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Published in: e & i Elektrotechnik und Informationstechnik 6/2022

Open Access 30-08-2022 | Originalarbeit

Regelungstechnische Konzepte zur Messbereichserweiterung kalorimetrischer Strömungssensoren

Authors: Samir Cerimovic, Roman Beigelbeck, Franz Kohl, Thilo Sauter, Franz Keplinger

Published in: e+i Elektrotechnik und Informationstechnik | Issue 6/2022

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Zusammenfassung

Kalorimetrische Strömungssensoren sind eine sehr verbreitete Art von thermischen Strömungssensoren. Sie werten eine strömungsbedingte Verzerrung des Temperaturfeldes um eine Wärmequelle aus. Im einfachsten Betriebsfall mit konstanter Heizleistung weisen sie eine ausgezeichnete Sensitivität auf. Allerdings ist das Ausgangssignal keine monotone Funktion der Strömungsgeschwindigkeit, sodass der nutzbare Messbereich aufgrund der Mehrdeutigkeit der Kennlinie stark eingegrenzt ist. Für einen breiten Einsatz muss mit steigender Strömungsgeschwindigkeit die Heizleistung mit einem Regler nachgeführt werden. Dabei kommen verschiedene regelungstechnische Konzepte zur Anwendung, die anhand zweier konkreter Sensorausführungen näher erläutert werden.
Notes
T. Sauter ist OVE-Mitglied.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Thermische Strömungssensoren sind Bestandteil vieler technischer Lösungen. Ihr Einsatzbereich reicht von der Steuerung und Überwachung diverser industrieller Prozesse, über Medizintechnik und Klimaanlagen bis hin zur Automobilindustrie [14]. Sie werten den Einfluss der Fluidströmung auf die Verteilung eines Temperaturfeldes aus. Sehr verbreitet sind die sogenannten kalorimetrischen Strömungssensoren, deren Aufbau anhand der schematischen Darstellung in Abb. 1 erklärt werden kann. Im gleichen Abstand stromauf- und -abwärts von einer Wärmequelle (Heizer H), befinden sich zwei Sensoren (S1 und S2), mit denen die Temperaturverteilung ermittelt wird. Ohne Strömung entsteht rund um den Heizer ein symmetrisches Temperaturfeld, sodass die Sensoren die gleiche Temperatur messen. Durch die Strömung wird diese Symmetrie gestört, wobei der stromaufwärts befindliche Sensor S1 stärker abgekühlt wird als S2, der stromabwärts vom Heizer liegt. Die dadurch entstandene Temperaturdifferenz ∆T = T2 − T1 dient als Maß für die Strömungsgeschwindigkeit. Sie wird mittels geeigneter Auswerteelektronik in ein elektrisches Signal umgesetzt, das weiterverarbeitet (digitalisiert, gespeichert …) und für die Bestimmung wichtiger Strömungsparameter, wie z. B. Strömungsgeschwindigkeit oder Massendurchfluss, herangezogen wird.
Bei konstanter Heizleistung weist die Ausgangscharakteristik kalorimetrischer Strömungssensoren einen nicht-monotonen Verlauf auf. Ohne Strömung verschwindet die Temperaturdifferenz T2 − T1 und somit auch das Ausgangssignal. Bei steigender Strömungsgeschwindigkeiten werden durch zunehmende Konvektion beide Temperaturfühler so effizient gekühlt, dass das Ausgangssignal nach Erreichen eines Maximums abnimmt und wieder gegen Null strebt. Im Betriebsmodus mit konstanter Heizleistung sind kalorimetrische Strömungssensoren deshalb nur in einem sehr engen Strömungsbereich bis zum Erreichen des Maximums einsetzbar. Für einen breiteren Messbereich muss die Heizleistung an die Strömungsgeschwindigkeit angepasst werden, wofür verschiedene regelungstechnische Konzepte existieren. Anhand zweier konkreten Strömungssensoren sollen in dieser Arbeit einige von diesen Konzepten näher beschrieben werden. Der erste kalorimetrische Sensor wurde in Mikrosystemtechnik (MEMS – micro-electro-mechanical systems) realisiert und ist für Anwendungen bestimmt, bei denen kleine Abmessungen und große Empfindlichkeit ausschlaggebend sind [5]. Der andere Sensor wurden mittels kostengünstiger Siebdrucktechnologie auf einer flexiblen Folie hergestellt und eignet sich eher für robuste Einsatzbereiche, wie z. B. Klimaanlagen [6]. Die beschriebenen regelungstechnischen Konzepte sind jedoch unabhängig von der jeweiligen Herstellungstechnologie und können bei vielen Ausführungen kalorimetrischer Strömungssensoren eingesetzt werden.

