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11-03-2014 | Social Media | Interview | Article

"Die Krise ist nicht vorhersehbar"

Author: Andrea Amerland

3:30 min reading time

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Shitstorms kommen und gehen. Doch der Reputationsschaden bleibt. Springer-Autor Lorenz Steinke erklärt im Interview, wie Sie in der Krise richtig kommunizieren.

Springer für Professionals: Ein Shitstorm von Veganern wegen eines Wurst-Werbespots, der Absturz der Apple-Aktie, nachdem ein Gerüchteportal im Internet irrtümlich den Tod des Vorstandschefs meldet: Kann man sich als Unternehmen heute überhaupt noch auf alle denkbaren Krisenszenarien vorbereiten?

Lorenz Steinke: Es ist richtig, die Bandbreite der Unternehmens- und Kommunikationskrisen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Es sind ganz neue Formen hinzugekommen, die noch vor ein paar Jahren unvorstellbar waren. Der Investor Warren Buffet hat mal gesagt: "Es dauert zehn Jahre, einem Unternehmen ein positives Image zu verleihen, aber nur zehn Sekunden, dieses zu verlieren.“ Diese Wahrheit ist heute aktueller denn je. Dank Internet und Social Media sind viele neue Geschäftsmodelle und Vertriebswege entstanden. Aber natürlich kann ein Unternehmen über die selben Kanäle auch in Sekundenbruchteilen seinen Ruf verspielen. Und oft merken die Verantwortlichen dies erst, wenn es schon längst zu spät ist.

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Sie raten Unternehmen also, sich auf Krisen vorzubereiten, die gar nicht vorhersehbar sind?

Die Krise ist nicht vorhersehbar, aber vieles an ihrem Verlauf durchaus. Erfahrene Pressesprecher wissen, wie Medien Krisenthemen recherchieren oder welche berechtigten Fragen und Anliegen Kunden und Anleger in der Krise haben. Viele Journalisten arbeiten gerade bei Krisenthemen nach standardisierten Verfahren – wenn man diese Verfahren kennt und richtig damit umgeht, kann man die Krise im Idealfall schon zu Beginn entschärfen.

Was gehört denn zu einer guten Vorbereitung auf unbekannte Krisen?

Noch immer haben viele Unternehmen ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Zu einer guten Krisenvorbereitung gehören regelmäßige Krisenübungen und das Vorbereiten von Presseinformationen zu Gefahrenthemen. Wichtig sind außerdem Medientrainings für Führungskräfte. Wer sich ungeübt im Interview grillen lässt und vor der Kamera herumstottert oder sogar seine Kunden beschimpft, gießt noch Öl ins Feuer. Daneben werden auch Dark Sites immer wichtiger: Das sind vorbereitete Inhalte für die Unternehmens-Website, die man im Krisenfall schnell online stellen kann. Hier finden Kunden beispielsweise Behörden- oder Notfalltelefonnummern oder Warnhinweise bei einem Produktrückruf oder bei einem Unfall am Unternehmensstandort.

Wird der Pressesprecher von heute damit zum Feuerwehrmann, der von Krisenherd zu Krisenherd eilt?

Nein, gute Unternehmenskommunikation setzt schon vor der Krise an. Kluge Unternehmen betreiben Issue Management. Sie beobachten, welche Themen die Öffentlichkeit beschäftigen, nehmen hierzu Stellung und erkennen auch rechtzeitig, wenn einzelne Themen eine Gefahr für das Unternehmen werden. Immer mehr Kunden interessieren sich heute beispielsweise dafür, ob die Waren die sie kaufen, unter fairen und möglichst umweltverträglichen Bedingungen hergestellt werden. Wer das als Unternehmen nicht erkennt oder nicht akzeptieren will, wird zu Recht Opfer eines Shitstorms oder eines Verbraucherboykotts.

Gibt es eine einfache Regel, die in jeder Krise gilt?

Die wichtigste Regel lautet: Nicht kommunizieren ist fast immer die schlechteste Lösung. Damit sind schon viele Krisen verschärft worden. Die Krise einfach aussitzen – das funktioniert nicht mehr. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé musste diese Erfahrung machen, nachdem Greenpeace im Internet auf den Zusammenhang zwischen dem für Kit-Kat-Schokoriegel verwendeten Palmöl und dem Aussterben von Orang-Utans auf Borneo aufmerksam gemacht hatte. Nestlé hatte zunächst versucht, Greenpeace zum Schweigen zu bringen, die Krise damit aber nur verschärft. Am Ende hat der Konzern eingelenkt und sich eine neue Social-Media-Strategie gegeben. Vor allem aber hat Nestlé seine Produktion umgestellt und den Palmöl-Lieferanten gewechselt. Denn auch die beste Krisenkommunikation hilft nichts, wenn ein Unternehmen seine Fehler nicht erkennen will und nicht daraus lernt.

Zur Person

Der Journalist und Kommunikationsberater Lorenz Steinke hat viele Jahre als Leitender Redakteur bei Axel Springer gearbeitet und war zuletzt Pressesprecher eines DAX-Konzerns. Jetzt ist er Inhaber einer Kommunikationsagentur.

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