In diesem Artikel wird die simulationsgestützte Designoptimierung von miniaturisierten kalorimetrischen Windsensoren hinsichtlich der Reduktion des Winkelfehlers untersucht. Im ersten Schritt wird gezeigt, warum die naheliegende, einfache Zusammenfassung von zwei orthogonal angeordneten länglichen Strömungssensoren auf einer einzelnen Membran keine gute Lösung ist und welche Nachteile sich daraus ergeben. Im zweiten Schritt wird ein neues Sensordesign mithilfe von FEM-Simulationen so evaluiert und optimiert, dass sich ein Winkelfehler von weit unter 1° ergibt. Auf Basis von diesem Design wurde ein mikromechanischer thermischer Strömungssensor gefertigt und messtechnisch charakterisiert. Die Unzulänglichkeiten des verwendeten Messaufbaus verursachen eine Störung des Fluidflusses in bestimmten, beschränkten Winkelbereichen, was einen erhöhten Winkelfehler bedingt. In den ungestörten Bereichen liegt der Winkelfehler im Rahmen der Messgenauigkeit, was den Erfolg der Optimierungsmethode unterstreicht.
Notes
T. Sauter ist OVE-Mitglied.
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
1 Einleitung
Anfang der 1970er-Jahre wurde auf Initiative des kürzlich verstorbenen Professor Fritz Paschke [1] mit der Planung und Einrichtung eines Hochtechnologielabors an der damaligen Fakultät für Elektrotechnik und Maschinenwesen1 der Technische Hochschule Wien begonnen, welches am 13. März 1974 feierlich eröffnet wurde. Ursprünglich war dieses Labor zur Fertigung von Halbleiterbauelementen (z. B. Gunndioden [2]) vorgesehen, jedoch verschob sich im Laufe der Jahre der Fokus der Laboraktivitäten immer mehr in Richtung Prozessentwicklung zur Herstellung und Erforschung neuartiger Mikrosensoren. Das Labor wurde über Jahrzehnte hinweg adaptiert, modernisiert und erweitert, und bildet heute noch den zentralen Bestandteil der technologischen Infrastruktur am Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der Technischen Universität Wien. Eine der großen Errungenschaften der Forschungsaktivitäten in diesem Labor war die Entwicklung und Optimierung eines Hochvakuum-Aufdampfprozesses zur Herstellung von miniaturisierten Dünnfilmtemperatursensoren aus amorphem Germanium (aGe) [3]. Diese Temperatursensoren zeichnen sich durch elektrisch rauscharmes Verhalten und einen großen, negativen Temperaturkoeffizienten (NTC) von etwa −2 %/K aus, was um einen Faktor 5 höher ist als bei den meisten metallischen Widerständen. Nachteilig ist jedoch ihre nichtlineare Temperaturcharakteristik, wodurch Sensorsysteme, die solche Thermistoren beinhalten, in der Regel von den Schwankungen der Umgebungstemperatur abhängig sind [4]. Parallel dazu wurde ein Niedertemperatur-Prozess für die plasmaunterstützte chemische Gasphasenabscheidung (Plasma Enhanced Chemical Vapor Deposition, PECVD) entwickelt, mit dem mechanisch spannungsarme Dünnschichten aus Siliziumnitrid (SiNx) gefertigt werden können. Dieses PECVD-SiNx wird einerseits als Passivierungsschicht für das aGe eingesetzt und erlaubt andererseits die Herstellung von mechanisch robusten, (sub‑)mikrometerdicken Dünnschichtmembranen mit geringer thermischer Leitfähigkeit (unter 1 W/(Km), [5]). Bedingt durch die geringe thermische Masse dieser Membranstrukturen ergibt sich eine exzellente thermische Entkopplung zwischen den Temperatursensoren auf der Siliziumnitrid-Membran und dem die Membran tragendenden Sensorchip aus Silizium. Anfangs wurden die aGe Schichten als Temperaturfühler in Sonden für neurophysiologische Gewebeuntersuchungen eingesetzt, da sich gezeigt hat, dass Temperaturschwankungen im Gewebe erhebliche Änderungen der Zellmembraneigenschaften von Nervenzellen bewirken können [6]. Die Basistechnologie aus aGe Temperatursensoren und PECVD-SiNx Membranen bildete später die Grundlage für zahlreiche am Institut hergestellte thermische Mikrosysteme (micro-electro-mechanical systems, MEMS), wie Bolometer oder thermische Impedanzspektrometer, welche sich allesamt durch kurze thermische Ansprechzeiten und hohe Empfindlichkeiten (unter idealen Bedingungen bis zu 10 µK) auszeichnen [7, 8]. Im Bereich mikromechanischer Strömungssensoren wurde eine Vielzahl verschiedenster Heißfilmanemometer, klassischer kalorimetrischer (1D) Strömungssensoren und kalorimetrischer (2D) Windsensoren entwickelt, gefertigt und untersucht [9‐11].
