In einer späteren Novellierung wurde präziser formuliert und als Kompetenzgrundlagen Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG hinsichtlich der Angelegenheiten des Gewerbes und Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG hinsichtlich des Verkehrswesens in Anspruch genommen. Der Verweis auf das F-VG blieb, der unzutreffende Bezug auf das Unionsrecht wurde hingegen fallengelassen (RV 511 BlgNR XXV. GP).
Inhaltlich nimmt dieses Bundesgesetz immerhin in Anspruch, die organisatorischen und finanziellen Grundlagen für den Betrieb des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs unter Bedachtnahme auf anzuwendendes Unionsrecht zu regeln. So wären beispielsweise Finanzierungsfragen eines automatisierten ÖPNV (etwa für Testzwecke) im Rahmen dieses Gesetzes bzw. der damit in Zusammenhang stehenden Finanzierungsverflechtungen von Bund, Ländern und Gemeinden zu regeln. Indessen sind weder dem Gesetz noch seinen Materialien, oder auch den Dokumentationen zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ein Hinweis zu entnehmen, wonach automatisierter öffentlicher Verkehr zum Thema gemacht worden wäre.
Außerhalb des ÖPNRV-G können die Gebietskörperschaften Bund und Länder aber nach dem oben Gesagten unter dem Titel des Art. 17 B-VG Förderungsverwaltung betreiben, ohne dazu eine spezifische gesetzliche Grundlage zu benötigen. In diesem Sinne förderte das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ein Projekt für automatisiertes Fahren im ÖPNV (vgl. Abschlussveranstaltung des Digibus® Austria am 25.03.2021).
Im Jahre 2017 wurde im Rahmen eines vom Land Kärnten finanzierten Projektes SURAAA (Smart Urban Region Austria Alps Adriatic) ein autonomer Bus in Pörtschach präsentiert. Dieser ist seit Juni 2018 auf einer 1,5 km langen Strecke im Einsatz und seit Mai 2019 sogar im Regelverkehr auf der Bundesstraße (Arge ITA-AIT Parlament 2021, S. 1 ff.).
In Salzburg wurde in der Gemeinde Koppl ein vom Land Salzburg gefördertes Projekt eines automatisierten Shuttle-Busses durchgeführt (Zankl und Rehrl 2018, S. 54), dessen Testbetrieb eine hohe Akzeptanz der neuen Technologien ergeben hat, aber die Erwartungen an hoch- bzw. vollautomatisierte Fahrzeuge noch nicht erfüllt.
Diese Projektfinanzierungen sind insgesamt punktuell und allenfalls zwischen dem zuständigen Bundesministerium und dem jeweils betroffenen Land abgestimmt. Unklar ist, ob es eine bestimmte Strategie oder eine österreichweite Koordination gibt, Hinweise haben sich dafür jedenfalls nicht ergeben.
Horizontale Schnittstellen innerhalb der Bundesverwaltung
Angelegenheiten des automatisierten öffentlichen Verkehrs sind vornehmlich dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zugewiesen. Die dafür maßgeblichen Begrifflichkeiten sind der Anlage zu § 2 des BundesministerienG (BMG) zu entnehmen, zu den Zuständigkeiten des genannten zählen:
1.
Z. 8 Verkehrspolitik, worunter auch die verkehrspolitischen Angelegenheiten des Wasserbaus hinsichtlich Wasserstraßen gezählt werden,
 
