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19-05-2021 | Risikoanalyse | Schwerpunkt | Article

Modellrisikomanagement der Banken braucht Optimierung

Author: Angelika Breinich-Schilly

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Das Modellrisikomanagement hilft Banken, Marktentwicklungen einzuschätzen, Schwächen in einzelnen Bereichen zu identifizieren und für den Ernstfall vorzusorgen. Eine aktuelle Studie untersucht das Verbesserungspotenzial und zeigt, wo die Institute ansetzen können. 

"Banken nutzen täglich Modelle in vielen Bereichen ihrer Geschäftstätigkeit. Ihre Nutzung nimmt laufend zu", stellen Martin Spillmann, Karsten Döhnert und Roger Rissi im Buchkapitel "Modellrisiken" fest. Auf Seite 99 führen die Springer-Autoren aus: 

Ein Modell ist ein Abbild, eine Repräsentation eines natürlichen oder eines künstlichen Objektes, des Originals, wobei aus Gründen der Vereinfachung nicht alle Eigenschaften des Originals repliziert werden, sondern nur diejenigen, von denen man glaubt, sie seien für das Verständnis der Funktionsweise relevant. Bei diesem Schritt wird ersichtlich, dass jedes Modell automatisch subjektiv durch die Relevanzeinschätzung des Modellbauers geprägt ist. Ebenso wird klar, dass das Risiko existiert, wichtige Komponenten zu vergessen oder eine Komponente als wichtig einzustufen, obwohl sie gar nicht relevant ist."

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Controlling-Aspekte aus der Perspektive von Basel IV

In den vorhergehenden Kapiteln wurden die wesentlichen Inhalte von Basel IV einschließlich ihrer Grundlagen aus Basel II und Basel III dargestellt und daraus zu erwartende Auswirkungen auf Kreditinstitute und KMU abgeleitet. Dabei wurde deutlich, dass das Controlling bei der Umsetzung eine wichtige Rolle spielt. Eng damit verbunden sind sowohl das Risikomanagement als wesentlicher Bestandteil der zweiten Säule nach Basel IV (Risikobewusstsein und Risikostrategie) als auch das betriebliche Finanzmanagement.

Nun hat die Covid-19-Pandemie Schwächen der Modellrisikomanagementpraktiken bei Banken offenbart. Wie deren aktuelle Rahmenwerke und die Modelllandschaft über alle Schritte des Modelllebenszyklus hinweg aussehen, hat eine aktuelle Analyse von Deloitte unter 80 Banken in insgesamt 18 Staaten untersucht. Zwischen November 2020 und Januar 2021 befragte das Beratungshaus hierfür Führungskräfte von Instituten unter anderem aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien, aus dem Nahen Osten, Russland und Südafrika. Der "EMEA Model Risk Management Survey" zeigt neben den Schwachstellen auch mögliche Lösungen für eine Optimierung.

Banken nutzen eine Vielzahl von Risikomodellen

Laut Spillmann, Döhnert und Rissi werden in Banken besonders häufig Modelle zur Risikoquantifizierung eingesetzt, um Verlustpotentiale zu messen. Hierzu gehören Kreditverlustmodelle, Kreditportfoliomodelle sowie Modelle für operationelle Risiken. Zudem gibt es 

  • Replikationsmodelle im Asset Liablity Management, die das Kundenverhalten zwecks Bestimmung von Laufzeiten, ebenso das Verhalten des Managements im Pricing von Produkten modellieren und Liquiditätsrisiken quantifizieren, 
  • Bewertungsmodelle für Finanzprodukte, die mittels ökonometrischer Modelle Variablen ermitteln und Gewinnbeiträge verteilen, 
  • Cash-Flow-Modelle, die künftige Zahlungsströme definieren und damit die Abschätzung von Liquiditätsrisiken sowie die Ertrags- und Risikolage ermöglichen, 
  • Ratingmodelle als Ausgangspunkt für Kreditentscheide und zur quantitativen Unterstützung des Kreditrisikomanagements,  
  • Trading- und Hedgingmodelle für den Handel mit Finanzprodukten wie zum Beispiel Durationskonzept und Portfolioallokationsmodelle,
  • sowie weitere Modelle etwa für Zinsstrukturen, Volatilitätsflächen, im Bereich der Compliance zur Aufdeckung von Geldwäscherei, Betrug oder zur Handelsüberwachung und schließlich im Marketing. 

Das Modellinventar ist Basis aller Modelle

Dabei ist laut Deloitte-Studie das Modellinventar das zentrale Repositorium für alle Modelle und die Grundlage für ein effizientes Modellrisikomanagement. "Es enthält den Anwendungsbereich und stellt auch die Quelle für alle Informationen zum Modellrisiko dar." 

Das Inventar eines Modells zu erarbeiten bereitet den Banken laut Spillmann, Döhnert und Rissi allerdings oft große Mühe: 

Dabei kann man sich nicht einfach eine Liste aller Handelspositionen aus einem Front-Office-System ziehen, wie dies beispielsweise bei Marktrisiken der Fall ist. Ein pragmatisches Vorgehen wäre, zunächst eine Liste aller in der Bank verwendeten Modelle zu erstellen. Basierend auf dieser Inventarliste werden dann in einem 'Rückwärtsschritt' die entsprechenden 'Input-' und 'Schätzrisiken' ermittelt. In analoger Weise lassen sich in einem 'Vorwärtsschritt' dazugehörige Modellrisiken im engeren Sinne sowie schließlich die Hedging Risiken erfassen", schreiben die Autoren auf Seite 102. 

