Die Europäische Kommission verabschiedete ein Maßnahmenpaket zur Kreislaufwirtschaft. Von WASSER UND ABFALL wurde EU-Kommissar Karmenu Vella zu den Fortschritten und den nächsten Schritten befragt.
WASSER UND ABFALL: In Deutschland wird seit 20 Jahren das Ziel einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft verfolgt. Welche Erwartungen sind mit dem europäischen Kreislaufwirtschaftspaket verbunden?
Kommissar Karmenue Vella: Die Erwartungen sind hoch. Kreislaufwirtschaft ist nicht nur eine umweltpolitische Notwendigkeit, sondern sie ist der sichere Weg, um Emissionen zu reduzieren, und zu einem nachhaltigeren Energiesystem und somit zu einer klügeren Wirtschaftsweise zu gelangen.
Mit dem Konzept der Kreislaufwirtschaft verlassen wir das lineare Wirtschaftsmodell, auf das wir in der Vergangenheit gesetzt haben. Denn es wird den heutigen Erfordernissen nicht mehr gerecht. Viele natürliche Ressourcen sind begrenzt, deshalb müssen wir diese auf ökonomisch und ökologisch nachhaltige Weise nutzen.
Im globalen Vergleich ist Europa bei den Lohnkosten nicht konkurrenzfähig. Auch verfügen wir nicht über den Reichtum an Bodenschätzen wie andere Teile der Welt. Europa ist jedoch in anderer Weise reich, insbesondere hinsichtlich Kompetenzen und Innovationsgeist. Die Kreislaufwirtschaft spielt diese Stärken voll aus und ermöglicht uns, Ressourcen auf viel intelligentere Art zu nutzen.
Der Wandel zur Kreislaufwirtschaft dient also allen zum Vorteil. Auf der einen Seite können Unternehmen dadurch ihre Ressourcen bestmöglich nutzen und neue Möglichkeiten ausschöpfen. Auf der anderen Seite kommen Bürger in den Genuss innovativer und langlebiger Produkte, sie können Geld sparen und ihre Lebensqualität steigern.
Neben den ökologischen Vorteilen stellt sich die Frage, wie der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft die Kosten senken und Arbeitsplätze schaffen wird?
Wann immer Ökonomen dies analysieren, kommen sie zu einem positiven Ergebnis. Studien der Kommission zeigen, dass Abfallvermeidung, Ökodesign, Wiederverwendung und ähnliche Maßnahmen Nettoeinsparungen in Höhe von 600 Milliarden Euro, also 8 Prozent des Jahresumsatzes von Unternehmen in der EU, herbeiführen und gleichzeitig Treibhausgase um 2 – 4 Prozent pro Jahr reduzieren könnten.
Dies sind Prognosen der Kommission und daher eher konservativ berechnet. Die Ellen-MacArthur-Stiftung prognostiziert sogar einen viel höheren Nutzen; nämlich eine mögliche Steigerung von bis zu 4 Prozent des BIPs innerhalb der EU. Andere Studien gehen von noch größeren Effekten aus.
In vielen Wirtschaftssektoren können neue Arbeitsplätze entstehen. Großes Potenzial besteht zum Beispiel in Bereichen wie der Wiederverwendung, Wiederaufarbeitung und Reparatur von Produkten. Außerdem gibt es ein signifikantes Beschäftigungspotenzial in den Bereichen Ökodesign, Ingenieurswesen, Abfallsortierung und Recycling sowie durch neue Dienstleistungen, bei denen Produkte vermietet oder geteilt werden.
Umweltbranchen sind bereits heute wichtige Wachstumsstützen in Europa. Während der Rezessionsjahre stieg die Zahl der Arbeitsplätze von 3 auf 4,2 Millionen an. Ein Drittel aller Arbeitsplätze weltweit in diesem Bereich befinden sich damit in Europa. Bis 2020 wird eine Verdoppelung erwartet. Dies macht das enorme Potenzial deutlich.
Lesen Sie das gesamte Interview mit EU-Kommissar Karmenu Vella in WASSER UND ABFALL | Ausgabe 04/2017.