2.
Z. 9. Angelegenheiten des Verkehrswesens bezüglich der Eisenbahnen, der Schifffahrt und der Luftfahrt,
 
3.
Z. 10. Kraftfahrwesen und Angelegenheiten der Straßenpolizei,
 
4.
Z. 11. Angelegenheiten der Bundesstraßen,
 
5.
Z. 14. Angelegenheiten des gewerblichen Personen- und Güterverkehrs,
 
6.
Z. 15. Angelegenheiten der Beförderung von Personen und Gütern im Werksverkehr,
 
7.
Z. 16. Angelegenheiten der Österreichischen Bundesbahnen.
 
Schnittstellen in den durchaus umfassenden Zuständigkeiten dieses Bundesministeriums ergeben sich im Hinblick auf die Zuständigkeiten des Bundesministeriums für Finanzen für öffentliche Unternehmen im (Mit-)Eigentum des Bundes (Anlage zu § 2 BMG F. Z. 6) sowie die Mitwirkungsrechte des Finanzministeriums bei der Erstellung des Rahmenplanes der Österreichischen Bundesbahnen hinsichtlich der budgetären Aspekte (Anlage zu § 2 BMG F. Z. 12). Im Hinblick auf das autonome Fahren können sich aber auch Bezüge zum Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie zum Bundeministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung ergeben.
Insgesamt erweisen sich die aus dieser Zuständigkeitsverteilung horizontal, also innerhalb der Bundesministerien resultierenden Schnittstellenproblematiken als vergleichsweise überschaubar.
Vertikale Schnittstellen: Öffentliche Verkehrsunternehmen im Eigentum von Ländern und Gemeinden
Automatisierter ÖPNV setzt, wie bereits oben erwähnt, zunächst entsprechende Pilotversuche in seinen verschiedenen Bereichen voraus. Auch der Regelbetrieb kann nur von den einzelnen Verkehrsunternehmen ausgenommen werden. Hier ergeben sich vertikale Schnittstellen, ist doch die Landschaft des ÖPNV in Österreich äußerst heterogen.
Der ÖPNV wird in Österreich neben den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die vom Bund betrieben werden, vor allem durch Kraftfahrlinien, die von diversen Verkehrsverbünden oder Ländern finanziert werden, getragen sowie durch zahlreiche Verkehrsbetriebe von Städten und Gemeinden (von großen Unternehmen wie den Wiener Verkehrsbetrieben bis hin zu bestimmten Ortsbussen, vor allem in Tourismusgemeinden).
Maßgebliche Player sind vor allem die sieben Verkehrsverbünde Verkehrsverbund Ost-Region –  VOR (mit Niederösterreich, Burgenland, Wien), Verbund Linie in der Steiermark, Oberösterreichischer Verkehrsverbund, Salzburg Verkehr, Verkehrsverbund Kärnten, Verkehrsverbund Tirol und Verkehrsverbund Vorarlberg. In diese Verkehrsverbünde sind wiederum regionale und kommunale Verkehrsbetriebe integriert.
Dieses in Tradition gewachsene System muss auf kooperativem Wege zu Innovationen geführt werden. Ein Beispiel dafür ist das 365-Euro-Ticket für ein Jahr öffentlichen Verkehr im jeweiligen Bundesland bzw. um 1095 € für ganz Österreich, das auf der Grundlage der von der zuständigen Bundesministerin mit den Verkehrsverbünden getroffenen Absprachen durchgeführt werden konnte.
Automatisierter ÖPNV, der über einzelne Pilotversuche hinausgehen soll, wird daher ebenfalls eines kooperativen Vorgehens in vertikaler Abstimmung bedürfen.
Datenschutz
Der Datenschutz in Österreich ist weitgehend Gegenstand der unmittelbar anwendbaren DSGVO der Union. Soweit diese keine Regelungen enthält bzw. den Mitgliedstaaten Raum für ergänzende Regelungen lässt, ist das Datenschutzgesetz (DSG) des Bundes anzuwenden. Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 13 B-VG sind nämlich die allgemeinen Angelegenheiten des Schutzes personenbezogener Daten Zuständigkeit des Bundes in der Gesetzgebung.
Aspekte des Datenschutzes werden beim automatisierten Fahren erwähnt, da eine Vielzahl von Daten auch personenbezogener Art verarbeitet werden müssen (Kunnert 2017, S. 189; Reinisch 2019, S. 206; Amlacher und Andréewitch 2018, S. 19; Eisenberger et al. 2016, S. 389; Forgó 2018, S. 454). Die in der Literatur bisher diskutierten Aspekte betrafen vorwiegend Konstellationen in Zusammenhang mit dem Fahrerverhalten bzw. der für dieses maßgeblichen Personen im Straßenverkehr.
Inwieweit automatisierter ÖPNV darüber hinaus datenschutzrechtliche Fragen aufwirft, wurde, soweit ersichtlich, in Österreich bisher nicht behandelt. Denkbar wäre das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage, wenn mit der Benutzung eines Verkehrsmittels des ÖPNV in irgendeiner Form eine Ticket-Kontrolle oder dgl. verbunden ist. Vor allem aber ist davon auszugehen, dass das automatisierte Verkehrsmittel einer besonderen Form der Überwachung der Passagiere bedarf, sowohl unter der Fahrt als auch beim Zu- und Ausstieg. In all diesen Fällen stehen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen auf dem Spiel (§ 1 Abs. 1 DSG), sodass deren Verarbeitung nur auf Grund entsprechender gesetzlicher Grundlage (§ 1 Abs. 2 DSG) zulässig ist. Solche gesetzlichen Grundlagen liegen derzeit noch nicht vor.
Einflüsse auf weitere Verwaltungsmaterien?
Es ist noch nicht klar abzusehen, welche Auswirkungen die Automatisierung des ÖPNV auf weitere Verwaltungsmaterien, wie etwa die Raumordnung und das Baurecht, hat. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an Vorgaben, die sich aus einem automatisierten ÖPNV auf die Stadtplanung ergeben, wie auch die technische Ausführung und die Baugestaltung. Möglicherweise werden neue Zielbestimmungen in den Raumplanungsgesetzen der Länder erforderlich, welche die Planungsbehörden dazu anhalten, auf Interessen des automatisierten ÖPNV Rücksicht zu nehmen. Ein Einfluss auf die Raum- und Siedlungsstrukturen ist jedenfalls als gegeben anzunehmen (Beckmann 2020, S. 264). In der Literatur wird insbesondere die Möglichkeit betont, Raum zurückzugewinnen (Bruck, Soteropoulos und Stickler 2018, S. 53; Juschten und Hössinger 2017, S. 38). Dies ist im Bundesstaat Österreich insbesondere für die Länder von Interesse, da sie entsprechend dem Art. 15 Abs. 1 B-VG für die allgemeine Siedlungsplanung verantwortlich sind.
Fazit zu Abschn. 6.2
Generell kann konstatiert werden, dass hinsichtlich eines automatisierten ÖPNV in Österreich noch erheblicher Regulierungsbedarfe bestehen (Gstöttner und Lachmayer 2021, S. 478). Ob dies durch ein eigenes regulatorisches Regime erfolgen muss, wie dies von Lachmayer generell hinsichtlich des automatisierten Verkehrs gefordert wurde (Gstöttner und Lachmayer 2021, S. 481), oder ob eine Integration in bestehende Rechtsvorschriften zweckmäßiger wäre, sei an dieser Stelle dahingestellt.
Die Regelungsbedarfe bestehen dabei vorwiegend im Bundesrecht, während das Landesrecht eher von nachrangiger Bedeutung ist.
Derzeit dürfte die Notwendigkeit im Vordergrund stehen, neue Testkapazitäten und Anwendungsfelder zu eröffnen. Im weiteren Verlauf wird es darum gehen, notwendige Infrastrukturen zu schaffen und auch datenschutzrechtliche Begleitregelungen zu treffen. Auf die vielfältigen Herausforderungen im Hinblick auf öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Aspekte von Verantwortlichkeiten sei an dieser Stelle nur hingewiesen.
Insgesamt eröffnet der automatisierte öffentliche Verkehr jedoch nicht nur der Verkehrsplanung, sondern auch generell der Stadtplanung neue Chancen.

6.3 Rechtsgrundlagen für automatisiertes Fahren in der Schweiz

Nadja Braun Binder und Raoul Fasler

6.3.1 Einleitung

Im Zuge der technologischen Entwicklung ist automatisiertes Fahren auch hierzulande ein intensiv diskutiertes Thema. In der Schweiz werden und wurden bereits verschiedene Pilotversuche mit automatisierten Fahrzeugen durchgeführt. Das automatisierte Fahren und damit eingeschlossen auch die bisherigen Pilotversuche waren im Schweizerischen Recht jedoch für lange Zeit nicht konkret geregelt. Ein seit Anfang der 2020er-Jahre durchgeführter Revisionsprozess des Straßenverkehrsgesetzes (SVG) soll dies jedoch ändern (Lohmann 2021, S. 621). Durch diese Gesetzesrevision werden in der Schweiz erstmals grundlegende Rahmenbedingungen für den Bereich von automatisierten Fahrzeugen festgelegt, wie beispielswiese Zulassungsvoraussetzungen, Betriebs- und Versuchsbedingungen. Das Gebiet des automatisierten Fahrens soll so in einen gesetzlichen Rahmen gegossen werden. Auffallend im Zusammenhang mit der Revision des Straßenverkehrsgesetzes ist die umfassende Kompetenzdelegation an den Bundesrat7, also an die Schweizerische Landesregierung. Diese erhält mit der Gesetzesrevision die Ermächtigung, in Verordnungen die Konkretisierungen zu den gesetzlichen Leitplanken auszuarbeiten. Der Gesetzgeber erhofft sich dadurch, dass eine anpassungsfähige Regulierung gewährleistet werden kann, welche dem sich schnell entwickelnden Bereich des automatisierten Fahrens gerecht wird (Botschaft 2021, S. 33).
Durch den Umstand, dass die Konkretisierung der Regelung automatisierten Fahrens auf Verordnungsstufe stattfinden wird, empfiehlt es sich, die sich mitunter rasch ändernden Verordnungsbestimmungen im Blick zu behalten.

