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22-11-2021 | Recycling | Schwerpunkt | Article

Plastikmüll mit Bakterien abbauen

Author: Frank Urbansky

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Plastikmüll ist eines der großen Probleme unserer Zeit. Kunststoffe können gut recycelt werden. Dennoch landet viel in der Umwelt. Bakterien könnten sie in Haufwerken zu einer Art Rohöl verwandeln.

Bakterien werden schon heute genutzt, um Biomasse für energetische Anwendungen nutzbar zu machen. "Das Gas wird über die Methangärung durch ein Bakteriengemisch unter Sauerstoffabschluss erzeugt", benennt Springer-Vieweg-Autor Richard Zahoransky in seinem Buchkapitel Energetische Verwertung von Biomasse auf Seite 448 mit der bakteriellen Vergasung eine Möglichkeit.

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Energetische Verwertung von Biomasse

Etwa 0,1 % der Solarenergie wandeln sich durch Photosynthese aus dem Kohlendioxid der Luft in Biomasse um. Die Biomassen sind als Festbrennstoff nutzbar oder zu gasförmigen Brennstoffen weiterverarbeitbar. Zwei Arten von Biomassen sind zu unterscheiden:

Anfallende Biomasse

Angebaute Biomasse.

Bakterien sorgen aber auch im menschlichen Körper, in der Luft, im Wasser und im Boden für Abbauprozesse. Einige Bakterienarten sind unter bestimmten Umständen sogar in der Lage, Kunststoffe in eine Art Rohöl zurückzuverwandeln.

Abbauprozesse auf Deponie entdeckt

Entdeckt wurde dies von Bauingenieur und Springer-Autor Michael Struve, der sich schon vor einigen Jahren mit einem Phänomen befasste: der Selbstentzündung von Mülldeponien. Er schrieb bereits seine Diplomarbeit 1978 zum Thema Bakterien. Seit 1979 arbeitete er auf einer Deponie und sollte dort eine Gefährdungsabschätzung erstellen. Dabei entdeckte er den Abbauprozess von Kunststoffen durch Bakterien, auf den er das Land Niedersachsen in einem Bericht 1991 hinwies.

Verantwortlich dafür sind thermophyle und hyperthermophyle Bakterien die ubigenitär in der Umwelt existieren. Auf der Deponie wurde 1995 ein Brand entdeckt, der wohl schon einige Jahre im Gange war. Gemeinsam mit Prof. Peter Spillmann von der Universität Rostock gelang Struve der Nachweis über den bakteriellen Abbau des Kunststoffes. Die Ergebnisse veröffentlichte er in zwei Fachbüchern.

Der Prozess geht wie folgt vonstatten. Die genannten Bakterien sind praktisch unkaputtbar – selbst bei gemessenen 254 °C versporen sie nur, nach Wasserzugabe sind sie nach 24 Stunden wieder voll aktiv. Der Wassergehalt muss dabei über 24 Prozent liegen und nach oben ein sogenanntes Haufwerk von gut drei Metern existieren. Schon bei 15 °C beginnt der Abbau, bei dem auch Schwefelkohlenstoff entsteht – letztlich der Auslöser für die Brände bei Sauerstoffzufuhr und Temperaturen oberhalb von 95 °C.

Dieses Prinzip einer Thermolyse nun übertrug Struve auf eine technische Apparatur, mit der der Prozess gesteuert ablaufen kann, und meldete die Apparatur zum Patent an. Die Anlage besteht aus Reaktorkammer, Heizkammer und Gaskühler. Die Reaktorkammer hat ein Nutzvolumen von 3,9 m³, wo das Material eingefüllt wird, auch ungewaschen oder grob sortiert. Dann wird der Deckel versiegelt und über Schienen in den Thermo-Ofen geschoben. Hier wird dann das Gasrohr angeschlossen. Dann wird die Schiebetür verriegelt und der Prozess beginnt mit dem Aufheizen.

Die Kurve aus einem Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) für Batterieschrott zeigt dabei einen Gewichtsverlust in Abhängigkeit von der Temperatur. Bei 500 °C ist praktisch alles vergast. Bei 350 °C wird das Gasventil geöffnet und die Gase gehen zum Gaskühler, wo die Kondensation eintritt und Wasser und Öl entstehen.

Auch Rotorblätter geeignet

Das Gemisch wird dann in einem Tricanter in Wasser, Öl und Feststoff zerlegt. Der komplette Prozess geschieht gekapselt und ohne schädliche Emissionen. Struve kalkulierte einen Energieverbrauch von weniger als 0,4 kWh je kg, in den Messungen wurden 0,28 kWh je kg festgestellt. Die Energie dafür könnte aus erneuerbaren Energiequellen kommen.

Somit entstünde ein speicherbares Öl für die Energiegewinnung. Recycelt werden könnten damit auch Rotorblätter von Windenergieanlagen, für die es bisher noch kein geeignetes Recyclingverfahren gibt. Groben Schätzungen zufolge würde deren Verwertung 50 Prozent Öl und 50 Prozent Glasfasern entstehen lassen. Die Glasfasern könnten als Zuschlag in der Bauindustrie verwendet werden.

"Die Potentiale sind gigantisch, da wir Reifen, Textilien, Plastik und tierische Nebenprodukte verflüssigen können. Eine Anlage für tierische Nebenprodukte habe ich im Genehmigungsverfahren", so Struve. Bei den tierischen Nebenprodukten würden Öl, destilliertes Wasser und Phosphatdünger entstehen, also zu 100 Prozent marktfähige Produkte.

Dabei würden zwei Verfahren genutzt, die in der Nutzung von Biomasse schon lange bewährt sind und die eben auch auf Kunststoffe übertragen werden können. "Thermolyse (450–800 °C) und Pyrolyse (1500 °C): Verkohlung von trockener Biomasse (v. a. Holz) unter Luftabschluss zu Holzkohle, saurem Pyrolyseöl und Holzgas (H2, CO, Acetylen). […] Hydrothermolyse (250–600 °C), Umsetzung von Biomasse mit Wasser bei 200 - 330 °C und >30 bar zu einem rohölartigen Produkt mit geringem Sauerstoffgehalt", beschreibt dies Springer-Vieweg-Autor Peter Kurzweil in seinem Buchkapitel Nachhaltige Chemie auf Seite 311.

Es gibt also nachhaltige Lösungen für die Erzeugung nicht fossiler Kraftstoffe aus Plastikmüll. Auch deswegen sollte, so Struve, die Verteufelung von Plastik beendet werden.

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