2 MEMS-Sensor

Der schematische Aufbau und eine Mikroskopaufnahme des Sensors sind in Abb. 2 dargestellt. Im Zentrum der Anordnung befindet sich ein U‑förmiger Dünnfilmwiderstand aus Chrom, der als Wärmequelle dient. Symmetrisch dazu sind zwei Thermistoren aus amorphem Germanium (aGe) als Temperaturfühler angeordnet. Diese drei Bauelemente sind in eine ca. 1,6 µm dünne Membran eingebettet, die eine rechteckige Öffnung im Siliziumchip überspannt. Zwei weitere Thermistoren liegen am Si-Substrat und registrieren die Chip-Temperatur, die für die Regelung wichtig ist. Die aGe-Thermistoren zeichnen sich durch sehr hohe Empfindlichkeit und einen negativen, annähernd konstanten Temperaturkoeffizienten aus (NTC α = −0,02/K). Die Temperaturabhängigkeit ihrer Widerstände lässt sich bei Raumtemperatur sehr gut durch einen exponentiellen Verlauf beschreiben [7].
Der Sensor wird zur Charakterisierung in eine Platine eingepasst, sodass Sensor- und Platinenoberfläche auf gleicher Ebene liegen, und anschließend fluchtend in die Wand eines rechteckigen Strömungskanals integriert [8]. Für die Charakterisierung des Sensors wurde Stickstoff als Testfluid eingesetzt und der Volumenstrom über einen computergesteuerten Regler eingestellt. Durch einfache Umrechnung ergibt sich daraus die über den Kanalquerschnitt gemittelte Strömungsgeschwindigkeit v.
Im ungeregelten Sensorbetrieb wird die Spannung am Heizer konstant gehalten (CV-Betriebsmodus, abgeleitet vom englischen Ausdruck constant voltage) und dadurch ein Temperaturfeld erzeugt. Näherungsweise ist somit auch die Heizleistung konstant, da der spezifische Widerstand von Chrom nur eine sehr geringe Temperaturabhängigkeit besitzt. Die Thermistoren wiederum werden mit einer konstanten Gleichspannung beaufschlagt, die so niedrig gewählt wird, dass sie keine nennenswerte Selbsterwärmung verursacht. Mit der Temperatur ändern sich ihre Widerstände und somit auch die elektrischen Ströme durch die Thermistoren. Diese werden mittels Transimpedanzverstärker (auch Strom/Spannungs-Wandler genannt) in Spannungen umgesetzt [7]. Die Spannungsdifferenz beider Membranthermistoren, gebildet mit einem Instrumentenverstärker, stellt die Sensorausgangsgröße UA dar.
Aus den Signalen der Transimpedanzverstärker kann man aber auch die Thermistortemperaturen errechnen. Die Abhängigkeit der jeweiligen Übertemperatur (d. h. die Differenz zwischen der Thermistor- und der Umgebungstemperatur TU) von der mittleren Strömungsgeschwindigkeit im Kanal wird in Abb. 3a dargestellt. Während der stromaufwärts gelegene Thermistor durch die Konvektion nur abgekühlt wird (∆TL), steigt die Übertemperatur des anderen Thermistors (∆TR) mit aufkommender Strömung zuerst leicht an. Ab etwa 0,1 m/s fallen dann die Übertemperaturen beider Thermistoren aufgrund zunehmender konvektiver Abkühlung ab.
Das Ausgangssignal des Sensors ist eine Funktion der Temperaturdifferenz zweier Membranthermistoren TR − TL, die in Abb. 3b dargestellt ist. Aufgrund des oben beschriebenen Effekts ist die Empfindlichkeit (Steigung der Ausgangskennlinie) im unteren Strömungsbereich v < 0,1 m/s besonders groß. Die Kennlinie weist den typischen nicht-monotonen Verlauf mit einem globalen Maximum auf, sodass der Sensor in diesem Betriebsmodus nur für die Messungen bis etwa 5 m/s eingesetzt werden kann [7].