6.3.2 Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen

In der Schweiz wird zwischen National-, Kantons- sowie Gemeindestraßen unterschieden (Keusen 2015, S. 453 f.). Nationalstraßen zum einen sind Straßen von gesamtschweizerischer Bedeutung, darunter fallen insbesondere die meisten Autobahnen. Die Nationalstraßen fallen in die Hoheit und somit in die Zuständigkeit des Bundes (Keusen 2015, S. 453). Kantonsstraßen wiederum dienen dem regionalen und überregionalen Verkehr. Diese Straßen unterliegen der Hoheit der Kantone und fallen somit in deren Zuständigkeitsbereich (Keusen 2015, S. 454). Die dritte Kategorie bilden kommunale Gemeindestraßen, welche die Kantonsstraßen miteinander verbinden und dem Verkehr innerhalb der Gemeinden dienen. Für sie sind grundsätzlich die Gemeinden zuständig (Keusen 2015, S. 454). Diese Unterteilung ist Ausdruck der föderalen Ausgestaltung des Schweizerischen Bundesstaats. Die Zuständigkeiten und Regelungskompetenzen von Bund, Kantonen und Gemeinden sind dabei ineinander verflochten und können in gewissen Bereichen auch nebeneinander zum Tragen kommen (Keusen 2015, S. 445).
Neben der Hoheit über die Nationalstraßen kommt dem Bund gemäß Bundesverfassung die Zuständigkeit für den Erlass von Vorschriften im Bereich des Straßenverkehrs zu. In seiner Straßenverkehrsgesetzgebung und dem dazugehörigen Verordnungsrecht hat der Bund beispielsweise landesweit einheitliche Regelungen für die Straßenverkehrsregeln, die Zulassungsbedingungen von Fahrzeugen sowie die Anforderungen an die Signalisation erlassen. Die Bundeskompetenz im Bereich des Straßenverkehrs ist eine umfassende Zuständigkeit. Für die Kantone bedeutet dies, dass sie in diesen Bereichen grundsätzlich keine eigenen Regelungen erlassen dürfen. Stoppschilder haben beispielsweise in der ganzen Schweiz gleich auszusehen, Geschwindigkeits- und Vortrittsregelungen gelten auch gesamtschweizerisch und können nicht kantonal unterschiedlich gehandhabt werden.
Die Kantone ihrerseits haben neben der Hoheit über die Kantonsstraßen aber insbesondere Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Bau und dem Unterhalt der Straßen sowie Umsetzungsaufgaben im Bereich der Signalisation (Keusen 2015, S. 451). Des Weiteren haben die Kantone eigene Straßengesetze oder -verordnungen erlassen, in welchen sie diejenigen Bereiche regeln, die von der kantonalen Zuständigkeit erfasst werden. Dazu gehören z. B. polizeiliche Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, Vorschriften zum Parkieren oder Bestimmungen zu Gebühren für die in der kantonalen Vollzugskompetenz liegenden Sachverhalte (z. B. die Zulassung von Fahrzeugen).
Für den Bereich des automatisierten Fahrens kann generell festgehalten werden, dass für Fragen in Bezug auf die geltenden Verkehrsregeln, die Zulassungsbedingungen von (automatisierten) Fahrzeugen sowie die Signalisationen in erster Linie die bundesrechtlichen Erlasse zu konsultieren sind. Stellen sich hingegen Fragen zur geltenden Rechtslage im Zusammenhang mit Versuchen und Pilotprojekten mit automatisierten Fahrzeugen, so sind neben dem Bundesrecht auch die jeweiligen kantonalen und allenfalls die kommunalen Bestimmungen zu berücksichtigen. Aufgrund der föderal ausgestalteten Schweizerischen Rechtsordnung und des Umstandes, dass in gewissen Bereichen die Kompetenzen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden nebeneinander koexistieren, ist es sicherlich ratsam, zusätzlich zu den bundesrechtlichen Vorgaben auch die jeweils einschlägigen kantonalen und kommunalen Bestimmungen im Blick zu haben. Dasselbe gilt für die allgemeinen rechtlichen Grundlagen für den öffentlichen Verkehr. So gibt es einschlägige Erlasse auf Bundesebene, wie beispielsweise das Bundesgesetz über die Personenbeförderung (Kern und König 2015, S. 391 und S. 399 ff.). Es bestehen jedoch auch zahlreiche Erlasse auf kantonaler Ebene, welche insbesondere Bestimmungen über die lokalen Transportbetriebe zum Inhalt haben (Kern und König 2015, S. 410).

6.3.3 Pilotprojekte

In der Schweiz fanden und finden seit 2015 im ganzen Land verteilt diverse Projekte im Bereich des automatisierten Fahrens statt. Dabei handelt es sich um Versuche mit Personenwagen, Projekte mit Lieferrobotern oder aber um Pilotversuche mit Shuttlebussen im Rahmen des öffentlichen Verkehrs. Viele dieser Projekte wurden in kleinen und mittelgroßen Orten oder Städten durchgeführt.
Die PostAuto AG erprobte zum Beispiel im Rahmen ihres „SmartShuttle“-Projekts in der Stadt Sion im Kanton Wallis seit 2016 mehrfach Shuttlebusse auf öffentlichen Straßen. Der Projektbeschreibung ist zu entnehmen, dass zwar immer eine instruierte Begleitperson in den Fahrzeugen dabei war, dass die Shuttles aber komplett automatisiert und ohne Lenkrad, Brems- oder Gaspedale unterwegs waren. Der jüngste Testbetrieb in Sion war in der Form eines On-Demand-Angebots ausgestaltet, bei welchem per App oder Telefon eine Wunschstrecke (mit einer vorgegebenen Auswahl an Haltestationen) gebucht werden konnte. Dieses On-Demand-Projekt soll zur besseren Vernetzung von Wohnquartieren beitragen und ist als Ergänzung des bestehenden ÖPNV-Netzes vorgesehen. Ein ähnliches Projekt führten die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) unter dem Namen „MyShuttle“ im Jahr 2019 in der Stadt Zug im gleichnamigen Kanton durch. Dabei wurden automatisierte Shuttlebusse vornehmlich in Tempo-50-Zonen eingesetzt und ebenfalls in das bestehende ÖPNV-Angebot integriert.
Auch lokale ÖPNV-Anbieter wie die Verkehrsbetriebe Schaffhausen (in Neuhausen am Rhein), die BERNMOBIL (in Bern), die transport publics fribourgeois (in Marly) sowie die transports publics genevois (in Meyrin und Thônex) führten vergleichbare Pilotversuche mit automatisierten Shuttlebussen auf öffentlichen Straßen durch. In Saas Fee hat die PostAuto AG außerdem den Einsatz eines automatisierten Gepäckroboters zwischen dem Busbahnhof und verschiedenen Hotels erprobt.
Bewilligungen für die bisherigen Pilotversuche mit automatisierten Fahrzeugen stützen sich auf Art. 106 Abs. 5 SVG (Botschaft 2021, S. 36). Durch diese Regelung ist es dem Bundesrat möglich, entsprechend vorläufige Maßnahmen zu treffen, wenn im Bereich des Straßenverkehrs neue technische Erscheinungen auftreten. Die Gesetzesbestimmung ist jedoch in erster Linie eine Grundlage für den Erlass von Verordnungen und war ursprünglich nicht als Grundlage für die Bewilligung von einzelnen Versuchsprojekten vorgesehen (Botschaft 2021, S. 36).
Alternativ dazu kommt allenfalls auch Art. 53 SVG als rechtliche Grundlage für die Bewilligung von Versuchen mit automatisierten Fahrzeugen in Frage. Diese Bestimmung legt fest, dass für Versuchsfahrten, bei denen die Verkehrsregeln oder die Vorschriften über die Fahrzeuge nicht eingehalten werden können, eine kantonale Bewilligung erforderlich ist. Zuständig hierfür wäre derjenige Kanton, dessen Gebiet befahren wird.
Für das „MyShuttle“-Projekt der SBB lag gemäß Abschlussbericht eine Ausnahmebewilligung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vor (gestützt auf Art. 106 Abs. 5 SVG). Auch den Projektunterlagen zu den erwähnten Testläufen der PostAuto AG ist zu entnehmen, dass jeweils Sonderbewilligungen sowie eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene notwendig waren.

