Der Fachkräftemangel beschäftigt nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie viele Branchen. Eine aktuelle Analyse zeigt, welche Bewerber bei Banken derzeit und künftig die größten Chancen haben: Gefragt ist Know-how im Compliance-Bereich, Sustainable Banking oder Risikomanagement.
Banken suchen oft händeringend nach Experten mit besonderen Kenntnissen – in den Personalabteilungen, im Finance-Bereich oder in der IT. So ist der Hays-Index für Fachkräfte in der Bankenbranche trotz der seit fast zwei Jahre dauernden Krise mit kleineren Schwankungen in den vergangenen Monaten stetig geklettert. Im vierten Quartal 2021 erreichte er für HR-Fachkräfte 200 und für IT-Experten sogar 250 Zähler. Im ersten Quartal 2021 lagen diese Werte noch bei 128 beziehungsweise 213 Punkten.
"Die Finanzinstitute haben trotz der Pandemie ihre Projekte weiter vorangetrieben", erläutert Daniel Jung, Abteilungsleiter Banking bei der Pesonalberatung Hays, die aktuellen Zahlen gegenüber Springer Professional. Lediglich im zweiten Quartal 2020 habe es eine Delle in der Nachfrage nach Finanzspezialisten gegeben. Seither gehe es auch in diesem Bereich steil bergauf.
Risikomanagement-, Complicance- und ESG-Expertise gefragt
"Der Bedarf in der IT hängt immer stark vom Thema sowie vom Projektumfang ab", weiß Jung. Fachlich suchen die Unternehmen nach Experten mit Kompetenzen im Risikomanagement. Ihr Ziel ist es, mit ihnen mögliche Kreditausfallrisiken zu identifizieren und zu managen.
Eine starke Nachfrage stellt das Beratungshaus auch im Bereich Compliance, AML (Geldwäsche) und KYC (Know Your Customer) fest. "Experten für die Bereiche Meldewesen sowie Compliance werden bedingt durch gesetzliche Anpassungen und Regulatorik an Bedeutung gewinnen", glaubt der Personalspezialist.
Künftig werde das Augenmerk der deutschen Geldhäuser auch noch auf Experten im Bereich ESG (Environment, Social, Governance) und Sustainable Banking liegen. "Nicht zuletzt, weil die Stresstests der Europäischen Zentralbank an strategischer Wichtigkeit zunehmen. Dieser Bereich wird sich mit neuen Berufsbildern noch weiter ausdifferenzieren als bisher", prognostiziert Jung.
Bewerber müssen soziale Kompetenzen und Agilität mitbringen
Häufig achten Banken und Sparkassen bei potenziellen Kandidaten auch auf soziale Kompetenzen, Fähigkeiten und Erfahrungen. "Das heißt nicht, dass die Fachlichkeit keine Rolle mehr spielt. Aber man merkt, dass das Management von Veränderungen in der Arbeitskultur nun langsam auch die Kandidatenprofile durchdringt", betont Jung. "Dazu gehört zum Beispiel die Fähigkeit, in agilen und kollaborativen Strukturen zu arbeiten, remote Leadership, aber auch das Management verteilter Teams."
Laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Pwc werden Konzepte für die Remote-Arbeit in der Finanzbranche auch nach der Corona-Krise bestehen bleiben. Entsprechend planen knapp 90 Prozent der befragten Institute, örtlich flexible Tätigkeiten weiter auszubauen. Und so suchen Unternehmen in klassischen Tätigkeitsfeldern wie dem Finanzwesen nun verstärkt nach Möglichkeiten, sich teamintern sowie -übergreifend zu organisieren", schreibt hierzu Michael Hollauf im Bankmagazin (Ausgabe 9 | 2021).
Recruiting in Banken neu definieren
"Hochqualifizierte Bewerber können sich freuen: Je nach fachlicher Spezialisierung werden sie sich morgen ihre Wunscharbeitgeber aussuchen können", meint Jung. Der Rekrutierung komme dabei ein strategischer Stellenwert zu und müsse neu gedacht werden. "Denn tradierte Ansprache- und Kanalmuster funktionieren immer weniger, denn man greift damit ja stets auf dieselben Talente zu", so der Experte.
In der Mitarbeitersuche wird es generell wichtig werden, nach ungenutzten Potenzialen zu suchen, zum Beispiel Menschen mit viel Erfahrung, die allerdings nur in reduzierter Stundenanzahl tätig sein möchten", meint Jung. Seiner Meinung nach werden es aufgrund des hohen Spezialisierungsgrads in vielen Bankbereichen Generalisten in Zukunft schwer haben.
Digitale Bewerbersuche optimieren
Beim Recruiting setzen Banken und Sparkassen immer häufiger auf alternative, digitale Kanäle, beschreibt Rainer Spies im Bankmagazin-Beitrag "Kandidaten dank digitaler Unterstützung finden" (Ausgabe 7-8 | 2021) die Lage in vielen Geldhäusern. "Durch Performance-Marketing-Technologien platzieren wir Stellenanzeigen unserer Kunden in den Online-Alltag qualifizierter Kandidaten", zitiert er Matilda von Gierke, Gründerin des Berliner Personaldienstleisters Zalvus. Zu dessen Kundenkreis gehören vor allem von Banken und Sparkassen.
Ziel sei es, insbesondere passiv suchende Kandidaten anzusprechen, "wie sie etwa im IT-Bereich häufig vorkommen", erläutert der Bankmagazin-Autor. Diese seien über Online-Jobbörsen nur schwer zu erreichen. Stellenanzeigen werden daher in Karrierenetzwerken und den sozialen Medien geschaltet, die Bewerbern in Suchmaschinen oder beim Besuch anderer Websites angezeigt werden.
"Parallel dazu wird Re- und Upskilling relevant werden", glaubt Recruiting-Experte Jung. "Denn man kann heute nicht mehr davon ausgehen, dass ein Kandidat alle Qualifikationen passgenau für den Job mitbringt."
Bewerberansprüche werden höher
Und für mögliche Kandidaten stelle sich laut Spies häufig die Frage nach einer vertrauensvollen persönliche Ansprache, Diversität und Datenschutz. Der Autor beruft sich dabei auf die Studie "Künstliche Intelligenz, Chatbots und Rekrutierung – Die Sicht der Kandidaten" von Sven Laumer, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Der zufolge wollen Kandidaten darüber informiert werden, "wie ihre Daten bei Unternehmen verwendet werden, wie smarte Tools funktionieren und wie die Recruiter zu ihren Entscheidungen im Bewerbungsprozess kommen".