Damit der Verlauf des Ausgangssignals im ganzen Messbereich monoton bleibt, muss im Falle starker konvektiver Abkühlung die Heizleistung erhöht werden. Für die Nachführung der Heizspannung kommt ein elektronischer Regler zur Anwendung. Die Heizspannung wird dabei so gewählt, dass das arithmetische Mittel der auf der Sensormembran gemessenen Temperatur TM = (TL + TR)/2 einen konstanten Unterschied zu einer Referenztemperatur TREF aufweist [9]. Für die Letztere wird die Sensorchiptemperatur gewählt, die mit zwei äußeren Temperaturfühlern auf dem Chipsubstrat gemessen wird und in unserem Messaufbau der Umgebungstemperatur TREF = TU entspricht. Mit anderen Worten, wird die Heizleistung so angepasst, dass die mittlere Übertemperatur ∆TM (gestrichelte grüne Kurve in Abb. 3a) nunmehr konstant bleibt
$$\Updelta T_{\mathrm{M}}=T_{\mathrm{M}}-T_{\mathrm{U}}=\text{const}$$
(1)
Daher nennt man diesen Betriebszustand auch Konstant-Übertemperatur-Betriebsmodus (CT-Betriebsmodus, abgeleitet vom englischen Begriff constant temperature).
Abb. 4 zeigt das Blockschaltbild des Gesamtsystems inklusive Sensor und Regler [7]. Die Regelgröße y korrespondiert mit der tatsächlichen Differenz zwischen der mittleren Temperatur der Membran- und Substratthermistoren ∆TIST = ∆TM. Sie soll den konstanten Wert ∆TSOLL haben, der mit der Führungsgröße w eingestellt wird. Der Regler minimiert die Regelabweichung e ∝ ∆TSOLL − ∆TIST mittels Heizspannung, die als Stellgröße u fungiert. Das Membranstück zwischen dem Heizer und den Membranthermistoren stellt die Regelstrecke dar, die durch die Strömungsgeschwindigkeit v als Störgröße beeinflusst wird. Als Ausgangsgröße dient entweder die Heizspannung UH oder die Spannung UA, die, wie im Falle des CV-Betriebsmodus, eine Funktion der Temperaturdifferenz TR − TL ist.
Die Messergebnisse im CT-Betriebsmodus sind in Abb. 5 illustriert, wobei ∆TSOLL = 5 K gewählt wurde. Durch die Nachführung der Heizleistung steigt die Übertemperatur des stromabwärts gelegenen Thermistors ∆TR mit wachsender Strömungsgeschwindigkeit monoton an. Sein stromaufwärts positioniertes Gegenstück ist aufgrund seiner Lage von der Erhöhung der Heizleitung wenig beeinflusst, sodass seine Übertemperatur ∆TL fällt. Die mittlere Übertemperatur ∆TM als Regelgröße bleibt jedoch konstant (grüne gestrichelte Linie, vergl. auch Abb. 3a). Die Temperaturdifferenz TR − TL ist nunmehr eine monoton steigende Funktion, die mit dem Ausgangsspannung UA korrespondiert. Durch die Regelung der Heizspannung konnte somit die Nutzbarkeit dieses Ausgangssignals für die Bestimmung der Strömungsgeschwindigkeit auf einen breiten Messbereich erstreckt werden. Alternativ zu UA, könnte auch die Heizspannung UH selber als Ausgangssignal herangezogen werden [7]. Sie zeigt ebenfalls einen streng monotonen Verlauf, wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit in Abb. 5b nicht dargestellt.
Bei zunehmender Strömungsgeschwindigkeit bleibt das Ausgangsignal zwar monoton steigend, die Steigung der Kennlinie und somit die Sensorempfindlichkeit nehmen jedoch ab. Große Empfindlichkeit weist der Sensor nur im unteren Strömungsbereich v < 3 m/s auf. Um eine bessere Empfindlichkeit im oberen Strömungsbereich zu erzielen, muss ein anderes Regelungskonzept angewendet werden, das auf den Einsatz von Zweipunktreglern beruht. Das wohl bekannteste Beispiel aus dem Alltag für diesen Reglertyp ist der Thermostat, der ein Heizgerät mit konstanter Leistung steuert. Je nachdem, ob die Temperatur unter oder über dem gewählten Schwellwert liegt, wird das Gerät ein- oder ausgeschaltet.