Der vorliegende Artikel widmet sich der simulationsgestützten Optimierung des Sensordesigns von Windsensoren mit dem Ziel den real auftretenden Winkelfehler bei der Bestimmung der Strömungsrichtung möglichst zu minimieren. Im ersten Teil wird kurz umrissen wie durch Verknüpfung des Layouts zweier 1D Strömungssensordesigns ein einfacher (2D) Windsensor realisiert werden kann und welche Nachteile sich bei diesem simplen Design ergeben. Im zweiten Teil dieser Arbeit wird mit Hilfe von computernumerischen Simulationen versucht optimale Designentwürfe für das Windsensorlayout im Hinblick auf Winkelfehlerminimierung zu erzielen. Im letzten Teil wird solch ein optimierter Prototyp messtechnisch charakterisiert und in Bezug auf die simulationstechnisch prognostizierten Kennwerte evaluiert.
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2 Motivation
Thermische Strömungssensoren bestehen aus der Kombination von mindestens einer Wärmequelle mit mindestens einem Temperatursensor [12]. Den einfachsten Aufbau eines thermischen Strömungssensors stellt das sogenannte Hitzdrahtanemometer2 dar. Bei diesem fungiert ein Heizdraht gleichzeitig als Wärmequelle und als Temperatursensor, wobei die strömungsabhängige Abkühlung des Heizdrahts durch Messung seines temperaturabhängigen Widerstands ausgewertet wird und daraus auf Strömungskenngrößen rückgerechnet wird [13]. Im Gegensatz dazu kommen bei kalorimetrischen Strömungssensoren räumlich getrennte Wärmequellen und Temperatursensoren zum Einsatz. Abb. 1 zeigt ein Beispiel für eine miniaturisierte Ausführungsform dieses Sensortyps. Ein Dünnfilmwiderstand aus Chrom im Zentrum der Anordnung dient als Wärmequelle. Symmetrisch dazu sind jeweils zwei Dünnfilmthermistoren aus aGe als Temperaturfühler angeordnet. Diese Bauelemente sind in eine etwa 1,5 µm dünne Membran eingebettet, die eine rechteckige Öffnung am Siliziumchip überspannt. Zwei weitere Thermistoren liegen am Si-Substrat. Sie dienen zur Messung der Chiptemperatur [14].