Jede achte Bank hat eine dokumentierte Modelldefinition

Dennoch verfügt laut Umfrage das Gros (87 Prozent) der Geldhäuser über eine dokumentierte Modelldefinition. Hierzu verwenden mehr als die Hälfte der Banken unabhängig von ihrer Größe verschiedene Entscheidungsbäume (31 Prozent) oder Score-Cards und Fragebögen (22 Prozent), um Modellkandidaten zu bewerten. Weitere 30 Prozent, darunter auch einige Großbanken, ziehen hierfür die Beurteilung von Experten heran, nutzen eine qualitative oder auch eine Ad-hoc-Bewertung. Insgesamt liegt laut Erhebung die Anzahl der Modelle innerhalb des Modellrisikomanagement-Frameworks bei 90 für kleine Institute, bei 170 für mittlere Häuser und bei 650 für große Banken.

Eine entscheidende Bedeutung im Rahmen der Modell-Governance kommt dabei der Funktion des Modellbesitzers, des sogenannten Model Owners, zu. 86 Prozent der Banken geben an, diese Rolle klar definiert und dokumentiert zu haben. Probleme bereiten den Instituten aber die Herausforderungen hinsichtlich der praktischen Umsetzung, wenn sie die Verantwortlichkeiten in die Praxis überführen müssen. "Im Berichtswesen werden Modellrisiken bei der Mehrheit der Banken direkt an den Leiter des Modellrisikomanagements berichtet, der seinerseits direkt an den Chief Risk Officer (CRO) berichtet. Dies stellt sich auch als Best Practice für Banken heraus", so die Studienautoren. 

Erweiterung der Modelllandschaft bringt mehr Verantwortung

Mit der Erweiterung der Modelllandschaft nehme auch die Verantwortung des Modellrisiko-Komitees zu. "Mehr als die Hälfte der Großbanken gibt an, zwischen operativen und strategischen Modellrisiko-Komitees zu unterscheiden." Allerdings verfügen laut Befragung viele der Institute nicht über ausreichende Ressourcen in ihren Teams für Modellentwicklung und -validierung. Als Hauptgründe ermittelte die Studie 

  • eine wachsende Anzahl von Modellen im Umfang, 
  • steigende regulatorische Anforderungen, 
  • das Finden der richtigen quantitativen Ressourcen und 
  • Budgetbeschränkungen.

Die Modellüberwachung könne dazu beitragen, den Ressourcendruck sowohl bei der Modellentwicklung als auch bei der Validierung zu verringern. Beispielsweise biete es häufigere und aktuellere Informationen zur Qualität und Materialität von Modellen, ohne dass zum Beispiel regelmäßige manuelle Modellvalidierungen durchgeführt werden. Die befragten Banken gaben an, dass jeweils in Bezug auf Kredit- sowie Marktrisiken die Modellleistung (97 Prozent, 93 Prozent), die Modellergebnisse (82 Prozent, 70 Prozent) sowie die Portfolioeigenschaften und -stabilität (82 Prozent, 54 Prozent) am häufigsten überwacht werden. 

In fast zwei Drittel der Geldhäuser ist der Überwachungsprozess aber nicht automatisiert. "Wenn das der Fall wäre, würde dies zu effektiveren Arbeitsmethoden über den gesamten Modelllebenszyklus und zu einer effizienteren Nutzung knapper Ressourcen führen", resümieren die Studienautoren. 77 Prozent der befragten Institute geben an, dass regelmäßig Berichte über Modellrisiken an die Geschäftsleitung oder ihren Vorstand erfolgen. Außerdem haben 59 Prozent der Banken nach eigener Aussage einen Risikoappetit für Modellrisiken definiert. "Aktuelle Markterkenntnisse zeigen uns jedoch, dass diese Angaben zum Risikoappetit oft einfach sind und sich auf die Ergebnisse der Modellvalidierung konzentrieren", lautet daher ein zentraler Kritikpunkt der Analyse. 

Im Modellrisikomanagement fehlen Berichts- und Analysekomponenten

Obgleich neben Excel als zentralem Tool vor allem größere Banken häufiger auf Lösungen externer Anbieter setzen, besteht laut Erhebung "großes Verbesserungspotenzial, wenn es darum geht, die für alle Modelle verfügbaren Informationen effektiver zu nutzen". Insbesondere fehle es den meisten Banken häufig an Berichts- und Analysekomponenten in den für das Modellrisikomanagement verwendeten Instrumenten.

Den Instituten scheint das Problem durchaus bewusst zu sein, denn die meisten Unternehmen beabsichtigen, ihre Rahmenwerke für das Modellrisiko in verschiedenen Bereichen innerhalb der nächsten zwei Jahre zu verbessern. Auf den Agenden stehen dabei unter anderem 

  • die Umfangserweiterung der Modellrisiko-Governance (55 Prozent), die Analyse und Berichterstattung (53 Prozent), 
  • der Rahmen des Modellrisikomanagements (53 Prozent), 
  • die Prozessoptimierung (49 Prozent) und 
  • Modellrisikorichtlinien und -standards (33 Prozent) ganz oben. 

Die beiden zuletzt genannten Bereiche gelten dabei laut Studie als die am schwierigsten zu verbessernden Bereiche. Insgesamt stellt die Untersuchung fest, dass Lifecycle-Management-, Workflow- und Ressourcenplanungsfunktionalitäten sowohl den Reifegrad als auch die Effizienz des Modellrisikomanagements erheblich steigern können. Dennoch würden diese Tools "nur von einer Minderheit der Banken genutzt". Institute, die Excel als Modellrisikomanagement-Tool einsetzen, nutzen die genannten Funktionen deutlich seltener als solche, die zum Beispiel eine Anbieterlösung oder eine intern entwickelte Lösung verwenden.

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