6.3.4 Rechtslage

Wie bereits erwähnt, gab es im Straßenverkehrsrecht der Schweiz lange Zeit keine ausdrücklichen Regelungen zum automatisierten Fahren. Unabhängig davon gilt jedoch der in Art. 31 Abs. 1 SVG festgeschriebene Grundsatz, dass die Fahrzeugführenden das Fahrzeug ständig so beherrschen müssen, dass sie ihren Vorsichtspflichten nachkommen können. Durch die Verkehrsregelverordnung (VRV) wird dieser Grundsatz in Art. 3 Abs. 3 VRV insofern konkretisiert, als dass die Lenkervorrichtung während der Fahrt nicht losgelassen werden darf (Lohmann 2021, S. 620 f.).
Verschiedene kantonale Verordnungen im Bereich des Straßenverkehrsrechts nehmen Bezug auf die heutige Kompetenz in Art. 53 SVG zur Bewilligung von Versuchsfahrten (z. B. Art. 6 Verordnung über den Straßenverkehr des Kantons Uri, § 11 Verordnung über den Straßenverkehr und die Straßensignalisation des Kantons Zug). Diese Normen sind aber sehr allgemein formuliert und enthalten keine näheren Angaben über die Art der bewilligungsfähigen Versuche.
Eine schweizweit einzigartige Bestimmung findet sich im Gesetz über den öffentlichen Verkehr des Kantons Genf. Dieses Gesetz räumt den Genfer Verkehrsbetrieben (TPG) bereits heute die Möglichkeit ein, automatisierte Fahrzeuge zu kaufen, zu mieten, herzustellen und zu betreiben.