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Die genaue Funktionsweise des Sensors ist am einfachsten anhand des in Abb. 2a dargestellten Querschnitts zu verstehen. Die vier Membranthermistoren R1–R4 werden zu einer Messbrücke elektrisch verbunden, deren Schaltplan in Abb. 2b illustriert ist. Versorgt man die Brücke mit konstanter Spannung U0, so errechnet sich die Brückenspannung aus
Ohne Strömung entsteht um den Heizer (H) eine symmetrische Temperaturverteilung und die beiden „inneren“ Thermistoren R1 und R2, die näher am Heizer liegen, messen die gleiche Temperatur. Auch die „äußeren“ Thermistoren R3 und R4 befinden sich auf gleicher Temperatur. Deswegen ist die Brücke ausgeglichen und die Spannung UB geht gegen Null. Ein entlang der Chipoberfläche strömendes Fluid verzerrt durch den konvektiven Wärmetransport das symmetrische Temperaturfeld. Der stromaufwärts liegende Membranteil wird dabei intensiver abgekühlt, sodass der Widerstand der Thermistoren R2 und R3 stärker ansteigt (aufgrund des negativen Temperaturkoeffizienten) als von den stromabwärts liegenden Thermistoren R1 und R4. Als Resultat steigt auch die Brückenspannung UB. Die Strömung erfolgt parallel zur Sensoroberfläche, wobei die Richtung so gewählt wird, dass sich ein maximales Ausgangssignal ergibt. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Strömung senkrecht auf die Längsrichtung der Thermistoren auftritt (x-Richtung in Abb. 1).
Bei diesem Betriebsmodus wird die Versorgungspannung U0 so niedrig gewählt, dass der elektrische Strom durch die Messbrücke I0 keine nennenswerte Selbsterwärmung der Thermistoren verursacht. Es gibt aber noch einen weiteren Betriebsmodus, bei dem genau dieser Effekt ausgenutzt wird. In diesem alternativen Betriebsmodus wird der Heizer ausgeschaltet und die Brücke mit konstantem, elektrischem Strom I0 versorgt, d. h. die Wärmezufuhr erfolgt durch Selbsterwärmung der Thermistoren. Dadurch wird gegenüber dem Betriebsmodus mit dem Heizer eine erhöhte Sensitivität des Ausgangssignals (Brückenspannung) erreicht. Als Nachteil erweist sich die starke Abhängigkeit des Ausgangssignals von den Schwankungen der Umgebungstemperatur. Mehr Details über verschiedene Betriebsmodi dieses Sensors kann man in [15] finden.
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Untersucht man die Abhängigkeit der Brückenspannung von der Anströmrichtung (unabhängig von dem jeweiligen Betriebsmodus), so ergibt sich eine Winkelabhängigkeit, die näherungsweise durch eine Cosinusfunktion approximiert werden kann UB ∝ v ∙ cos(φ) [16]. Hier bezeichnet v den Betrag der Strömungsgeschwindigkeit und φ beschreibt den Winkel zwischen der Strömungsrichtung und der x-Achse. Soll die Strömungsrichtung in der Ebene ebenfalls gemessen werden, dann stellt die in Abb. 3a skizzierte Sensoranordnung, bestehend aus zwei zueinander orthogonal positionierten Einzelsensoren, die naheliegendste Lösung dar. Aus den jeweiligen Ausgangsspannungen kann man die Strömungsrichtung und den Betrag der Strömungsgeschwindigkeit berechnen [17, 18].
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Nachteilig bei dem Konzept aus Abb. 3a ist, dass stets zwei Strömungssensoren eingesetzt und ausgewertet werden müssen. Es liegt daher nahe, neue Sensordesigns zu entwerfen, bei denen alle für die Ermittlung der Strömungsrichtung notwendigen Sensorelemente in einer einzigen Membran eingebettet sind. Abb. 3 verdeutlicht, wie bei dieser Entwicklung vorgegangen wird. Im ersten Schritt werden zwei Sensoren orthogonal zueinander positioniert (Abb. 3a). Die Konfiguration ihrer Dünnschichtelemente (Thermistoren und gegebenenfalls auch Heizer) wird dann auf eine große quadratische Membran übertragen, so dass eine drehsymmetrische Struktur entsteht, die nach einer Drehung um 90° auf sich selbst abgebildet wird (Abb. 3b). Der Winkelfehler, der sich bei der Bestimmung der Strömungsrichtung mit solchen Ad-hoc-Strukturen ergibt, liegt in der Größenordnung von einem Grad. Daher wird in einem zweiten Schritt versucht, das Ad-hoc-Layout soweit zu modifizieren, dass der Winkelfehler minimiert wird (Abb. 3c). Dieser kann mittels Simulationen mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) abgeschätzt werden [19]. Auf diese Weise ergibt sich eine Reihe von Designentwürfen, von denen einige in Abb. 4 dargestellt sind.
