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12-01-2023 | Rohstoffe | Schwerpunkt | Article

Das sind besonders kritische Rohstoffe

Author: Christiane Köllner

4:30 min reading time

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Elektromobilität, Digitalisierung und Energiewende lassen die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen stark ansteigen. Eine Wirtschaftsstudie befürchtete bereits vor einem Jahr für viele Rohstoffe Versorgungsengpässe. Jetzt hat sich deren Anzahl weiter erhöht. 

Die Versorgungssicherheit von fast dreißig wichtigen Rohstoffen, die relevant für die Elektromobilität, die Digitalisierung oder die Dekarbonisierung der Wirtschaft sind, ist als besonders kritisch einzuschätzen. Das zeigt die von der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft veröffentlichte Studie Rohstoffsituation der bayerischen Wirtschaft, die von der IW Consult GmbH erstellt wurde. Zu einer unsicheren Rohstoffversorgung sollen die Konzentration auf wenige Abbauunternehmen und Abbauländer, industriepolitische Zielsetzungen einzelner Staaten oder instabile politische Verhältnisse beitragen. Hinzu kämen die Corona-Krise sowie aktuelle Material- und Rohstoffengpässe, die zu massiven Preisanstiegen führten, so die Studie. 

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Hightech-Ressourcen

Die Importabhängigkeiten vieler Schlüsseltechnologien von kritischen Hightech-Rohstoffen wie Seltenen Erden, Lithium und Kobalt können im Falle von Verknappungen graveriende Konsequenzen haben. Insofern lohnt ein Blick auf ihre Herkunft, ihre Verwendung und potenzielle machtpolitische Instrumentalisierung im Rahmen geopolitischer Interessen und Ambitionen. Sorgen vor der wachsenden Dominanz der Volksrepublik Chinas sind über Asien hinaus weit verbreitet, da der Aufstieg des Landes in der Volksrepublik auch sinozentrische Perspektiven wieder populär gemacht hat, die außerdem mit der Belt and Road Initative ein wirkungsmächtiges Narrativ zur Durchsetzung eigener Interessen implizieren. Das betrifft auch Dynamiken der Digitalisierung, die u. a. Fragen der Rechtspolitik und Grundnormen der Ethik berühren. Aus der Sicht von Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltschutzorganisationen werden insbesondere Nachhaltigkeitsziele bei der Inwertsetzung von Rohstoffen weltweit nicht konkret genug mit verbindlichen Standards und wirksamen Sanktionsmechanismen einer Global Governance unterlegt.

Deutschland und Europa sind in hohem Maße auf Importe von Primärrohstoffen angewiesen. Daher ist die sichere Versorgung der Unternehmen mit Rohstoffen zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten ein wichtiges Anliegen. Laut Studie zählen aber 27 von 45 untersuchten Rohstoffen (Metalle, Mineralien, Seltene Erden) zur Hochrisikogruppe (siehe Abb. 4 unten). Bei nahezu allen davon lägen eine Konzentration von förderwürdigen Vorkommen auf wenige Abbauländer, in der Regel zudem politisch instabile, sowie eine hohe Bedeutung für Zukunftstechnologien vor. Die Vorgängerstudie von 2021 hatte bereits ein ähnliches Versorgungsrisiko aufgewiesen. Waren es aber im Jahr 2021 noch 22 von 45 Rohstoffen, deren Verfügbarkeit als sehr kritisch eingestuft wurde, sind es inzwischen fünf mehr. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 waren es nur 16 Rohstoffe.

Seit fast einem Jahr belastet auch der Krieg in der Ukraine die Rohstoffversorgung. "Die teilweise schwierige geopolitische Lage erschwert zunehmend den Bezug von Rohstoffen. Verstärkt wird dieser Effekt durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Russland gehört bei 18 der 45 ausgewerteten Rohstoffen zu den fünf größten Produzenten der Welt. Der deutsche Markt bezieht von dort vor allem Nickel, das für Stahllegierungen oder künftig für Batterien in der Elektromobilität wichtig ist, und Palladium, das in der chemischen Industrie, der Elektrotechnik oder für Autokatalysatoren benötigt wird. Abhängigkeiten sind gefährlich, weil sie als Druckmittel in Konflikten eingesetzt werden könnten", so vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. 

Höchstes Versorgungsrisiko: Zinn löst Kobalt ab

Auch bei der Kritikalität weiterer Rohstoffe gibt es in der aktuellen Studie deutliche Veränderungen. Ein Beispiel ist der Batterierohstoff Kobalt mit einer jetzt niedrigeren Risikoeinstufung. Während in den letzten Jahren Kobalt der Rohstoff mit dem höchsten Versorgungsrisiko war, führt nun Zinn mit einem Risikowert in Höhe von 20,8 die rote Gruppe an. Zinn wird ebenso wie die Spezialmetalle Gallium, Germanium, Indium und Selen im Elektronik- und Optikbereich eingesetzt. Zinn sei aber auch künftig relevant für emissionsarme oder emissionsfreie Mobilitätsanwendungen (Abgasbehandlung, Brennstoffzellen, Festkörper- und Lithium-Ionen-Batterien).