Dieses Prinzip kann auch auf den kalorimetrischen Strömungssensor im CT-Betriebsmodus übertragen werden [8]. Das entsprechende Blockschaltbild des Regelkreises ist in Abb. 6 dargestellt. Anstelle des Analogreglers (vergl. Abb. 4) befindet sich nun ein Komparator gefolgt von einem Verstärker. Der Komparator vergleicht den Unterschied zwischen der tatsächlichen mittleren Übertemperatur der Membranthermistoren (∆TM) und dem gewünschten Sollwert (∆TSOLL). Je nach Ergebnis wird der Heizer in Betrieb genommen oder ausgeschaltet, sodass an seinem Anschluss eine Pulsfolge liegt. Die Heizpulshöhe \(\hat{U}_{H}\) kann dabei durch den Verstärker G eingestellt werden.
Das Tastverhältnis des Zweipunktreglers hängt von der Strömungsgeschwindigkeit ab. Mit steigender Strömungsgeschwindigkeit braucht man mehr Heizleistung, um die eingestellte Übertemperatur aufrecht zu halten. Dies bedeutet, dass die Einschaltdauer länger und die Ausschaltdauer immer kürzer wird (Abb. 7). Im unteren Strömungsbereich (v < 10 m/s) versucht das System hauptsächlich durch die Verkürzung der Ausschaltdauer tA der konvektiven Abkühlung entgegen zu wirken. Erst wenn diese Maßnahme nicht mehr ausreicht, wird die Einschaltdauer tE stark hochgeschraubt.
Da mit steigender Strömungsgeschwindigkeit die Ausschaltdauer tA abfällt, und die Einschaltdauer tE immer länger wird, liegt es nahe ihr Verhältnis tE/tA als Ausgangsgröße heranzuziehen. Diese Charakteristik ist in Abb. 8a dargestellt.
Bemerkenswert ist der Einfluss der Heizpulshöhe \(\hat{U}_{H}\) auf die Ausgangscharakteristik. Bei konstanter Strömungsgeschwindigkeit und fallender Pulshöhe braucht man längere Einschaltdauer und kürzere Ausschaltdauer um die notwendige mittlere Leistung aufrecht zu erhalten. Während für die Ausschaltdauer tA dieser Einfluss nur schwach ausgeprägt ist, tritt er bei der Einschaltdauer tE insbesondere im oberen Messbereich ab etwa 10 m/s stark in Erscheinung (vergl. Abb. 7). Somit lässt sich die Steigung der Ausgangscharakteristik durch die Pulshöhe beeinflussen, wobei der zeitliche Mittelwert der gewünschten Übertemperatur ∆TM durch die Regelung konstant bleibt.
Neben dem Verhältnis tE/tA besteht noch die Möglichkeit die Spannung UATR − TL als Ausgangssignal heranzuziehen. Im Gegensatz zum CT-Betrieb mit dem Analogregler, handelt es sich bei diesem Signal um eine Mischspannung, deren Grundfrequenz der Heizpulsfrequenz entspricht. Filtert man diesen Wechselanteil mit einem Tiefpass heraus, ergibt sich eine vergleichbare Ausgangscharakteristik wie im äquivalenten Betrieb mit dem PI-Regler (vergl. Abb. 5b).
In Abb. 8b ist der Vergleich zwischen den beiden Ausgangsgrößen tE/tA und UA für einen konstanten Wert der Heizpulshöhe dargestellt. Im unteren Strömungsbereich v < 2 m/s ist aufgrund der sehr hohen Empfindlichkeit die Spannung UA das bevorzugte Ausgangssignal. Im oberen Strömungsbereich v > 10 m/s kann man durch passende Wahl der Heizpulshöhe die Steigung der tE/tA-Kennlinie erhöhen. Durch Anwendung des Zweipunktreglers und die Kombination dieser beiden Ausgangssignale lässt sich somit im ganzen Messbereich eine hohe Sensorempfindlichkeit erzielen. Nachteilig ist die etwas höhere Komplexität der Sensorelektronik im Vergleich zum CT-Betrieb mit einfachem Analogregler.