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3 FEM Modellierung
Mit state-of-the-art FEM-Simulationsprogrammen wie COMSOL Multiphysics® lassen sich gekoppelte physikalische Vorgänge simulieren. Das ermöglicht eine valide Abschätzung des Einflusses bestimmter Betriebsparameter auf das Sensorausgangssignal. Insbesondere können damit zeitsparend die Auswirkungen von Geometrieänderungen untersucht werden, ohne dass für jedes Design dezidierte Prototypen gefertigt werden müssen. Im Folgenden wird demonstriert wie man mittels FEM Simulationen von einem einfachen Ad-hoc-Design zu einem optimierten Entwurf gelangt.
Abb. 5 zeigt das Ad-hoc-Layout des Sensors. Zwei Strukturen bestehend jeweils aus vier Thermistoren und zwei Heizelementen sind orthogonal zueinander in einer Membran eingebettet. Die acht aGe-Thermistoren bilden zwei Wheatstone-Brücken, die mit konstanter Spannung U0 versorgt werden. Wenn die Sensoren wie in Abb. 5 dargestellt zusammengeschaltet werden, so ergeben sich die Brückenspannungen zu (vergleiche hierzu Gl. 1)
Aufgrund der räumlichen Orthogonalität beider Teilstrukturen sind die Brückenspannungen proportional zu den jeweiligen Komponenten des Geschwindigkeitsvektors (vx bzw. vy). Der Winkel zwischen der Strömungsrichtung und der x-Achse (Azimutalwinkel) kann über
berechnet werden. In Gl. 3 wird der begrenzte Wertebereich vom Arkustangens (−π/2 ≤ arctan(φ) ≤ π/2) durch die Addition eines Korrekturwinkels ξ berücksichtigt, dessen Wert vom Vorzeichen der Ausgangsspannungen abhängt. Der Betrag des Strömungsvektors \(\left| \overrightarrow{v}\right|\) folgt ebenfalls aus den Brückenspannungen
sowie der Funktion \(\left| \overrightarrow{v}\right| =f^{-1}\left(\left| U_{\mathrm{B}}\right| \right)\), die experimentell ermittelt werden muss.
In Abb. 6 ist ein 3D-FEM Simulationsergebnis des Ad-hoc-Layouts aus Abb. 5 beispielhaft dargestellt. Um die Anzahl der FEM-Gitterelemente, und somit Speicherbedarf und Rechenzeit in Grenzen zu halten, mussten mehrere Vereinfachungen unternommen werden. Das Modell berücksichtigt nur einen zylinderförmigen Ausschnitt des Sensors und des darüber liegenden Strömungskanals mit einem Durchmesser von 2,4 mm und einer Höhe von 1 mm. Der Einfluss der Thermistorelektroden, sowie Anschlussleitungen wurden vernachlässigt. Die Dicke aller Dünnschichtelemente (Heizer, Thermistoren sowie Membran) wurde mit einem Faktor 20 skaliert. Dies erleichtert enorm die Erstellung des FEM-Gitters (Meshing), bedeutet aber, dass die thermischen Parameter laut den Skalierungsgesetzen ebenfalls angepasst werden müssen, um die gleichen Ergebnisse wie im unskalierten Originalmodell zu erhalten [19]. Das angenommene, laminare Strömungsprofil im Kanal ähnelt einem Paraboloid, sodass die Geschwindigkeit an den Grenzflächen null ist (Haftbedingung) und ihren maximalen Wert in der Mitte des Kanals erreicht [20]. Alle Grenzflächen, bis auf die Ein- und Auslassflächen für das Fluid, liegen auf Umgebungstemperatur, die in unserem Modell der Fluidtemperatur entspricht. Die Ein- und Auslassflächen des Modells werden als Grenzfläche mit konvektivem Wärmefluss modelliert. Der pyramidenstumpfartige Bereich unter der Sensormembran ist mit ruhendem Fluid (Stickstoff) ausgefüllt.