Bei Kobalt sei das geringere Risiko auf einen leichten Rückgang der Unternehmenskonzentration und bessere Substitutionsmöglichkeiten zurückzuführen. Richard Backhaus hat es in seinem Report Batterierohstoffe – Woher und wohin? aus der ATZ 9-2021 richtig prognostiziert: "Die Weiterentwicklung von kobaltarmen oder sogar kobaltfreien Kathoden könnte den Gesamtbedarf aber deutlich reduzieren". Neben Kobalt gehören auch die Batterierohstoffe Lithium und Graphit weiterhin zur roten Rohstoffgruppe. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Risikobewertung für Lithium deutlich und bei Graphit leicht gestiegen. Bei Lithium habe sich das Preisrisiko und die Gefahr eines strategischen Einsatzes erhöht, die statische Reichweite sei gesunken. Bei Graphit seien nur leicht gestiegene Preisrisiken festzustellen.

Die Metalle der Platingruppe (Rhodium, Platin, Palladium) befinden sich ebenfalls in der roten Gruppe. Sie werden unter anderem in Katalysatoren zur Abgasreinigung, in Brennstoffzellen zur Gewinnung elektrischer Energie und Elektrolyseuren zur Erzeugung von Wasserstoff eingesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr sei das Versorgungsrisiko bei Palladium und Platin leicht gesunken, bei Rhodium habe es sich minimal erhöht.

Auch Magnesium und Seltenerdmetalle weiter im roten Bereich

Die Seltenerdmetalle Neodym, Yttrium und Scandium weisen eine hohe Länderkonzentration der Förderung auf, die sie auch anfällig für eine strategische Rohstoffpolitik mache. "Das Preisrisiko ist bei Neodym wie im Vorjahr recht hoch, während die beiden anderen Seltenerdmetalle kaum von Preisrisiken betroffen sind. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Versorgungsrisiko bei Yttrium gestiegen, was vor allem daran liegt, dass die Länderrisiken höher eingeschätzt wurden", heißt es. Neodym und Scandium hätten dagegen ein geringeres Versorgungsrisiko als im Vorjahr, sie liegen aber weiterhin innerhalb der roten Gruppe.

Bei Magnesium ist das Versorgungsrisiko im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Da sich die Förderung stark auf China konzentriere, bestehe ein hohes Länderrisiko sowie eine hohe Anfälligkeit für eine strategische Rohstoffpolitik. Zudem existierten große Preisrisiken. Die Rohstoffe Mangan, Fluorit, Titan, Nickel, Aluminium, Phosphate sowie Kupfer gehören jetzt auch zu Hochrisikogruppe. Dabei sei Mangan ein Rohstoff, der künftig zunehmende Bedeutung für die Elektromobilität erlangen könnte. Manganreiche Batteriezellen eignen sich zum Beispiel für den Volumenmarkt. Wie Mareike Schmalz im Artikel Reichweite, Sicherheit, Lebensdauer – Batterierohstoffe und ihre technische Relevanz aus der ATZelektronik 12-2022 erklärt, gingen Experten davon aus, dass "künftig manganreichere Zellchemien die nickelreiche Generation ablösen werden." Ebenso sind laut Studie Titan, Nickel, Aluminium und Kupfer vier Rohstoffe, die einen hohen Stellenwert für die Metall- und Elektroindustrie, den Fahrzeugbau beziehungsweise den Leichtbau haben. 

Märkte, Wettbewerb und Recyclingkonzepte stärken

Um diese Abhängigkeit und die daraus entstehenden Risiken zu vermindern, rät die Studie zur Diversifikation der Rohstoffquellen, eine ressourcenschonende Produktgestaltung, die immer stärkere Nutzung von Sekundärrohstoffen und – wo möglich – die Entwicklung eines heimischen Rohstoffangebots.

Zudem fordert die vbw angesichts der Studienergebnisse mehr Ambition für eine zukunftsfähige, wettbewerbstaugliche und nachhaltige Rohstoffversorgung. Dazu brauche es den Erhalt und die weitere Öffnung von internationalen Märkten sowie gleichwertige Wettbewerbsbedingungen. vbw-Hauptgeschäftsführer Brossardt erklärt: "Die Rohstoffeffizienz und -substitution muss vorangetrieben werden. Zudem ist es notwendig, mehr Sekundärrohstoffe durch die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft zu gewinnen“.

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