3 Foliensensor

Für einen optimalen Betrieb von großen Heizungs‑, Lüftungs- und Klimatisierungsanlagen (englisch HVAC, Heating, Ventilation und Air Conditioning) sollten die Luftströme in den Schächten und Kanälen permanent überwacht werden. Nur so können Fehlzustände im System rechtzeitig erkannt und die hohe Effizienz erhalten werden. Wichtiger Teil dieses Überwachungssystems sind Strömungssensoren, die robust aber auch kostengünstig sein sollten. Außerdem sollten sie leicht zu montieren und anpassbar sein, damit auch die älteren Anlagen nachgerüstet werden können. Zu diesem Zweck wurden flexible kalorimetrische Strömungssensoren basierend auf der Siebdrucktechnik entwickelt [10]. Diese Herstellungstechnologie ist kostengünstig und breit anwendbar. Damit lassen sich Strömungssensoren nicht nur für großflächige HVAC-Anlagen, sondern auch für mikrofluidische Systeme realisieren [11].
Abb. 9 zeigt das Sensordesign. Als Temperatursensoren dienen hier zwei Thermosäulen, die aus mehreren in Reihe geschalteten Ag-Ni-Thermoelementen bestehen. Sie sind symmetrisch um einen zentral positionierten Heizerstreifen angeordnet und detektieren unter Ausnutzung des Seebeck-Effekts die strömungsabhängige Verteilung des Temperaturfeldes. Sowohl Heizer als auch die Thermosäulen wurden mit standardisiertem Siebdruckverfahren auf flexiblen PET-Trägerfolien aufgetragen. Während die Folienbreite fix ist, kann ihre Länge an den jeweiligen Kanalquerschnitt angepasst werden, wodurch die Sensoren vielseitig einsetzbar sind. Die Kombination Silber-Nickel für die Thermoelemente hat sich als günstig erwiesen. Je nach Referenztemperatur wurde experimentell ein Seebeckkoeffizient zwischen etwa 11 µV/K und 15 µV/K ermittelt [12].
Die Funktionsweise ist am einfachsten anhand der schematischen Darstellung des Sensorlayouts zu verstehen (Abb. 10). In der Mitte der Anordnung befindet sich ein Ni-Streifen, der als Wärmequelle fungiert. Die Temperatur unmittelbar links bzw. rechts vom Heizer wird mit inneren Thermoelementen (TLI bzw. TRI) detektiert, während die Temperatur an der Peripherie des Sensors mit äußeren Thermoelementen (TLA bzw. TRA) registriert wird. Wegen der unterschiedlichen Lage sowie der konvektiven Abkühlung durch die Strömung entstehen zwischen den inneren und äußeren Thermoelementen Temperaturunterschiede. Die Thermoelemente jeweils links und rechts vom Heizer werden in Reihe geschaltet und bilden Thermosäulen, deren Spannungen aufgrund des thermoelektrischen Effektes proportional zu den Temperaturdifferenzen sind
$$U_{\mathrm{L}}=S\cdot n\cdot \left(T_{\mathrm{LI}}-T_{\mathrm{LA}}\right)$$
$$U_{\mathrm{R}}=S\cdot n\cdot \left(T_{\mathrm{RI}}-T_{\mathrm{RA}}\right)$$
(2)
wobei S den Seebeckkoeffizienten bezeichnet und n die Anzahl der Elemente in der Thermosäule ist.
Um die Temperatur einzelner Thermoelemente zu untersuchen und ein optimales Sensorlayout zu entwerfen, wurde ein Simulationsmodell basierend auf der Finite-Elemente-Methode (FEM) implementiert [13]. Es wurde angenommen, dass sich der Sensorstreifen in der Mitte eines Rohres befindet. Das Rohr hat einen Durchmesser von 5 cm und wird mit Luft durchströmt. In Abb. 11a sind die simulierten Temperaturdifferenzen der linken (∆TL = TLI − TLA) und rechten (∆TR = TRI − TRA) Thermosäule als Funktion der mittleren Strömungsgeschwindigkeit im Rohr dargestellt. Die Differenz dieser beiden Signale ∆TR − ∆TL in Abb. 11b zeigt typische Merkmale der Ausgangskennlinie eines kalorimetrischen Strömungssensors. Mit einem globalen Maximum bei 0,9 m/s ist dieses Signal unbrauchbar für die Messung der Luftgeschwindigkeiten in Lüftungsrohren, die typischerweise im Bereich zwischen 1 m/s und 15 m/s liegen.