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Die Temperaturabhängigkeit eines aGe-Thermistors lässt sich gut durch den exponentiellen Verlauf
approximieren, wobei R0 den Thermistorwiderstand bei 0 °C, α = −0,02/K den Temperaturkoeffizienten, TU die Umgebungstemperatur und ∆Ti die Übertemperatur des jeweiligen Thermistors (bezogen auf TU) darstellen [4]. Die FEM Simulationen liefern einen Temperaturwert für jeden Aufpunkt des Modells. Daraus können mittlere Thermistortemperaturen Ti durch numerische Integration über die Thermistorflächen gewonnen werden. Mit Gl. 2 und 5 ist es somit möglich die Brückenspannung in Abhängigkeit der Strömungsrichtung und -geschwindigkeit zu berechnen.
Nimmt man eine konstante über den Kanalquerschnitt gemittelte Geschwindigkeit an und ändert den Azimutalwinkel φ im Bereich von 0 bis 360°, so ergeben sich die in Abb. 7a dargestellten Ausgangskennlinien [16]. Aufgrund der Drehsymmetrie können UBX und UBY sehr gut durch Kosinus- beziehungsweise Sinusfunktion angenähert werden (strichliert als Sollverlauf eingezeichnet). Setzt man die errechneten Werte der Brückenspannungen in Gl. 3 ein, ergibt sich der simulierte Winkel φSIM, welcher vom tatsächlichen Azimutalwinkel φ nur geringfügig abweicht. Der Winkelfehler φSIM − φ ist in Abb. 7b dargestellt. Der Verlauf in Abhängigkeit vom Azimutalwinkel φ ist periodisch (mit der Periode von 90° aufgrund der 4‑zähligen Drehsymmetrie) und liegt leicht unter 1°.
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Eine weitere Reduktion des Winkelfehlers lässt sich durch Optimierung der Thermistorgeometrie erzielen. Die in Abb. 8a gezeigte, dreieckige Form der Thermistoren hat sich als günstig erwiesen, wobei die Abmessungen so gewählt wurden, dass die Thermistoren den größtmöglichen Anteil der Membranfläche belegen. Computernumerische Simulationsergebnisse der Temperaturverteilung an der Membranoberfläche sind in Abb. 8b illustriert. Analog zum Ad-hoc-Design, wurde auch in diesem Fall die Abhängigkeit der Brückenspannungen von der Strömungsrichtung bei konstanter Geschwindigkeit untersucht. Da die 4‑zählige Drehsymmetrie beim optimierten Layout erhalten geblieben ist, hat sich der qualitative Verlauf des Winkelfehlers im Vergleich zu jenem aus Abb. 7b nur geringfügig geändert. Der maximale Winkelfehler jedoch ist kleiner als ein Fünftel des Fehlers vom Ad-hoc-Design aus Abb. 5 und liegt unter 0,2° [16].
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Auf die oben geschilderte Weise wurden weitere Designentwürfe (siehe Abb. 4) simuliert, und hinsichtlich des zu erwartenden Winkelfehlers evaluiert. Als Ergebnisse dieser Simulationsreihe haben sich drei Layouts als besonders günstig herausgestellt. Diese wurden nach den in [4, 5] beschriebenen mikrotechnologischen Prozessschritten im Labor hergestellt. In Abb. 9 sind Mikroskopaufnahmen der gefertigten Sensorlayouts zu sehen.