6.3.5 Revision des Straßenverkehrsgesetzes

Kernpunkte der Revision
Assistenzsysteme, welche die Fahrzeuglenkerin oder den Fahrzeuglenker unterstützen, gelten bereits seit einigen Jahren als Standard (Botschaft 2021, S. 9). Zusätzlich wird jedoch auch die Frage aufgeworfen, wie aus rechtlicher Sicht mit Systemen umzugehen ist, welche in bestimmten Situationen die Fahrzeuglenkung vollständig übernehmen können. Das beinhaltet sowohl die Wahrnehmung der Umgebung als auch die Bedienung des Fahrzeugs. Diese modernen Automatisierungssysteme stellen die im Straßenverkehrsrecht verankerten Aufmerksamkeits- und Beherrschungspflichten der Fahrzeuglenkerin bzw. des Fahrzeuglenkers zumindest teilweise in Frage. Um dem durch die Entwicklungen in diesem Bereich entstehenden Reformbedarf gerecht zu werden, wurde das Schweizerische Straßenverkehrsgesetz einem Revisionsprozess unterworfen, durch welchen der Bereich des automatisierten Fahrens konkret geregelt wird. Damit wird in der Schweiz erstmals eine Rechtsgrundlage auf Gesetzesstufe zur Regelung des automatisierten Fahrens geschaffen (Botschaft 2021, S. 37). Das Vernehmlassungsverfahren8 zum Revisionsvorschlag wurde 2020 abgeschlossen. Das Parlament hat die Revision am 17. März 2023 beschlossen (BBl 2023 791). Zum Zeitpunkt der Endredaktion dieses Beitrags waren die betreffenden Gesetzesbestimmungen (Art. 25a ff. revSVG) noch nicht in Kraft gesetzt.
Durch die Revision wird u. a. eine Legaldefinition für Fahrzeuge mit einem Automatisierungssystem Einzug in das Straßenverkehrsgesetz finden. Diese Fahrzeuge werden gemäß Art. 25a revSVG definiert als „Fahrzeuge, die in der Lage sind, die Fahraufgaben des Fahrzeugführers zumindest unter bestimmten Bedingungen dauerhaft und umfassend zu übernehmen“. Diese Definition umfasst automatisierte Fahrzeuge der SAE-Definitionsstufen 3–5 (Botschaft 2021, S. 61). Im Übrigen knüpft auch das UVEK in seinen Berichten an die international gängige Unterscheidung von fünf Automatisierungsstufen an, wie sie von der SAE ausgearbeitet wurde.
Mit der Revision des Straßenverkehrsgesetzes sollen insbesondere die folgenden vier Anwendungsbereiche des automatisierten Fahrens reguliert werden (Botschaft 2021, S. 34):
  • Aufhebung der Aufmerksamkeits- und Beherrschungspflichten für die Fahrzeugführerin oder den Fahrzeugführer bei aktiviertem Automatisierungssysstem
  • Selbständiges Parkieren von führerlosen Fahrzeugen auf abgegrenzten Parkierungsflächen
  • Zulassung von auf festgelegten Fahrstrecken verkehrenden führerlosen Fahrzeugen
  • Zulassung von streckenunabhängig verkehrenden führerlosen Fahrzeugen mit geringen Dimensionen und niedriger Geschwindigkeit
In zeitlicher Hinsicht hält die Botschaft9 des Bundesrats zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes fest, dass diese Anpassungen des SVG den Bedürfnissen und Entwicklungen des automatisierten Fahrens bis mindestens Anfang der 2030er-Jahre ausreichend Rechnung tragen sollen (Botschaft 2021, S. 33).
Kompetenzdelegation an den Bundesrat
Die Revision steht ganz im Zeichen der Kompetenzdelegation an den Bundesrat (Botschaft 2021, S. 13 und S. 38). Für viele Bereiche des automatisierten Fahrens hält das Gesetz bloß die grundlegenden Bestimmungen in Form von Rahmenbestimmungen fest. Für die Konkretisierungen wird der Verordnungsgeber, also der Bundesrat, zuständig sein. In der Botschaft zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes heißt es indes auch, dass es das vorrangige Ziel der Revision sei, die Regelung der Verwendung von Fahrzeugen mit einem Automatisierungssystem auf Verordnungsstufe zu ermöglichen (Botschaft 2021, S. 33). Als Begründung hierfür wird angeführt, dass auf diese Weise rasch auf internationale Entwicklungen reagiert werden kann (Botschaft 2021, S. 34). Außerdem sei eine abschließende materielle Regelung auf Gesetzesstufe zum Zeitpunkt der Revision, also Anfang der 2020er-Jahre, noch nicht möglich, da die sehr dynamischen Entwicklungen in den technischen und rechtlichen Bereichen des automatisierten Fahrens nur schwer vorhersehbar seien (Botschaft 2021, S. 33 f.).
Durch die gesetzliche Kompetenzdelegation und die dadurch ermöglichte Regelung auf der Verordnungsebene können konkrete Bestimmungen schneller erlassen und angepasst werden, der oft langsame und schwerfällige Prozess zum Erlass von Gesetzesbestimmungen kann so umgangen werden. Es liegt in der Natur eines demokratischen Gesetzgebungsverfahrens, dass dieses eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. In der Schweiz wird dieser Prozess mitunter durch den Umstand verlängert, dass Gesetzesänderungen einem (fakultativen) Referendum unterstehen und somit die Möglichkeit besteht, per Volksabstimmung über Gesetzesänderungen zu entscheiden. Durch die Regelung auf Verordnungsstufe ist es möglich, flexibler und rascher auf technologische Entwicklungen und Fortschritte sowie auf die internationalen Referenzen reagieren zu können.
Die Regelungskompetenz des Bundesrats bezieht sich in erster Linie auf automatisierte Fahrzeuge der Stufen 3 und 4 (Botschaft 2021, S. 34). Die Exekutive erhält die Möglichkeit, Regelungen vorzusehen, welche die grundsätzlich geltenden Aufmerksamkeits- und Beherrschungspflichten der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers aufheben, sobald das entsprechende Automatisierungssystem aktiviert ist (Botschaft 2021, S. 34 und S. 62 f.). Auch kann der Bundesrat Bestimmungen für den Bereich des führerlosen Parkierens auf abgegrenzten Parkierungsflächen erlassen, die vom übrigen Verkehr sowie den Geh- und Radwegen abgegrenzt sind (Botschaft 2021, S. 34 und S. 63). Regelungen betreffend die Zulassung von führerlosen automatisierten Fahrzeugen auf festgelegten Strecken (z. B. Shuttles) sowie im Bereich der streckenunabhängigen Zulassung von führerlosen automatisierten Fahrzeugen mit geringen Dimensionen und niedriger Geschwindigkeit (z. B. Lieferroboter) werden ebenfalls in die Kompetenz des Bundesrats fallen (Botschaft 2021, S. 34 und S. 65).
Eingegrenzt wird die Regelungskompetenz des Bundesrats durch den ebenfalls durch die Revision im Straßenverkehrsgesetz verankerten Grundsatz, dass automatisierte Fahrzeuge die Verkehrsregeln einhalten können müssen und die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigen dürfen (Botschaft 2021, S. 34, Art. 25e revSVG). Nicht von der Regelungskompetenz eingeschlossen sind außerdem die Zulassungen von automatisierten Fahrzeugen der Stufe 5, also von führerlosen automatisierten Fahrzeugen, welche nicht an eine bestimmte festgelegte Strecke gebunden sind (Botschaft 2021, S. 34). In der Botschaft zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes wird dieser Ausschluss mit der Vermutung begründet, dass automatisierte Fahrzeuge der Stufe 5 bis zum Anfang der 2030er-Jahre höchstens versuchsweise eingesetzt werden könnten (Botschaft 2021, S. 34). Es zeigt sich auch in diesem Punkt deutlich, dass die erwarteten Wirkungen der erwähnten Revision zeitlich beschränkt sind und sich die Legislative der Schwierigkeit einer Regelung in einem sehr dynamischen Rechtsgebiet bewusst ist. Versuche mit automatisierten Fahrzeugen der Stufe 5 können hingegen durchgeführt werden (Botschaft 2021, S. 36 und S. 71).