Für einen breiteren Messbereich müsste die Heizleistung bei steigenden Strömungsgeschwindigkeiten nachgeführt werden. Bei MEMS-Sensor passiert dies, indem der Unterschied zwischen der mittleren Temperatur rund um den Heizer TM (gemessen mit den Membranthermistoren) und einer fixen Referenztemperatur TREF = TU (gemessen mit den Substratthermistoren) konstant gehalten wird (vergl. Abb. 5a). Beim Foliensensor gibt es keine Möglichkeit eine fixe Referenztemperatur zu ermitteln. Nichtsdestotrotz ist auch in diesem Fall eine Nachführung der Heizleitung möglich. Zu diesem Zweck wird die Summe der Thermosäulenspannungen herangezogen
$$U_{\mathrm{R}}+U_{\mathrm{L}}=S\cdot n\cdot \left(\Delta T_{\mathrm{R}}+\Delta T_{\mathrm{L}}\right)=2S\cdot n\cdot \Delta T_{\mathrm{M}}$$
(3)
TM bezeichnet in dieser Gleichung den arithmetischen Mittelwert ∆TM = (∆TR + ∆TL)/2, der in Abb. 11a grün eingezeichnet ist. Zieht man Gl. 2 heran, so folgt
$$U_{\mathrm{R}}+U_{\mathrm{L}}=S\cdot n\cdot \left[\left(T_{\mathrm{LI}}+T_{\mathrm{RI}}\right)-\left(T_{\mathrm{LA}}+T_{\mathrm{RA}}\right)\right]$$
$$U_{\mathrm{R}}+U_{\mathrm{L}}=2S\cdot n\cdot \left[T_{\mathrm{I}}-T_{\mathrm{A}}\right]$$
(4)
wobei TI = (TLI + TRI)/2 und TA = (TLA + TRA)/2 die mittleren Temperaturen rund um den Heizer und an der Sensorperipherie bezeichnen. Mit einem Regler wird die Heizspannung nun so nachgeführt, dass die Summe der Thermosäulenspannungen gleich einer konstanten Referenzspannung UR + UL = UREF ist. Dies bedeutet, dass in diesem Betriebsmodus der Unterschied zwischen der mittleren Temperatur rund um den Heizerbereich und der Temperatur am Folienrand ebenfalls konstant ist
$$T_{\mathrm{I}}-T_{\mathrm{A}}=\Updelta T_{\mathrm{M}}=\text{const}$$
(5)
Die Abhängigkeit dieser Temperaturen von der Strömungsgeschwindigkeit ist in Abb. 12a illustriert. Für die Simulation wurde der Wert der Referenzspannung UREF so bestimmt, dass die Temperaturdifferenz TI − TA genau 200 mK beträgt.
Vergleicht man den CT-Betriebsmodus des MEMS-Sensor mit diesem Regelungskonzept, so wird in beiden Fällen die mittlere Temperatur rund um den Heizerbereich für die Regelung herangezogen. Die Heizspannung wird so nachgeführt, dass sie einen konstanten Unterschied zu einer Referenztemperatur TREF aufweist. Beim MEMS-Sensor wird die Referenztemperatur mittels Substratthermistoren gewonnen. Sie ist unabhängig von der Strömungsgeschwindigkeit und bei konstanter Umgebungstemperatur ebenfalls konstant (TREF = TU). Beim Foliensensor entspricht die Referenztemperatur der mittleren Temperatur am Folienrand (TREF = TA). Sie liegt etwas höher als die Umgebungstemperatur (TU = 23 °C) und ist nicht konstant, sondern leicht von der Strömungsgeschwindigkeit abhängig (blaue Charakteristik in Abb. 12a). Deswegen kann man diesen Betriebszustand auch als quasi Konstant-Übertemperatur-Betriebsmodus bezeichnen.
Trotz der strömungsabhängigen Referenztemperatur, funktioniert das Regelungskonzept sehr gut. In Abb. 12b sind die Temperaturdifferenzen ∆TL und ∆TR dargestellt, die mit den Spannungen der Thermosäulen UL und UR korrespondieren (vergl. Gl. 2). Durch die Nachführung der Heizspannung steigt die Temperaturdifferenz der stromabwärts gelegenen Thermosäule ∆TR mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit monoton an, während die Temperaturdifferenz der stromaufwärts positionierten Thermosäule ∆TL fällt. Die mittlere Übertemperatur ∆TM = (∆TR + ∆TL)/2 bleibt jedoch immer konstant (grüne gestrichelte Linie). Als Ausgangssignal kann man die Differenz der Thermosäulenspannungen UR − UL heranziehen (korrespondiert mit der Temperaturdifferenz ∆TR − ∆TL in Abb. 12b). Aus schaltungstechnischen Gründen wird jedoch die Heizspannung UH bevorzugt. Beide Signale weisen einen monoton steigenden Verlauf im angestrebten Strömungsbereich bis 15 m/s auf.
