Der Fachkräftemangel bremst das Wachstum der deutschen Wirtschaft. Um so wichtiger ist es, im Recruiting für positive Bewerbererlebnisse zu sorgen. Worauf es jetzt bei der Candidate Experience ankommt, zeigt eine Studie auf.
Homeoffice, Vergütung, Benefits: Worauf Bewerber bei Arbeitgebern achten, ist im War for Talents entscheidend für den Recruiting-Erfolg von Unternehmen. Dazu hat der HR-Software-Anbieter Greenhouse rund 2.300 Arbeitnehmer befragt, davon 1.200 in den USA, 800 im Vereinigten Königreich sowie 300 in der DACH-Region. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz gibt der "Candidate Experience Report" Anhaltspunkte, wie Unternehmen ihr Employer Branding und ihre Bewerbungsprozesse gestalten sollten, um den Bedürfnissen von potenziellen Bewerbern besser gerecht zu werden.
Bewerber wollen flexibel arbeiten
Demnach haben flexible Arbeitsmodelle einen besonders hohen Stellenwert für Jobsuchende. Mehrt als die Hälfte (53 Prozent) der Umfrageteilnehmer in der DACH-Region wäre in den nächsten drei bis sechs Monaten bereit für einen Wechsel, wenn ihr Unternehmen flexible Arbeitsmethoden zurückfahren würde. Und 42 Prozent der Bewerber lassen lieber einen neuen Job sausen, wenn das Arbeitsmodell nicht ihren Vorstellungen entspricht. Bei 36 Prozent sollte es auf jeden Fall hybrid sein.
Auch mit einer Vier-Tage-Woche können Arbeitgeber punkten. Rund die Hälfte der Befragten würde sich ausschließlich bewerben, wenn sie ihr Arbeitspensum um einen Tag reduzieren dürfen. Die Work-Life-Balance ist bei der Arbeitgeberwahl also ein wesentliches Entscheidungskriterium.
Zudem ist für 22 Prozent der Befragten wichtig, dass die Stellenausschreibung eine Gehaltsspanne angibt. Transparenz bei der Vergütung baue Vertrauen auf, so das Arbeitgeber mit einem breiteren Talent-Pool profitieren, schlussfolgern die Studienautoren.
Ghosting-Problem im DACH-Raum besonders groß
Auch über die Don'ts gibt die Studie Auskunft. Ein großes Problem stellt demnach Ghosting dar. 78 Prozent der Befragten im DACH-Raum haben bereits einmal die Erfahrung gemacht, dass ein Unternehmen nach einem Vorstellungsgespräch die Kommunikation abgebrochen und somit für eine besonders negative Candidate Experience gesorgt hat. Dass ist im internationalen Vergleich ein hoher Wert. Denn in den USA haben 67 Prozent und in Großbritannien 57 Prozent bereits Ghosting erlebt. Bei Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es also im Einstellungsprozess noch einigen Optimierungsbedarf.
Candidate Experience Management (CXM) bezeichnet die aktive Gestaltung aller Kontaktpunkte des Bewerbers mit dem Unternehmen mit dem Ziel, einen positiven Gesamteindruck zu hinterlassen. Aus Sicht des Bewerbers als Kunden eines Unternehmens werden am Vorbild des Customer Experience Managements Systeme, Menschen und Prozesse schrittweise analysiert und interpretiert. Im Mittelpunkt steht das Erleben des Bewerbers. Weiterhin wird es mit der Sicht von außen möglich, zu verstehen, welche tatsächlichen Erwartungen an Recruiting-Prozesse bestehen und wie diese am besten erfüllt werden können", zitieren Lars J. Jansen, Joachim Diercks und Kristof Kupka im Buchkapitel "Personalgewinnung" eine Begriffsdefinition aus Tim Verhoevens Buch zum Thema aus dem Jahr 2016.
Gift für die Candidate Journey
Den größten Fehler, den Unternehmen heute entlang der Candidate Journey begehen, "entsteht durch einen fehlenden Perspektivenwechsel von Top-Führungskräften und Unternehmern. Daraus resultiert wiederum die fehlende Einsicht der Unternehmen und von deren Entscheidern, dass sie sich heute bei den Talenten und Kandidaten im Markt bewerben und nicht diese bei ihnen", betont Hans-Heinz Wisotzky im Buchkapitel "Der Abgleich zwischen der Kandidatenperspektive und der Unternehmensperspektive auf die Candidate Journey" auf Seite 73.
Kandidaten beschäftigen sich daher nicht mehr mit nicht sagenden Stellenanzeigen oder quittieren fehlende Wertschätzung in Gesprächen mit dem sofortigem Ausstieg aus dem Recruiting-Prozess, warnt der Experte und er rät (Seite 74 f.):
- Stellen Sie im Recruiting und in den Fachbereichen sicher, dass immer wieder ein Perspektivenwechsel stattfndet (Unternehmenssicht vs. Kandidatensicht).
- Optimieren Sie den Recruiting-Prozess nicht nur nach unternehmensinternen Gesichtspunkten.
- Talente beziehungsweise Kandidaten präferieren eine hohe Recruiting-Geschwindigkeit, angenehme und wertschätzende Kennenlerngespräche und ein zeitnahes Feedback.
- Der Aufbau von Vertrauen zwischen Kandidaten und Unternehmen hat im Verlauf der Candidate Journey eine sehr hohe Priorität.
- Betreiben Sie kein Overselling hinsichtlich der zu besetzenden Position und den Leistungen als Arbeitgeber.