Regelungen zu führerlosen Fahrzeugen
Für automatisierte Fahrzeuge, die keine Fahrzeugführerin oder keinen Fahrzeugführer mehr benötigen, hält das revidierte SVG fest, dass diese nur auf festgelegten Fahrstrecken zugelassen werden dürfen (Botschaft 2021, S. 56 und S. 64, Art. 25 Abs. 1 revSVG). In erster Linie bezieht sich dies auf die Zulassung der in den beschriebenen Pilotversuchen eingesetzten Shuttlebusse, aber auch die Zulassung anderer solcher Fahrzeuge der Stufe 4 soll ermöglicht werden (Botschaft 2021, S. 56 und S. 64). Die „festgelegte Strecke“ ist von der Zulassungsbehörde im Voraus klar zu bestimmen (Botschaft 2021, S. 64). Es muss sich dabei jedoch nicht um eine einzelne Strecke handeln, vielmehr kann die Zulassung auch mehrere Strecken oder ganze Gebiete umfassen, sofern die Zulassungsbedingungen für alle Streckenabschnitte erfüllt sind (Botschaft 2021, S. 65). Auf diese Weise wird es beispielsweise möglich sein, dass On-Demand-Systeme mit automatisierten Fahrzeugen in den ÖPNV integriert werden können (Botschaft 2021, S. 65).
Die zuständige Behörde muss im Rahmen der Zulassung zudem die weiteren Parameter festlegen, wie beispielsweise die zulässige Höchstgeschwindigkeit oder allfällige Einschränkungen bezüglich der Tageszeiten, zu denen das Fahrzeug verkehren darf (Botschaft 2021, S. 56). Der Botschaft zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes ist zu entnehmen, dass das konkretisierende Verordnungsrecht des Bundesrats insbesondere den Zulassungsverfahren für automatisierte Fahrzeuge ein starkes Gewicht zukommen lassen soll (Botschaft 2021, S. 57). Insbesondere soll dabei auch den Bedürfnissen des Fußgänger- und Fahrradverkehrs ausreichend Rechnung getragen werden (Botschaft 2021, S. 57).
Führerlose automatisierte Fahrzeuge müssen des Weiteren durch eine Person beaufsichtigt werden, der sog. Operatorin bzw. dem sog. Operator (Botschaft 2021, S. 35 und S. 56, Art. 25c Abs. 1 revSVG). Diese Beaufsichtigungsperson kann sich auch außerhalb des Sichtfelds des Fahrzeugs aufhalten (Botschaft 2021, S. 35). Ein führerloses automatisiertes Fahrzeug kann also beispielsweise von einer Betriebszentrale aus beaufsichtigt werden (Botschaft 2021, S. 35 und S. 57). Die Überwachung des führerlosen Fahrzeugs durch die Operatorin oder den Operator hat zudem nicht pausenlos zu sein, vielmehr soll eine Reaktion in Situationen sichergestellt werden, in welchen das automatisierte Fahrzeug der Beaufsichtigungsperson einen Handlungsbedarf signalisiert (Botschaft 2021, S. 57 und S. 64). Sofern die Aufsichtspflichten ausreichend wahrgenommen werden können, kann eine Operatorin oder ein Operator gleichzeitig mehrere automatisierte Fahrzeuge beaufsichtigen (Botschaft 2021, S. 35 und S. 64). Die weiteren Zulassungs- und Verwendungsvoraussetzungen dieser Fahrzeuge sowie die Rechte und Pflichten der Operatorinnen und Operatoren werden durch den Bundesrat festgelegt (Botschaft 2021, S. 35 und S. 64, Art. 25c Abs. 2 revSVG). Der zuständige Kanton legt die Fahrstrecken und allfällige weitere Einsatzbedingungen für solche Fahrzeuge fest (Botschaft 2021, S. 64, Art. 25c Abs. 3 revSVG). Bei kantonsübergreifenden Straßen haben sich die betroffenen Kantone zu verständigen und bei Strecken auf Nationalstraßen hat der für die Zulassung zuständige Kanton das Bundesamt für Straßen (ASTRA) zu benachrichtigen (Botschaft 2021, S. 64, Art. 25c Abs. 3 revSVG).
Eine Ausnahme wird bei „führerlosen Fahrzeugen mit geringen Dimensionen und niedriger Geschwindigkeit“ gemacht (Art. 25d revSVG). Damit sind beispielsweise automatisierte Lieferroboter gemeint, mit denen in der Schweiz bereits Versuche durchgeführt wurden (Botschaft 2021, S. 57). Auch kleine automatisierte Transportgefährte für einzelne Personen sind in diesem Zusammenhang denkbar (Botschaft 2021, S. 65). Für diese Art von Fahrzeugen kann der Bundesrat vorsehen, dass sie auch ohne eine Beschränkung auf bestimmte Fahrtstrecken zugelassen werden können (Botschaft 2021, S. 58 und S. 65, Art. 25d Abs. 1 revSVG). Die Operatorin oder der Operator solcher führerlosen Fahrzeuge mit geringen Dimensionen und niedriger Geschwindigkeit kann außerdem von bestimmten Pflichten befreit werden (Botschaft 2021, S. 58 und S. 65, Art. 25d Abs. 1 revSVG). Zudem muss der Zulassungskanton die Zustimmung jener Kantone einholen, auf deren Gebiet die Fahrzeuge verwendet werden (Art. 25d Abs. 2 revSVG). Die Botschaft zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes hält jedoch fest, dass der Bundesrat in der Anfangsphase der Umsetzungen der neuen Bestimmungen darauf verzichten möchte, seine Regelungskompetenz in diesem Bereich wahrzunehmen (Botschaft 2021, S. 58 und S. 65). Somit wird die Zulassung von führerlosen Fahrzeugen mit geringen Dimensionen und niedriger Geschwindigkeit, die streckenunabhängig unterwegs sind, in der Schweiz wohl nicht in naher Zukunft möglich sein. Grund dafür ist letztlich, dass solche Fahrzeuge nach dem zum Zeitpunkt der Revision absehbaren Entwicklungsstand zu langsam sind für die Straße, sich aber auch nicht reibungslos in den Fußgängerverkehr integrieren lassen (Botschaft 2021, S. 67). Die Zulassung von führerlosen Fahrzeugen mit geringen Dimensionen und niedriger Geschwindigkeit, deren Einsatz auf bestimmte Strecken beschränkt ist, sollte hingegen grundsätzlich möglich sein. Die Bindung an bestimmte Strecken würde den Einsatz solcher Fahrzeuge aber wohl stark einschränken (Botschaft 2021, S. 65). Der Nutzen wäre bei einer Streckenbeschränkung vermutlich sehr überschaubar (man denke beispielsweise an Lieferroboter).
Fahrmodusspeicher
Das Straßenverkehrsgesetz sieht neu vor, dass Fahrzeuge mit Automatisierungssystemen mit einem Fahrmodusspeicher ausgerüstet sein müssen (Botschaft 2021, S. 35 und S. 43, Art. 25e Abs. 2 revSVG). Die Anforderungen an diesen Fahrmodusspeicher werden im revidierten Straßenverkehrsgesetz bereits relativ umfassend geregelt (Botschaft 2021, S. 68 f., Art. 25f revSVG). Zunächst wird durch das revididerte Gesetz festgehalten, dass der Fahrmodusspeicher nicht deaktivierbar sein darf. Art. 25f Abs. 2 revSVG enthält sodann eine Auflistung von Ereignissen, die der Fahrmodusspeicher zwingend aufzeichnen und mit einem Zeitstempel versehen muss. So müssen die Aktivierung und Deaktivierung des Automatisierungssystems des Fahrzeugs, Übernahmeaufforderungen durch das System, das Unterdrücken oder Abschwächen von Eingriffen der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers durch das Automatisierungssystem, das Auslösen eines Manövers zur Risikominimierung durch ebendieses sowie das Auftreten von sicherheitsrelevanten technischen Störungen durch den Fahrmodusspeicher aufgezeichnet werden. Im Falle einer Deaktivierung oder Übernahmeaufforderung des Automatisierungssystems muss der Fahrmodusspeicher zudem auch die dazu ausschlaggebenden Gründe aufzeichnen. Bei führerlosen Fahrzeugen müssen gemäß Art. 25f Abs. 3 revSVG außerdem die Befehle durch die Operatorin oder den Operator sowie allfällige Unterbrechungen der Kommunikationsverbindung zwischen Fahrzeug und Beaufsichtigungsperson aufgezeichnet werden.