Der Messaufbau für die experimentelle Charakterisierung ist in Abb. 13a dargestellt. Als Luftkanal dient ein Acrylglasrohr mit 5 cm Durchmesser. Durch schmale Schlitze an der Rohrwand wird der Sensorstreifen in das Rohrinnere eingeführt und mit Steckern von beiden Seiten straff eingespannt. Auf diese minimalinvasive Weise, kann fast jede Leitung eines Lüftungssystems mit Strömungssensoren nachgerüstet werden. Für den Luftstrom sorgt ein regelbarer Lüfter, der am Ende des Rohres montiert ist. Abb. 13b zeigt vereinfacht den Regelkreis. Mit geeigneter Sensorelektronik wird die Summe der Thermosäulenspannungen UR + UL abgegriffen und mit einem Sollspannungswert verglichen. Ein PI-Regler stellt die Heizspannung UH so ein, dass die Regelabweichung e = USOLL − (UR + UL) verschwindet.
Als strömungsabhängige Ausgangsgröße dient die Heizspannung UH. In Abb. 14a ist sie im Vergleich mit FEM-Simulationsergebnissen dargestellt. Diese stimmen gut mit den Messergebnissen überein. Die geringfügigen Abweichungen sind auf die Unzulänglichkeiten des verwendeten 3D-FEM-Modells zurückzuführen, das nur den zentralen Ausschnitt des Strömungskanals berücksichtigt und Einflüsse am Sensorrand vernachlässigt. Der verwendete Lüfter erzeugt Luftströmung nur in einem Geschwindigkeitsbereich zwischen etwa 0,5 m/s und 3,5 m/s. Die FEM-Simulationen deuten jedoch an, dass die Kennlinie im gesamten Bereich bis 15 m/s monoton steigen bleibt. Ihre Steigung, und somit die Sensorempfindlichkeit, kann durch die Änderung der Übertemperatur TI − TA variiert werden. Diese kann durch die passende Wahl der Sollspannung USOLL eingestellt werden. Die entsprechenden Kennlinien sind in Abb. 14b dargestellt.
Auf dieser Weise kann die Empfindlichkeit jedoch nicht unbegrenzt erhöht werden, denn mit der Heizspannung steigt die Temperatur des Heizers quadratisch an, wodurch die dünne Trägerfolie zum Schmelzen gebracht werden könnte. Eine andere Möglichkeit die Empfindlichkeit insbesondere im oberen Strömungsbereich zu erhöhen wäre der Einsatz des Zweipunktreglers, wie dies im Falle den MEMS-Sensor beschrieben wurde. Dieses Regelungskonzept hängt nicht von der spezifischen Herstellungstechnologie ab und könnte auch in diesem Fall erfolgreich zum Einsatz kommen.
Die Temperaturwerte der einzelnen Thermoelementreihen (TLA, TLI, TRI und TRA, vergl. Abb. 10) sind nicht gesondert zugänglich. Nur die zwei Thermosäulenspannungen UL und UR stehen für die Auswertung zur Verfügung. Der Betrieb mit quasi-konstanter Übertemperatur war daher die einzige Möglichkeit den Regelkreis zu realisieren. Dieses Konzept ist jedoch nicht auf diese Art von Sensoren beschränkt. In [14] wurde ein kalorimetrischer Strömungssensor vorgestellt, der mit kostengünstiger Leiterplattentechnologie hergestellt wurde. Jeweils zwei Kupferwiderstände, links und rechts vom Heizer dienen als Temperatursensoren und werden zu einer Messbrücke zusammengeschaltet. Dies ist eine gängige Methode, um die Sensorempfindlichkeit zu erhöhen oder in manchen Fällen die Abhängigkeit von den Schwankungen der Umgebungstemperatur zu reduzieren [15]. Um einen echten CT-Betriebsmodus bei diesem Sensor zu realisieren, könnte man mit zwei dem Heizer am nächsten gelegenen Widerständen die Temperatur rund um Heizer messen und mit einem vom Sensor getrennten Widerstand die Umgebungstemperatur, als strömungsunabhängige Referenz ermitteln. Dies wäre aber eine schaltungstechnisch aufwendige Vorgehensweise. Viel eleganter ist es auf zusätzliche Temperatursensoren zu verzichten und den quasi Konstant-Übertemperatur-Betriebsmodus mit sensoreigenen vier Widerständen zu realisieren, wie dies in [16] beschrieben wurde. Dieses Regelungskonzept hängt nicht von der jeweiligen Herstellungstechnologie ab und kann überall dort zum Einsatz kommen, wo ein ausreichend großer Temperaturunterschied zwischen dem Heizer- und Peripheriebereich gesichert ist.