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4 Messungen
Zur Charakterisierung der Winkelabhängigkeit wurde eine spezielle Einrichtung entwickelt [11, 21], die in Abb. 10a dargestellt ist. Elektrische Verbindungen zwischen dem Sensorchip und einer tragenden Leiterplatte wurden durch Drahtbonden hergestellt und die feinen Golddrähte abschließend mit Epoxidharz geschützt (Abb. 10b). Der Sensorchip ist bündig in der Mitte eines Aluminiumtellers eingebaut, welcher den Boden eines Strömungskanals bildet. Der rechteckige (12 mm breite und 1 mm hohe) Kanal wurde durch Fräsen einer 85 mm langen Vertiefung in einer transparenten Acrylglas-Scheibe erzeugt. Am Anfang und Ende der Vertiefung sind Durchführungen für den Zu- und Abfluss angebracht. Indem die Scheibe auf den Teller gelegt und die Gleitfläche mit einem Vakuumfett abgedichtet wird, entsteht über der Sensoroberfläche ein drehbarer Strömungskanal, dessen Ausrichtung mit einer Genauigkeit von etwa ±1° einstgestellt werden kann.
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Die Leiterplatte befindet sich in einem Schlitz unter dem Aluminiumteller und wird von einer weiteren Aluminiumscheibe unterstützt. Die ganze Anordnung bestehend aus der unteren Aluminiumscheibe, dem Aluminiumteller und der oberen Acrylglas-Scheibe wird mit Befestigungsringen und Schrauben zusammengehalten (Abb. 10a).
Der beschriebene Aufbau eignet sich gut für die Messung von Gasströmungen. Die Verluste, die durch das Ausweichen des Gases an den Fugen entstehen, werden durch sorgfältiges Abdichten mit dem Vakuumfett minimiert. Als Testfluid wird Stickstoff eingesetzt und der Volumenstrom über einen computergesteuerten Regler eingestellt. Darüber hinaus steuert ein Computer einerseits das Auslesen der Digitalmultimeter, welche die Brückenspannungen messen, und andererseits die Speicherung, Mittelung und graphische Darstellung der Ergebnisse. Im Folgenden wird die Charakterisierung des Windsensorlayouts mit dreieckigen Thermistoren beispielhaft behandelt (vergl. Abb. 8a sowie die erste Struktur in Abb. 9). Die beiden anderen Strukturen aus Abb. 9 liefern ähnliche Ergebnisse.
Für die Aufnahme der Winkelabhängigkeit der Brückenspannungen (Richtcharakteristik) wird eine konstante mittlere Strömungsgeschwindigkeit gewählt und die Strömungsrichtung in 5°-Schritten geändert. Die Brückenspannungen sind typischerweise mit einem kleinen Offset belegt, der durch verschiedene Ursachen zustande kommt. Gründe hierfür sind zum Einen die Exemplarstreuungen der Thermistoren und zum Anderen die Abweichung von der Symmetrie, die während des Herstellungsprozesses durch Maskenversatz entsteht. Der jeweilige Offset muss am Anfang der Charakterisierung ermittelt und von den später aufgenommenen Messwerten abgezogen werden.
Abb. 11 zeigt die aufgenommene Richtcharakteristik bei einer mittleren Strömungsgeschwindigkeit von 1 m/s. Das Diagramm entsteht, indem man für jeden Wert des Azimutalwinkels φ die offsetbereinigte Brückenspannung UBX auf die Abzisse und die offsetbereinigte Brückenspannung UBY auf die Ordinate einträgt. Im Idealfall, wenn die Winkelabhängigkeit der Brückenspannungen durch Cosinus- beziehungsweise Sinusfunktion wiedergeben werden kann (vergl. Abb. 7a), ergibt sich daraus eine kreisförmige Charakteristik, deren Radius von der mittleren Strömungsgeschwindigkeit abhängt (blauer Kreis in Abb. 11). Die leichte Abweichungen der jeweiligen Messpunkte von diesem idealen Verlauf deuten auf einen Winkelfehler hin. Der gemessene Azimutalwinkel φMES ergibt sich, in dem die Messwerte für UBX und UBY in Gl. 3 eingesetzt werden.