Für die auf dem Fahrmodusspeicher festgehaltenen Daten sieht das revidierte SVG vor, dass die Fahrzeughalterin oder der Fahrzeughalter Zugriff auf diese Daten haben muss und sie ihr oder ihm „in einer einfach lesbaren Form zur Verfügung stehen“ (Art. 25g Abs. 1 revSVG). Auf die während Fahrten von Dritten aufgezeichneten Daten hat die Halterin oder der Halter des Fahrzeugs nur dann ohne Zustimmung der Dritten Zugriff, wenn daran ein berechtigtes Interesse besteht. Dieses Interesse muss in Verbindung zu einem Unfall oder einer Widerhandlung gegen die Straßenverkehrsvorschriften stehen (Botschaft 2021, S. 70, Art. 25g Abs. 1 revSVG). Für Polizei-, Justiz- und Administrativbehörden enthält die SVG-Revision eine gesetzliche Grundlage zum Auslesen und Bearbeiten von auf Fahrmodusspeichern abgelegten Daten, welche mit der Aufklärung von Unfällen oder mit der Beurteilung von Widerhandlungen gegen die Straßenverkehrsvorschriften in Zusammenhang stehen (Botschaft 2021, S. 70, Art. 25g Abs. 3 revSVG).
Versuche mit automatisierten Fahrzeugen
Das Straßenverkehrsgesetz enthält neu auch eine explizite Grundlage für Versuche mit Fahrzeugen mit einem Automatisierungssystem (Botschaft 2021, S. 36 und S. 71, Art. 25h revSVG). Es wird neben der Regelungskompetenz des Bundesrats auch die Möglichkeit geschaffen, Versuche mit automatisierten Fahrzeugen zu ermöglichen, bei denen nicht alle Verkehrsregeln eingehalten werden können und bei denen die Fahrzeuge (noch) nicht alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllen (Botschaft 2021, S. 71). Für Versuche wird es keine Einschränkungen in Bezug auf die Art der automatisierten Fahrzeuge geben, Versuche würden somit auch mit Fahrzeugen der Stufe 5 durchgeführt werden können (Botschaft 2021, S. 36 und S. 71). Die Zuständigkeit für die Bewilligung von Pilotversuchen im Bereich des automatisierten Fahrens liegt beim ASTRA (Botschaft 2021, S. 36 und S. 71, Art. 25h Abs. 1 revSVG). Bei diesen Versuchen darf außerdem von den geltenden Vorschriften des Straßenverkehrsrechts abgewichen werden, sofern die Bewilligung des ASTRA dies vorsieht und die Verkehrssicherheit jederzeit gewährleistet werden kann (Botschaft 2021, S. 71, Art. 25h Abs. 2 revSVG). In Bezug auf die Gewährleistung der Verkehrssicherheit werden beispielsweise gewisse Anforderungen an die eingesetzten Begleitpersonen gestellt und es wird ein vorheriger Test des Fahrzeugs auf einem gesperrten Areal vorausgesetzt (Botschaft 2021, S. 71).
Die Erkenntnisse und Berichte zu diesen Versuchen werden vom ASTRA publiziert und das ASTRA erhält Zugang zu allen mit dem Versuch in Zusammenhang stehenden Daten (Botschaft 2021, S. 71, Art. 25h Abs. 3 revSVG). Bei Versuchen mit automatisierten Fahrzeugen, welche einen regionalen Rahmen nicht überschreiten, kann der Entscheid über die Bewilligung dieser Tests im Einzelfall an die betroffenen Kantone übertragen werden (Botschaft 2021, S. 72, Art. 25h Abs. 4 revSVG). Das ASTRA legt aber auch in diesen Fällen die Rahmenbedingungen für die jeweiligen Versuche fest.
Versuche mit Fahrzeugen, die keine Führerin und keinen Führer benötigen, können vom ASTRA auch dann bewilligt werden, wenn diese Versuche nicht auf bestimmte Fahrstrecken beschränkt sind (Art. 25h Abs. 1 revSVG). Somit sind automatisierte Fahrzeuge der Stufe 5 zumindest im Rahmen von Versuchsfahrten Gegenstand des revidierten Straßenverkehrsgesetzes (Botschaft 2021, S. 36 und S. 71).
Weitere Aspekte der Revision
Weiter enthält das revidierte SVG Regelungsaufträge an den Bundesrat in Bezug auf die Sicherstellung, dass die Verkehrssicherheit aller Straßenbenutzerinnen und Straßenbenutzer durch die neuen Bestimmungen im Bereich der automatisierten Fahrzeuge nicht beeinträchtigt wird, dass die Verkehrsregeln beachtet werden können und dass die Automatisierungssysteme bei der Datenverarbeitung die Richtigkeit und Integrität der Daten gewährleisten können (Botschaft 2021, S. 34 und S. 67).
Durch die Revision wird auch eine explizite gesetzliche Grundlage für Finanzhilfen für neue Technologien im Bereich des automatisierten Fahrens geschaffen (Botschaft 2021, S. 37 und S. 77, Art. 105a revSVG). So können Pilot- und Demonstrationsanlagen sowie Projekte zur Erprobung neuer technologischer Entwicklungen finanziell unterstützt werden (Botschaft 2021, S. 77). Im Rahmen der bewilligten Kredite zur Förderung neuartiger Lösungen für den Verkehr auf öffentlichen Straßen kann das ASTRA entsprechende Finanzhilfen gewähren. Die Finanzhilfen werden auf Gesuch hin ausgeschüttet und unterstehen verschiedenen Voraussetzungen (Botschaft 2021, S. 78). Zum einen muss die Gesuchstellerin oder der Gesuchsteller eine zielgerichtete Durchführung und eine systematische Auswertung der Arbeiten gewährleisten können. Des Weiteren muss das Projekt im Hinblick auf einen nachhaltigen Verkehr einen positiven Effekt haben (Botschaft 2021, S. 78). Die Finanzhilfen werden außerdem nur für Vorhaben ausgeschüttet, die nicht länger als drei Jahre dauern sollen, und sie belaufen sich auf höchstens 50 % der anrechenbaren Kosten des Projekts (Botschaft 2021, S. 78). Die detaillierten Anforderungen an das Gesuch um finanzielle Unterstützung und die weiteren Vorgaben für die Gewährung dieser Finanzhilfen werden vom Bundesrat in Verordnungstexten geregelt werden (Botschaft 2021, S. 78).
Konkrete Regelungen im Bereich der Vernetzung des Verkehrs und somit auch im Bereich der damit verbundenen Datenbearbeitung sind nicht Gegenstand der beschriebenen Revision des Straßenverkehrsgesetzes (Botschaft 2021, S. 42). Es wird im revidierten SVG lediglich festgehalten, dass die Automatisierungssysteme der Fahrzeuge nur unter Gewährleistung der Richtigkeit und Integrität Daten bearbeiten dürfen (Botschaft 2021, S. 43, Art. 25e Abs. 1 revSVG). Speziell in Bezug auf die Vernetzung zwischen führerlosen Fahrzeugen und der Operatorin bzw. dem Operator enthält das Gesetz jedoch die Bestimmung, dass allfällige Unterbrechungen dieser Aufsichtsverbindung im Fahrmodusspeicher aufgezeichnet werden müssen (Botschaft 2021, S. 68, Art. 25f Abs. 3 revSVG).