4 Zusammenfassung

Kalorimetrische Strömungssensoren weisen im einfachsten Betriebsfall mit konstanter Heizleistung eine ausgezeichnete Sensitivität auf, die jedoch auf einen sehr begrenzten Messbereich beschränkt ist. Für einen breiteren Einsatzbereich muss mit steigender Strömungsgeschwindigkeit die Heizleistung entweder mit einem analogen Regler oder einem Zweipunktregler nachgeführt werden. Dabei wird die mittlere Temperatur rund um den Heizer auf einem konstanten Niveau in Bezug zu einer Referenztemperatur gehalten. Als Referenztemperatur wird entweder die Umgebungstemperatur oder die strömungsabhängige Temperatur an der Sensorperipherie herangezogen. Die vorgestellten Regelungskonzepte sind unabhängig von der jeweiligen Herstellungstechnologie und ermöglichen für jeden Messbereich eine Ausgangscharakteristik mit optimaler Empfindlichkeit zu realisieren.

Danksagung

Der MEMS-Sensor wurde im Reinraum des Instituts für Sensor- und Aktuatorsysteme der Technischen Universität Wien hergestellt. Der Foliensensor wurde am Departement für Integrierte Sensorsysteme der Universität für Weiterbildung Krems entwickelt und charakterisiert. Beide Einrichtungen sind untrennbar mit dem Namen Fritz Paschke verbunden. Diese Arbeit wird in Dankbarkeit dem Andenken an Professor Paschke gewidmet.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
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Title
Regelungstechnische Konzepte zur Messbereichserweiterung kalorimetrischer Strömungssensoren
Authors
Samir Cerimovic
Roman Beigelbeck
Franz Kohl
Thilo Sauter
Franz Keplinger
Publication date
30-08-2022
Publisher
Springer Vienna
Published in
e+i Elektrotechnik und Informationstechnik / Issue 6/2022
Print ISSN: 0932-383X
Electronic ISSN: 1613-7620
DOI
https://doi.org/10.1007/s00502-022-01054-9

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