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Die Differenz zwischen dem gemessenen und dem tatsächlichen Azimutalwinkel φMES − φ ist in Abb. 12 dargestellt. Der maximale Winkelfehler beträgt etwa 4°, was sehr viel höher ist als durch FEM-Simulationen prognostiziert. Der höchste Fehler wird in der Umgebung von 45° bzw. 225° des Azimutalwinkels erreicht. Die Periodizität von 180° deutet darauf hin, dass es sich um einen systematischen Fehler handelt. Grund dafür sind Erhebungen aus Epoxidharz, mit dem die feinen Bonddrähte geschützt werden (vergl. Ausschnitt in Abb. 10b). Diese ragen in den Strömungskanal hinein und stören so die laminare Gasströmung [22]. Der kleinste Fehler ergibt sich im Bereich um 90° bzw. 270°. In diesem Fall erfolgt die Strömung entlang der y-Achse zwischen den Erhebungen, sodass der Fluidfluss am wenigsten gestört wird. In diesem Bereich liegt der Winkelfehler nahe null und wird nur durch die Genauigkeit der Messeinrichtung bedingt.
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Eine Verringerung des Winkelfehlers wäre durch die Implementierung von Silizium-Durchkontaktierung (TSV: through-silicon via) möglich. Die vertikalen elektrischen Verbindungen aus Metall durch das Silizium-Substrat würden die Kontaktierung auf der Rückseite des Chips ermöglichen. Dadurch wäre die Schutzschicht aus Epoxidharz obsolet und eine perfekte Integration des Sensorchips in den Boden des Strömungskanals möglich (vergl. Ausschnitt von Abb. 10b), sodass der Fluidfluss nicht mehr gestört würde.
5 Zusammenfassung
Miniaturisierte thermische Strömungssensoren mit schmalen, langgezogenen Thermistoren aus amorphem Germanium weisen eine Strömungsrichtungsabhängigkeit auf, die sehr gut durch eine Cosinusfunktion approximiert werden kann. Für die Bestimmung der Strömungsrichtung könnten zwei zueinander orthogonal positionierte Sensoren eingesetzt werden, was aber auch Nachteile mit sich bringt. Alternativ, lassen sich die Schlüsselelemente (Thermistoren und Heizer) dieser beiden Sensoren in einen einzigen Sensorchip integrieren. Die Windsensoren mit solch einem Ad-hoc-Layout weisen jedoch einen erhöhten Winkelfehler auf. Durch FEM-Simulationen lassen sich optimale Layouts entwerfen und der Winkelfehler stark reduzieren. Der Erfolg dieses Konzepts wurde anhand einiger praxisnaher Beispiele demonstriert. Die guten Simulationsergebnisse konnten jedoch nicht im vollen Umfang (im gesamten 360° Winkelbereich) durch die Messungen bestätigt werden. Grund dafür sind die Unzulänglichkeiten des verwendeten Messaufbaus, die eine Störung des Fluidflusses in bestimmten, beschränkten Winkelbereichen verursachen. Für jene Strömungsrichtungen, bei denen der Fluidfluss nur geringfügig beeinflusst wird, liegt der Winkelfehler jedoch unter 1° und wird somit nur durch die Messgenauigkeit bedingt. Dies spiegelt die Simulationsergebnisse wider und bestätigt, dass die vorgestellte Methode zur Designoptmierung mittels FEM-Modellierung sich sehr gut zur Minimierung des Winkelfehlers eignet.
Danksagung
Diese Arbeit wird in Dankbarkeit dem Andenken an Professor Paschke (02.03.1929–29.03.2022) gewidmet. Es ist seinem Weitblick und seiner Personalführung zu verdanken, dass es bis heute am Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien die oben erwähnte Hochtechnologie-Einrichtung für anspruchsvolle Forschungsarbeiten gibt. Nur auf dieser Grundlage konnten die in dieser Arbeit beschriebenen Windsensoren hergestellt werden. Des Weiteren möchten wir an dieser Stelle Dr. Artur Jachimowicz danken. Die technologischen Prozessschritte für die Fertigung der aGe Schichten wurden von ihm entwickelt und über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg optimiert und bis in letzte Details perfektioniert.
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