6.3.6 Haftungsrechtliche Fragen

Mit den technischen Entwicklungen von automatisierten Fahrzeugen und der damit einhergehenden Veränderung der Mobilität stellen sich diverse haftungsrechtliche Fragen. Für eine Haftung im Zusammenhang mit automatisiertem Fahren kommen insbesondere die Halterin oder der Halter des Fahrzeugs, die Fahrzeugführerin bzw. der Fahrzeugführer oder aber eine Herstellerhaftung (Produkthaftpflicht) in Frage.
Im Zuge der Revision des Straßenverkehrsgesetzes geht der Bundesrat auch auf haftungsrechtliche Fragen ein und hält fest, dass die etablierten Haftungsregelungen bezüglich der Halterin bzw. des Halters von Fahrzeugen „vorläufig“ auch für den Bereich der automatisierten Fahrzeuge sachgerecht seien (Botschaft 2021, S. 40). Gemeint ist damit die in Art. 58 SVG festgehaltene Gefährdungshaftung der Fahrzeughalterin bzw. des Fahrzeughalters, die obligatorische Haftpflichtversicherung sowie der direkte Forderungsanspruch der Geschädigten bzw. des Geschädigten (Botschaft 2021, S. 40). Auch nach der Revision und somit auch im Bereich des automatisierten Fahrens soll grundsätzlich an diesem Modell der Halterhaftung festgehalten werden. Die Schaffung einer Gefahr durch den Betrieb eines Motorfahrzeugs, welche die Halterhaftung begründet, ist aus der Sicht des Bundesrats als Begründung analog auf den Einsatz von automatisierten Fahrzeugen anzuwenden (Botschaft 2021, S. 40).
Eine Haftung der Fahrzeugführerin bzw. des Fahrzeugführers setzt zunächst voraus, dass diese bzw. diesen ein Verschulden trifft. Durch Automatisierungssysteme können die Fahrzeugführenden von gewissen Aufmerksamkeits- und Beherrschungspflichten befreit werden. Dadurch, dass gewisse Fahraufgaben vom Automatisierungssystem übernommen werden, kann jedoch kein genereller Haftungsausschluss der Fahrzeugführerin bzw. des Fahrzeugführers abgeleitet werden, bestimmte Sorgfaltspflichten sind weiterhin zu beachten (Botschaft 2021, S. 40).
Der Bundesrat geht davon aus, dass mit steigender Automatisierung der Fahrzeuge die Haftung der Fahrzeugführerin bzw. des Fahrzeugführers mehr und mehr an Bedeutung verlieren wird, wohingegen die Herstellerhaftung vermehrt in den Fokus rücken könnte (Botschaft 2021, S. 40). Insbesondere werden die produkthaftpflichtrechtlichen Anforderungen an die Beobachtungspflicht, also an die Pflicht, die von einem Produkt ausgehenden Risiken und Gefahren auch nach dessen Inverkehrbringen zu beobachten, intensiver werden. Grund dafür ist, dass automatisierte Fahrzeuge relativ neue Technologien umfassend, die sich noch in der Entwicklung befinden (Botschaft 2021, S. 41). Im Bereich der Herstellerhaftung hält der Bundesrat in Bezug auf die Schweiz explizit fest, dass die mit den technologischen Entwicklungen verbundenen Besonderheiten durch die Produkthaftpflichtgesetzgebung nicht ausreichend erfasst werden (Botschaft 2021, S. 41). Mit einer Anpassung der Schweizerischen Rechtslage soll jedoch zugewartet werden, bis die Europäische Union ihre entsprechenden Regelungen angepasst hat (Botschaft 2021, S. 41).
Fazit zu Abschn. 6.3
Durch die Revision des Straßenverkehrsgesetzes wird der Bereich des automatisierten Fahrens in der Schweiz erstmals grundlegend einer Regulierung unterworfen. Zentral ist dabei, dass sich die gesetzlichen Bestimmungen auf grundlegende Punkte konzentrieren und somit in erster Linie die Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren in der Schweiz vorgeben. Für die detaillierten Regelungen und konkretisierten Vorgaben wird das Verordnungsrecht und somit der Bundesrat zuständig sein. Durch diese breite Kompetenzdelegation an den Bundesrat und aufgrund der dynamischen Natur dieses Rechtsgebiets wird das Verordnungsrecht im Bereich des automatisierten Fahrens sicherlich häufigen Änderungen unterworfen sein.
Daraus lässt sich in Bezug auf die Planung von Projekten mit automatisierten Fahrzeugen schließen, dass die betreffenden Verordnungen und allfällige Anpassungen ebendieser stets im Blick behalten werden müssen. Etliche Regulierungsfragen lässt die Revision indes unbeantwortet, weil hier noch kein zwingender Handlungsbedarf gesehen wird. Es kann jedoch mit einer neuerlichen umfassenden Revision des Straßenverkehrsgesetzes für die Zeit nach 2030 gerechnet werden.
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Footnotes
1
S. a. den Vorschlag für eine KI-Verordnung COM (2021) 206 final.
 
2
Gem. § 1 Abs. 2 StVG gilt dieses Gesetz nur für Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein, also nicht für Straßen- und Magnetschwebebahnen, dagegen gilt es für an Oberleitungen gebundene Busse ohne Gleisanbindung (näher dazu Dauer 2021, § 1 StVG Rn. 21).
 
3
Es sei lediglich angemerkt, dass etwa gemäß Art. 8 Z. 1 des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr jedes Fahrzeug, wenn es in Bewegung ist, einen Lenker aufweisen musste. Die Bestimmung wurde mittlerweile dahingehend ergänzt, dass in Art. 8 Z. 5bis automatisierte Fahrzeugsysteme dann zulässig sind, wenn sie von einem Lenker übersteuert bzw. deaktiviert werden können Lenker:innen gibt es jedoch bei einem vollautomatisierten ÖPNV nicht, sodass sich auch auf völkerrechtlicher Ebene ein Anpassungsbedarf ergeben könnte.
 
4
Seilbahnen gelten in Österreich rechtlich als Eisenbahnen und sind daher von der Bundeskompetenz hinsichtlich dieser Anlagen in Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG erfasst.
 
5
In VfSlg 20.262/2018 hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass ein Verkehrskontrollplatz auf einer Autobahn als Bestandteil dieser Bundesstraße gilt und ebenso ein Gebäude oder Bauwerk, das in Zusammenhang mit dieser Funktion steht. Damit ergibt sich aber auch, dass auch erforderliche infrastrukturelle Anlagen für den automatisierten ÖPNV wohl Straßenbestandteile sind und dann von jenem Gesetzgeber zu regeln sind, der für die betreffende Straße zuständig ist.
 
6
Dies ist unzutreffend. EU-Recht, ob unmittelbar anwendbar oder nicht, verpflichtet entweder zur Umsetzung oder Anwendung, ändert aber nicht die Kompetenzverteilung.
 
7
Der Bundesrat ist die vom Parlament auf vier Jahre gewählte, aus sieben Mitgliedern bestehende Regierung der Schweiz und entspricht damit in keiner Weise dem in Deutschland oder Österreich als „Bundesrat“ bezeichneten Organ. Das Pendant zum deutschen bzw. österreichischen Bundesrat ist – mit einigen Unterschieden in den konkreten Kompetenzen – der Ständerat, also die kleine Kammer des Schweizerischen Parlaments, in welchem die Kantone vertreten sind.
 
8
Die Vernehmlassung ist dem Schweizerischen Gesetzgebungsverfahren vorgelagert. Im Vernehmlassungsverfahren haben die Kantone, politische Parteien sowie betroffene Verbände und Interessensgruppen die Möglichkeit, zu einem von der Exekutive vorgeschlagenen Gesetzesentwurf Stellung zu nehmen.
 
9
Als Botschaft wird der ausführliche Bericht der Schweizerischen Landesregierung bezeichnet, in welchem sie ihre jeweiligen Erlassentwürfe erläutert.
 
Literature
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Metadata
Title
Rechtliche Aspekte des automatisierten Fahrens und der Personenbeförderung
Authors
Nadja Braun Binder
Peter Bußjäger
Raoul Fasler
Annette Guckelberger
Copyright Year
2024
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-66998-3_6

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